Ein wunderbarer, überraschend tiefgründiger Roman
LiaisonsLauren und Jean sind … sagen wir: grundsätzlich glücklich verheiratet. Das Appartement in Paris ist elegant und wohnlich zugleich, die Karrieren solide, das Leben hat es alles in allem gut mit ihnen gemeint. ...
Lauren und Jean sind … sagen wir: grundsätzlich glücklich verheiratet. Das Appartement in Paris ist elegant und wohnlich zugleich, die Karrieren solide, das Leben hat es alles in allem gut mit ihnen gemeint. Was Lauren indes nicht davon abhält, eine Affäre mit ihrem jüngeren Kollegen Maxime einzugehen. Maxime wiederum ist mit der rundum perfekten Nadia verheiratet, die schön ist und intelligent und sexy. Und die ihr Leben absolut im Griff hat, n’est-ce pas?! Und dann ist da noch Emma: Studentin und Freigeist, ungebunden und auf ebenso ungezwungene wie unvermeidliche Weise betörend.
Dieses Figurentableau begegnet uns in dem hinreißenden Roman „Liaisons“ von Céline Robert (übersetzt von Alexandra Baisch). Er beginnt leichtfüßig und subtil-klug ironisch, und er könnte durchaus so bleiben und wäre ein charmanter, verführerischer Roman über das Leben, Lieben und ein bisschen Leiden kapriziöser Großstädter:innen. Ein bisschen Coco Chanel, ein bisschen Annie Hall. Doch darin erschöpft sich – und man möchte ausrufen: „Gott sei Dank!“ – Céline Roberts Erzähltalent keineswegs. Denn was als luftiger, nonchalanter Liebesreigen beginnt, entwickelt sich zu einem vielschichtigen Roman, der die psychologischen Tiefen (und Untiefen) seiner Figuren auslotet. Der ihnen in ihre komplizierten Seelen blickt, ihre Verletzlichkeit und Unvollkommenheit offenlegt – ungeschminkt und liebevoll. Nachsichtig und pointiert.
Ein wundervoller Roman über dieses komplexe Geflecht, das man Liebe nennt. Oder menschliche Beziehungen – eben: „Liasons“. Wunderschön. Und sehr französisch.
Und mit einem der besten Romananfänge, den ich seit Langem lesen durfte:
„Jean sitzt auf dem grauen samtbezogenen Sofa vor dem Fenster. Es ist Abend geworden und das Wohnzimmer wird von kleinen Lampen erhellt, die den Perserteppich und die historischen Karten an den Wänden in gedämpftes Licht tauchen. In das Bücherregal mit den Hunderten chaotisch aufgetürmten Büchern sind Lautsprecher mit Holzgehäuse eingepasst, aus denen ‚Porgy and Bess‘ von George Gershwin ertönt. ‚Müssen wir wirklich in so einem Scheiß-Woody-Allen-Film leben?‘, fragt sich Lauren.“
Sehr, sehr große Leseempfehlung!