Starke Kämpferin
Emotional FemaleDas Buchcover gefällt mir nicht sehr gut. Ich finde es relativ nichtssagend. Den Titel finde ich gut gewählt. Das Buch ist in 4 Teile auf insgesamt 443 Seiten aufgegliedert, die sich an die verschiedenen ...
Das Buchcover gefällt mir nicht sehr gut. Ich finde es relativ nichtssagend. Den Titel finde ich gut gewählt. Das Buch ist in 4 Teile auf insgesamt 443 Seiten aufgegliedert, die sich an die verschiedenen Stationen in ihrem Leben orientieren; ihr Studium, ihre Zeit als Ärztin im Praktikumsjahr, ihre Zeit als Assistenzärztin und ihre Lehrtätigkeit.
Der erste Teil handelt unter anderem von ihrer Schulausbildung und ihrem Studium. Man merkt sehr schnell, dass ein bestimmtes Niveau erreicht sein muss, damit sie überhaupt das Medizinstudium beginnen konnte. Im weiteren Verlauf des ersten Teils schreibt sie von ihren Eltern, Schwestern, der japanischen Kultur, wie sie aufgewachsen ist sowie den Schuljahren. Sie machte sehr früh die ersten Erfahrungen mit Mobbing und hatte mit einigen Erkrankungen zu kämpfen, u.a. dem chronischen Fatigue-Syndrom. Wie sie beschreibt, dass sie so müde war und es nicht mal bis zur Bushaltestelle schafft, zeigt sehr deutlich, dass es sich um ein anderes Level von Müdigkeit und Erschöpfung handelt. Ich kann das aus eigenen Erfahrungen sehr gut nachvollziehen und nein...einfach mal ausschlafen reicht nicht aus.
Während des Medizinstudiums lernte sie unter anderem verschiedene Abteilungen im Krankenhaus und auch Krankenhäuser kennen, aber auch sexuelle Belästigung und unfaires Verhalten. Während des Lesen des ersten Teils hab ich immer wieder gemerkt, dass sich der Perfektionismus und der Leistungsdruck schon recht früh zeigten. Zum Teil liegt es an der Erziehung und der Kultur und zum Teil an der Gesellschaft und den hohen Ansprüchen an sich selbst. Ich hab mich oft dabei erwischt, wie ich sagte: "Oh nein, warum tust du das?!" Dabei war ich selbst sehr oft in ähnlichen Situationen und habe nicht anders gehandelt 🙈
Während der Praktikumsjahre, der Assistenzzeit und der Lehrtätigkeit lernt sie unter anderem unmenschlichen Stress, Anrufbereitschaften, Nachtdienste, Neid, unfaires Verhalten, sexistisches Verhalten und frauenfeindliches Verhalten kennen. Sie war dennoch immer darauf bedacht Bestleistungen zu erbringen, weil sie nur dann ins fachspezifische Programm für plastische Chirurgie aufgenommen werden kann. Mit der Zeit merkt sie, dass ihre männlichen Kollegen bevorzugt behandelt werden. Sexistisches Verhalten von Vorgesetzten gegenüber Frauen wird toleriert und wehrt man sich dagegen, muss man damit rechnen keine Arbeitsstelle mehr in einem öffentlichen Krankenhaus zu finden. Das klingt so völlig absurd, ist aber leider wahr. Oft wird sie aufgrund ihres Alters und ihres Aussehens nicht ernst genommen und erkämpft sich ihren Platz. Es ist klingt wie ein einzig großer Kampf mit vielen kleinen Schlachten aber letztendlich hat sie aufgegeben. Wobei ich das eigentlich falsch ausgedrückt finde. Sie hat es durch diesen Burnout geschafft zu sich selbst zu finden und tut nun das, was sie wirklich liebt und gerne macht. Und das ist meiner Meinung nach das Wichtigste.
Meine Kritik:
Anfangs habe ich mich gewundert, warum sie so viel über ihre Kindheit und verschiedene Situationen schreibt. Einerseits ganz interessant, weil man da schon viel herauslesen kann, was mit zu ihrem Burnout geführt hat. Aber zum Teil schweift sie sehr weit aus und bei vielen Dingen habe ich mich hinterher gefragt, warum sie das in ihrem Buch erwähnt haben wollte. Aber als ich das Nachwort gelesen habe, habe ich es sofort verstanden. Sie wurde mit ADHS und Autismus diagnostiziert und als ich das gelesen habe, musste ich so lachen. Ich hab mir nämlich sehr oft gedacht, dass sie zumindest ADHS haben könnte. Leider hat sie das erst im Nachwort geschrieben und meiner Meinung ist das Buch deutlich zu kurz geraten Es fehlen locker 200-300 Seiten und verschiedene Inhalte; z.B. das Wahrhaben des Burnouts, das Erkennen von Bedürfnissen, das Setzen von Grenzen, ihren eigenen Erkenntnissen und weiteren Therapiemaßnahmen. Das sind sehr wichtige Themen, die entscheidend dazu beitragen, aus einem Burnout wieder herauszukommen und ich hätte mir gewünscht, dass sie dazu ihre Gedanken und Gedühle schreibt. Das findet sich am Schluss leider nur auf wenigen Seiten. Ich glaube aber, dass sie Probleme damit hatte, das was sie fühlt und denkt zu Papier zu bringen. Ich kenne das sehr gut von mir. In meinem Kopf wirbeln so viele Gedanken und Gefühle herum und am Ende schreibe ich bloß zwei belanglose Sätze.
Der Sexismus, die viele Arbeit sowie die Überstunden und die fehlende Anerkennung haben mich sehr schockiert und ich hoffe sehr, dass sich das ändert bzw vielleicht schon etwas geändert hat. Das Buch zeigt sehr gut, wie es im medizinischen Bereich zugeht und dass man als Frau immer noch benachteiligt wird. Das ist sehr traurig, aber das Buch zeigt auch, dass sie eine Kämpferin ist und sich durchzubeißen weiß. Offen über seine psychische Gesundheit zu sprechen, ist in vielen Bereichen anscheinend immer noch ein Tabu. Das darf aber nicht sein. Man muss darauf aufmerksam machen, damit die Gesellschaft sieht, dass es bei Depressionen nicht nur um Traurigkeit und Tränen geht.