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Veröffentlicht am 06.02.2025

Subtiler Thrill

Die blaue Stunde
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Die Bestürzung könnte nicht größer sein: In einer Skulptur der weltberühmten, vor vielen Jahren verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman wird ein menschlicher Knochen entdeckt. Kann es sich um einen Irrtum ...

Die Bestürzung könnte nicht größer sein: In einer Skulptur der weltberühmten, vor vielen Jahren verstorbenen Künstlerin Vanessa Chapman wird ein menschlicher Knochen entdeckt. Kann es sich um einen Irrtum handeln? Um ein Versehen? James Becker, Kurator der Stiftung, die Vanessas Nachlass erworben hat, und erwiesener Chapman-Experte, will der Sache auf den Grund gehen. Seine Recherchen führen ihn auf die abgelegene Gezeiteninsel Eris Island, Vanessas Wohnort und Wirkungsstätte, die nunmehr allein von ihrer Vertrauten Grace Haswell bewohnt wird. Die eigenbrötlerische Frau weigert sich zunächst, James in seiner Forschung zu unterstützen. Doch James lässt sich nicht beirren. Und verstrickt sich mehr und mehr in einer mysteriösen Geschichte aus Liebe und Verrat, Enttäuschung und Eifersucht, Kreativität und Grausamkeit.

Mit „Die blaue Stunde“ (aus dem Englischen von Birgit Schmitz) gelingt es Paula Hawkins wieder einmal vortrefflich, ihre Leser*innen in den Bann zu schlagen. Die Ansiedlung der Handlung im Kunstmilieu einerseits und auf der isolierten Insel andererseits verleiht dem Roman eine besondere Spannung und atmosphärische Tiefe. Vielschichtige Figuren und eine leise, niemals nachlassende Suspense heben diesen Roman über die üblichen Thriller hinaus.

Ein Lesegenuss für alle, die den subtilen Thrill bevorzugen.

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Veröffentlicht am 06.02.2025

Ein Lese-Highlight

Mein Mann
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„Mein Mann hat keine Vornamen, er ist mein Mann, er gehört mir.“

Das ganze Leben der Ich-Erzählerin dreht sich einzig um ihren Mann. Im Vergleich zu ihm ist alles, wirklich alles nebensächlich: Ihr Job. ...

„Mein Mann hat keine Vornamen, er ist mein Mann, er gehört mir.“

Das ganze Leben der Ich-Erzählerin dreht sich einzig um ihren Mann. Im Vergleich zu ihm ist alles, wirklich alles nebensächlich: Ihr Job. Ihre Kinder. Ihr ganzes Leben. Sie ist makellos – für ihn. Die Nägel perfekt manikürt – für ihn. Das Haar glänzend, die Kleidung elegant – für ihn. Seit fünfzehn Jahren sind sie verheiratet, sie liebt ihn abgöttisch, und er sie auch … oder doch nicht? Diese eine Bemerkung hier, jene andere Unaufmerksamkeit da: Sind das nicht alles Anzeichen für sein nachlassendes Interesse, für seine schwindende Liebe? Seine Unaufrichtigkeit? Sie muss es herausfinden. Und dazu ist ihr jedes Mittel recht …

Was für eine Story! Maud Ventura erzählt die Geschichte einer scheinbar perfekten Frau, die bereit ist, alle Grenzen zu überschreiten, um ihren Mann an sich zu binden. Die die Liebe ihres Mannes um jeden Preis erhalten will und sich dabei zunehmend in einem selbst geknüpften Netz aus Analysen, Selbstzweifeln, Perfektionsdrang und Obsession verstrickt.

Dass der Roman nicht zur deprimierenden Nabelschau einer zutiefst verunsicherten Frau gerinnt (wie man vermuten könnte), ist Maud Venturas grandiosem Erzähltalent zu verdanken. Mit feiner Bosheit und leisem Grauen lässt sie ihre Leser*innen am vermeintlich unaufgeregten Alltag ihrer Protagonistin teilhaben, schiebt sie unaufhaltsam in den Gedanken- und Gefühlssog der Erzählerin, der sich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde zuspitzt – bis zum fulminanten Plot-Twist am Ende des Romans, der alles Gelesene in ein gänzlich anderes Licht rückt.

Für mich ein absolutes Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 06.02.2025

Eine gelungene Hommage an die Queen of Crime und ihre entzückendste Ermittlerin

Miss Marple
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Agatha Christies Miss Marple – hat man von der ebenso reizenden wie scharfsinnigen alten Dame nicht schon alles gelesen? Mitnichten! Die zwölf Kriminalgeschichten dieser wunderbaren „Miss Marple“-Anthologie ...

Agatha Christies Miss Marple – hat man von der ebenso reizenden wie scharfsinnigen alten Dame nicht schon alles gelesen? Mitnichten! Die zwölf Kriminalgeschichten dieser wunderbaren „Miss Marple“-Anthologie sind, wie der Untertitel verkündet, tatsächlich neu. Denn sie stammen nicht von Agatha Christie selbst, sondern von zwölf Bestsellerautorinnen – darunter Ruth Ware, Lucy Foley und Val McDermit –, die die reizende Hobbydetektivin fünfzig Jahre nach ihrem letzten Fall wieder aufleben lassen. Zugegeben, an einigen (allerdings sehr wenigen) Stellen hört man heraus, dass sie nicht aus der Feder der unangefochtenen Queen of Crime selbst stammen. Doch bei mir überwog bei Weitem die Verblüffung und Begeisterung darüber, wie gut die meisten von ihnen Agatha Christies unverwechselbaren Erzählton treffen. Eine gelungene Hommage!

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Ein zärtliches literarisches Denkmal

Luzia
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Für die einen – die Großen, die Erwachsenen – ist es eine trostlose Welt, dieses Nachkriegswien. Eine Welt der Armut und Hoffnungslosigkeit. Eine Welt der ungewissen Zukunft. Doch für die achtjährige Luzia ...

Für die einen – die Großen, die Erwachsenen – ist es eine trostlose Welt, dieses Nachkriegswien. Eine Welt der Armut und Hoffnungslosigkeit. Eine Welt der ungewissen Zukunft. Doch für die achtjährige Luzia hält diese Welt so manches kleine Wunder bereit. Als Pflegekind der undurchsichtigen Frau Tóth, die regelmäßig von Frauen aufgesucht wird, um ihnen aus gewissen Schwierigkeiten zu helfen, ist sie wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Doch das kleine Mädchen entdeckt kleine, zarte Lichtblicke, wo andere nur Finsternis sehen. Da ist ihr Onkel Leo, der so lieb und so fröhlich ist und sie hin und wieder besucht. Frau Tóths Untermieter Liszt, der Luzia gelegentlich mit ins Wirtshaus nimmt. Und ihre Mutter, die gewiss eine feine Dame sein muss, wohnt sie doch im Weißen Rössl.

Luzias überschaubarer Kosmos bricht jäh in sich zusammen, als sie in die „Bucklige Welt“ geschickt wird, um sich als Dienstkind bei Bauern zu verdingen. Gleichzeitig eröffnet sich dem Kind dort die Chance, mehr über die eigene Herkunft zu erfahren – und damit über sich selbst.

„Luzia“ ist die berührende Geschichte einer Kindheit vor dem Hintergrund sozialer und politischer Umwälzungen. Mit leisen Tönen und behutsamer Poesie, dabei klar und bildhaft zugleich, beschwört Daniel Stögerer eine dem Untergang geweihte Welt herauf, die Raum lässt für einzelne Schicksale, allen voran das der kleinen Luzia, deren reales Vorbild die Urgroßmutter des Autors ist. Und vielleicht ist es das, was mich ganz besonders und ganz persönlich berührt hat, ähnelt Luzias Kindheit doch in einigen Punkten der meiner eigenen Großmutter. Für mich ist „Luzia“ mehr als ein Roman, es ist ein zartes, zärtliches literarisches Denkmal.

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Das perfekte Buch für lange Nachmittage auf der Couch

Die vergessenen Kinder
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Es ist ein Fall, der sie ihre gesamte Karriere hindurch nicht losgelassen hat: Als junge Polizistin wurde Jo Hamilton zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen. Ein rasender Vater, eine hilflose Mutter, ...

Es ist ein Fall, der sie ihre gesamte Karriere hindurch nicht losgelassen hat: Als junge Polizistin wurde Jo Hamilton zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen. Ein rasender Vater, eine hilflose Mutter, zwei verängstigte Töchter: In Jos Bestreben, sofort zu helfen, kommt es zu einem tragischen Vorfall, bei dem die Eltern sterben. Die beiden Mädchen werden in einem Waisenhaus untergebracht; zehn Jahre später verschwindet das ältere spurlos.

Vier Jahrzehnte später steht Jo kurz vor ihrer Pensionierung. Ein unerwarteter Leichenfund weckt ihre Erinnerungen – und ihren Spürsinn. Handelt es sich um die sterblichen Überreste des vermissten Mädchens? Ungeachtet ihrer endenden Dienstzeit und ihrer privaten Probleme beginnt Jo zu ermitteln. Kann sie den Vermisstenfall von damals aufklären – und ihre Schuld endlich begleichen?

Wie in ihren bisherigen Romanen versteht Emily Gunnis es auch in „Die vergessenen Kinder“ (aus dem Englischen von Ute Brammertz und Carola Fischer), auf spannende und fesselnde Art zu unterhalten. Die auf mehreren Zeitebenen spielende Story führt aus der Gegenwart über die Siebziger- und Achtzigerjahre bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Nach und nach enthüllen sich ungeahnte Zusammenhänge, die schließlich in ein überraschendes Ende münden. Für mich das perfekte Buch für lange Herbst- und Winternachmittage auf der Couch.

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