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Veröffentlicht am 23.02.2021

Vom Loslassen und sich neu finden

Das Buch eines Sommers
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Nie vergaß Nicolas den Sommer nach dem Abitur, als er Liebeskummer hatte und ihn sein Onkel Valentin, ein bekannter Schriftsteller, in seine Villa in den Weinbergen im Süden mitnahm um ihm zu zeigen, wie ...

Nie vergaß Nicolas den Sommer nach dem Abitur, als er Liebeskummer hatte und ihn sein Onkel Valentin, ein bekannter Schriftsteller, in seine Villa in den Weinbergen im Süden mitnahm um ihm zu zeigen, wie schön das Leben sein kann. Es ist wieder Sommer, viele Jahre später, als Onkel Valentin stirbt und Nicolas, inzwischen Dr. Weynbach und Leiter des Pharmaunternehmens seines Vaters, zum Alleinerben wird. Mit seiner Frau Valerie und seinem kleinen Sohn Julian begibt er sich in die prachtvolle Villa, um den Nachlass zu regeln. Dort unter der südlichen Sonne hat er Zeit, sein bisheriges Leben zu überdenken und bemerkt, dass er vor lauter Arbeitsstress seine Ehe und sein Kind bisher vernachlässigt hat. Als Jugendlicher träumte er davon Schriftsteller zu werden, wie sein geliebter Onkel – jetzt kommen diese Träume plötzlich wieder. Ob es ihm wohl gelingt, sein Leben zu ändern und seine Träume zu verwirklichen?

Bas Kast wurde 1973 als Sohn eines deutschen Vaters und einer niederländischen Mutter in Landau/Pfalz geboren. Er wuchs zweisprachig auf und ging in Utrecht sowie in München zur Schule. Nach dem Abitur studierte er Psychologie und Biologie. 2003 begann er zu schreiben und veröffentlichte mehrere populärwissenschaftliche Bücher, von denen einige auf der Sachbücher-Bestsellerliste landeten und ausgezeichnet wurden. „Das Buch eines Sommers“ aus dem Jahr 2020 ist der erste Roman des Autors. Bas Kast ist mit der Stammzellenforscherin Sina Bartfeld verheiratet. Das Paar hat drei Söhne und lebt in Rottendorf im unterfränkischen Landkreis Würzburg.

„Werde, der du bist“ ist der Untertitel des Buches, das den Leser wachrütteln soll, das Leben das zu ihm passt und ihn erfüllt zu führen. Wer würde das nicht gerne? Unserem Protagonisten jedenfalls dürfte es leicht fallen, mit einem gut florierenden Pharmaunternehmen und dem Erbe des wohlhabenden Onkels im Rücken, seine Träume zu erfüllen und sich ganz der Schriftstellerei zu widmen – er riskiert ja nichts. Außerdem hat er eine kluge, verständnisvolle Frau und auch sein kleiner Sohn macht keine Probleme, so dass er völlig unbeschwert sich seinen Träumen hingeben und den Sommer unter südlicher Sonne mit seinem „gut gekühlten Rosé“ genießen kann.

Ein typischer „Heile-Welt-Roman“, der sich flott liest und ein Wohlgefühl zurück lässt. Die Geschichte plätschert einfach so vor sich hin, es geschieht nichts Unerwartetes oder Überraschendes. Damit das Buch etwas an Volumen gewinnt erzählt Nicolas Weynbach seinem kleinen Sohn zwischendurch zahlreiche kleine „Quatsch-Geschichten“, erfundene Phantasiegeschichten, die an den Wunsch des Protagonisten erinnern, Schriftsteller zu werden. Eine nächtlich auftauchende Phantasiegestalt aus den Romanen des Onkels bestärkt ihn in diesem Vorhaben.

Fazit: Ein unterhaltsam geschriebenes Buch zum Wohlfühlen, leider ohne Tiefgang.

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Veröffentlicht am 16.02.2021

Psychogramm einer zerstörten Kindheit

Wut
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„Komm raus, Drecksau, verkriech dich nicht, du Stück Scheiße“, das waren die Worte der Mutter zu ihrem zwölfjährigen Jungen, der sich aus Angst vor ihr unter dem Bett verkrochen hatte. An diese Worte in ...

„Komm raus, Drecksau, verkriech dich nicht, du Stück Scheiße“, das waren die Worte der Mutter zu ihrem zwölfjährigen Jungen, der sich aus Angst vor ihr unter dem Bett verkrochen hatte. An diese Worte in seiner Kindheit erinnert sich Frank, während er die Wohnung seiner Mutter ausräumt. Maria lebt jetzt im Pflegeheim, ist dement und versteht nicht mehr, was um sie herum geschieht. Sie war eine kluge starke Frau, konnte aber nie zeigen was in ihr steckte, was sie gegen alles was ihr im Wege stand wütend machte. Und diese Wut richtete sich sehr oft gegen den Schwächsten, ihren kleinen Sohn. Ihn konnte sie prügeln, ‚bis ihr die Arme müde wurden‘. In ihrem Tun spiegelt sich auch ihre eigene Kindheit und Jugend wieder: von der Mutter früh verlassen, von einer Tante im Bordell aufgezogen, den Krieg erlebt, in einer Klosterschule Zucht und Ordnung kennen gelernt und aus Verzweiflung früh geheiratet. Auch Frank hat mit der Wut und den Folgen der Schläge sein Leben lang zu kämpfen. Als er siebzehn Jahre alt ist eskaliert ein Streit, er springt aus dem Fenster und kehrt nie wieder zurück – und als Erwachsener wird er nie richtig beziehungsfähig sein …

Der Autor Harald Martenstein ist ein deutscher Journalist und Schriftsteller, der 1953 in Mainz geboren wurde. Nach dem Abitur studierte er Geschichte und Romanistik an der Universität in Freiburg. Danach war er Redakteur bei einigen namhaften Tageszeitungen, bevor er 2002 begann, Kolumnen und Essays für verschiedene Magazine zu schreiben. Seither erscheint in jeder Sonntagsausgabe des Tagesspiegels eine Kolumne von ihm. Seinen ersten Roman „Heimweg“ schrieb Martenstein 2007, der, wie auch „Wut“, in der Nachkriegszeit spielt. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Egon-Erwin-Kisch, dem Henri-Nannen und dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Der Autor lebt in Gerswalde (Uckermark) und in Berlin. Er ist in zweiter Ehe mit der Kulturmanagerin Petra Martenstein verheiratet. Gemeinsam haben sie einen Sohn, außerdem hat er noch einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe.

In seinem Vorwort bemerkt der Autor ausdrücklich, dass es sich bei „Wut“ um einen Roman und nicht um eine Biografie handelt. Dieser Eindruck könnte entstehen, da die Geschichte in Ich-Form geschrieben ist. Der Name des Erzählers ist Frank, der Junge der Anfang der 1950er Jahre von seiner psychisch labilen Mutter sowohl körperlich, als auch seelisch gepeinigt wird. Dabei drängen sich die Fragen auf, wie die Mutter zu einem solchen Menschen werden konnte und wie sich diese Misshandlungen auf das spätere Leben des Jungen auswirken. Dabei fällt auf, dass Frank als Erwachsener vieles in anderem Licht sieht und er sich zeitweise sogar liebevoll an die Mutter erinnert.

Der Erzählstil ist mitreißend und, trotz schonungsloser Schilderung von Schmerz und seelischem Leid, packend und in gewisser Weise sogar unterhaltend. Das Buch berührt, wühlt auf und stimmt dennoch versöhnlich, denn die psychische Verfassung der beiden Protagonisten wird hier einleuchtend geschildert. Man kann Marias Wut verstehen, aber nicht, dass sie diese an ihrem hilflosen Kind auslässt und man hat Mitleid mit Frank, auf den sich diese Wut allmählich überträgt und der als Erwachsener noch mit seiner Vergangenheit kämpfen muss. Dies zeigt sich besonders gegen Ende, als er offenbar wirr im Kopf ist und sich bei ihm Realität und Illusion vermischen. Auch als Leser ist man verwirrt und kann nicht mehr zwischen Wahrheit und Phantasie unterscheiden. Hier hätte es wohl einer besseren Erklärung bedurft!

Fazit: Meine Empfehlung, lesen!

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Veröffentlicht am 14.02.2021

Trekkingtour ins Ungewisse

Ins Dunkel
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Wie jedes Jahr veranstaltete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BaileyTennants aus Melbourne mit ihren Angestellten eine mehrtägige Survival-Trekkingtour in die Wälder des Giralang-Massivs. Sie sollte ...

Wie jedes Jahr veranstaltete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BaileyTennants aus Melbourne mit ihren Angestellten eine mehrtägige Survival-Trekkingtour in die Wälder des Giralang-Massivs. Sie sollte der Teambildung dienen und wurde in zwei Gruppen, fünf Männer und fünf Frauen, eingeteilt, die sich auf verschiedenen Wegen nach vier Tagen wieder treffen sollten. Was wie eine normale Wanderung begann wird bald zum Horrortrip, als die Frauengruppe vom Weg abkommt und sich in den unwegsamen Wäldern, in denen sich vor Jahren ein Serienmörder umtrieb, verirrt. Um Stunden verspätet tauchen vier von ihnen, verletzt und völlig erschöpft, am vereinbarten Treffpunkt auf – eine jedoch fehlt, Alice Russell. Wo ist sie? Was ist mir ihr geschehen? Eine großangelegte Suche beginnt, an der sich auch Aaron Falk, Ermittler der australischen Finanzpolizei, und seine Kollegin Carmen Cooper beteiligen. Sie müssen die Vermisste unbedingt finden, denn Alice Russell ist ihre geheime Informantin in einem Fall von Geldwäsche. Hat ihr Verschwinden vielleicht damit zu tun? Allen ist klar, dass sie in dieser Wildnis ohne Wasser und Nahrung nicht lange überleben kann …

Die Autorin Jane Harper wurde 1980 in Manchester (England) geboren. Als sie acht Jahre alt war zog ihre Familie nach Australien, wo sie in einem Vorort von Melbourne lebten und die australische Staatsbürgerschaft annahmen. Später ging die Familie zurück nach England, wo sie dann an der Universität von Kent Englisch und Geschichte studierte und als Journalistin arbeitete. 2008 zog sie zurück nach Australien, arbeitete dort für die „Herald Sun“ und absolvierte einen Lehrgang über das Schreiben von Romanen. Seither schreibt sie Thriller, für die sie bereits ausgezeichnet wurde und den „Gold Dagger“, den wichtigsten Krimipreis Großbritanniens, erhielt. Jane Harper ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Melbourne.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr ansprechend, angenehm lebendig, flüssig und leicht zu lesen. Nach einem etwas schleppenden Anfang gewinnt der Thriller „Ins Dunkel“ mehr und mehr an Fahrt und die Dramatik und das Grauen steigern sich kontinuierlich. Die einzelnen Akteure sind gut ausgearbeitet. Man lernt Aaron Falk als schweigsamen, einsilbigen Ermittler kennen, während seine Kollegin Carmen Cooper aufgeschlossener und gesprächiger ist. Auch den fünf Frauen kommt man im Laufe des Geschehens näher, lernt sie besser kennen und kommt nach und nach hinter ihre düsteren Geheimnisse.

Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die geschickt ineinander verknüpft sind. Man ist abwechselnd mit den Frauen auf Wanderung, ist dabei als sie sich verlaufen, fühlt die steigenden Spannungen zwischen ihnen, spürt ihre Angst und die Panik, die immer mehr um sich greift, und erlebt hautnah ihren verzweifelten Kampf ums Überleben in diesen undurchdringlichen Wäldern. Dazwischen erfährt man aus Sicht des Ermittlers Aaron Falk seine Probleme, dass er ohne die Vermisste seine brisanten Informationen nicht beschaffen kann. Auch wird man immer wieder über den neuesten Stand der Suchtrupps und über die Ergebnisse der Befragung der anderen Trekkingtour-Teilnehmer informiert. Dadurch ist der Leser den Ermittlungen stets einen Schritt voraus und kann über das weitere Geschehen spekulieren, ohne jedoch auf eine vernünftige Erklärung zu kommen. Man hat viele Vermutungen was mit Alice passiert sein könnte, was die Spannung zwischendurch ins Unerträgliche steigert. Läuft in den Wäldern ein Mörder rum, oder hat sie die Gruppe freiwillig verlassen? Man tappt wirklich bis zum Schluss im Dunkeln und wird von der Auflösung tatsächlich überrascht.

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Veröffentlicht am 11.02.2021

Affenliebe

Sprich mit mir
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Als die Studentin Aimee zufällig im Fernsehen eine Sendung sieht, bei der Professor Guy Schermerhorn mit seinem Schimpansen Sam, dem er das Kommunizieren mittels Gebärdensprache beigebracht hat, auftritt, ...

Als die Studentin Aimee zufällig im Fernsehen eine Sendung sieht, bei der Professor Guy Schermerhorn mit seinem Schimpansen Sam, dem er das Kommunizieren mittels Gebärdensprache beigebracht hat, auftritt, ist es um sie geschehen. Sie möchte Sam unbedingt kennenlernen und bewirbt sich bei Schermerhorn um die Stelle einer studentischen Hilfskraft. Bereits bei ihrem ersten Besuch im Hause des Professors springt der zweijährige Sam in Aimees Arme und lässt sie nicht mehr los. Sie ist hingerissen von dem kleinen lebhaften Kerl und ist von nun an für sein Wohlergehen verantwortlich. Sie zieht ihn wie ein Kind auf, lernt selbst die Gebärdensprache und unterhält sich mit ihm, verliebt sich in ihn - und wird auch bald die Geliebte des Professors. Doch nach einigen Jahren werden die Fördermittel des Verhaltensforschungs-Programms gestrichen und Guy muss Sam seinem ehemaligen Besitzer zurückgeben, der ihn für Laborversuche zur Verfügung stellen will. Aimee kann es nicht fassen, für sie bricht eine Welt zusammen und so beschließt sie gegen alle Vernunft, den Kampf um Sam aufzunehmen …

Der US-amerikanische Schriftsteller T. C. Boyle wurde 1948 in Peekskill, New York, geboren. Er studierte Englisch und Geschichte an der New York State University und erwarb den Doktortitel in englischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Von Ende der 1970er Jahre bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Er ist bekannt für seine gründlich recherchierten Romane, die oft auf realen Ereignissen basieren, und die in vielen Sprachen übersetzt wurden. Heute lebt der Autor gemeinsam mit Frau und Kindern in Montecito, Kalifornien.

„Sprich mit mir“ ist ein bitterböser Roman, der mit brutaler Offenheit aufzeigt was geschehen kann, wenn Menschen versuchen Tiere zu vermenschlichen. Ein Tier in Kleidung zu stecken, am Tisch mitessen zu lassen und mit ihm im selben Bett zu schlafen ist weder für den Menschen, noch für das Tier gut. Die Beziehung zwischen Aimee und Sam mag während seiner Kindheit noch tolerierbar sein, nach seiner Geschlechtsreife jedoch unnatürlich und äußerst gefährlich, da ein ausgewachsener Schimpanse Kräfte entwickeln kann, die nicht mehr beherrschbar sind. Gleichzeitig ist der Roman auch eine massive Kritik an Tierversuchen und Experimenten an Tieren, die unter dem Deckmantel der Wissenschaft und Forschung vorgenommen werden.

Neben der interessanten Handlung ist auch der Schreibstil bemerkenswert. Boyle wechselt in der Geschichte die Perspektiven zwischen Aimee, Sam und dem Professor und unterstreicht so die Dreierbeziehung, indem er den Leser jeweils in ihre Gefühle und Gedanken hinein versetzt. Ja, auch Tiere haben Gefühle (wie jeder Tierbesitzer weiß), und besonders die von Sam wühlen auf, schockieren und stimmen sehr nachdenklich. Man ist irritiert von seiner menschlichen Seite und bestürzt, wenn plötzlich das wilde Tier in ihm durchbricht. Hat der Mensch wirklich das Recht, wilde Tiere zu vermenschlichen, in Käfige zu stecken und sie für seine Zwecke zu missbrauchen?

Fazit: Ein außergewöhnlich einfühlsamer Roman über Tierliebe, über die Vermenschlichung von Tieren und über deren Missbrauch – sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Reise der Erinnerungen

Als wir uns die Welt versprachen
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In ihrer Kindheit war Edna eines der Schwabenkinder, Kinder die aus Armut von Südtirol ins Schwabenland geschickt wurden, um dort hart zu arbeiten. Heute ist sie beinahe neunzig Jahre alt und lebt, zusammen ...

In ihrer Kindheit war Edna eines der Schwabenkinder, Kinder die aus Armut von Südtirol ins Schwabenland geschickt wurden, um dort hart zu arbeiten. Heute ist sie beinahe neunzig Jahre alt und lebt, zusammen mit dem Papagei Emil, genügsam in einem kleinen Haus in ihrer Heimat. Hilfe erhält sie gelegentlich von ihrer Nachbarin Adele, deren Mann Max auch bereits für sie einen Platz im Seniorenheim reserviert hat. Als sie nun in einer Zeitschrift den Bericht über ein Unwetter, das einige Orte am Bodensee hart getroffen hat, liest und auf einem Foto Jacob, ihren Freund aus der Zeit im Schwabenland, erkennt, beschließt sie sogleich ihn aufzusuchen, um endlich eine alte Schuld zu begleichen. Mit Rucksack und Wanderstock, Papagei Emil in einer Transportkarre, macht sie sich auf den Weg, um die Alpen zu überqueren. Dabei erinnert sie sich an damals, an Jacob und ihre Flucht …

Romina Casagrande wurde 1977 als Tochter einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters geboren. Sie studierte klassische Literatur und Geschichte, arbeitete für Museen in Südtirol und unterrichtete als Mittelstufen-Lehrerin. Mit „Als wir uns die Welt versprachen“ gelang ihr der Durchbruch als Autorin. Sie lebt in Meran/Südtirol, zusammen mit ihrem Mann, zwei Hunden und drei Papageien.

Der Gedanke, eine seinerzeit durch Not und Entbehrung entstandene Kinderfreundschaft im Alter wieder aufzufrischen, fand ich zunächst sehr gut. Auch dass seither fast achtzig Jahre vergangen sind und dass Edna etwas verwirrt und hilfsbedürftig erscheint, störte mich keineswegs. Doch als sie sich dann zu Fuß aufmacht und auch gleich die Hälfte ihrer Habseligkeiten verliert bzw. vergisst, kamen mir erste Zweifel. Dass während ihrer Wanderung so viele hilfsbereite Menschen auftauchen, die sie mit Essen versorgen und ihr Unterschlupf für die Nacht anbieten, ist ziemlich unwahrscheinlich. Als sie dann aber am Arlberg durch die Felsen kraxelt und die Transportkarre mit dem Papagei hinter sich herzieht (die Fahrstraße über den Pass wäre ja zu einfach gewesen), fand ich die Geschichte nur noch grotesk. Konnte die Autorin die alte Dame nicht einfach in den Zug setzen und die Alpen über den Brenner überqueren lassen?

Wesentlich besser gelöst fand ich den Teil, der die Erlebnisse der Kinder behandelt, die infolge unvorstellbarer Armut von Südtirol nach Schwaben geschickt wurden, um dort unter härtesten Bedingungen zu arbeiten. Hier hat die Autorin den richtigen Ton getroffen, der den Leser berührt und ihn mitleiden und mitfiebern lässt. Es ist eine Tatsache, und man hat auch schon davon gehört, dass die Kinder dort in unwürdigen Verhältnissen lebten, hart arbeiten mussten und dabei geschlagen und missbraucht wurden. Leider ist dieser Teil der Geschichte wesentlich knapper ausgefallen. Gerne möchte ich mich weiter darüber informieren und werde mir deshalb entsprechende Lektüre besorgen (Elmar Bereuter: „Die Schwabenkinder“ ISBN 978-3-492-31284-4).

Zusammenfassend kann ich leider nicht behaupten, dass mich die Geschichte besonders mitgerissen hätte. Sie lässt sich zwar ganz gut lesen, jedoch ist vieles zu unwahrscheinlich und einiges maßlos überzogen, um wirklich glaubwürdig rüber zu kommen.

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