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Veröffentlicht am 23.06.2025

Ein Nebel, der alles verbrennt

Nebel und Feuer
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Wenn alles ohne Licht und Ausweg scheint und die Verzweiflung Überhand nimmt. So geht es Johaenne nach einer langen, unglücklichen Partnerschaft – die sie schließlich auf den Fenstersims ihres Wohnzimmers ...

Wenn alles ohne Licht und Ausweg scheint und die Verzweiflung Überhand nimmt. So geht es Johaenne nach einer langen, unglücklichen Partnerschaft – die sie schließlich auf den Fenstersims ihres Wohnzimmers katapultiert. Von außen wohlgemerkt. Und die Tiefe verlockend erscheinen lässt, die Furcht vor dieser dann doch siegt. Und damit das Leben vor dem Tod.
Was dann folgt, ist zunächst ein zielloses Irren und Ringen um ein Über-Leben und Wiederfinden desselben. Und schließlich ein Kampf um eben dieses. Denn es geschieht etwas. Ein Naturereignis, so unerklärlich wie geheimnisvoll. So furchteinflößend wie faszinierend zugleich. Ein Nebel zieht auf. Legt sich über die Stadt, das Land, die Welt. Lässt Grenzen aufweichen, Regeln und Normen verblassen und Bekanntes aus den Fugen geraten. Und verschluckt. Und zwar Menschen, die in einem Moment noch bei uns sind. Und von denen im anderen jede Spur fehlt.
Doch vermag der Nebel noch mehr. Zumindest für Johaenne und ihre Freundinnen. Er bringt die vier Frauen vor den Toren Berlins zusammen. Und schafft eine Nähe und Vertrautheit, ein Offenbaren und Teilen von Gefühlen, Erlebnissen und Traumata, welche zu tiefer Zuneigung und Verbundenheit führen. Und die Restriktionen, Schmerz und Unterdrückung durch die patriarchalische Gesellschaft und den Mann als Partner, Vater und soziales Wesen zum Ausdruck bringen.
Der Prozess der Sichtbarmachung und Verarbeitung führt schließlich sowohl im Inneren als auch im Außen zu einem Wandel, Loslösung und letztlich Befreiung. Und für Riemann zu einem Roman, der durch seine Vielschichtigkeit der Erzähl- und Deutungsebenen beeindruckt. Und eine Dystopie vor dem Hintergrund der feministischen Denk- und Handlungstheorien entstehen lässt, die fesselt und zugleich nachdenklich macht. Und Bekanntes und Übertragenes in Frage stellt. Und lichterloh verbrennt.

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Veröffentlicht am 09.06.2025

Eine Liebeserklärung an unseren Planeten

Umlaufbahnen
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Die Schönheit der Erde zeigt sich in ihren Pflanzen, Tieren und Menschen, den Formationen aus Wolken, Gestein und Wasser oder eben in vielen Kilometern Abstand. Als Blick auf einen Planeten, der verbindet, ...

Die Schönheit der Erde zeigt sich in ihren Pflanzen, Tieren und Menschen, den Formationen aus Wolken, Gestein und Wasser oder eben in vielen Kilometern Abstand. Als Blick auf einen Planeten, der verbindet, in Staunen versetzt und trotz seiner Beständigkeit sich in einem steten Wandel befindet.
Samantha Harvey hat genau dies mit „Umlaufbahnen“ geschaffen, eine Liebeserklärung an die Erde, die in ihrer Einzigartigkeit unsere Heimat und zugleich bedroht durch ihre Bewohner ist. Und die aufgrund ihrer Form und Eigenschaften selbst ein Ort frei von Trennungen ist, Landmassen und Meere, die ineinander übergehen und die Grenzen und Mauern als das erscheinen lassen, was sie sind. Von Menschen gemacht. Willkürlich. Ausschließend.
Der Blick der sechs Astronauten aus der Raumstation entlang ihrer Umlaufbahn und über Breiten- und Längengrade hinweg ist frei dieser Barrieren, uneingeschränkt und die Erde in ihrer Gesamtheit als unseren gemeinsamen Lebensraum erfassend. Und betrachtend und bestaunend über Stunden, Tage und Wochen hinweg. Meditativ. Die eigenen Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen mit dem verbindend, was sich als stetes Schauspiel durch die Weite und den luftleeren Raum hinweg vor den Sichtfenstern zeigt. Und die Existenz der gesamten Menschheit in das Verhältnis zur Unendlichkeit setzend.
Und ebenso wie sich der Heimatplanet für die sechs Menschen in seiner Umlaufbahn zeigt, entfaltet sich auch Harveys Roman für seine Leser. Die Schönheit der Worte, Bilder und Beschreibungen zieht in einen Bann, der die Welt um einen herum vergessen lässt. Und die Botschaften schreiben sich dabei so subtil und doch mit einer Stärke ein, welche ihrer angemessen ist: Wir leben alle in einer Welt. Und diese Welt gilt es zu erhalten.

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Veröffentlicht am 29.05.2025

Die Abgründe der Liebe

Wut und Liebe
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Ein junger Künstler, talentiert aber erfolglos. Seine schöne Geliebte, ehrgeizig und nach Höherem strebend. In dieser Ausgangslage entrollt sich die neue Geschichte von Martin Suter, eine Konstellation, ...

Ein junger Künstler, talentiert aber erfolglos. Seine schöne Geliebte, ehrgeizig und nach Höherem strebend. In dieser Ausgangslage entrollt sich die neue Geschichte von Martin Suter, eine Konstellation, die schon aufgrund der Zeichnung ihrer Figuren Reibung, Entwicklung und Konflikte verspricht. Und dieses Versprechen einlöst.
Denn Noah ist verzweifelt. Camilla liebt zwar ihn aber nicht das gemeinsame Leben. Sein finanzieller Misserfolg überschattet ihr Glück. Als Camilla ihn schließlich verlässt, ist Noah am Boden zerstört und in seiner Orientierungs- und Haltlosigkeit zu allem bereit, um seine große Liebe zurückzugewinnen. Die Begegnung mit Betty, einer schwerkranken und durchaus vermögenden Witwe, bietet Chance und Wendepunkt in seinem Leben. Doch lassen sich moralische Grundsätze und Werte auch in Zeiten der eigenen Not und Verzweiflung willentlich abstreifen? Und welchen Preis ist Noah bereit zu zahlen?
Was dann folgt, ist ein Suchen und Ringen und eine Irrfahrt der Gefühle. Und letztendlich auch ein Spiel verschiedenster Interessen, in welchem Noah und Camilla zu Schachfiguren und Instrumenten von Rache und Vergeltung werden. Die Wendungen und Enthüllungen sind dementsprechend zahlreich und überraschend. Und der Plot konstruiert mit Scharfsinn und mit viel Humor für die menschlichen Leidenschaften und Abgründe.
„Wut und Liebe“ habe ich für mich gegen „Bewunderung und Anerkennung“ für einen Autor eingetauscht, der mit Intelligenz und Leidenschaft erzählt, Figuren zum Leben erweckt und Geschichten mit Tiefe und von hohem Unterhaltungswert entwickelt. Nichts ist, wie es scheint – für Noah und Camilla. Neu und verlässlich – so erfüllt dagegen Suter unsere Erwartungen.

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Veröffentlicht am 20.05.2025

Wenn das Büro zu Deinem Albtraum wird

Geht so
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Bitterböse und zum Schreien komisch. Und dabei erschreckend treffsicher. Denn „Geht so“ legt den Finger in die Wunde des Büroalltags, der Angestellten größerer Unternehmen und der Management- und Leitungsebene. ...

Bitterböse und zum Schreien komisch. Und dabei erschreckend treffsicher. Denn „Geht so“ legt den Finger in die Wunde des Büroalltags, der Angestellten größerer Unternehmen und der Management- und Leitungsebene. Und überzeichnet dabei so spitz und mit viel Humor und Augenzwinkern, dass Lachen befreiend wirkt. Und kaum schmerzt in diesem Moment.
Marisa ist Kreativdirektorin einer Werbeagentur in Madrid und desillusioniert von Beruf und Leben. Ihren immer gleichen Alltag steht sie ausschließlich mit Drogen und Alkohol und der Aussicht auf einen möglichst frühen Feierabend durch. Und dank ihrer perfektionierten Strategie, den Anschein von Geschäftigkeit und Professionalität zu erwecken, entflieht sie über Stunden der Realität mit YouTube-Videos und tauscht an ihrem Schreibtisch die bedrückende Realität gegen kurzweilige Ablenkung und eine Scheinwelt aus Glamour und Abgründen.
Einzig die Affaire mit ihrem Nachbarn Pablo bringt etwas Abwechslung in ihre Tristesse sowie das Wiedersehen mit ihrer ehemals besten Freundin Elena – inzwischen operierte Hollywoodschönheit, die von dem Geld ihrer Liebhaber ein Leben in Luxus und Sorglosigkeit führt.
Marisas fragiles Gleichgewicht gerät endgültig ins Wanken als das lang geplante Teamevent ansteht – fernab vor den Toren Madrids und randvoll mit Begegnungen und Erwartungen. Ausgerüstet mit verschiedenen Pillen und Pulvern ist Marisa bereit, dem Grauen betäubt entgegenzutreten und so den 48 Stunden des Schreckens ins Gesicht zu sehen. Doch viel hilft nicht immer viel, und der Abend bringt schicksalhafte Wendungen und Entscheidungen.
Beatriz Serrano hält uns braven Büroangestellten den Spiegel vor. Doch zum Glück ist es ein Zerrspiegel, dessen Bild nicht schreckt sondern vielmehr wunderbar amüsiert. Und erleichternd und verbündend wirkt in dem Gedanken, Marisa so gar nicht ähnlich zu sein. Und wenn nur ein bisschen.

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Veröffentlicht am 16.05.2025

Vier Frauen, vier Leben, ein großer Roman

Dream Count
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Was ist es, was Gemeinsamkeit im Leben schafft? Was trennt, verbindet und begleitet über Jahre und Jahrzehnte hinweg? Und was Kontinente nur einen Herzschlag entfernt erscheinen lässt? Der uns nah sein ...

Was ist es, was Gemeinsamkeit im Leben schafft? Was trennt, verbindet und begleitet über Jahre und Jahrzehnte hinweg? Und was Kontinente nur einen Herzschlag entfernt erscheinen lässt? Der uns nah sein lässt. Wie mit seinem Lieblingsmenschen gleich von nebenan und Hand in Hand.
„Dream Count“ ist aufregend und so sehr faszinierend. Denn der Roman gibt uns Einblicke, ein Einfühlen und Verstehen in ein Beziehungsgeflecht von vier Frauen. Von vier sehr eigenen Persönlichkeiten. Vier Leben, die ineinander verwoben sind. Und dabei ist das Band, was sie verbindet, mal dick und beständig. Und dann wieder flüchtig und porös. Und reißt doch nie ab.
Vor allem übersteht es ein Streben, Ziehen und Zerren in ganz unterschiedliche Richtungen, immer den eigenen Hoffnungen und Träumen, den eigenen Sehnsüchten und dem Suchen hinterher. Und dass auf Kontinenten und in Ländern Männer das Ziel des eigenen Verlangens zu sein scheinen, mag nicht erstaunlich sein. Doch ist es ebenso die berufliche Erfüllung, die lockt. Oder die wissenschaftliche Bildung und Forschung im akademischen Kreise. Wir können uns gesehen fühlen, liebe Frauen!
Und doch ist es ein Schicksal, das besonders das Herz rührt. Das heraussticht und zugleich im Zentrum des gemeinsamen Geflechts steht. Und letztendlich im Lockdown der Pandemie alle zusammen in die Videokonferenzen , in ein gemeinsames Sprechen, Hoffen und Bangen bringt. Und schließlich den Glauben an Gerechtigkeit für einen Moment verlieren und ein Scheitern im Angesicht männlicher Machtpositionen eingestehen lässt. Im Nachwort allerdings zu erfahren, dass es sich bei aller Fiktion hierbei um ein reales Schicksal, tatsächlich erfahrenes Leid handelt, gibt der Geschichte eine zusätzliche Dimension. Eine Bedeutung, die sich in den Köpfen festsetzt.
Voller Aufregung und grenzenloser Vorfreude das neue Werk einer der ganz großen Autorinnen in den Händen zu halten, kann einen Roman unter Druck und Zugzwang setzen. So nicht „Dream Count“, der all meine Erwartungen lässig erfüllt. Und Nähe und Gemeinsamkeit über hunderte von Buchseiten entstehen lässt.

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