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Veröffentlicht am 06.09.2021

„……….und es gibt nur eines, was wir dem Tod sagen: „Nicht heute“.“

April & Storm - Stärker als die Nacht
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Stärker als die Nacht – April & Storm von Karen Ashley

Die Schatten der Nächte. Sie können viel bedeuten. Zum einen Personen, die geistig und in ihrem Schatten einfach umnachtet sind. Natürlich meine ...

Stärker als die Nacht – April & Storm von Karen Ashley

Die Schatten der Nächte. Sie können viel bedeuten. Zum einen Personen, die geistig und in ihrem Schatten einfach umnachtet sind. Natürlich meine ich das aber nicht. Wir verbinden Nächte mit der Dunkelheit, die ihnen anheim ist. Das Licht als Quelle des Tages, des Lebens, der Helligkeit, auch im Leben. Doch gibt es bei Sonnenschein immer Schatten, und in der Nacht Licht, selbst, wenn es so nicht scheint. Und aus diesem Grund wurde wohl seit jeher die Nacht als böse bezeichnet, während der Tag das Gute darstellt. Tatsächlich hatte ich letztens mit jemandem eine Diskussion über „Carpe Diem“ oder „Carpe Noctem“. Denn die einen leben den Tag, und die anderen die Nacht. Doch was ist, wenn die Nacht nicht von der Tageszeit abhängt, sondern eine Beschreibung dessen ist, in welcher Lebensphase wir uns befinden? Wenn wir uns in tiefster Dunkelheit unserer eigenen Nacht befinden, selbst bei Tag, und keiner uns aus dieser tiefen Nacht herausholen kann, weil die Dunkelheit von uns Besitz ergriffen hat, und nicht weichen möchte? Es gibt Wege aus dunklen Phasen herauszukommen, und das kann man alleine, aber auch mit Hilfe von anderen Menschen schaffen. Und manche Menschen kommen trotzdem nicht aus ihrer Dunkelheit heraus, weil sie an ihnen haftet. Nächte, durch die wir uns kämpfen, können also viel bedeuten. Zum einen einfach Schlaflosigkeit oder Alpträume. Sie treten auf, wenn es uns schlecht geht, aber auch manchmal wenn es uns gar gut gehen mag, und uns unterbewusst irgendwas stört. Zum anderen natürlich Lebensphasen der Dunkelheit, durch die wir uns kämpfen müssen. Und davon gibt es manchmal wahrlich mehr als genug. Denn für jeden selbst kann seine eigene längste Nacht des Lebens ein Ereignis sein, das einen so beeinflusst, dass es einen gerne mal in die Dunkelheit zieht. Warum ich das erzähle, ist diesmal ziemlich klar. Denn wer auf den Titel des Buches schaut, wird feststellen, dass hier irgendwas stärker als die Nacht ist. Was allerdings genau die Nacht bedeutet, und was stärker ist, das sollte jeder selbst bei der Lektüre herausfinden.

Die Geschichte des Buches:

Es geht um April und Storm. April, die vor einiger Zeit aus Deutschland in die USA kam, ist dort, um einen Neuanfang nach einer Krebserkrankung zu wagen. Sowohl im privaten, als auch im beruflichen Sinne. Doch wie es immer im Leben so ist, klappt nicht alles, wie geplant. Auf einmal ist der Freund, mit dem sie in die USA kam, weg, und Aprils Mieterin und Mitbewohnerin ebenfalls. Die allerdings aus anderen Gründen und mit begrenzter Zeit. Diese muss genutzt werden, um einen neuen Mitbewohner zu finden. Immerhin sind die Mieten nicht sehr günstig, und allein schwer zu tragen. Nach einigen Vorstellungs-Fiaskos steht nun also Storm vor Aprils Tür. Er, voller äußerlicher Narben und körperlich beeinträchtigt, sie, voller innerlicher Narben, und sehr misstrauisch, ob das klappen kann. Doch nicht nur April hat Narben der Vergangenheit auf ihrer Seele, denn Storm hat sowohl diese, als auch seine äußerlichen. Und zu allem Überfluss fühlen sich beide dann auch noch zueinander hingezogen, und eine Menge Dinge passieren. Doch kann etwas gut gehen, wenn beide Teile eines Ganzen Beschädigungen aus ihrer Vergangenheit mitbringen? Auch das findet man in der Geschichte heraus.

Cover und Titel:

Das Cover gefällt mir sehr gut, weil es nicht einfach nur ein Farbcover ist, sondern auch die Silhouette der Häuser zeigt, und damit auf das Thema des Buches und der Wohnungssuche anspielt. Denn ja. Die Geschichte um April und Storm wird eine Trilogie werden, und „Stärker als die Nacht“ ist Band 1. Womit wir auch beim Titel wären, denn dieser bezieht sich auf die Nacht und das Starksein. Auf die Dunkelheit der Vergangenheit. Und was beides miteinander zu tun hat. NACH der Lektüre wird man dann auch genau wissen, was es damit auf sich hat. Aber der Titel gefällt mir, weil er sich wirklich auf den Inhalt bezieht. Sowohl auf Szenen, als auch darauf, dass man manchmal stärker als die Nacht, also als seine eigene Dunkelheit sein muss, um diese zu vertreiben.

Fazit und Gedankenallerlei:

Wie schon erwähnt, ist Stärker als die Nacht Teil 1 einer Trilogie um April und Storms Geschichte. Es wird also weitergehen. Erwähnt haben will ich es trotzdem. Schon allein deswegen, damit man einiges besser versteht, was ich hier schreibe. Am Anfang kam ich nämlich wirklich mit allem sehr gut zurecht. Mit dem Schreibstil, mit der Atmosphäre, und sogar mit der Thematik. Nur mit einer Sache nicht: Mit April! Gelegen hat das Ganze daran, dass sie, aufgrund ihrer Vergangenheit, und der Angst vor dem Kontrollverlust, und dem Ausgeliefertsein an eine Krankheit, alles total durchplant. Sie erscheint oft recht kalt, unnahbar. Für mich als Mensch, der gar nicht so ist, und mit solchen Menschen auch oft nicht klarkommt, war das recht schwierig. Sind doch die Protagonisten bei mir das Wichtigste. Ich habe April oft verstanden in ihrem Agieren, und warum sie etwas tut. Habe aber nicht verstanden, warum sie es so tut, wie sie es eben getan hat. Ihre Kühle war zusätzlich nochmal etwas, womit ich anfänglich nicht gut klarkam, weil ich Menschen mag, die Wärme ausstrahlen. Und mit einigen ihrer Äußerungen habe ich dann auch nicht übereingestimmt. Es hat also eine Weile gedauert. Aber Tatsache ist auch, dass irgendwann der Punkt kam, wo ich April so hingehend verstanden habe, wovor sie Angst hat, und warum sie nur in ihren Planungen ihr Leben in den Griff und unter ihre eigene Kontrolle bekommen will. Und um das zu kapieren hat es eine Weile gebraucht. Denn April möchte die Kontrolle über sich selbst behalten, andernfalls würde sie die Kontrolle über sich niemand geringeres überlassen als dem Tod. Und der kann ja wirklich sehr bedrohend sein. Das also gleich am Anfang, damit ihr versteht, in welchem Zwiespalt ich gesteckt habe. Diese tolle Geschichte, und April, die ich verstehe, und doch nicht verstehe. Und die Hoffnung auf die Fortsetzungen, denen ich wirklich mit Spannung entgegenblicke. Nicht nur im Hinblick auf eine Wandlung von April, sondern weil ich wirklich so neugierig zurückgelassen wurde, und unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht. Deshalb liebe April, bekommen du und Storm 4,5 Sterne, die ich aufrunde in den Buchcommunities, bei denen es keine Halbsterne gibt.

Es geht im Buch um eine Vielzahl von Themen, die alle wichtig sind uns aufgegriffen werden müssen, die aber auch belasten können, schwer zu verdauen sind, tiefgehend, oder einen einfach erstmal erschlagen können. Es geht um Tod, Krankheit, das Leben, Verantwortung für sich selbst, einen anderen Menschen, ein anderes Lebewesen, wenn man sich selbst keine Verantwortung zutraut. Um Vertrauen in sich selbst, das man hat, mal hatte, nicht mehr hat, das wiederkommt. Um Liebe Gefühle, Emotionen, und den Kopf, der einen mit seinen planungsmäßigen Gedanken einfach fern davon halten will, diese Gefühle auszuleben und sich auf sie einzulassen. Um Sicherheit geht es auch, und zwar in allen Dingen. Sicherheit, dass man nicht verlassen wird in jeder Form. Denn der Tod kann ein Verlassen bedeuten, und andere Dinge natürlich auch.

Die ganze Geschichte hat eine Spur und ein Touch von Dunkelheit, eben von jener Nacht und Dunkelheit des Menschen. Uns erwartet also im Buch keine Atmosphäre der Leichtigkeit. Und das wäre auch nicht passend zu den Thematiken, die im Buch beschrieben werden, und um die sich alles dreht. Das Buch strahlt eine gewisse Düsternis aus, eben wie die Nacht, und nicht wie das Licht des Tages, der alles erhellt mit seiner Positivität. Und trotzdem. So wie es in jeder Nacht auch schöne Augenblicke gibt, so scheinen auch durch die Düsternis und Dunkelheit einige Stellen, in denen man schmunzeln kann. Die sogar häufiger, denn es gibt Charaktere, die das Buch auflockern mit ihrer Art, und ihrer Ausstrahlung durch die Seiten hindurch. Wir finden Ansätze von Menschen, die einem nur Gutes wollen, und welche, die einem Böses wollen. Menschen, die mit verschiedenen Dingen verschieden umgehen, die zu uns stehen, wenn wir Mist bauen, und die uns verlassen, nicht nur wegen des Mistbauens, sondern weil sie einfach nur an sich denken. Und auch das ist nicht immer nur schlecht. Es geht um den Umgang mit Krankheit, und darum, dass es Menschen in unseren Leben gibt, die nur das Perfekte mit uns erleben wollen, und uns fallen lassen, wenn wir nicht mehr ganz perfekt sind, wenn wir ein wenig zerbrochen sind, und nicht mehr ganz und vollkommen. Doch hier kommt es dann auch immer darauf an, ob wir als angebrochene Wesen ganz zerbrechen, oder ob wir angebrochen weiterleben, mit dem Makel, dass wir eben angeknackst sind, und daraus Stärke beziehen. Stärker als die Nacht quasi.

Was das Buch uns nochmal bewusst macht ist unsere eigene Sterblichkeit, und die hält es uns auch in allen Facetten vor Augen in Form von Krankheiten, die überlebt werden, gefährlichen Situationen, gestorbenen Menschen, die uns immer noch im Leben begleiten, und den Orten, die für Sterblichkeit stehen, nämlich Friedhöfe (die fotografiert April nämlich gerne, und DAS kann ich verstehen). Es ist mahnend, das Leben zu genießen, und alles rauszupressen was geht, denn es könnte jeden Tag zu Ende sein. Ja, unser Leben ist endlich, und es ist ein unangenehmes Thema, worüber die meisten nie reden wollen. Doch der Tod schwebt immer mit und ist überall dabei.

Tatsächlich fiel es mir aufgrund Aprils Art etwas schwerer in die Geschichte hineinzufinden. Wieso das Ganze? Weil sie einfach so ganz anders war, als ich es bin. Planend, mit Listen, kühl, immer alles vorausschauend. Alles in allem keine schlechten Dinge möge man meinen. Trotzdem war mir das Ganze zu pedantisch. Als April sich dann später etwas fallen lassen konnte, fand ich es schön. Ich mag Menschen, die ihren Instinkten nachgehen, die sie nicht unterdrücken rein aus Kopfgründen. Deshalb hat der zweite Teil mir dann auch so sehr gefallen, dass ich ihn richtig intensiv wahrnehmen und als Leseerlebnis erleben konnte. Überhaupt: Das mit April und mir, das war ein einziges Hin und Her. Ich habe sie verstanden und doch nicht verstanden. Oder besser gesagt, anders herum. Erst habe ich sie kein bisschen verstehen und nachvollziehen können. Das hat sich später im Buch relativiert. Und trotzdem: Dieser Rest der Planung und des durch Strukturierens und Planens, war der kleine Tick zu viel, genau wie, dass sie immer die Kontrolle behalten muss, und nicht locker sein kann. Was tatsächlich nicht an der Geschichte an sich lag, sondern an meinen Vorlieben von Menschen. Denn ich bin sicher, dass April sich uns noch offenbaren wird, und dafür hat sie ja auch noch zwei Bücher bis zur Beendigung der Trilogie Zeit. Unnahbar, kalt und abweisend. Seufz. Was steckt unter Aprils Schutzschicht wirklich außer das Offensichtliche? Ich hoffe, dass ich April in den anderen Teilen noch anders erleben darf. Wärmer, offen mitfühlender (denn sie kann sehr mitfühlend sein) und ihr Mitgefühl nicht unter ihrer Unnahbarkeit versteckend. Ich habe auch mit April gehadert wegen ihrer Vorurteile gegenüber Storm, die zwar real aus ihr heraus sprechen, die ich trotzdem nicht so gut fand. Weil es beschädigte Menschen nicht gibt. Und weil man nicht über Aussehen und Narben urteilen sollte, oder sich gar davor ekeln, oder jemanden verurteilen sollte, als ob man das dürfte. Aber das hat sich später etwas gelegt, nachdem April ihre Skepsis gegenüber Storm niedergelegt hat, die sicherlich unter ihrer eigenen Unsicherheit geschlummert hat. Denn kann jemand mit eigenem Makel über jemand andren urteilen? Und kann überhaupt irgendjemand über jemand andren urteilen, ohne ihn richtig zu können, und ganz vorbehaltlos in ein Kennenlernen hineingehen? Kann man urteilen ohne die gesamte Wahrheit zu kennen? Und nun die Frage an mich: Kann ich über April urteilen, einfach so, nur, weil ich eventuell ein wenig mehr Team Storm bin? :D.

Es ist nämlich gar nicht so einfach (Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Schatten dazwischen, Grautöne). Erst meint man, dass April die Abweisende ist, dann merkt man aber, dass Storm derjenige ist, auf dem der Fokus der Abweisung liegt. Weil er sich selbst auch erst als Freak sieht, als Teil einer Selbststrafe und Geiselung, natürlich nicht in ihrer eigentlichen Form. Das Ganze ist wie ein langsames aneinander gewöhnen, und diesmal nicht unbedingt mit Liebe gespickt. Zumindest nicht anfänglich. Denn da spürt man die Ablehnung ganz wirklich. Hier müssen sich wirklich erstmal Menschen aneinander gewöhnen, die in ihrer Einsamkeit gefangen sind, und die nun zusammen auskommen müssen.

Hier muss man sich wirklich auf mehrere Thematiken einschießen, die gar nicht so leicht verdaulich sind. Und trotzdem ist dies erst Band 1. Man kann also getrost auf viel Dramatik hoffen, und einen Verlauf, der sich nicht einfach in rosarote Wölkchen auflösen wird. Denn so einfach ist es eben meist nicht. Und das ist auch eine Stärke vom Roman und des Buches. Dass er Realität widerspiegelt, nichts beschönigt, und uns das vollkommene und ganze „Kaputte“ zeigt, das doch gar nicht kaputt ist, sondern von der Welt eventuell nur kaputt angesehen wird, in sich selbst aber vollständiger ist, als so manch oberflächlicher Perfektionismus. Aber auch die Drogenabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit, und Alkoholsucht wird thematisiert.

Die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit von uns Menschen ist allgegenwärtig und durchzieht den Roman. Und das ist auch gut so. Mahnt es uns doch, und zeigt uns auf, dass ALLES IMMER JEDERZEIT zu Ende sein kann, und wir die Zeit bis dahin leben sollten. Und zwar richtig leben, um alles aus dem Leben herauszuholen, auch in Nächten. Die Schatten der Vergangenheit und der Nacht sind allgegenwärtig und immer da. Nicht nur in den Nächten erscheinen sie. Man muss mit ihnen laufen, oder um die Wette rennen, dass sie einen nicht einholen. Schatten aus einer Nacht, die ein altes Leben zerstört hat, und Schatten aus einer Zeit, die einem das Leben beinahe genommen hätte, um im Tode zu gipfeln. Es geht also auch darum, aus sich herauszukommen, und zu leben. Und das ist vielleicht das Geheimnis von April. Dass man sie erst anders erleben muss, um sie locker und lebendig zu erleben. Aus sich herauskommen und leben vs. Gefangensein des Todes.

Ganz komplex habe ich auch hier wieder in der Geschichte mehr gefunden, als sie als erstes von sich preisgibt. Gebrochene Menschen, die gebrochen sind, aber nicht daran zerbrechen, oder zerbrochen sind, und somit stärker als die Nacht, und sogar die eigenen Schatten.

Das heutige Rezensionslied musste ich also nehmen, weil es ganz einfach von einem Rennen mit den Schatten der Nacht handelt. Und diese nicht unbedingt für jeden dasselbe bedeuten. Es kam mir trotzdem sofort in den Kopf beim Lesen, weil es oftmals ja auch eine kalte Welt ist, in der wir leben, wenn man den ganzen Schmerz für sich selbst behält:

„You said, "Oh girl, it's a cold world, when you keep it all to yourself"
I said, "You can't hide on the inside, all the pain you've ever felt. Ransom my heart but baby don't look back, cause we got nobody else."

We're running with the shadows of the night. So baby take my hand, you'll be alright. Surrender all your dreams to me tonight. They'll come true in the end.“

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Veröffentlicht am 30.05.2023

Wann ist ein Wort ein Wort, und wann ist es eine Waffe?

Babel
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Babel von Rebecca F. Kuang

Die Macht der Sprache, der Worte, des geschriebenen und gesprochenen Wortes, deren Bedeutung, und dass ein Wort, wenn jemand es nicht versteht, eine ganz andere Bedeutung haben ...

Babel von Rebecca F. Kuang

Die Macht der Sprache, der Worte, des geschriebenen und gesprochenen Wortes, deren Bedeutung, und dass ein Wort, wenn jemand es nicht versteht, eine ganz andere Bedeutung haben kann, dass jemand mit Worten leicht täuschen kann, meist am längeren Hebel sitzt gegenüber denen, die Worte und Sprache nicht verstehen. Dass jemand einem ALLES erzählen kann, Worte vortäuscht oder weglässt und wir glauben müssen, was in fremden Sprachen dort steht, wenn wir sie selber nicht gelernt haben, das ist der Lauf unserer Welt. Deswegen gibt es Übersetzungen. Was übersetzt wird, müssen wir glauben, dem Übersetzer vertrauen. Denn nur so, können wir uns verständigen. Und manchmal ist die richtige Kommunikation untereinander das Wichtigste im Leben. Sich nicht nur mit dem Wort zu verstehen, sondern uns selbst auch als Menschen in unserem Tun nachvollziehen zu können. Zu verstehen, wer wir sind, und warum wir Dinge tun, wo wir hingehören. Vorliegendes Buch spricht diese Thematiken wunderbar an.

Welche Geschichte die Worte im Buch erzählen:

Das Jahr 1828: Robin Swift überlebt in seiner Heimat Kanton als Kind den Ausbruch der Cholera. Als Waise zurückgelassen kommt Rettung in Form des mysteriösen Professor Lovells. Der ist nicht nur für Robins Heilung verantwortlich, sondern nimmt ihn mit nach London. Robin, schon immer Büchern und Worten zugewandt, lernt dort Latein, Griechisch und Chinesisch, in Vorbereitung dazu, dass er eines Tages die Möglichkeit bekommt im Königlichen Institut für Übersetzung in Oxford, Babel genannt, zu studieren. Dort angekommen merkt man, dass nicht alles Gold (hier im Buch Silber) ist, was glänzt, und Robin merkt es langsam. Denn ein chinesischer Junge im 19. Jahrhundert, an einer Universität wie Oxford, der mehrere Sprachen spricht als einige Menschen des Empires selbst, kann sowohl Fluch als Segen sein. Verloren gegangene Worte und verlorene Übersetzungen, eingraviert in Silberbarren ….. das ist die Form der Magie der Geschichte. Denn das britische Empire nutzt dieses Silber, um andere Länder zu kolonisieren, und größere Macht über alle zu bekommen. Robin selbst bekommt es mit einer Geheimorganisation zu tun, die das verhindern wollen. Und als es um mehr geht, nämlich einen drohenden Krieg wegen Opium, muss Robin sich entscheiden, auf welcher Seite er steht. Das Land in dem er geboren wurde, oder das Land in dem er aufgewachsen ist und ausgebildet wurde? Was ist hier richtig und was falsch? Und kann man mit Worten einen Krieg gegen das gesamte Empire führen? Das gilt es herauszufinden. Zusammen mit der Frage der Freundschaft. Robin, Ramy, Victoire und Letty bilden zusammen die Freundesgruppe, die gegenseitigen Halt gibt. Und auch hier ist die Frage, ob alles im Lauf der Geschichte so bleibt, oder ob es Worte und Verstehen untereinander gibt oder nicht gibt, so dass sich er Lauf der Geschichte ändert.

Cover und Titel:

Das Cover ist wohl das erste, was einem beim Buch auffällt. Ich mochte anfangs die Atmosphäre, diese Dunkelheit und Stille, die der Turm von Babel ausstrahlt, obwohl Worte doch so laut, und gar nicht still sind, und so viel bewirken können. Und ja …… wohl ein jeder denkt beim Anblick des Turms nicht nur an eine Universität, sondern unweigerlich auch an die Bibel, und ihre Geschichte vom Turmbau zu Babel, die damit endet, dass alle Sprachen in der Welt zerstreut wurden, und man sich untereinander nicht mehr verständigen konnte. Der Turm ist Sinnbild für Zusammenbruch und Einsturz von allem. Und irgendwie erkennt man unterschwellig metaphorisch eine Warnung, eine Mahnung sich nicht von einer Sache abhängig zu machen, denn diese könnte den Zusammenbruch bedeuten, wenn sie nicht mehr da ist. Symbolisch finde ich den Namen des Buches mit seiner Bedeutung deswegen gerade zu genial. Als Kapitelüberschriften gibt es immer ein Zitat aus einem Buchklassiker, Buch, einem Text oder Brief, passend zum Thema Worte, und den Worten des Kapitels.

Fazit und Gedanken zu den Worten, die zur Geschichte von Babel werden:

Zu Anfang des Fazits gleich ein Tipp von mir: Wer das Zitat auf dem Buch liest, das hier vom neuen Harry Potter spricht, der wird aus einerlei Grund vom Buch enttäuscht sein. Sorry Herr Scheck. Ich verstehe ansatzweise den Vergleich, weil das Buch eben wirklich etwas komplett Neues im Genre ist, so wie damals Harry Potter. Aber bitte vergleicht keine Geschichten, besonders nicht die Beiden, denn das ist hier nicht möglich. Der Vergleich ist, dass beides etwas völlig Neues IST. Ganz in der Tradition von Wortbedeutungen, können diese bei jedem Menschen anders sein und ankommen. Ein Wort für den einen bedeutet nicht dasselbe für den anderen und nächsten. Betonungen müssen stimmen, Bedeutungen, Zusammenhänge. Und schon sind wir bei der Thematik des Buches.

Müsste ich Babel mit einem Wort beschreiben, so würden mir die Worte fehlen. Denn das richtige beschreibende Wort ist noch nicht gefunden, nicht in meiner Sprache, nicht in meinem Kopf. Und so wird das Buch tatsächlich am besten beschrieben: Ohne Worte, immer auf der Suche nach den richtigen Worten. Wer es liest, wird verstehen was damit gemeint ist.

Die Welt die R.F. Kuang beschreibt, ist nicht friedlich und märchenhaft. Sie ist erfunden, und der Realität doch so nah. Wir erleben durch geschriebenes Wort Sklaverei, Kolonialismus, Rassismus, Sexismus und Klassizismus. Wir sehen alle schlechten Formen von schlechten Dingen und Worten, die verletzen, unterdrücken, schmeicheln, lügen, verdrehen und am Ende ihre Wirkung zeigen. Die Sprache wird nicht verschluckt, sie wird in die Welt hinaus geschrieben, nicht geschrien, wird eingraviert, und wirkt. Vor allem ist das Buch eine Frage an sich selbst, was richtig und falsch für jeden einzelnen von uns ist. Weil Verständnis und Verstehen für jeden Menschen etwas Anderes bedeutet, in Worten und im Agieren. Immer und immer wieder erkennt man unter den Worten der Geschichte den Lauf der Welt: Reichtum gegen Armut, Reiche werden reicher, Arme ärmer, Länder werden unterdrückt und versklavt, Geld schafft macht über andere, das Wort und Silber noch mehr, Menschen die aus anderen Ländern kommen werden diskriminiert, und Frauen haben kaum Rechte. Hier spürt man die Gewalt von Worten. Auch als Leserin oder Leser.

Trotz über 700 Seiten gibt es Szenen, die brennen sich ins Gehirn hinein. Vielleicht auch wegen der Wortwahl und weil kein Blatt vor den Mund genommen wird. Ja, ich gebe zu, dass man beim Lesen leicht in einen Rausch der Worte verfällt, selbst wenn diese unangenehm zu lesen sind. Es gibt diese Thematiken in Babel, die einen sehr aufwühlen. Vielleicht war es auch gut, das Buch nicht in einem Rutsch, sondern über einen längeren Zeitraum zu lesen. Denn es wirkt nach – Durch Worte und Denken im eigenen Kopf und. Denn das Offensichtliche ist nicht immer die Wahrheit, was man sieht kann viele Hintergründe und Bedeutungen haben, eben genau wie bei einigen Worten. Und in diesem Buch ganz besonders. Die Leichtigkeit kommt erst nach einiger Zeit hinein. Oder anders gesagt nie so ganz durch. Das Buch kann in mehrere Teile eingeteilt werden, die alle einen bestimmten Lebensabschnitt Robins zeigen mit einer ihm ganz eigenen Atmosphäre, die diesen Lebensteil verkörpert, und ein wenig das ausstrahlt, was im Inneren der Protagonisten vorgeht. Man könnte meinen, dass jeder Abschnitt eine andere Grundatmosphäre ausstrahlt.

Es ist ein bisschen so, als ob man beim Lesen die Geschichte mitfühlt und nachempfindet, die Worte fühlt. Wenn Robin und Co. zweifeln, tut man das irgendwie mit ihnen, wenn er sich müde vom Studieren fühlt, nimmt er uns mit in diese Müdigkeit und Länge der zermürbenden Übersetzungsarbeit. Dort kann man als Leser dann tatsächlich mal einen Durchhänger haben. Ich hatte das große Glück das Buch in einer Leserunde zu lesen, die sich über Wochen gezogen hat. So hatte man die Möglichkeit nicht die gesamte Wucht des Buches auf einmal zu spüren, hatte die Chance nachzudenken und über die Worte zu reflektieren und mit anderen zu diskutieren. Vielleicht würde ich das auch den Lesenden raten. Nehmt euch Zeit für dieses Buch, verschlingt die Worte nicht zu schnell, denn sie haben einen Nachgeschmack, den man auch schmecken sollte, bevor man ihn ausspuckt und vorverurteilt.

Babel ist nur am Rande Fantasy. Es spielt mit der Wirklichkeit, ist viel mehr Gesellschaftskritik, und zeigt auf, wo es in der Welt brennt, obwohl die Welt erdacht ist, allerdings gespickt mit realen Orten. Im Jahre 1833 und irgendwie durch die Zeiten hindurch fühlt man sich in einigen Erwähnungen auch an 2023 erinnert. Der Vorhang des Fantasyelementes Silber ist leicht angehoben, und darunter verbirgt sich eine grausame Welt, in der man einiges aus der Realität erkennt. Leider manchmal zu viel, so dass man sich fragt, wie einige Dinge immer noch so sein können im Heute. Trotz Schwierigkeiten hat die Lektüre und die Atmosphäre im Buch mich in ihren Bann gezogen. Denn Dark Academia? Ja. Dunkel waren die Zeiten wohl wirklich. Babel ist ein Spiegel der Gesellschaft, der uns allen vorgehalten wird und damit so viel mehr als „nur eine Fantasygeschichte“ oder „ein Roman mit minimalen fantastischen Elementen“. Die Geschichte birgt so viel Wahrheit in sich, wenn man erstmal durch die Worte und Bedeutungen hindurch taucht, und ………. Das geschriebene Wort richtig versteht.

Babel ist kein Buch voll leichter Spritzigkeit, welches man weglesen kann. Es entführt uns in keine Fantasywelt. Nur in die Welt der fantastischen Sprache und Worte. Über 700 Seiten Sprachliebe. Beißt euch durch, bleibt dran. Anfänglich erscheint es etwas schwierig und langatmig. Viele Namen erscheinen, viele Worte. Doch nach und nach findet man immer mehr Gefallen daran, wie alles zusammenhängt. In den Worten und in unserer Welt. Man muss sich schon etwas konzentrieren, um wirklich alles im Buch zu erfassen. Quasi als ob wir als Leserinnen und Leser ebenfalls am Studium in Babel teilnehmen würden.

Eine Frage der Identität zieht sich durch das ganze über 700 seitige Buch. Eine Sprache zu sprechen, oder sie wirklich zu leben, und seine eigene Identität haben bzw. wem man gegenüber Loyalität zeigt. Ein wenig Liebe und Hass gleichzeitig gegenüber Geburtsort, und dem wo man aufgewachsen ist. Loyalität vs. Eigene Interessen. Was einen prägt. Es ist ein „Hier und Dort“ sein, und doch nirgends, niemandem richtig zugehörig, zwischen den Stühlen und Welten wankend, überall hinpassend, wenn man nicht genau hinschaut, aber nirgends zugehörig. Zumindest für Robin. Und es geht um Abhängigkeit von jemandem, der einen ausnutzt für die eigenen Zwecke. Um Menschensammler. Den Menschen als Ware.

Babel ist kein Buch zum Wohlfühlen, keines zum Entspannen. Babel ist ein Buch der Worte, der Wichtigkeit der Sprache, des Miteinander und des Einander Verstehens in jeder nur erdenklichen Form. Die Sprache, die uns voneinander entfernt, ja gar entfremdet ganz im biblisch babylonischen Sinne, wo Sprache uns doch eher zusammenführen sollte. Und genau so muss es gelesen werden. Man muss die Wichtigkeit und das Gewicht der Worte im Buch erkennen. Das ist nicht immer einfach, erst recht nicht bei über 700 Seiten Sprach – und Wortbedeutung. Aber es lohnt sich durchzuhalten bis zum Ende. Es lohnt sich, die Entfremdung der Menschen zu sehen, und den Umgang der Menschen mit Menschen, die anders sind, um zu wissen und zu lernen, wie es NICHT sein sollte. Der Fantasyaspekt ist klein gehalten, gar minimal. Doch das macht rein gar nichts. Denn so entsteht im Buch etwas völlig Neues, das vorher noch nicht da gewesen war. Hier wird nicht mit Magie gezaubert, sondern mit Worten.

Man taucht bei Babel nicht nur regelrecht in die Geschichte ein, sondern in Geschichte. In die Worte, die dazu führen, dass diese Geschichte erzählt wird, und mit ihr die Historie, die die Geschehnisse umgibt. Damit leider auch die negativen Seiten der Gesellschaft, aber das alles ist so wahrhaftig geschrieben, dass es wohl damals ähnlich lief, und man heute nicht viel daran ändern kann, dass es in der Vergangenheit so zuging. Manchmal blutet einem direkt das Herz, wenn man die Worte liest. Man fiebert mit und man fühlt mit, man leidet. Aber auch das ist etwas Gutes. Denn so wird einem ein Spiegel vorgesetzt, der einem zeigt, dass es Orte in der Gegenwart gibt, wo Menschen immer noch dieses schlimme Gedankengut in sich haben.

Es geht um die Wurzeln der Sprache, der Muttersprache, der Worte, und die Bedeutung der Wurzeln des eigenen Selbst. Was man ist. Wer man ist. Wie man sich definiert. Wo die eigenen Wurzeln liegen und, ob eine andere Sprache einen automatisch zu jemand andrem macht. Ob unsere Sprache uns definiert, uns sagt wer wir sind, und anderen just dies zeigt. Es geht um den eigenen Identitätsverlust, was Identität eigentlich bedeutet, ob man uns immer mit dem Geburtsort identifiziert. Das Ganze ist philosophisch, regt zum Nachdenken an. Es geht größtenteils um Wortstämme. Man lernt viel über Worte, ihre Stämme, Sprache und Wortzusammensetzungen, und wo sie herkommen. Die Geschichte ist Fiktion an einem real existierenden Ort, der von der Autorin fiktionalisiert wurde. Wer Babel lesen möchte, muss wissen, dass er 736 Seiten vor sich hat. Allein diese Anzahl schafft es, dass man dranbleiben muss …. und sollte. Ich wollte es als Info nur gesagt haben. Gefällt die Geschichte? Nun, das ist nicht so einfach zu beantworten. Die Geschichte des Buches gefällt, die Geschichte unserer Welt in Form von Historie ist schwierig. Tatsächlich tut es das trotzdem, also gefallen, auf seine eigene Art und spannende Weise, anders als man es erst glauben mag, und es offenbart sich genauso. Anders ..... artig aber gut.

An manchen Stellen muss man gar schmunzeln ob der Wortspielereien und Erklärungen. Sie sind rar gesät, aber diese Szenerien sind vorhanden. Am Ende mancher Seite stehen Fußnoten, die alles erklären, und sich in die Geschichte hineinschmiegen, sie weitererzählen, ausdehnen und zum Teil von ihr werden. Sie sind nicht erklärend im Wortsinne, sondern viel mehr in den Hintergründen. Wir lesen über den Wandel der Worte und Sprache und damit das Abbild der Zeit und des Lebens der Menschen in der zugehörigen Zeitepoche der Geschichte. Ein Sammelsurium des Lernens, auch für Leserin und Leser selbst, was besonders Spaß gemacht hat, besonders, wenn man Worte und Sprache liebt, und erkennt, welche Macht diese auf uns Menschen haben. Der Übersetzer hat die Macht anders zu interpretieren, zu übersetzen, Dinge wegzulassen, oder dazu zu dichten, so dass Worte anders wahrgenommen werden und eventuell Geschehnisse in Gang setzen, die andernfalls nicht passiert wären. So geht das Spiel mit den Feinheiten einer Sprache im Spiel der Worte und Sprachen. Und man geht mit Robin und den anderen auf eine Reise der heutigen Klassiker seiner Zeit, da er durchaus im 19. Jahrhundert das war, was man einen Bücherwurm nennen kann. Gefangen in einer Blase aus Worten und ihrer Zusammensetzung, so wie auch manche in unserem Heute es vorziehen, sich mit geschriebenen Worten in Büchern vor den Ungerechtigkeiten der Welt zu verstecken. Die Geschichte ist für mich wie ein Schlagabtausch zwischen Wissen und Lyrik. Quasi Kopf und Emotion. Denn zwischen den Worterklärungen kommen immer wieder kleine poetische Passagen zu Tage, die von der Liebe zum gesprochenen und geschriebenem Wort künden. Und für Buch/Wort/Sprache/Geschichten/Historie-Liebhaber ist somit im gesamten gesorgt. Was man jemandem sagt, nicht sagt und verschweigt kann ganze Szenerien zusammenbrechen lassen wie ein Kartenhaus voller Lücken und ohne festen Stand, ohne festes Fundament oder Gerüst. Oder eben einen Turm. Das Fundament der Sprache und Kommunikation wankt und wackelt wie ein Turm, der zu hoch gebaut wurde. Und genau an diesem Fundament erkennt man die große Wortliebe, und dass Worte Waffen sind.

Babel ist ein Buch über Außenseiter unter Außenseitern, Nichtzugehörigkeit, die Verdrängung, das nicht sehen wollen, das Vergessen. Ein Buch über den Weg zu Radikalisierungen und zwischen Zwiespälten hindurch. Wenn man in einer Blase lebt. Wenn man Dinge nur für den eigenen Vorteil will. Und umgekehrt. Babel ist unangenehm … Aber nicht unangenehm zu lesen. Es drückt auf Wunden der Geschichte unserer Welt. Die Wunde des Rassismus, Sexismus, Klassizismus und Kolonialismus und so vielen mehr. Das Buch lässt einen nicht mit Glücksgefühlen zurück, aber definitiv mit seinen eigenen Kopfgedanken. Es wirkt nach. Ganz ohne Magie. Dafür mit seinen Worten, die wohl auch ein wenig versuchen uns Menschen aufzurütteln. Das kommt lehrerhaft rüber, aber Aufrütteln der Menschheit kann nie stark genug beschrieben sein. Der Aufbau der Geschichte ist vergleichbar mit einem Turmbau zu Babel, der hoch gebaut wird, die Szenerien bauen aufeinander auf, immer höher. Doch jeder weiß, dass, je höher man etwas baut, desto tiefer kann es einstürzen. Breakfast Club meets Hogwarts in 1830? Jein. Es ist alles viel dunkler. Und das mit Hogwarts wollten wir doch eh nicht mehr erwähnen ;). Weil es ein Wort ist ……. Das hier nicht ganz, und doch ein wenig reinpasst. Je nachdem, wie es vom jeweiligen Gegenüber verstanden wird.

Heutiges Rezensionslied? Ich fand einen anderen Text heute passender. Denn auch die Bibel wurde übersetzt, und wir müssen heute auf die Übersetzer von damals vertrauen:

„Da fuhr der Herr hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der Herr von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der Herr daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde. „

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Veröffentlicht am 12.12.2021

Haie oder das Leben. Wer hat die schärferen Zähne?

Late Night
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Late Night – Unter Haien von Nora Welling

Ich habe mal ein wenig für euch recherchiert, denn ich dachte mir, wenn ihr schon ins Wasser eintaucht, und unter Haien seid und ihnen begegnet, solltet ihr einige ...

Late Night – Unter Haien von Nora Welling

Ich habe mal ein wenig für euch recherchiert, denn ich dachte mir, wenn ihr schon ins Wasser eintaucht, und unter Haien seid und ihnen begegnet, solltet ihr einige Tipps haben, wie ihr euch verhalten sollt um die Begegnung zu überleben. Gebt gut acht. Dieses Buch könnte euch retten, wenn ihr mal in Nöten seid, und einem Hai begegnet, egal in welcher Form er euch erscheint. :)

Haie…. Woran denkt ihr als erstes, wenn ihr dieses Wort hört? Zum einen ist es das Synonym für den mörderischen weißen Hai, der einen, nun ja, tötet. Haie und ihre Grausamkeit. Zum anderen befindet man sich unter Haien, wenn man in einer Situation ist, die ähnlich der Höhle des Löwen ist, nämlich direkt im Haifischbecken. Man ist in Gefahr, dass der Hai einem etwas antut. Nicht unbedingt körperlich. Aber da wäre der Miethai, der Kredithai…Haifische die Zähne haben, so wie Mackie ein Messer. Babyhaie. (ja okay, Babyshark gehört nicht unbedingt in die Reihe der blutrünstigen Haigeschichten, und ist dadurch vielleicht etwas fehl am Platz). Hier geht es um die Haifischbecken unseres Lebens, in die wir reinfallen, ohne es zu merken. Und um die Haie, die nicht unbedingt sichtbar gefährlich sind, sondern im Hintergrund agieren, und den Angriff abwarten. Haie in menschlicher Form, und in Form von anderen Dingen, die über uns einbrechen können. Ein Hai der sich mit seinen Zähnen festbeißt, bis er sein Ziel erreicht, ja, sich gar ins Ziel hineinbeißt. Und zwar bissig. Nun aber genug von Haifischzähnen und Bissen. Ich habe für die Rezension sehr lange gebraucht, weil ich mich selbst ein wenig unter Druck gestellt habe, der Geschichte gerecht zu werden. So ist das eben, wenn mir Geschichten so gut gefallen, dass ich Panik bekomme, gar nicht wiedergeben zu können, was sie für mich bedeuten. Nun aber mal los.

Kommen wir zur Geschichte die das Buch uns erzählt:

Kennt ihr solche Sätze wie „Das trau ich der gar nicht zu“ oder „Das kann die eh nicht“, etwas wie „Die sieht ja so und so aus, dann muss sie so und so sein.“ Schön = dumm, Dick = Faul, Blass = krank. Die Aufzählung der Schubladen könnte nun ins Unendliche gehen. Programmiererin Louisa traut man nichts zu, weil sie einfach zu schön ist. Und eine Frau. Ruben Stephanski traut man wiederum nicht zu, dass er auch ein Herz hat. Denn bekannt ist er aus der TV Show „Unter Haien“ als bissigster Hai. Louisa hat eine Software entwickelt (genauer gesagt eine App, die es Autisten ermöglicht, besser zu kommunizieren, und hinter die emotionalen Masken von Menschen zu schauen, um sie so einschätzen zu können), und braucht Investoren. Wir kennen dieses TV Format mit Löwen. Und ausgerechnet Ruben Stephanski ist es, der ihr nicht nur das Geld, sondern auch ein Jahr als ihr Mentor anbietet. Mit Büro, und allem Drum und Dran. Dass Ruben das nötige Geld dafür hat, kann man sich denken. Und was genau er in ihr sieht, was die anderen nicht sehen, weil sie Vorurteile haben. Und was Louisa in ihm sieht. Was die Welt in Ruben und Louisa sieht und…… überhaupt dieses „gesehen werden“, und wie man wahrgenommen wird…….. darum dreht sich die Geschichte. In ganz besonders schöner, lustiger, aber auch trauriger Form. Denn dass darin auch Liebe eine Rolle spielt, sollte jedem klar sein.

Cover und Titel:

Vorsicht: Hinter den Mauern und dem Cover dieses Romans steckt so viel mehr, als nur das perfekte Abbild eines Geschäftsmannes, eines Hais, der unnahbar und kalt ist. In den Blättern und den Seiten der Geschichte steckt eben genau dies, eine Geschichte, die uns von der Selbstwahrnehmung der Menschen erzählt, und davon, dass es okay ist, nicht perfekt zu sein. Damit steht das Cover in der Tradition seiner Geschichte. Es wird unterschätzt, und viele halten es ganz sicher „nur für einen weiteren dieser Liebesromane, die einen Kerl auf dem Cover haben“. Aber wie es bei Menschen auch ist, so sollte man dem Buch die Chance geben, und sich seine Geschichte hinterm Cover erzählen lassen. Denn diese ist nicht nur gut, sondern hat mir ganz nebenbei auch noch außergewöhnlich großartig gefallen. Und das nicht nur allein wegen den Thematiken, sondern auch wegen des einfühlsamen Schreibstils, der mich immer wieder in Nora Wellings Romanen überrascht, und mitreißt.

Ich glaube der Titel bezieht sich nicht auf den Hai Ruben, sondern auf alle Haie, die uns im Leben bedrohen, und vor denen wir geschützt werden müssen. Dieses Haifischbecken namens Leben. Ruben beschützt Lou vor den Hai – Tücken der Geschäftswelt, und sie ihn vor dem Hai, der einen in die Dunkelheit zerren will. Man ist hier im Buch eben Unter Haien.

Fazit und Gedankenallerlei:

Erstmal zu den Fakten. Denn wenn ich nun anfange zu schreiben, könnte es emotional und weniger faktisch werden. Teil 1 der „Unter Haien“- Dilogie. Alles ist gut recherchiert. Protagonisten, Macken und Makel. Die Sympathie war dauerhaft da und die Beschreibungen der Figuren so, als ob man sie direkt kennen würde, und mit ihnen ihre Geschichte erlebt. Ebenso wurden die Emotionen sehr detailgenau und realistisch beschrieben. Es ist humorig mit witzigen Stellen, aber auch mit denen, die einen nachdenklich zurücklassen. Das Buch hat wahrlich einen Humor, der mir genau liegt, mit vielen lustigen und witzigen Szenen, die einen während der Hai Lektüre zum Lachen bringen. So und nun….

Vielen Dank Nora Welling, dass du immer wieder Charaktere erschaffst, die sich weit außerhalb des Schwarz-Weiß Bereichs bewegen, bei denen man graben muss, die nicht das sind, was sie auf den ersten Blick scheinen, und deren Grauzwischentöne zwischen dem was Schwarz und Weiß ausmacht meist sehr tief gehen. Bis in die Nebenfiguren erscheinen alle Charaktere lebendig. Schwester Pauline, Freund Timon (räusper…. Dem ich seine eigene Story in Band 2 wünsche), sogar die Heilpädagogin, oder die Mitinvestoren der Show. Ich mag, dass Nora Welling den Finger in die Wunde hält. Die Wunde wovon? Die Wunde, dass sie bei ihren Protagonisten (die ich kenne) immer welche zum Leben erweckt, die ein Paket mit sich herumtragen, das man erst nach der Lektüre erkennt. Zumindest bei den mir bekannten Büchern ist das so. Erst nach dem Buch, nach der Lektüre, lernen wir die Protagonisten vollständig in ihrem Inneren kennen. Das tun wir dann dafür aber auch richtig und wahrhaftig. Denn die Protagonisten sind ein klarer Pluspunkt im Buch. In bisher allen. Und wer mich kennt weiß, Protagonisten sind soooo wichtig! Und nachdem wir sie mit all ihren Makeln kennenlernen dürfen, werden sie uns fast wie Freunde. So auch hier. Und hey. Immerhin bin ich nach der Lektüre mir einem Milliardär befreundet :D. Denn trotz, dass einige Charaktere aus einem Milieu der Reichen kommen, mit dem ich nichts am Hut habe (weil ich eben nicht reich bin), so waren sie mir sympathisch und ich konnte sie verstehen, und ihre Gedankengänge nachvollziehen. Das muss auch erstmal geschafft werden.

Wir haben eine Mischung aus vor Funken witzig sprühendem Humor und tiefdunkler Tiefe, die einen mit hinabzieht. Es ist ein Karussell aus Gefühlen, das einen erwartet. Von Grinsekatze über lautes Auflachen, von Schmunzeln bis zum Nachfühlen, und letztendlich sogar Tränen ist die gesamte Gefühlsfarbpalette dabei. Und ziemlich schnell wird es auch hier wieder geschafft, dass einem die Charaktere ans Herz wachsen, dass man mitleidet, mit ihnen lacht, sich mitfreut, und beinahe meint sie zu kennen und ihnen nah zu sein. Alles dank des tollen Schreibstils. Ebenfalls positiv aufgefallen ist mir, dass es sich im Buch nicht um eine Geschichte handelt, in der der reiche Kerl, das arme Prinzesschen rettet, und ihr ein Leben in Saus und Braus bietet, von dem sie nie zu hoffen gewagt hat. Ruben ist nicht belehrend, und zeigt ihr keine Welt, in der sie sich so und so benehmen muss, um klarzukommen. Beide gleichen sich in ihrer Art, nur in ihrem Umfeld nicht. Louisa ist zufrieden mit ihrem Leben jenseits der Reichen. Louisa rettet sich selbst. Und nebenbei auch noch Ruben. Doch nicht mit Geld, sondern nur mit ihrem Dasein. Vertauschte Rollen, und trotzdem ist Ruben nicht weniger männlich, weswegen es total toll zu lesen ist.

Wir sind gefangen in einem Netz aus Vorurteilen. Gegenüber dem bissigen, eiskalten Geschäfts-Hai. Gegenüber der Schönheit einer Frau, die automatisch nichts im Kopf hat, dumm ist. Die automatisch eine Affäre mit ihrem Boss anfängt, und die automatisch ihren besten Freund verführt, und allen anderen Frauen den Mann wegschnappt, nur, weil sie es eben kann. Herumschwirrende Vorurteile in uns Menschen. Eigentlich werden so viele wichtige Themen angesprochen und sind unterschwellig da, dass man gar kein direktes Hauptthema sieht. Bevormundung in allen Ecken, Verantwortung, Druck, Vorurteile, Selbstwahrnehmung, Vertrauen ineinander, und in sich selbst. Selbstwahrnehmungsstörungen. Belastung, Leistungsdruck, Selbstzweifel, nicht gut genug sein, aber auch Anziehungskraft. Anpassung, sich anpassen, (n)irgendwo zugehörig sein, Herausforderungen. Schubladendenken und „Freaks“. Alle müssen gleich sein, wie alle es wollen. (N)irgendwo reinpassend. Zu „Dies“ und zu „Das“. In Schubladen pressen, Menschen Grenzen setzen, die einengen. Etwas jemandem nicht zutrauen, weil man ihn unterschätzt. Unterschätzt sein. Unterbindung der freien Entfaltung. Anders sein, als die Leute einen gerne sehen, und in welche Schublade sie einen stecken. Versagensängste, nicht gut genug zu sein, oder nicht genug genug zu sein. Nicht zu genügen. Und….Kennt ihr euch mit Selbstwahrnehmungsstörungen aus? Irgendwann hat es klick gemacht beim Lesen. Alle sind sie da, und wollen im Buch bei der Louisa Ruben Hai Party dabei sein.

Die Geschichte umweht aber auch noch etwas Anderes. Das Ganze kommt sanft und nicht zu schnell daher, und man spürt trotzdem, dass da etwas zwischen den beiden ist. Ein Gefühl von nah, und sich doch fern sein. Abstand wahren mit Absicht, und doch nicht voneinander lassen können, beziehungsweise die Anziehung spürend. Man spürt die Anziehungskraft, und doch ist auch hier die Thematik des Romans gegeben. Dass es nicht sein darf, dass ein Investor mit einer Mitarbeiterin etwas anfängt. Dass ein reicher Milliardär und eine zwar aufstrebende aber doch normale Frau aus verschiedenen Welten kommen. Die Frage ist nun, wo das Ganze hinführt, und genau das bekommen wir in der Geschichte zu lesen. Das Ziel, ob etwas funktionieren kann, selbst wenn es nicht typisch ist. Und die Frage ob man aufgebaute Mauern fallen lassen kann, um zu entdecken, was sich dahinter verbirgt. Das Untypische, die Verletzlichkeit, Emotionen, oder gar die reine Wahrheit des Seins, wie man ist, und nicht, wie man sich gibt? Und trotz, dass Louisa heimlich und anfänglich für Ruben schwärmt, haben wir keine Situation, in der die Protagonistin dahinschmilzt, denn auch wenn diese Situationen der Bewunderung da sind: Louisa bleibt sich treu, auch in ihren Prinzipien. Und die Anziehungskraft zwischen den beiden ist gegeben, auf Gegenseitigkeit beruhend. Was natürlich in anderen Romanen auch so ist. Aber hier ist es richtig fühlbar, und ich finde, es ist auch ein Gleichgewicht gegeben. Keiner von beiden, weder Ruben noch Lou, sind in ihrer Anbetung des jeweils anderen übertrieben, und trotzdem merkt man die Anbetung. Klingt merkwürdig? Ja, aber ich finde auch ein wenig verständlich :D.

Ich mag Bücher, in denen Dinge angesprochen werden, die so normal nicht in das Bewusstsein der Menschen kommen würden. Dinge, über die man nachdenken muss, die zum Nachdenken anregen. Vielleicht sogar über den Umgang der Menschen miteinander. Die davon handeln, wie wir denken, die uns einen Spiegel vorhalten in unserem Benehmen, und unserer Wahrnehmung untereinander. Wenn das alles gegeben ist, finde ich Bücher richtig gut. Und hier alles drin. Ich hoffe natürlich nur, dass die Botschaften auch bei anderen Lesern ankommen, und dass sie einen Denkanstoß geben, für den menschlichen Umgang. Und wie es immer in Büchern ist, die ich mag, so findet sich auch hier wieder ein Thema, das unterschwellig unter der Geschichte lauert, und das zum Nachdenken anregt. Selbstwahrnehmungsstörungen als Thematik sind definitiv vorhanden, und man findet sie in sanften Untertöten im Text sowohl, als auch direkt angesprochen in den Zweifeln und Selbstzweifeln der Protagonisten. Im Buch wird das oft als Hochstaplersein beschrieben. Dieses Gefühl, wenn man von sich selbst denkt, man sei nicht genug, könnte etwas nicht, und gar nicht so recht weiß, warum manche Leute so große Stücke auf einem halten, was sie natürlich tun können, weil man besonders und gut in etwas ist. Nur man selbst sieht das nicht so, weil man eine andere Wahrnehmung seines Selbst hat. Jemand der darunter leidet, wird sich selbst darin erkennen. Oder auch nicht. Gestörte Selbstwahrnehmung eben.

Es geht im Buch oft darum, einer allgemeinen Weltsicht nicht zu entsprechen. Nicht so zu sein, wie die anderen. Andersartig zu sein. Nicht typisch zu sein. Typisch blond, typisch sexy, typisch jung und wild, typisch unbelehrbar, typisch innovativ, typisch unerfahren. Nicht in Stereotypen zu denken. Nicht in Schemas. Nicht in genaue Schablonen zu passen, die die Welt uns aufdrücken will. Nicht dem Status Quo zu entsprechen, und sich aus diesem herauszuwagen in etwas Neues. Um Menschen die in einem nur das sehen, was sie in einem sehen wollen. Aber es geht natürlich auch darum, was Menschen von uns erwarten, was sie in uns sehen, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir einander anlügen, und ob wir die Lügen glauben oder nicht, ob die Wahrheiten gesagt werden, und darum wie die gesamte Kommunikation zwischen Menschen ist, samt Missverständnissen, Missverstehen, und Ehrlichkeit.

Und irgendwie hat sich wohl auch eine Szenerie ins Buch geschlichen, die besagt und uns zeigt, dass es manche Menschen gibt, die denken, nur, weil sie mehr Erfahrung im Leben haben, sind sie die einzigen, die Erfahrungen haben. Verständnis für jüngere Menschen, die etwas geschafft haben, gibt es nicht, und wenn ja, dann müssen sie doppelt so hart arbeiten um akzeptiert und anerkannt zu werden, weil immer noch alle denken, man sei zu jung, ODER zu hübsch. Oder man macht gar das Falsche aus seinem Leben und kommt hoffentlich zur Vernunft, um etwas Richtiges daraus zu machen (was von manchen Eltern gerne mal erwähnt wird). DA sind die, die wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, die keine Veränderungen wollen, keine Neuerungen, keine neuen innovativen Wege, die alles verteufeln, was mit modernen Innovationen zu tun hat, und diesen keine Chance geben, weil sie denken Althergebrachtes ist das Beste. Ist es aber nicht. Weiterentwicklung muss sein.

Es geht um Selbstverständnis, dazu zu stehen, was man ist, niemandem etwas vorzuspielen, so zu sein, wie man wirklich ist, und nicht für andere etwas zu sein, weil diese möchten, DASS man anders ist. Dass sie denken, man sei falsch, so wie man ist, und muss sich nun anpassen. Das hat mich teilweise richtig mitgenommen, weil die Thematik sehr nah an der Realität dran war, aber es hat natürlich auch gutgetan, weil man im Buch Dinge gefunden hat, mit denen die Protagonisten umgehen können, und Szenen, in denen einem gezeigt wird, dass man selbst das dann auch schaffen könnte. Was ich sehr gut fand. Zu sich selbst zu stehen ist also wichtig. Aber auch das Thema Schwäche (und diese Schwäche zeigen, wird einem dann als Schwäche ausgelegt, und das in einer Welt, in der man keine Sekunde lang Schwäche zeigen darf) wird uns aufgezeigt. Getrieben und gehetzt zu sein, den Erfolg zu halten. Getrieben, dass die Nachahmer und anderen Haie nicht zubeißen, und die Gelegenheit wahrnehmen, den Moment der Unachtsamkeit zu nutzen, um mehr Erfolg zu haben. Ein Hinterherjagen? Ein Davonjagen? Ein Gejagtwerden? Wer hinter das Cover blicken will, muss den Sprung ins Haifischbecken wagen um die wahren Haie der Menschen im Leben zu erkennen. Nicht immer bedeuten der Sprung ins Haifischbecken auch die Begegnung mit einem Hai oder Haien. Wer ist der wahre Hai in unserem Leben? Wer jagt und? Was jagt uns? Was treibt uns voran? Wer hier ins Haifischbecken springt, trifft auf unerwartete Haie des Lebens. Oftmals ist es so, dass wir uns anders sehen, als der Rest der Welt uns sieht. So auch hier. Attraktivität und Leistungsfähigkeit kann dafür sorgen, dass andere in uns Schönheit und Macht sehen, und nicht, was sich dahinter wirklich verbirgt. Ruhe und Alleinsein wird oftmals ausgelegt als Unnahbarkeit und Kälte. Schaut also genau hinter die Cover der Menschen.

Heutige Rezensionslied. Weil es Menschen gibt, die uns kleiner machen wollen, als wir sind, selbst, wenn wir wahre Größe zeigen, weil wir nicht auf ihre Versuche eingehen:

„There was a time when I felt like I cared.……that I was shorter than everyone there. People made me feel like life was unfair………and I did things that made me ashamed. Cos I didn't know my body would change………….I grew taller than them in more ways. But there will always be the one who will say……..something bad to make them feel great“

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Veröffentlicht am 18.05.2021

Gefallen vom Himmel, aber nach dem Aufprall nicht zerbrochen.

Alles, was du für mich bist
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Alles, was du für mich bist von Nora Welling

Freiheit und Fliegen. Der Himmel. Verlust. Aber auch in sich gefangen sein. Den Himmel verlieren. Den Himmel wiederfinden. Sich selbst wiederfinden, und neu ...

Alles, was du für mich bist von Nora Welling

Freiheit und Fliegen. Der Himmel. Verlust. Aber auch in sich gefangen sein. Den Himmel verlieren. Den Himmel wiederfinden. Sich selbst wiederfinden, und neu entdecken. Andere auf eine neue Art neu entdecken. Ängstlich sein. Nicht mehr ängstlich sein. Wieder fliegen können, aber auf eine andere Weise. Es geht um das sich nicht zu Menschen, oder einer Familie zugehörig fühlen, und dass man nicht mehr in seinen Freundeskreis gehört, weil diese einen meiden, da sich etwas geändert hat. Heute mache ich meinen Einleitungstext gar nicht so lange, weil ich in meinem Gedankenteil etwas mehr zum Buch sagen möchte. Trotzdem gab es oben ein paar Stichpunkte, worum es in diesem Buch gehen könnte. Fangen wir also gleich an.

Welche Geschichte uns der Wind im Buch zuflüstert:

Luis, Mitte 20 und Kitesurf-Weltmeister, ist der Sonne zu nah gekommen, und wie Ikarus vom Himmel gestürzt. Der lange Weg danach, zwischen Krankenhaus, Reha und Selbsthass, führt ihn zurück nach Hause. Zur Hacienda seiner Kindheit in Andalusien, von der er als Teenager in die große weite Welt, und vor allem in den Himmel und die Freiheit aufgebrochen ist. Im Kreise der vielen Menschen, die dort leben, unter anderem seine beiden älteren Brüder und viele Angestellte, lebt auch Nuria, die Tochter der Hausdame, Luis‘ beste Freundin aus Kindheitstagen, und mittlerweile Physiotherapeutin. Die Annäherung der beiden, die sich so lange nicht gesehen haben, die Konflikte zwischen Familie, Luis‘ Genesung, und der Umgang der Menschen drum herum, sowohl mit Luis, als auch mit Nuria, das ist der Kern der Geschichte, den man selbst erkunden muss. DA möchte ich gar nicht zu viel sagen, man muss es erleben.

Cover:

Ich liebe die Symbolik des Covers zum Buch, weil ich finde, dass es tatsächlich eins zum Träumen ist. Wir sehen das Wasser, das Meer, eine Weite, und die damit verbundene Freiheit. Und somit auch all das, was Luis genommen wird. Man versteht durch das Cover ein wenig die Sehnsucht nach Weite. Und kann sich ein bisschen in Luis hineinversetzen. Aber auch in Nuria. Eigentlich dachte ich beim Blick aufs Cover, ich käme viel mit dem Element des Wassers in Berührung, dabei sind es alle Elemente der Natur, die uns im Buch begegnen. Doch am allerwichtigsten ist nicht das Meer, das Wasser, die Gezeiten, sondern der Himmel, und die Freiheit die er in sich birgt.

Fazit und ganz langes Gedankenallerlei:

Erstmal ein ganz großes WOW. Dieses Buch hat mich mitgerissen und fliegen lassen. Man ist gleichzeitig himmelhochjauchzend und ab und an zu Tode betrübt, und fühlt sich trotzdem wohl im Roman, denn das Gleichgewicht aus beiden Dingen, Himmel und Hölle, der Fall vom Himmel, zieht einen trotzdem an keiner Stelle runter, lässt einen aber definitiv mitleiden, und ab und an, bei mir eher öfter, auch mitweinen. Das Ganze ist so vielschichtig und bittersüß, dass man mitfiebert, leidet, und jeden versteht, um ihn dann wieder nicht mehr zu verstehen. Es ist ein Auf und Ab der mitfiebernden Art, und jeder geschriebene Satz lässt einen kaum mehr los und fängt einen ein, zieht den Leser ins Buch, um dort zu verweilen. Und irgendwie hat mir das Buch Frühling und Sommer ins Herz gezaubert, und das zu einer Zeit, als sich mein Frühling noch nicht richtig für sich selbst entscheiden konnte. Zumindest nicht dauerhaft und beständig. Wie schon ist es also die Beständigkeit nicht nur in den Jahreszeiten, sondern auch in Menschen zu sehen und zu fühlen. Es wurden einem auf der einen Seite Lebendigkeit gezeigt, auf der anderen auch Abgründe in uns. Die beiden Seiten, die das Leben ausmachen. Die nicht nur fröhlich sein können, sondern auch tiefschwarz. Durch das ganze Buch weht eine Stimmung von Bittersüße, weil man merkt, wie es ist, wenn das alte Leben zwangsweise einem neuen weichen, Platz machen muss. Man fühlt den Schmerz, alles verloren zu haben, was einen ausgemacht hat, und was man im Leben geliebt hat, gleichzeitig fühlt man aber auch ALLES, was ein Mensch für einen sein kann, der einen in diesem Verlust begleitet, und für einen da ist. Dabei ist das Buch einfach nur ehrlich zu einem. Es beschönigt nichts, kommt mit all seiner Wahrheit daher, und bezaubert trotzdem durch seine Wortschönheit.

Die Atmosphäre der Zusammengehörigkeit zwischen Luis und Nuria ist definitiv spürbar, und eigentlich vom ersten Moment an vorhanden, so dass man gar nicht anders kann, als den Weg der beiden zu begleiten, und dabei ein Lächeln auf dem Gesicht zu haben. Auch kommt die Nähe und das beidseitige Vertrauen, das Zueinanderstehen unheimlich gut rüber. Und, dass sich beide gegenseitig ein Zuhause sind, ein Ort zum Wohlfühlen, der keinen Ort braucht, aber auch immer jeweils derjenige, der einen vor der Außenwelt schützt, und manchmal vor sich selbst. Wenn eine Autorin es schafft, dass die Nähe, das Vertrauen und die Gefühle zwischen zwei Menschen im Buch schon fast greifbar sind, dann bin ich quasi völlig hin und weg, verloren, möchte untertauchen, aber bitte auch gerne wieder auf, um besagte Emotionen weiter und die ganze Lektüre hinweg spüren und fühlen zu können, wenn möglich auch noch nach Beendigung des Buches. Was soll ich sagen? Ich denke das wurde hier geschafft. Wurde eingefangen in der Atmosphäre, und zwischen Buchseiten für die Menschen konserviert. Poetisch alles umschmeichelnde Wortkreationen, die Szenen in sich bergen, die nicht nur zum Träumen und Nachdenken einladen, sondern einen auch noch mitten ins Herz treffen. Nicht auf die kitschige Weise, aber garantiert auf die sehnsuchtsvolle. Sehnsucht nach Liebe, Erfüllung, Freiheit, Wärme, Nähe, und seinem Spiegel-Ich, die Person, die einen ergänzt, obwohl sie einem so unähnlich und doch ähnlich in allem ist. Da ist diese Verbindung, und diese ist einfach spürfühlbar.

Die Schwächen machen die Figuren menschlicher, aber nicht schwach. Ganz im Gegenteil erscheinen sie recht stark trotz ihrer Beeinträchtigungen. Sich niemandem zugehörig fühlen, fehl am Platz zu sein, keiner traut einem was zu. Nuria wird unterschätzt in ihrer Rolle als immerwährendes kleines Mädchen, und Luis unterschätzt man in dem, was er noch fähig ist zu tun. In diesem Buch geht es um Freiheit, um das Ausbrechen aus Käfigen, in denen wir gefangen sind, in unseren Körpern, unserem Aussehen, dass wir denken, andere würden uns danach beurteilen. Aber aus unserem Körper können wir nun mal nicht raus. Es geht ebenso um das Ausbrechen aus Beurteilungen, darum, wie uns Menschen von außen sehen, und wie wir nicht gesehen werden wollen. Als Beispiel, dass alle in uns immer das kleine Mädchen sehen werden, auch wenn wir schon eine erwachsene Frau sind. Das Ausbrechen aus all diesen Dingen ist Buchthema. Luis muss unweigerlich aus seinem alten Leben ausbrechen, da ihm keine andere Wahl durch den Unfall bleibt. Nuria muss sich abspalten und entfernen davon, was es mit ihr anrichtet, wie andere sie sehen. Doch in beider Abspaltung vom alten sieht man auch ein Zueinanderkommen der beiden. Und irgendwie hat das Buch für mich die wunderschöne Message und Botschaft, dass man sich für keinen Menschen verbiegen sollte, wenn er einen nicht so akzeptiert und nimmt, wie man ist. Weil er dann ja jemand anderen will, und nicht das eigene gefühlte Selbst. Nuria ist also lieber mit gar Niemandem zusammen, als dass sie sich an jemanden schmeißt, bei dem sie gar nichts fühlt, und es keine Nähe gibt? Bravo Nuria! Mir gefällt ungemein, dass im Roman Dinge angesprochen werden, über die so in der Realität niemand spricht. Weil Menschen manchmal nicht hören möchten, dass jemand davon erzählt, wie es ist, anders als normal zu sein. Dies oftmals stigmatisierend daherkommt. Und die Menschen dann nur solche Dinge wie Mitleid empfinden. Was keinem hilft! Jemand der sich selbst schon nicht mag, für das, was er ist, der kann kein Mitleid ertragen. Ein wahrer Pluspunkt im Buch. Wenngleich es nicht nur diesen gibt, weil ich das Buch allgemein als verkörperten Pluspunkt in all seiner Wunderhaftigkeit sehe. Denn ja, das Buch ist materialisierte, und auf Papier gedruckte Emotion, ist Gefühl in Worten und Buchstaben. Und mit der Lektüre wurde ich weggetragen in eine ganz eigene Buchwelt. Vielleicht bin ich ja geflogen. Denn das Fliegen, ich wiederhole es noch mal, hat hier im Buch eine zentrale Rolle. Und da es im Buch weites gehend um den Himmel und ums fliegen geht, weil es das ist, was Luis nun verwehrt bleibt, kommt diese Sehnsucht nach Himmel, nach Freiheit und Fliegen, nochmal umso mehr durch. Ja, irgendwie lässt einen das Buch fliegen, und nimmt einen mit, in die sehnsüchtigen Gedanken der Freiheit, des Fliegens, und der wunderschönen Arten vom Himmel. Egal, wo sich dieser Himmel für uns gerade befindet. Und so, wie der Wind uns beim Himmelsurfen zum Fliegen über dem Meereshimmel mitnimmt, so hat uns das Buch in Höhen und Tiefen mitgenommen, und uns darin fliegen lassen.

Die Sprache ist so bildhaft, dass das eigene Kopfkino im Moment des Leseanfangs eingeschaltet wird. Und dazu muss man nicht mal die Augen schließen, man kann einfach mit offenen Augen träumen. Sich zu den Orten träumen. Sich in die Gefühle und Emotionen der Charaktere versenken. Die Gezeiten und Jahreszeiten mit all ihrer Gewalt und Sanftheit spüren. Und den Schmerz, aber auch das Glück der Empfindungen. Alles ist menschlich. Man erlebt mit, statt einfach nur etwas über jemanden zu lesen. Man ist dabei. Fühlt die Verzweiflung. Und hat oftmals auch den Duft der Dinge in der Nase, die angesprochen werden, und im Buch vorkommen. Dies ist tatsächlich eines der Bücher, in denen ich seit Längerem solch einen Haufen von Empfindungen gleichzeitig gefühlt habe, dass ich beinahe vergessen hätte, mir ein wenig was zu notieren, weil ich das Lesen einfach nur genießen wollte. Und das habe ich dann auch getan. Also verzeiht: Meine jetzigen Gedanken kommen von meiner Nachbetrachtung, und sind ein Nachhall meiner eigentlichen Gefühle beim Lesen. Das muss ein Buch ja auch erst einmal schaffen :). Alles ist einfach nur wundervoll atmosphärisch geschrieben. Ja, das Buch spielt richtiggehend mit den Atmosphären. Der Stil ist leicht, zart, fast poetisch, und ab und an trotzdem durchwirkt durch eine Schwere und Fülle. Beides im Zusammenspiel ergibt eine Mischung, die einen glücklich, betrübt, traurig aber auch voll Hoffnung zurücklässt.

Und ich kann es nicht anders sagen. Die Geschichte lässt einen mit einem Glücksgefühl zurück, und das ob des doch eher unglücklichen Themas. Wobei: Was ist schon Unglück? Wie kann man das definieren? Und liegt in einem Unglück vielleicht manchmal der Schlüssel zum Glück? Alte Tür zu, neue Tür auf? Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich die nächste. Auf alle Fälle wurde ich nach der Lektüre zurückgelassen mit einem hoffnungsvollen Gefühl, auch wenn die Geschichte nicht gleichbleibend auf ein Happy End zufliegt. Wir haben Rückschläge in den Stimmungen, Stimmungsschwankungen, was das Ganze noch realistischer macht. Es gibt durchaus lustige Stellen, aber auch tiefgehend depressive, die zum Nachdenken anregen. Man wird durch die Worte bittersüß gefangen genommen, schleicht und wankt durch die Leichtigkeit des Seins, verwoben mit einem Dasein, dem die Leichtigkeit beraubt wurde. Oder vielleicht auch nicht? Unter all dieser Schale aus gebrochenen Träumen und verbitterten Gedanken erkennt man, wenn man tiefer gräbt, in vielen Situationen so etwas wie Humor. Schwarzer Humor, Galgenhumor, aber auch Humor, der uns zum Schmunzeln bringt, und genau an den richtigen Stellen für eine Auflockerung des Themas sorgt, das uns sonst in eine Gedankendauerschleife bringen würde. Ein Buch über das Leben, den Verlust des alten, und den Gewinn eines neuen Lebens, wie auch immer Leben aussehen mag, und wie wir es definieren. Leben das nicht mehr lebenswert ist, und plötzlich doch wieder. Leben mit, und ohne eine bestimmte Person. Leben, das nur lebenswert mit DIESER Person ist. Leben auf einer Hacienda, die Flucht von dieser, und das Zurückkehren. Das Leben in seinem Beginn als Kind. Und wie alles miteinander alles dem Leben zugehörig zusammenhängt. Ist es doch die Freiheit, dieses Gefühl absoluter Losgelöstheit, das Luis letztendlich durch seinen Sturz das nimmt, was er beim Kitesurfen empfindet. Die Lebendigkeit der Sinne, und damit das Leben auf seine normale Weise, und mit all den Dingen, die ein Leben glücklich machen. Ein Zuhause. Doch irgendwann erkennt er, dass dieses Glück auch in einer Person liegen kann, ebenso wie ein Zuhause. Und dadurch das Leben lebenswert ist, trotz der Tragik darin.

Man fühlt wie sich ganz langsam etwas aufbaut, sich durch die Zerbrechlichkeit zweier Personen wühlt, die sich einander annähern, obwohl sie sich als Kind schon so nah waren, und dann das Leben und der Lauf der Zeit und eigene Träume dazwischenkamen. Wir haben zwei Personen die angebrochen, aber nicht völlig zerbrochen oder gebrochen sind, und die sich zusammen mehr wert sind, als anderen, dies aber dafür glaubhaft und überzeugend. Nuria will anerkannt und respektiert werden. Luis will nicht als Krüppel gesehen werden, ist aber so verbittert, dass er sich selbst so sieht. Ähnlich ist es mit Nuria. Verbitterung auf beiden Seiten aus verschiedenen Gründen. Und doch ähneln sich beide, und geben sich gegenseitig das, was andere ihnen nicht geben können, und genau das macht es so glaubhaft und schweißt beide zusammen. Da ist ein Paar, so ganz anders, mit eigenen Problemen, aber zusammen einfach beneidenswert, zueinanderstehend, voller Zusammenhalt und einfach wunderbar. Die Gefühle kommen ganz leicht und zart daher, fast wie bei einem Windhauch über dem Meer, der einen fliegen lässt. Und trotzdem empfindet man sie gleichzeitig der Tiefe wegen auch wie bei einem Sturm, der den Flug durcheinanderbringt, und den Fliegenden straucheln lässt. Das Buch bewegt, und lässt gleichzeitig still innehalten, ob seiner wunderschönen Sprache, die irgendwie verzaubert. Wir dürfen als Leser teilhaben an einer puren Ehrlichkeit und Intimität, die so rein und schön, und auf gar keinen Fall peinlich ist. Und tatsächlich verspürt man nach der Lektüre eine gewisse Dankbarkeit, der Geschichte und ihren Figuren gelauscht zu haben, und möchte Dankeschön sagen, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben. Übrigens: Aufgrund zweier Perspektiven und deren Wechsel kommen uns die Emotionen sehr nah, und man ist immer in den jeweiligen Gedanken von Luis oder Nuria.

Die Beschreibungen der Szenerien, sind atmosphärisch schön, bildhaft gezeichnet, so dass man sich die ganze Zeit in der Geschichte wähnt, und sich so fühlt, als ob man direkt bei allen Ereignissen dabei wäre. Die Beschreibungen der Orte, der Landschaften, oder einfach nur des Windes, der im Buch weht - Geschrieben mit lebendig werdender Sprache. Selbst die Nebenfiguren leben auf. Diese wird man übrigens aus Teil 1 kennen, denn dies ist Teil 2 einer Trilogie, in der jeder Teil auch für sich gelesen werden kann. Denn wir haben 3 Brüder auf der Hacienda, und somit weiß nun jeder, dass es noch einen Teil geben wird :)

Und am Ende möchte man dann einfach nur sagen: „Ach Luis, du brauchst die Freiheit und das Glück des Himmels doch gar nicht, wenn Nuria dir das Glück und den Himmel auf die Erde bringt, auf der du so unglücklich gelandet bist.“ Die endlose Weite des Himmels, seine scheinbare Unendlichkeit und Freiheit gegen das Gefangensein im eigenen Körper, wenn dieser nicht mehr tut, was man von ihm will. Aber auch die Hoffnung in Form eines neuen menschlichen Himmels.

Und weil der Himmel eben nicht nur dort oben sein kann, sondern auch unten bei uns auf der Erde, auf der wir manchmal hart landen, konnte es gar kein anderes Rezensionslied geben, als dieses, weil es einfach so perfekt passt:

„And we're spinning with the stars above. And you lift me up in a wave of love.
Ooh, baby, do you know what that's worth? Ooh, Heaven is a place on Earth.
They say in Heaven, love comes first. We'll make Heaven a place on Earth.
Ooh, Heaven is a place on Earth.“

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Veröffentlicht am 23.12.2020

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Der richtige Mensch, mit dem wir unser Leben verbringen wollen, ist mal bei uns, manchmal wird er nie gefunden, manchmal finden wir ihn, doch es ...

Auch die große Liebe fängt mal klein an von Sylvia Deloy

Der richtige Mensch, mit dem wir unser Leben verbringen wollen, ist mal bei uns, manchmal wird er nie gefunden, manchmal finden wir ihn, doch es ist zu spät, weil wir jemanden an unserer Seite haben, der eben nicht dieser Richtige ist, manchmal finden wir ihn mehrmals, weil wir uns das Richtigsein einreden, und manchmal haben wir ihn schon längst gefunden, ihn aber wieder verloren. Und das, aus vielerlei Gründen. Denn manchmal ist es einfach nur so, dass man genau fühlt, dass nun die richtige Person vor einem steht, die uns glücklich macht, mit der wir unser Leben verbringen wollen, und die uns fast auswendig kennt. Die mit uns lebt, unseren Alltag kennt, und uns ohne zu fragen unterstützt. Mit der man ganz große Pläne hat, und die auch von der Familie heiß und innig geliebt wird. Und dann, eines Tages, ist genau dies vorbei. Alles was danach kommt, nur ein billiger Abklatsch dessen, was war. Und man weiß eigentlich nicht, warum alles so plötzlich geendet hat, denn schließlich war doch alles in Ordnung. Ich gebe zu, nun kommt der Punkt, an dem man in der ersten Liebeskummerphase wahrscheinlich genau solche Sätze loslässt wie „Man, der Kerl ist wirklich ein Vollidiot sondergleichen, und ich hasse ihn“. Aber natürlich ist der Typ, der einen verlassen hat, nicht immer ein Vollidiot. Und der Typ, den man einen Tag vorher noch geliebt hat, kann natürlich auch nicht sofort zum Vollidioten mutieren, und gehasst werden, gerade wenn man ihn wirklich geliebt hat. Aber trotzdem. Für unser Wohlbefinden und unsere Seele brauchen wir einen Abschied, und das Wissen, warum alles auseinandergegangen ist. Wenn also genau dieser richtige Mensch eines Tages verschwindet, bleiben die Fragen. Und falls uns eines Tages jener Mensch über den Weg läuft, kann das Ganze einen herben Rückschlag geben. Denn manchmal wird einem erst mit Abstand und Zeit bewusst, was man aneinander hatte. Denn wie heißt es so schön: „Du weißt nicht, was du hattest, bevor du es verloren hast.“ Warum ich das mal wieder alles erzähle? Naja, vielleicht, aber nur vielleicht, habe ich ja diese Thematik irgendwie im Buch erkannt? Das……. Oder ich halluziniere Thematiken :D. Worum geht es also?

Was das Buch uns erzählt:

Marie, unsere Hauptprotagonistin, und Anton, ihr männliches Prota-Pendant, waren mal ein Paar. Sie wohnten zusammen, und auch, wenn es mal Streitigkeiten gab, so war die Liebe zwischen ihnen doch da. Aber wie es mit der Liebe so ist, manchmal verschwindet sie, und man weiß nicht wohin. Genau wie Anton im Übrigen. Marie selbst betreibt das Petite Pauline, ein Restaurant in Köln, welches schon seit 2 Generationen mit großem Erfolg in der Familie läuft, und nach dem Tod von Maries Vater von ihr übernommen wurde. Bis jetzt! Denn die modernen Zeiten zwingen Marie einzusehen, dass sie das Restaurant finanziell nicht mehr auflassen kann. Kurz gesagt, sie ist pleite. Um ihr Restaurant nach allen Vorschriften renovieren lassen zu können, und ihren großen Traum, das Restaurant, nicht zu verlieren, nimmt die Spitzenköchin einen Job in einem Kölner Brauhaus an, weil er gutes Geld bringt. Dort angekommen in der Küche steht dann Anton……. Den sie seit der merkwürdigen Trennung, nicht mehr gesehen hat. Und hier beginnt unsere Geschichte interessant zu werden. Aber alles Weitere dürft ihr euch gerne selbst erlesen. :D

Cover und Titel:

Das Cover ist vielleicht nicht so aussagekräftig, aber es macht auf alle Fälle fröhlich, weil es irgendwie quirlig ist. Der Titel sagt schön hintergründig aus, dass große Lieben klein anfangen. Und vielleicht sind die kleinen Lieben, die wir anfänglich haben, ja unsere großen Lieben? Oder alles muss klein anfangen um groß zu werden, um zu wachsen, selbst wenn das Wachstum kurzfristig gestört ist? Man könnte fast schon sagen, dass der Titel in etwa bedeutet, dass die kleine Liebe, die Anton und Marie mal hatten, erst eine Pause gebraucht hat, um sich darüber klar zu werden, dass es am Ende im zweiten Versuch dann vielleicht die große Liebe wird. Findet eure eigene Interpretation heraus :)

Fazit und Gedankenkarussell:

Das Buch wird von kölscher Lebenslust und Atmosphäre umweht, und irgendwie spürt man die Liebe zu dieser Stadt in jeder Zeile. Wir lernen unweigerlich ein wenig „kölsche“ Lebensart kennen, wenngleich das auch nur minimal ist, da Köln eben der Handlungsort ist.

Was mir wirklich positiv aufgefallen ist, dass die Geschichte zu keinem Zeitpunkt unrealistisch rüberkommt, oder nicht authentisch. Wir haben hier keine Schmetterlinge, die sofort wieder in den Bäuchen rumrumoren, wenn man sich wiedersieht, wir haben nicht gleich wieder eine Anziehungskraft, und anfänglich sogar nicht mal direkte Sympathie. Meint man zumindest. Was viel authentischer wirkt, als die Situation, wenn man sich aufgrund von einem Wiedersehen, sofort wieder in den Armen liegt, und das OBWOHL beim ersten Mal doch auch etwas falsch gelaufen ist, sonst wäre man ja noch zusammen? Dieses Aufraffen, diesmal den anderen und sich gegenseitig besser zu verstehen, das macht als Entwicklung im Buch ungeheuren Spaß. Und bereitet einem natürlich auch ein klein wenig mehr Herzschmerz, als es das Gegenteil der rosaroten Wolke täte. Aber auch das ist okay. Denn bei manchen Büchern muss sich die Realität eben auch mal ihrem Gegenüber der Verliebtheit stellen. Und vielleicht geht ja auch beides irgendwie mit dem Fortlauf der Geschichte zusammen? Dies gilt es hier herauszufinden. Und wir haben authentische reale Probleme, Geldsorgen, Familienbelange, Menschen, die sich uns in den Weg stellen. Eine schöne Abwechslung ist es ebenfalls, auch hier keine übergezeichneten Menschen vor sich zu haben, oder eben im Buch. Alle sind normal und bodenständig, keine perfekten Übermenschen, und haben Probleme, wie sie jeder tagein tagaus hat. Nicht alle sind perfekt, oder zum Niederknien. Wobei das ja immer im Auge des Betrachters liegt. Man kann ja auch vor nette Leuten niederknien, einfach, weil sie nett sind ;). Ja okay. Das Buch mag nicht in ALL seinen Einzelheiten realistisch sein, denn ja, kurzzeitig passieren auch Dinge, die mir wahrscheinlich nicht passieren würden. Wir sind aber nicht im echten Leben, und das ist auch gut. Denn geben wir es zu, Bücher sollen uns manchmal aus genau dieser Realität entführen, und uns eine gute Zeit bescheren. Und gerade nun in diesen Zeiten, ist es vielleicht auch mal, genau aus dieser Realität entführt zu werden, die so vielen Menschen ihre Träume wegnimmt, ihnen Wünsche für das Leben verbaut, und die sich auf einmal völlig neu orientieren müssen, fernab von dem, was sie eigentlich machen möchten. Außerdem hatte ich so die Gelegenheit in zwei Restaurantküchen Einblick zu erhalten, und das nur, durch die Augen der Geschichte :D

Die Symbolik des Verlorenen gefällt mir außergewöhnlich gut. Alles droht verloren zu gehen. Marie ihr Restaurant, und Finn, Maries aktueller…äh….nicht der Rede wert :D…. verliert Marie, was irgendwie auch gut ist. Denn aus vergangenem Verlorenem, kann etwas neu Gefundenes werden. So im Falle von Anton. Der Marie wiederfindet, genauso wie Marie Anton. Nur was daraus gemacht wird, ist die Frage des Romans. Denn kann man etwas, das einmal nicht gut gegangen ist, wiederholen? Oder ist es gar nicht schlecht verlaufen, und alles war nur ein Missverständnis? Auf alle Fälle gilt es zu handeln. Denn das Buch zeigt auch, dass man den Menschen, die man verloren hat, auch bis an sein Lebensende schmerzlich hinterher trauern kann. Die Liebesgeschichte selbst drängt sich uns nicht auf, und ist trotzdem spürbar, zeigt uns dieses Gefühl von gemeinsamer Vergangenheit, gemeinsamen, oder auch einsamen Träumen, und Zusammengehörigkeit, ohne, dass beides aneinanderklebt, und ohne ins Kitschige abzudriften. Und auf einmal wandelt sich die Kälte, sie splittert von den Figuren ab, und übrig bleibt diese Wärme, die sich über den Rest der Geschichte verteilt. Ob Marie und Anton eine zweite Chance annehmen, ihre Liebe oder eine Beziehung oder was auch immer erneuern, das dürft IHR selbst herausfinden. Aber eines sei gesagt: Die Chemie stimmt, vielleicht ja sogar besser als bei Versuch 1? Und das fühlt man durch die Seiten hindurch. Doch das Buch handelt nicht nur vom Verlieren und dem Verlust, sondern auch davon, wie verloren man sich fühlen kann, ob des Verlustes, und vom Verlorensein, weil man selbst nicht weiß, was man eigentlich genau will. Verlorene Träume, verlorene Beziehung, verlorenes Restaurant, verlorene Liebe, verlorenes Selbst, verlorene Wünsche, verlorene Zeit…… oder ist am Ende gar alles noch da, oder wurde wiedergefunden? Das Ganze ist also nicht einfach nur irgendeine Beziehungskomödie, die locker leicht daherkommt, sondern beschäftigt sich mit den Ängsten des Verlassenwerdens, wie wir damit zurechtkommen, aber auch damit, dass man für jemanden nicht das sein kann, was derjenige von einem erwartet. Oder es zu spät erkennt, dass er doch genau das sein will, aber dann ist es zu spät für das Zwischenmenschliche. Denn ja, teilweise war das ganze Buch doch tiefgehender, als ich es mir vorgestellt hatte. Was gut ist, denn tiefsinnige Dinge, die zum Nachdenken anregen, die mag ich unheimlich gerne.

Was mir ungemein gefallen hat ist, dass das ganze Buch, die Geschichte, durchzogen ist vom Geist dessen, dass man mehr füreinander und miteinander arbeiten muss in einer Partnerschaft, dass man seine eigenen Träume nicht über die des Partners stellen sollte, und den Partner nicht über seine Träume. Und darüber, dass man sein Leben manchmal mit dem falschen Partner verbringt, weil man den richtigen hat gehen lassen. Das alles regt zum Nachdenken an, ohne plump und poetisch, oder kitschig zu sein. Gerade diese Authentizität und Normalität im Roman ist es, die einen unweigerlich an seine eigene Lebensgeschichte und Vergangenheit erinnert. Sein es die Träume, die man einst vom Leben hatte. Oder an verflossene Partner, und die Frage, was aus ihnen geworden ist, und wie deren Platz im eigenen Leben war, ob sie die Richtigen waren, und ob die heutigen Nachkömmlinge von etwas sind, was doch mal perfekt war, selbst, wenn es geendet hat.

Und unweigerlich muss man sich fragen, was im Leben wichtiger ist. Die Frage, mit wem ich mein Leben verbringen will? Die Frage, ob ich meine Träume ausleben möchte, und Chancen wahrnehmen kann? Ob ich es gemeinsam mit dieser Person tue, oder ohne sie? Ob es dann noch mein Lebenstraum sein kann, welchen ich verwirkliche, wenn ich dadurch meine Liebe des Lebens verliere? Ob alles gemeinsam funktionieren kann, oder eher nicht? Und natürlich die Frage am Ende des Lebens, ob man alles, so wie man es getan hat, richtiggemacht hat, oder an einigen Stellen falsch abgebogen ist, und gerne etwas geändert hätte, wenn man nur weiterhin Kontakt zu einem bestimmten Menschen gehabt hätte. Das zu lesen, macht ziemlich sentimental und nachdenklich. Denn mit höherem Lebensalter schaut man anders auf das Leben, bereut Dinge, die man getan, oder eben nicht getan hat. Von denen man weiß, dass man es als Fehler einstuft, dass man die Gelegenheiten nicht wahrgenommen hat. Sei es im zwischenmenschlichen Bereich, oder in den Träumen, die man verwirklichen wollte. Das Buch drückt wunderbar aus, wie sehr man sich im Leben manchmal in Situationen befindet, in denen ein Moment das Leben ändern kann, um in eine andere Richtung zu gehen. Wie einfach es geht, dass ein Moment dazu führt, dass wir uns einem anderen Menschen zuwenden, und dass manchmal Dinge ins Leben zurückkehren, in alter Form, in neuer Form, alt und bekannt, oder alt und völlig neu. Oder manchmal gar nicht. Ein Buch über Neuanfänge, zweite Chancen, das, was wichtig im Leben ist, aber auch, was wir uns vom Leben wünschen. Aber auch eines das anzeigt, dass man oftmals Dinge erst wertzuschätzen weiß, wenn man sie verloren hat, oder zumindest verloren glaubt. Dinge, Menschen, Restaurants. Und die Anstrengungen, das Geliebte, sei es Sache oder Mensch, zurückzubekommen. Sei es aus Egoismus heraus, oder, weil man erkennt, dass man einen Fehler begangen hat, oder einfach, weil die Liebe und Zuneigung zu groß ist, dass man erkennt, dass man ohne einander nicht sein will. Und sind es, wenn wir einst auf unser Leben zurückschauen, dann nicht eher die Menschen und vergangenen Gelegenheiten mit ihnen, die uns verfolgen bis ins hohe Alter? Oder denken wir eher daran zurück, was wir arbeits– und leistungstechnisch nicht geschafft haben? Was ist wichtiger? Die eigenen Träume zu verwirklichen, den Traummenschen des Lebens zu behalten, oder beides unter einen Hut zu bekommen? Die Balance zwischen Privatleben, beruflichen Träumen, Traummenschen, Erfolgen im Leben, Das Pflichtgefühl gegenüber Menschen, denen wir etwas versprochen haben und allem dazwischen……?

Wir haben hier ein interessantes Zusammenspiel aus Zurückhaltung und Anziehungskraft, Vertrauen und Misstrauen, und das alles gepaart mit einer gemeinsamen Vergangenheit, die nicht nur einfach eine Vergangenheit ist, sondern dazu noch eine der Art, die richtig zusammengehörig und untrennbar ist, weil die Partnerschaft so gut war, alles gepasst hat, und man am Ende dort steht, und nicht weiß, wieso es geendet hat. Und genau das ist es auch, was sich hier die Klinke in die Hand gibt. Marie, die vorsichtig geworden ist, nach der Lehre lebt, dass man die Vergangenheit ruhen lassen soll, das was einem wehgetan hat, hinter sich lassen soll, und es nie mehr zu nahe an sich ranlassen sollte, da es einen erneut verletzen könnte. Aber dann ist da noch dieses ganz leise Flüstern, das einem sagt, dass es damals vielleicht genau das Richtige für Maries Leben war. In Form von Anton eben. Die Romantik ruckelt erst, und versteckt sich unter Vorwürfen, Vorsicht, dass man nicht nochmal verletzt wird, Misstrauen, und alten Erinnerungen, die gemischt romantisch sind, sich aber auch wandeln in verletzliche Momente, die man gemeinsam erlebt hat. Doch manchmal ist nicht alles so, wie es scheint. Der Schreibstil ist locker leicht, und einige Situationen sind wirklich komisch, wenngleich der Roman auch, wenn man genau hinsieht, oder liest, ernste Untertöne hat. Das Ganze entwickelt sich im Laufe des Buches. Anfänglich meint man, es sei eine normale Liebesgeschichte. Später geht das Ganze dann etwas tiefer ins Geschehen, und wir erfahren, was damals geschehen ist. Die Emotionen zwischen Marie und Anton sind spürbar, und das, obwohl die beiden ja gar nicht mehr zusammen sind. Und trotzdem fühlt man, dass da mehr zwischen den beiden ist. Und so hat das Buch die Thematik des Gehenlassens, des Miteinanderauskommens, aber auch, wie man per Schicksal wieder aufeinandertrifft, wenn es denn dann die rechte Zeit für einen ist. Und manchmal sind auch einfach die Lebensentwürfe und – wünsche verschieden, selbst wenn die große Liebe eine Gemeinsamkeit ist. Ein Buch über Vertrauen, Ängste, dem Verschließen vor anderen, das offen sein, und darum, genau zu sagen, was man eigentlich will, und ehrlich zu sein.

Aber das Buch sagt auch aus, wie schnelllebig unsere heutige Zeit eigentlich ist. Deswegen spreche ich mich jetzt mal für die Traditionen aus, denn die Moderne mit ihren Unbeständigkeiten ist nicht so meine Welt. Wahrscheinlich kann man das nicht nur auf Restaurants, wie im Buch, schieben, sondern auch erweitern auf Menschen, die schnelllebig sind. In ihrem Tun, genauso, wie in ihren Beziehungen. Unterschwellig kann man das fast schon als Thematik des Buches sehen. Wie schade, wenn die Wegwerfgesellschaft Einzug hält, und Menschen genauso ungewollt sind, wie alte Einrichtungen oder Interieur. Es ist auch ein wenig die kühle Geschäftsmäßigkeit und Effizienz, die heute überall zählt, gegen Dinge, die wirklich mit dem Herzen betrieben werden, die aber nicht so erfolgreich sind. Und nun ja. Natürlich ist mir klar, dass sowas im echten Leben manchmal nicht passiert, diese 2. Chance, und in der Realität wirklich viele kämpfen müssen, und ihre Träume aufgeben. Was wirklich eine Ungeheuerlichkeit ist. Aber das ist ja grad das Schöne an einem Buch, dass es NICHT so ist. Und das auch noch in genau diesen Zeiten momentan, wo wirklich viele ihre großen Träume aufgeben müssen, weil sie diese Krise nicht überstehen. Das Buch handelt ja quasi von Träumen und persönlichem Glück, der Erfüllung davon, aber auch der Enttäuschung darüber, wenn es nicht klappt.

Und am Ende geht es vielleicht auch ein Bisschen darum, was und wer uns im Leben glücklich macht, und wenn es uns nicht mehr glücklich macht, darüber nachzudenken warum es dies nicht mehr tut, statt es wegzuwerfen. Und das für diverse Lebensabschnitte. Ich für meinen Fall BIN glücklich, einen kleinen Leselebensabschnitt mit diesem Buch verbracht zu haben, weil es mir eine schöne humorige Zeit beschert hat. Danke Buch für unser Zusammensein. Von dir werde ich mich nicht so einfach trennen. Oder wenn wir es in den Worten von uns Lesebegeisterten sagen müssten. Marie und Anton hatten ihr gemeinsames Lebens-Kapitel, und wir erfahren nun in den Buchkapiteln, ob es ein zweites geben wird, oder ob sich alles im Sande verläuft, weil, wenn man einmal ein gemeinsames Kapitel beendet hat, ist es nicht so einfach, ein neues gemeinsames zu beginnen. Hoffen wir auf ein HappyEnd für das Lebenskapitelbuch.

Und weil Glück, das eigene Glück, aber auch das gemeinsame, hier im Roman eine große Rolle spielt, und es zufällig um eine Marie geht, kam mir diesmal dieses Lied in den Kopf als heutiges Rezensionslied. Denn manchmal will jemand nur unser Glück, selbst, wenn er uns dafür ins Unglück stürzt, weil er denkt, dieses sei unser Glück. Ach, lest den Roman einfach selbst :D:

„Komm tanz, genau, ich will dich tanzen sehen. Marie mein Mädchen du bist wunderschön. Ich will nur, dass du tanzt zu diesem Lied. Ich will nur, dass du glücklich bist Marie. Ich will nur, dass du tanzt zu diesem Beat. Ich will nur, dass du glücklich bist Marie.“

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