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Veröffentlicht am 26.05.2023

Von einem, der auszog...

So viele Paradiese
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...die Freiheit zu finden?

Giovanna Giordano nimmt uns mit auf eine verwirrende Reise. Wir begleiten den Halbwaisen Antonio, dessen leibliche Mutter früh verstarb und der unter dem Diktat seiner bösen ...

...die Freiheit zu finden?

Giovanna Giordano nimmt uns mit auf eine verwirrende Reise. Wir begleiten den Halbwaisen Antonio, dessen leibliche Mutter früh verstarb und der unter dem Diktat seiner bösen Stiefmutter aufwachsen musste. Auf der Suche nach Freiheit und Liebe verlässt er seine traumhafte, nach Blumen und gutem Essen duftende Heimat, die uns so paradiesisch erscheint, um in Amerika sein Glück zu finden. Er ist ein Fantast, als er im Jahr 1923 das Schiff besteigt, das ihn in die schöne neue Welt bringen soll. Und ab Seite 206 geht seine Odyssee dann endlich los...

Mich erfüllte zu Beginn der Lektüre auch noch die Sehnsucht nach „vielen Paradiesen“. Schnell ging es mir mit dem Buch aber wie dem jungen Helden der Geschichte. Ob der Titel, der verlockend gestaltete Umschlag und die Karte mit der Schiffsroute halten können, was sie versprechen, ist sehr individuell zu beantworten. Der Originaltitel „Der Duft der Freiheit“ erscheint meiner Ansicht nach jedenfalls sehr viel besser zu Antonios Geschichte zu passen, die zu großen Teilen so surreal anmutet wie ein Bild von Dalí.

Es gibt meine persönliche Schlüsselszene, die ich zitieren möchte. Antonio ist am Tiefpunkt seiner Odyssee und formuliert sehr klare und intensive Gedanken, für die er von der Gesellschaft als verrückt erklärt wird:

„Ich habe den Sinn des Lebens begriffen: Es ist nur ein kurzer Abschnitt, der jeden Tag kürzer wird. (…)
Bitte lasst mich selbst über mein Leben bestimmen, bitte lasst mir meine Träume, bitte lasst mir wenigstens zehn Minuten Ruhe am Tag.
(…)
Wo ist der Duft der Freiheit geblieben, der mich im Tal umfing...?
(…)
Antonio sah in den Himmel, ein so schöner Himmel.“

Die Bilder, die die Autorin zeichnet, bereiten nicht immer Freude beim Lesen („Noch zwölf Stunden, dabei war er doch jetzt schon nichts weiter als Hackfleisch, vollkommen willenlos“) aber sie sind intensiv und wirken lange nach. In jeder Weise.

Es ist ein Buch, das sich keinem Genre zuordnen lässt. Es ist Märchen, Fabel, Parabel, Biografie, Reisebericht, Realität und Fiktion und so vieles mehr. Giordano bedient sich im Überfluss an literarischen Vorlagen: Tolstoi, Whitman, Kafka sind ebenso vertreten wie Rowling und R. R. Martin. Es gibt biblische Szenen, solche aus Grimms Märchen und jene der griechischen Mythologie, religiöse Motive und unzählige philosophische Ansätze von Kant bis Plato. Eine verrückte Mischung eben. Es ist die Freiheit der modernen literarischen Kunst, die hier ihren Ausdruck findet. Es muss nicht jedermanns Sache sein.

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