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Veröffentlicht am 11.12.2023

Wenn Mütter zu Hunden werden

Nightbitch
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Eine Frau wird zum Hund. Plötzlich wachsen ihr Haare im Nacken. Dann werden ihre Zähne spitz. Als nächstes bildet sich ein Schwanz. Ihrem Mann erzählt sie davon, er glaubt ihr nicht.

In Rachel Yoders ...

Eine Frau wird zum Hund. Plötzlich wachsen ihr Haare im Nacken. Dann werden ihre Zähne spitz. Als nächstes bildet sich ein Schwanz. Ihrem Mann erzählt sie davon, er glaubt ihr nicht.

In Rachel Yoders Roman "Nightbitch" geht es um Mutterschaft, um Unzufriedenheit und gesellschaftliche Anforderungen an Frauen. Begegnet werden sie mit einem weiblichen Befreiungsschlag, der Tiertransformation.

Das sind Themen und Motive, die einem in der Gegenwartsliteratur inzwischen oft begegnen und das ist natürlich gut so. Auch weibliche Metamorphosen (sogar Frau-Tier-Transformationen) und Befreiungsschläge aller Art sind präsent.

Im Roman werden diese Themen schon sehr früh in den Vordergrund gerückt: Die Protagonistin denkt gleich zu Beginn an Hysterie, an Hexen, an The Yellow Wallpaper.

Doch leider werden sie nicht auf eine Art und Weise umgesetzt, die man als überzeugend bezeichnen könnte. Die Protagonistin ist extrem anstrengend, macht sich ständig Gedanken darüber, was die anderen über sie denken, definiert sich und ihr Leben im Grunde nur durch Vergleiche mit den Frauen aus ihrem Umfeld. Ihre Wahrnehmung der Welt ist so negativ, dass der ganze Roman zu einer äußerst anstrengenden Lektüre wird. Außerdem ist sie frustriert, bitter und unsympathisch.

Manche Elemente und Entwicklungen, die an dieser Stelle nicht gespoilert werden sollen, sind meiner Meinung nach nicht logisch umgesetzt und zuende gedacht. Dadurch hat die gesamte Erzählung wirr und unentschlossen auf mich gewirkt.

Im Ganzen also leider eine eher enttäuschende Lektüre, mit guten thematischen Ansätzen, die sich im Laufe der Geschichte verlieren.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Konnte mich nicht überzeugen

Lieder aller Lebenslagen
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Ich muss gestehen, dass ich “Lieder aller Lebenslagen” vor allem deshalb unbedingt lesen wollte, weil Stine Pilgaards Bücher ja momentan in aller Munde sind. Besonders "Meter pro Sekunde" hat man eine ...

Ich muss gestehen, dass ich “Lieder aller Lebenslagen” vor allem deshalb unbedingt lesen wollte, weil Stine Pilgaards Bücher ja momentan in aller Munde sind. Besonders "Meter pro Sekunde" hat man eine zeitlang fast überall gesehen und es wurde von vielen positiv besprochen. Deshalb war ich neugierig und habe mit diesem Roman zum ersten Mal etwas von ihr gelesen.

Doch trotz vielversprechender Inhaltsangabe von "Lieder aller Lebenslagen" konnte ich dem Buch insgesamt nur wenig abgewinnen. Mehr fehlte einfach etwas. Ich fand es teilweise zu langatmig, zäh und oberflächlich. An manchen Stellen fand ich den Stil z.B. durch kitschige Bildern schwer lesbar. Die Figuren bleiben im Großen und Ganzen Schemen und das Zusammenleben in der Hausgemeinschaft wird meiner Meinung nach nicht hell genug ausgeleuchtet.

Aber ich denke, dass ich trotzdem noch mal was von der Autorin lesen werde. Ich bin einfach neugierig und nur weil einem ein Buch nicht gefallen hat, heißt das ja nicht, dass der gesamte Rest des Werkes genauso ist.

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Veröffentlicht am 04.11.2023

Kleine und große Verschiebungen

Endstation Malma
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Eine Zugstation. Malma. Dahin führen die Wege von Harriet, Oskar und Yana. Sie führen zum Unausgesprochenen, zu dem, was zwischen den einzelnen Familienmitgliedern steht und Distanz zwischen ihnen schafft. ...

Eine Zugstation. Malma. Dahin führen die Wege von Harriet, Oskar und Yana. Sie führen zum Unausgesprochenen, zu dem, was zwischen den einzelnen Familienmitgliedern steht und Distanz zwischen ihnen schafft.

Alex Schulman erzählt in "Endstation Malma" von Familie und von Eltern-Kind-Beziehungen, die sich fernab von Klischees und Idealen bewegen. Vielmehr stehen das Dysfunktionale und Schmerzhafte im Vordergrund. Schulman zeigt, was Familie aus uns machen kann, wie sich Lieblosigkeit und fehlende Wärme und Nähe in uns festsetzen und unser gesamtes Leben mitbestimmen können.

"Wann weiß man, dass man ein Kind verloren hat? Wahrscheinlich gibt es keinen festen Zeitpunkt, so etwas geschieht schrittweise, kaum spürbare, merkwürdige kleine Verschiebungen."

Eigentlich mag ich Geschichten nicht, in denen es um Familiengeheimnisse geht. Aber Alex Schulmans "Die Überlebenden" hatte mich so begeistert, dass meine Neugier groß war.

Und Schulman kann erzählen! Das zeigt sich auch in diesem Roman. Seine Figuren sind vielschichtig, die Konstellationen zwischen ihnen bestehen aus zahlreichen Graustufen. Trotzdem hat der Roman teilweise etwas konstruiert auf mich gewirkt. Besonders die Verbindungen und Übergänge zwischen den Zeitebenen fand ich zu romanhaft. Dafür nimmt die Geschichte am Ende aber Fahrt auf und das Zusammenfügen der Puzzleteile ist für mich wieder sehr stimmig gewesen.

Eine tiefsinnige und nachdenklich stimmende Lektüre also, die sprachlich überzeugt. Schulmans "bisher bestes Buch", wie auf der Rückseite abgedruckt, ist der Roman jedoch für mich nicht.

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Veröffentlicht am 30.09.2023

Außergewöhnliche Wohngemeinschaft zu Corona-Zeiten

The Marmalade Diaries
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Es ist die Corona-Zeit. Winnie, 85 Jahre alt und verwitwet, sucht jemanden, der ihr im Haus hilft. Ben, Anfang 30, kann sich die Mieten in London nicht leisten und meldet sich spontan. Das ungleiche Paar ...

Es ist die Corona-Zeit. Winnie, 85 Jahre alt und verwitwet, sucht jemanden, der ihr im Haus hilft. Ben, Anfang 30, kann sich die Mieten in London nicht leisten und meldet sich spontan. Das ungleiche Paar findet sich während der Pandemie mit ihren Ausgangssperren in einer Art Wohngemeinschaft wieder.

Die Ausgangsidee des Romans hat natürlich Potential: zwei Menschen unterschiedlicher Generationen leben zusammen, lernen voneinander usw. Das hat in der Literatur schon oft großartig funktioniert. Ein relativ neues Beispiel ist "Offene See" von Benjamin Myers.

Ben Aitkens Roman vermag jedoch leider nicht in jeder Hinsicht zu überzeugen. Auf mich wirkte das Erzählte irgendwann zu repetitiv und eintönig. Ben schreibt in seinem Tagebuch über das Alltagsleben der beiden, über das gemeinsame Kochen, über die Gartenarbeit, über alltägliche Aufgaben. Zunächst liest man das auch ganz gerne, aber dann verliert es doch sehr schnell seinen Reiz, weil es zu trivial ist. Es fehlt der Geschichte an Tiefe.

Einzig Winnie sticht in dem Ganzen durch ihre schrullige Art hervor. Sie gibt der Geschichte einen Touch vom Besonderen, aber leider reicht das alleine noch nicht aus, um den Roman zu einer wirklich lohnenswerten Lektüre zu machen.

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Das Leben offline

Zeiten der Langeweile
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Wie wäre es, wenn man alle seine Social Media-Profile löschen würde? Oder noch radikaler: Sich vom Internet abwenden würde? Genau das tut die Protagonistin in Jennifer Beckers Roman "Zeiten der Langeweile". ...

Wie wäre es, wenn man alle seine Social Media-Profile löschen würde? Oder noch radikaler: Sich vom Internet abwenden würde? Genau das tut die Protagonistin in Jennifer Beckers Roman "Zeiten der Langeweile". Aus der Angst davor, dass sie gecancellt werden könnte oder dass man sie aufgrund alter Artikel und Beiträge bloßstellen könnte, löscht sie allmählich alles über sich aus dem Internet.

Was sich zunächst als spektakulär anhört, entpuppt sich in der Realität eher als unaufregend und langwierig. Auf ihre Abschiedsnachricht reagiert kaum jemand, ihre Einladung, Signal runterzuladen, nimmt nur eine Freundin an und der Prozess, einen alten Blogeintrag aus der Google Suchergebnisliste zu löschen, dauert viel länger als gedacht.

Was als impulsive Aktion beginnt, nimmt plötzlich immer größere Ausmaße an. Während die Protagonistin zu Beginn noch die Streamingdienste nutzt, sich Youtube-Videos ansieht, auf Signal chattet und Wikipedia-Artikel liest, wird sie mit der Zeit immer radikaler in ihrer Abkehr von der digitalen Welt.

Und plötzlich ist da Zeit für die Dinge, die sie seit Jahren nicht mehr gemacht hat: Bücher in einem richtigen Buchladen kaufen zum Beispiel, Zeitungen lesen und jeden Tag Sport machen.

Gleichzeitig leidet ihr Sozialleben, ihre Integration ins Alltagsleben. Immer öfter fällt ihr auf, dass sie ausgegrenzt wird, von Personen ebenso wie von Strukturen. Sie versteht Witze nicht mehr, ist nicht mehr up to date, ist in mancherlei Hinsicht nicht mehr Teil der Welt.

Der Roman hat mir als Leserin vor Augen geführt, wie abhängig wir vom Internet sind. Und das in jeder Hinsicht, sei es Fernsehen, Musik, Banking, Wissen, Dating, Kommunikation, usw. Sich davon vereinnahmen zu lassen ist mehr als leicht, sich davon loszulösen überhaupt nicht. Becker stellt das mit ihrem Roman auf anschauliche Weise dar.

Gleichzeitig habe ich den Roman nicht als ein Plädoyer für eine komplette Abwendung vom Internet verstanden. Er verherrlicht keine Extreme. Stattdessen zeigt er, wie schnell auch der digital Detox krankhafte Formen annehmen kann.

Für mich ein gelungenes Debüt und ich bin gespannt auf mehr von Jenifer Becker!

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