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Veröffentlicht am 28.08.2017

Großartig und geistreich!

Der Gentleman
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Lionel Savage, ein nicht gerade sehr arbeitsamer Aristrokrat im zarten Alter von 22 Jahren, hat soeben beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Vor einem Jahr hat er, um seiner äußerst prekären finanziellen ...

Lionel Savage, ein nicht gerade sehr arbeitsamer Aristrokrat im zarten Alter von 22 Jahren, hat soeben beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Vor einem Jahr hat er, um seiner äußerst prekären finanziellen Lage zu entfliehen, reich geheiratet, doch ist seine Gemahlin, davon musste sich der hervorragende Dichter überzeugen, absolut geistlos. Darüber hinaus hat Lionel seit der Hochzeit keinen einzigen Vers mehr zu Papier gebracht, denn offenbar hemmt der Ehestand seine künstlerischen Fähigkeiten enorm. „Dichter sind zum Träumen und Tanzen im Mondschein bestimmt und für die verzweifelte Liebe“ (S.70) Darüber hinaus ist er für ein eheablehnendes Gemüt prädestiniert – immerhin starben seine Eltern an ihrem Hochzeitstag. Kein Wunder also, dass seine unmögliche Situation einzig und allein auf Vivien Lancaster, jetzige Savage, zurückzuführen ist, die vergnügungssüchtig einen Lionel verhassten Maskenball nach dem nächsten veranstaltet.
Doch stellt sich nun ein neues Problem ein: Wie soll er seinem Leben ein Ende setzen? Gegen seine Idee, sich zu erschießen, wendet der wohl weltbeste Butler namens Simmons ein, dass er, da er die wenig appetitlichen Körperflüssigkeiten nach einem Kopfschuss aufwischen müsste, von jenem Vorschlag nicht gerade begeistert sei. Wieder allein gelassen – während unten ein Maskenball wütet – überlegt Lionel also, welche Alternativen des Selbstmordes sich ihm wohl böten. Just in diesem Moment betritt ein sehr freundlicher, etwas schüchterner aber sich durchaus als sympathisch herausstellender Gentleman das Zimmer des Aristokraten. Er ist gekommen, um sich bei Lionel zu bedanken, der ihn zuvor beim Pfarrer kurz in Schutz genommen habe. Die Verwirrung ist groß als sich herausstellt, dass der werte Herr der Teufel persönlich ist.
Die beiden Gentlemen – wobei der objektive Betrachter anzweifeln darf, ob diese – vom Dichter für auf sich passend befundene – Beschreibung tatsächlich zutreffend ist – unterhalten sich wunderbar bis die Sprache irgendwann unweigerlich auf Lionels Verdammnis, seine Ehefrau, fällt. Am liebsten würde er sie loswerden und stattdessen lieber wieder auf die Höhen seiner dichterischen Fähigkeiten gelangen.
Tatsächlich ist, kurz nachdem der Teufel verschwunden ist, Vivien Savage unauffindbar. Hat Lionel seine Frau ohne es ausdrücklich gewollt oder gesagt zu haben an den Teufel verkauft? Oder sogar einfach verschenkt? Da ihn das schlechte Gewissen plagt und er feststellen muss, dass er ohne Vivien vielleicht auch nicht der erfolgreichste Dichter ist, beschließt er, sie aus der Hölle zu befreien. Auf seiner abenteuerlichen Reise wird er von seinem Schwager, dem Entdecker Ashley Lancaster, seinem Butler Simmons und seiner kessen und neugierigen kleinen Schwester Lizzie begleitet und noch von einigen weiteren Charakteren unterstützt. Doch wo soll man die Rettungsaktion starten? Wo zum Teufel ist die Hölle? Und ist es vielleicht schon zu spät für Vivien?

Das Buch spielt im viktorianischen London um 1850. Forrest Leo ist es vorzüglich gelungen, den Snobismus und die Dekadenz der Aristokraten sowie für diese Zeit typische Geflogenheiten ironisch und perfekt auf den Punkt gebracht darzustellen. Generell überzeugt dieses Werk mit sehr viel geistreichem und pointiertem Humor, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Da Lionel eine äußerst skurrile Figur ist und beinahe ständig aneckt, dennoch aber blitzgescheit und wohl gebildet ist, kommt es regelmäßig zu mehr als gelungenen Schlagabtäuschen, die so köstlich sind, dass man sich ein Schmunzeln oder Lachen nur schwerlich verkneifen kann.
In meinen Augen der größte Clou des Buches ist, dass der angeheiratete Cousin des Protagonisten dieses Werk herausgegeben haben soll. Zur Einführung merkt dieser jedoch bereits an: „Ich wurde beauftragt, diese Seiten herauszugeben und ihre Veröffentlichung zu besorgen. Ich tue es nicht gerne und möchte festgehalten wissen, dass ich es für besser hielte, wenn sie verbrannt worden wären.“ Warum dem so ist, erfährt der Leser mit jeder Seite die er verschlingt, da sich Hubert Lancaster die Freiheit genommen hat, die Geschichte über die reichliche Verwendung grandioser Fußnoten zu kommentieren. Dabei fällt auf, welch eine verquere (Selbst-)Wahrnehmung der Schreiberling Lionel Savage doch zu haben scheint. Darüber hinaus haben Huberts trockene und sarkastische Bemerkungen mich immer wieder zum Lachen gebracht, was bei Büchern zugegebenermaßen viel zu selten geschieht. Meist ist mir das Rumgeulke in Büchern, die den Anspruch erheben, unterhaltsam zu sein, zu krampfhaft gewollt, hier wirkt hingegen so ziemlich jede der vielen unterhaltsamen Aussagen sehr geistreich und lang erdacht.
Von der ersten Seite an konnte ich in die Erzählung abtauchen, da die Geschichte an sich schon so packend und dann auch noch wunderbar fesselnd geschrieben worden ist. Mit dem stark leidenden Lionel konnte ich bestens mitfühlen und ich habe ihn – wie auch sämtliche anderen Charaktere – schon bald in mein Herz geschlossen. Sie alle sind so wunderbar liebevoll gezeichnet, haben allesamt ihre Ecken und Kanten dass sie tatsächlich echt wirken; selbst wenn man merkt, dass einige phantastische Elemente so in der Realität kaum angetroffen werden könnten. Lionel Savage ist so unfassbar von sich überzeugt, bringt Anderen oftmals wenig Respekt entgegen, wird aber dennoch immer wieder davon übermannt, wie poetisch ein Ort, ein Satz oder ein Mensch doch ist, dass man ihm gar nichts übel nehmen kann. Für mich war es ein großer Genuss den Kontrast zwischen seiner Beschreibung und den Anmerkungen des Herausgebers erfahren zu dürfen und die Entwicklung, welche er durchläuft, mitzuerleben. Er ist eine so skurrile, versnobte, kauzige, geniale und liebenswerte Persönlichkeit, wie ich es selten in Büchern erlebt habe.
„Im Herzen bin ich Revolutionär.“ (S.57)
„Ich bereue meine Schroffheit zwar sofort, aber Simmons hat diese sehr unangenehme Angwohnheit, meine Gedichte kleiner zu machen als sie sind. Ich mag es nicht, wenn ich dichte und mich erhaben fühle und dann jemand des Weges kommt und es liest und für dürftig befindet.“ (S.91)
Der Schreibstil ist ganz vorzüglich: Forrest Leo bedient sich einer zauberhaften Wortwahl, die weder eingestaubt noch in die Kategorie „neumodischer Kram“ fällt, sondern sich perfekt in die Geschichte schmiegt und ausgezeichetn zu den Figuren, den Orten sowie der Handlung passt. „Lieber ein geistreicher Narr (…) als ein närrischer Geist.“ (S.130) Viel Wortwitz und zahlreiche Gedanken zur Lyrik und Kunst ebenso wie spitze Bemerkungen, Sarkasmus oder intelligente Dialoge machen jeden Satz zu einem Genuss.
Ich könnte noch stundenlang darüber referieren, weswegen ich „Der Gentleman“ so großartig und absolut gelungen finde, mich beschleicht allerdings die Befürchtung, dass diese Ausführungen dann doch etwas zu weit gehen und sowieso nicht mehr gelesen würden, weswegen ich jetzt zu einem Ende kommen werde. Ganz kurz zusammenfassend muss ich aber noch bemerken, dass dies ein wunderbar skurriles, humorvolles, geistreiches Buch mit liebevoll gezeichneten Charakteren, die man, gerade wegen ihrer Unperfektheit zügig ins Herz schließt, ist, dass einen nicht mehr los lässt – auch wenn man die letzte Seite bereits beendet hat. Anmerken möchte ich zudem, dass ich mich bei vielen Passagen über hervorragendes Kopfkino freuen konnte und mir dachte, dass „Der Gentleman“ sicherlich auch für die Bühne geeignet wäre, um dann in der Danksagung zu erfahren, dass dieses Buch zuerst auch ein Theaterstück gewesen ist.

Von mir gibt es für dieses vielschichtige Buch über Abenteuer, Liebe, Familie, die Ehe, „Duelle und Beinahe-Duelle“, Lyrik und Literatur, Dichter, Erfinder und Entdecker, den Teufel und die Aristokraten sowie zahlreiche weitere Themen definitiv weiterempfehlen. Es zählt sicherlich zu den besten Werken, die ich je gelesen habe und teilt sich zur Zeit mit „Willkommen in Night Vale“ meinen persönlichen Platz 1.
Ich vergebe 5 euphorisch am Himmel funkelnde und ihre Funken versprühende Sterne für dieses meisterliche Werk!

Veröffentlicht am 28.08.2017

Hatte ich besser erwartet…

Das verschwundene Buch
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Die Geschwister Alba und Diego laufen nach Schulschluss voller Eile durch die Straßen Barcelonas. Nur schwerlich finden sie auf ihrem Weg noch die Zeit, einer ihrer Lieblingsbeschäftgung nachzugehen: Dem ...

Die Geschwister Alba und Diego laufen nach Schulschluss voller Eile durch die Straßen Barcelonas. Nur schwerlich finden sie auf ihrem Weg noch die Zeit, einer ihrer Lieblingsbeschäftgung nachzugehen: Dem Suchen, Finden und Katalogisieren von Drachen. Immerhin befinden sie sich auf dem Weg zu der Buchhandlung Abrakadabra, welche von ihrer mysteriösen Tante Beatriz geführt wird. Diese hat nämlich für die beiden ein Exemplar der selbst von dem gnadenlosen und für seine kritische Haltung berühmt-berüchtigten Literaturkritiker Leo Gutenberg für die schönste Geschichte aller Zeiten ausgelobten Neuerscheinung zurückgelegt. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass die Kinder in heller Aufregung sind. Überall ist die Nachfrage viel höher als das Angebot, was das Buch betrifft. Merkwürdigerweise können sich Alba und Diego jedoch nicht an seinen Titel erinnern. Seltsam. Normalerweise haben sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis – besonders wenn es um Bücher geht.
Kaum dass die Geschwister die Buchhandlung erreichen, wird ihnen das nächste Rätsel aufgegeben. Die Buchhandlung hat geschlossen, vor ihr tummeln sich die Menschenmassen und in ihr packt Tante Bea alle ausgestellten Werke des neuen Buches in Kartons.
Als sie endlich eingelassen werden, erfahren sie noch nicht wirklich, worin das Problem liegt. Doch bald schon in der Schule – und von da an überall – bemerkt die gesamte Bevölkerung, dass die Bücher durcheinander gebracht worden sind. So beispielsweise bei Peter Pan, der am Ende des gleichnamigen Werkes von Käpt’n Hook mit einer Laserpistole erschossen wird.
Zum Glück besteht eine letzte Chance, um die Welt der Bücher zu retten – doch dafür müssen sich Alba und Diego auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise begeben. Selbst wenn sie den Mut dazu aufbringen, bleibt es jedoch fraglich, ob sie die Situation zum Guten wenden können.
Während Albas und Diegos langweiligen Eltern also vor ihren Z-Phones und Z-Tablets hocken, müssen die Kinder einige schwerwiegende Entscheidungen treffen…

Mir fällt es äußerst schwer, dieses Buch einzuordnen und zu bewerten. Das Cover hat mich sofort angesprochen und sowohl Titel als auch Klappentext konnten meine Neugierde wecken. Ebenso konnten mich die ersten Seiten dieses – wie ich mittlerweile erfahren habe – Serienauftaktes überzeugen, denn dort wird der Weg zur Buchhandlung und das Geschäft an sich beschrieben. Die Idee, dass der Bösewicht in diesem Werk, Mr. Zargo, der Gründer eines großen Technikkonzerns ist, der Produkte aller Art, vor allem aber elektronische Zeitdiebe, vertreibt, ist, wirkte auf mich vielversprechend. Dem Autor ist es gelungen, mir diesen muskelbepackten und dafür nicht gerade hellen Charakter im Handumdrehen unsympathisch zu machen. Ebenso die Eltern der Protagonisten, die sich keine Spur für ihre Kinder interessieren und stattdessen nur mit ihren Zargoprodukten Zeit verbringen.
Hier hätte ich mir gerne mehr Ausführungen gewünscht, da man über diese Thematik beim gemeinsamen Lesen mit Kindern wunderbar sprechen kann. Allerdings rückt dieser Handlungsstrang nach und nach so weit in den Hintergrund, dass man ihn beinahe aus den Augen verliert.
Als es darum geht, die Geschichte von Peter Pan zu retten und sich das Geschwisterpaar nach Nimmerland begibt, beginnt für mich der enttäuschende Part des Buches, da Unwichtiges ausgeschmückt und Interessantes so kurz gefasst wird, dass noch zu viele Fragen offen bleiben und Kopfkino nur schwerlich entstehen kann. Ich konnte mich des Eindrucks nicht verwehren, dass der Autor bestrebt war, noch auf die letzten Seiten die zweite Hälfte seines Buches zu pressen und dabei nicht bedacht hat, dass 160 Seiten manchmal nicht reichen oder sich nicht im Klaren darüber war, was man besser hätte weiter ausführen und was lediglich anreißen sollen.
Zudem wirkten einige der Lösungsvorschläge auf auftauchende Probleme für mich sehr gewollt und schnell erdacht, was ich sehr schade finde. Meiner Meinung nach bleiben auch zu viele Fragen offen. Es ist selbstverständlich, dass es für die folgenden Bände ebenfalls Rätsel geben muss, aber dennoch hätte ich mir einfach noch ein paar Seiten mehr gewünscht, um noch wichtige Erklärungen erhalten zu können.
Häufig werden die Illustrationen dieses Werkes gelobt, allerdings muss ich gestehen, dass der Großteil der Zeichnungen meiner Meinung nach nicht annähernd mit dem Cover mithalten kann. Sicherlich ist dies bloß ein subjektiver Eindruck, doch ich empfand es nun einmal als schade…

Es bleibt abzuwarten, ob in den folgenden Bänden auf die ungeklärten Fragen eingegangen wird. Vielleicht hatte ich an dieses Buch zu hohe Erwartungen, denn ich hatte mir „Das verschwundene Buch“ anders vorgestellt. Leiser vielleicht, mit mehr spürbarer Liebe zu Büchern, einer Reihe von Drachen und aufregenden Abenteuern in einem überzeugenden Nimmerland. Dennoch ist es kein schlechtes Buch.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Nicht jedes Projekt ein Highlight.

33 Projekte ohne Werkstatt
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In letzter Zeit hat sich der Trend, Möbel und Dekorationsartikel selber zu bauen weiter ausgebreitet. Allerdings lassen sich viele Anleitungen nur schwerlich umsetzen, da man selbst weder über besonderes ...

In letzter Zeit hat sich der Trend, Möbel und Dekorationsartikel selber zu bauen weiter ausgebreitet. Allerdings lassen sich viele Anleitungen nur schwerlich umsetzen, da man selbst weder über besonderes Spezialwerkzeug noch über große Räume, welche als Werkstatt dienen könnten, verfügt.
Mit diesem Buch soll es anders sein, da die 33 vorgestellten Projekte mit wenig Aufwand, auf kleinstem Raum und mit gewöhnlichen Materialien wie auch Werkzeugen umzusetzen seien.
Zu Beginn des 128 Seiten umfassenden Buches werden die benötigten Werkzeuge genaustens vorgestellt, wobei sowohl Standartwerkzeuge, die in keinem Haushalt fehlen, als auch etwas speziellere Werkzeuge, die man sich nicht zwangsläufig zuzulegen braucht, da man sie im Baumarkt ebenso leihen kann, in den Fokus gerückt werden . Von Pinseln und Holzbohrern über Zangen bis hin zu Elektrowerkzeugen ist hier eine ordentliche Bandbreite vertreten. Darüber hinaus widmet sich ein Unterkapitel den soliden und praktischen Arbeitsunterlagen. So können die eigenen vier Wände problemlos in eine Heimwerkstatt umfunktioniert werden.
Im Anschluss daran findet man die vorgestellten Projekte, gegliedert in die Kapitel „Für Einsteiger“, „Für Fortgeschrittene“ und „Für Experten“. Die ersten Projekte sollen demnach zum „Warmwerden“ dienen, sodass man sich Stück für Stück steigert und sich an immer größere Projekte wagen kann.
Die Projekte reichen von einem Messerblock, einem Beton-Leuchter, einer Flaschenschale, einem stummen Diener, einem zwei in eins Bild und Tisch bis hin zu einem Paletten-Sideboard. Zugegebenermaßen konnten mich die meisten Projekte – besonders bei den ersten beiden Kapiteln – nicht wirklich überzeugen. Bei ihnen fehlte mir ehrlich gesagt der Anreiz, sie nachzumachen. Der Trend, alles Mögliche aus Beton zu gießen beispielsweise, ist aber sowieso gänzlich an mir vorbeigezogen… Der wunderbar platzsparende Tisch hingegen hat mich sofort begeistert – einen solchen kannte ich bereits von Bildern, habe aber nie Anleitungen zum Selbermbauen finden können.
Äußerst gelungen ist, dass sämtliche Projekte sehr verständlich beschrieben und erklärt werden. Dank Schritt-für-Schritt-Anleitungen, zahlreichen Abbildungen (ca.250), übersichtlichen Materiallisten, Tipp-Texten sowie ansprechenden Einleitungen bleiben keine Fragen offen. Zudem wird hin und wieder erklärt, wie sich die vorgestellten Projekte individuell anpassen lassen, sodass die eigenen Stücke bestens in die eigene Wohnung passen.

Alles in allem ein sehr verständlich gehaltenes Buch mit zahlreichen Erklärungen und einer Vielzahl von Abbildungen, welches allerdings nicht ganz so viele beeindruckende Projekte umfasst.

Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen!

Veröffentlicht am 28.08.2017

Leise Töne und ein besonderer Protagonist.

Das Lächeln des Schwertfischs
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„Ich bin wirklich nicht gern mit Erwachsenen, mit Großen zusammen – ich habe das schon längst an mir beobachtet -; ich bin nicht gern mit ihnen zusammen, weil ich sie nicht verstehe.“
Mit diesen Worten ...

„Ich bin wirklich nicht gern mit Erwachsenen, mit Großen zusammen – ich habe das schon längst an mir beobachtet -; ich bin nicht gern mit ihnen zusammen, weil ich sie nicht verstehe.“
Mit diesen Worten aus Dostojewskis „Der Idiot“ wird „Das Lächeln des Schwertfischs“ eingeleitet. Schon recht schnell bemerkt man, wie gut dieses Zitat auf den Protagonisten passt; wie trefflich es ihn beschreibt. Schließlich ist Charlie ein sehr besonderer Mensch. Mit seinen 24 Jahren hat er, wie er es erwähnt, noch keine Erfahrung in Liebesdingen gesammelt, raucht nicht und trinkt Kaffee lediglich „weil man es eben tut“ (S.12). Er arbeitet in einem Kaufhaus als Fischfachverkäufer, was für ihn eine wunderbarere Kombination aus schönen Beruf und gutem Arbeitsplatz ist – immerhin gibt es dort das ganze Jahr über Schnee und Eis.
Manche im Kaufhaus, meistens Anzugtragende, halten Charlie für dumm, doch der mit weißem Polohemd und Schürze Uniformierte hat damit kein Problem. Schließlich zwängen sie ihm auf diese Art kein Gespräch auf. Mit einigen anderen Angestellten kommt Charlie hingegen sehr gut aus; zum Beispiel mit der bildschönen Natascha von der Käsetheke.
Charlie, der weniger ein guter Redner, dafür jedoch ein hervorragender Zuhörer ist, entschuppt, zerlegt und so weiter tagtäglich Fische für seine Kunden. Dabei anfallende Reste bringt er in die „nullte“. Gemeint ist die Etage in welcher die Kaufhausabfälle gelagert werden. Hier lernt er eines Tages Émile, dem die Verwaltung der Abfälle obliegt, kennen, der weggeworfene Bücher rettet und liest. So besucht Charlie seinen neuen Freund immer häufiger und erfährt bald, dass Émile ein Geheimnis hat…

Charlie ist wirklich ein sehr außergewöhnlicher Charakter. Manchmal sind seine Gedankengänge sehr karg, die formulierten Sätze sind kurz und erinnern auf diese Weise an die Sprechart eines Kindes, doch ein andermal merkt man, dass er ein kluger, junger Mann ist. Dabei scheint Charlie sehr sensibel zu sein, sich viele Gedanken zu machen, seinen Beruf mit einer bewundernswerten Hingabe auszuüben und immer alles richtig machen zu wollen.
„Mir reicht es, das alles. Ich fühle mich schuldig, weil wir all dieses Essenszeug wegwerfen, die ganze Zeit über, man müsste einen Weg finden, damit das aufhört.“ (S.152)
Manchmal hatte ich den selben Eindruck wie der ein oder andere Mitarbeiter; nämlich, dass Charlie Autist ist. Der introvertierte, kindlich-naive, sehr gebildete Schweizer, der in einem Waisenhaus aufwuchs, hat eine ganz spezielle Sicht auf die Welt. Dies verleiht dem Buch einen ganz eigenen Charme und macht meines Erachtens seine Besonderheit aus. Charlie ist definitiv ein Charakter, an den ich mich noch länger werde erinnern können.
Besonders ist sicherlich auch der Handlungsort, weil der Leser, da er Charlie stets begleitet, kaum das Kaufhaus verlässt und es somit als eine kleine Welt für sich kennen lernt, die ihre eigenen Geheimnisse birgt und verschiedenste Personen beherbergt.
Dieses Buch zeichnet sich zudem durch ruhige Töne aus; vieles erlebt man wie durch einen milchigen Schleier aus weiterer Entfernung. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es sich hierbei um kein spannungs- oder actiongeladenes Werk handelt. Manchmal schien es mir sogar etwas zu unaufgeregt.

Allein vom Klappentext her wusste ich nicht genau, was mich bei dieser Lektüre erwarten würde. Allerdings hat mich bereits der Titel des Buches so sehr angesprochen, dass meine Neugierde geweckt war. Ich bereue es keineswegs, dieses Werk gelesen zu haben, denn auch wenn es sich manchmal etwas in die Länge zog, habe ich den so außergewöhnlichen Blickwinkel, den so selten gewählten Handlungsort und vor allem den besonderen Protagonisten sehr gemocht. „Das Lächeln des Schwertfischs“ ist anders als ich es mir erwartet hatte, aber nichtsdestotrotz ein lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Wunderbar spannend, gekonnt geschrieben und eine perfekte Mischung aus Fakten und Fiktion!

Agathas Alibi
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Agatha Christie verschwindet im Dezember 1929 spurlos und selbst eine groß angelegte Suchaktion, an der sich 16.000 Menschen beteiligen, kann keine Klarheit über ihr Verschwinden verschaffen. Bloß ihr ...

Agatha Christie verschwindet im Dezember 1929 spurlos und selbst eine groß angelegte Suchaktion, an der sich 16.000 Menschen beteiligen, kann keine Klarheit über ihr Verschwinden verschaffen. Bloß ihr grüner Morris Cowley konnte verlassen in einem Graben gefunden werden. Hat die Queen of Crime in ihrer aus Eheproblemen resultierenden Verzweiflung Suizidabsichten? Doch wo wäre in diesem Falle ihre Leiche geblieben? Konnte die berühmte Autorin ihre Schreibblockade nicht verkraften? Wurde sie – beispielsweise vom eigenen Gatten – ermordet? Immer mehr und immer abenteuerliche Theorien finden ihren Weg in die Öffentlichkeit und auch an den ergriffenen Maßnahmen wird die zunehmende Ratlosigkeit der ermittelnden Behörden und Bewunderer Christies. Während sich Chief Constable William Kenward wegen mangelnder Ermittlungserfolge zu immer größeren Suchaktionen verleiten lässt, beauftragt Sir Arthur Conan Doyle beispielsweise ein Medium nach dem Verbleib der nicht zuletzt durch ihr kürzlich erschienenes Werk „Alibi“ weltberühmt gewordenen Kriminalautorin.
So unerwartet plötzlich, wie alles begonnen hatte, endet es dann nach elf Tagen, als Agatha Christie wieder auftaucht. Unter dem Namen der geliebten ihrens Mannes, Teresa Neele, in einem Hotel in Harrogate abgestiegen, hatte sie fröhliche Tage als Dame aus Südafrika verbracht. Ursache sei, so wird bekannt gegeben, eine Amnesie aufgrund des Autounfalles. Dennoch bleiben einige Fragen offen und das Eheleben der Christies nach dem herumstochern im Privatleben durch Polizei und Presse noch mehr verschlechtert, sodass kurze Zeit später die Scheidung folgt.
In „Agathas Alibi“ hat Andrew Wilson um das rätselhafte Verschwinden der Queen of Crime einen spannenden Roman geschrieben. So zahlreiche Fakten zusammengetragen und in eine Geschichte verwebt. Denn könnte es nicht sein, dass die Amnesie keine war, sondern eine Strategie um ein dunkles Geheimnis zu verdecken? Könnte es nicht sein, dass sich Agatha Christie im Würgegriff eines Widersachers befand, der ihren scharfen Verstand, ihr kriminalistisches Gespür und ihre Kenntnis über das Morden für seine Zwecke nutzen wollte? Könnte es ferner nicht sein, dass die Autorin immer mehr in ein Verbrechen gezogen wurde und immer mehr auf eine auswegslose Situation zusteuerte, sodass sie alles zu verlieren drohte?
Eine solche Geschichte wird hier erzählt. Sie nimmt ihren Anfang als Agatha Christie von der Affäre ihres Mannes erfährt und in ihrer Verzweiflung ihren Gedanken nachhängt – bis sie am Bahnsteig auf die Gleise gestoßen wird. Von jemandem, der ein grauenvolles Verbrechen plant; ein solches, das die Autorin dringend zu verhindern suchen muss.

Beim Lesen entdeckt man zwischendurch immer wieder kleine Fragmente aus Erzählungen der Queen of Crime, was ich in soweit sehr ansprechend finde als dass ihr Verschwinden als Inspirationsquelle für ihre in den folgenden Jahren geschriebenen Werke dargestellt wird. Darüber hinaus sehr gelungen ist meines Erachtens die Idee, ausgehend von Fakten eine fiktive Geschichte zu erzählen. Da im Anhang die sachlichen Grundlagen für das Buch erklärt werden, vermag der Leser so auch die beiden Bereiche zu trennen und bemerkt erst wie gekonnt Wilson die widersprüchlich erscheinenen Besonderheiten um das Verschwinden in einen logischen Zusammenhang stellt.
Agatha Christie als Protagonistin aus deren Sicht das Buch geschrieben worden ist, hat mir zudem sehr gefallen. Ihre Gedankengänge waren stets gut nachvollziehbar und man konnte sich problemlos in ihre prekäre Lage versetzen.
Aber auch die vielen anderen Charaktere wurden vom Autor sehr ansprechend und liebevoll gezeichnet. Dank genauer aber nicht langatmiger oder belangloser Ausführungen konnte ich mir das Gelesene stets sehr gut vorstellen und bereits direkt zu Beginn des Buches in die Geschichte abtauchen.
Der Schreibstil des Buches hat mir außerdem sehr gefallen und ich vermochte das Buch kaum aus der Hand zu legen. Das mag auch daran liegen, dass ständig etwas Neues geschieht oder man einen weiteren Standpunkt kennenlernt. Mich konnte „Agathas Alibi“ im Handumdrehen packen und ich bin von dem Einfallsreichtum Wilsons begeistert.
Abwechslungsreich und sehr ansprechend zu lesen sind für mein Empfinden zudem die „Zeitungsartikel“, die man in diesem Buch findet. So hat man den Eindruck, wirklich stets bei Agatha Christie und den anderen Figuren dabei zu sein und ihnen über die Schultern schauen zu können.

Der Roman ist stimmig und in sich wunderbar schlüssig, er war stets spannend und verdient daher meine klare Leseempfehlung. In anderen Rezensionen bin ich auf die Kritik gestoßen, man würde merken dass dies „einfach kein echter Christie-Roman sei“. Es mag durchaus sein, dass man einen Unterschied zu den Werken der Queen of Crime bemerkt – ich für meinen Teil bin gar nicht mit der Erwartung, eine Imitation der Autorin zu lesen, an dieses Werk gegangen. Mir hat der Stil Wilsons ausgesprochen gut gefallen und ich bin der Auffassung, dass eine solche Erwartung überhaupt nur wenig gerecht ist…
Ich kann an diesem Buch keinerlei Kritik hervorbringen, da es mir rundum zugesagt hat und vergebe somit 5 Sterne!