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Veröffentlicht am 02.11.2018

Gellhorn vs. Hemingway

Hemingway und ich
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Martha Gellhorn war eine US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin, die vor allem durch ihre Kriegsreportagen ab Ende der 1930er Jahre bekannt geworden ist. Martha Gellhorn war tough, sicher eine ...

Martha Gellhorn war eine US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin, die vor allem durch ihre Kriegsreportagen ab Ende der 1930er Jahre bekannt geworden ist. Martha Gellhorn war tough, sicher eine außergewöhnliche Frau – und mit Ernest Hemingway verheiratet. Genau diese interessante Mischung aus Martha Gellhorns beruflichem Werdegang und ihrem Privatleben macht Paula McLain in ihrem neuesten Roman „Hemingway & ich“ zum Thema.

Gellhorn ist 28 Jahre, als sie auf den zehn Jahre älteren Ernest Hemingway trifft. Hemingway, als Autor und Reporter berühmt geworden, mit seiner zweiten Ehefrau zusammenlebend, zieht Gellhorn, die noch am Anfang ihrer Karriere steht, sofort in seinen Bann. Aber auch umgekehrt springt der Funke über. Gemeinsam berichten sie später als Kriegsreporter aus dem Spanischen Bürgerkrieg und verbringen immer mehr Zeit miteinander. Während der Zweite Weltkrieg tobt, pendeln sie zwischen Frontlinie und Hemingways Rückzugsort in Havanna hin und her. An seiner Seite fühlt sich Martha gestärkt und beschützt, aber auch ein wenig wie aufs Abstellgleis gestellt. Denn Hemingway gewinnt literarisch immer mehr an Zuspruch, während Gellhorn in seinem Schatten an ihren eigenen Werken feilt, die – obwohl gut - wenig beachtet werden. Das nagt an ihr und führt dazu, dass sie sich entscheiden muss. Bleibt sie die Ehefrau eines weltberühmten Mannes und riskiert dabei, nur die Frau an seiner Seite zu sein oder bleibt sie sich selbst treu und geht ihren eigenen Weg?

Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht, angenehm gleitet man anhand der verschiedenen Figuren Martha Gellhorns Leben entlang und lernt eine Menge über ihre Einstellung und ihr Motiv zu schreiben. Vor allem der familiäre Hintergrund wird explizit beleuchtet und gibt so einen Einblick in die spannende und konflikthafte Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Doch nach und nach führt die Ich-Erzählperspektive dazu, dass mir die Figur der Martha (ich möchte ausdrücklich betonen die Figur, nicht Martha Gellhorn selbst) unsympathisch geworden ist – und mit einer unsympathischen Figur als Hauptperson wird ein Roman schwierig zu lesen. Manchmal funktioniert das trotzdem super, da muss eine Figur spezielle Ecken und Kanten aufweisen, um die Geschichte tragen zu können, aber hier hat es mich unglücklicherweise irgendwann genervt. Die Autorin Paula McLain versucht dem/der LeserIn eine Martha Gellhorn zu zeigen, die zwischen Stärke und Unsicherheit schwankt, die selbst erst herausfinden muss, wohin und zu wem sie gehört und was sie vom Leben, von sich als Autorin und als Kriegsreporterin zu erwarten hat. Obwohl McLain eine emanzipierte und selbstbewusste Gellhorn zeigen möchte, zeichnet sie leider eine teils überhebliche, unnahbare und sich oft sehr privilegiert verhaltende Figur. Das ist nicht immer so, denn es gibt einige Szenen, in denen Paula McLain Martha Gellhorn sehr weise über das Kriegsgeschehen nachdenken lässt – und das finde ich super! -, aber dennoch bin ich persönlich mit dem Roman dann nicht mehr richtig warm geworden, was ich unfassbar schade finde.
Bevor das jetzt zu negativ wird, was es eigentlich gar nicht werden soll, sondern nur ehrlich (und damit meine ich: für mich hat es nicht funktioniert) möchte ich festhalten, dass „Hemingway & ich“ ein durchaus gelungener Roman ist, der einen interessanten geschichtlichen Hintergrund (vom Spanischen Bürgerkrieg bis zum Zweiten Weltkrieg) mit dem Leben und der Liebe von Martha Gellhorn und Ernest Heminway verbindet. Es ist spannend zu beobachten, wie sich Martha versucht aus Hemingways Schatten zu befreien, aber doch: meinen persönlichen Geschmack hat „Hemingway & ich“ nicht getroffen, was zum einen an der Inszenierung von Martha Gellhorn gelegen hat, die ich, - vom dem, was ich über sie weiß-, eigentlich sehr bewundere sowie an den teils doch recht vielen und (ich muss es ehrlich schreiben) kitschigen Liebesszenen. Ich hätte mir manchmal eine sachlichere Darstellung gewünscht, während andere sicher den großen Einfallsreichtum der Autorin bewundern. Deshalb bleibt abschließend zu sagen, wer einen Roman zum Weglesen sucht, sich gleichzeitig mit der Geschichte Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen möchte und ein wenig Romantik wünscht, der hat hier das richtige Buch gefunden.

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