Die Kaiserin und ihr Baron

Der Briefwechsel zwischen Katharina II. und Friedrich Melchior Grimm ist wahrlich ein historischer. Dieser Briefwechsel ist ein halb gehobener Schatz: ein Dialog zwischen einem Pariser homme de lettres und einer Herrscherin, die ihr Reich modernisieren wollte - und zugleich ein faszinierender Spiegel des 18. Jahrhunderts in seinen geistigen, politischen und persönlichen Bewegungen. Grimms Interesse an Katharina war mehrfach begründet. Über den Verkauf von Diderots Bibliothek war er als Unterhändler aktiv geworden und hatte so den Interessen sowohl des Freundes als auch Katharinas gedient. Als Mittler in kulturellen Dingen fand Grimm in Katharina II. eine großzügige Abnehmerin. Er bezeichnete sie wie viele seiner Zeitgenossen als "Stern des Nordens", eine Lichtgestalt der Aufklärung. Sie wird die wichtigste Abonnentin seiner Correspondance littéraire. Ihr regelmäßiger Briefwechsel begann im Frühjahr 1774, kurz nach Grimms Abreise aus St. Petersburg und sollte über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg bis zum Tod der Kaiserin im November 1796 fortdauern. Ein Dialog aus der Ferne, der jedoch eine geistige Nähe hervorbrachte, wie sie zwischen Feder und Krone nur selten erreicht worden ist. In Grimm fand Katharina II. einen Gesprächspartner ,der sie verstand, ohne sie zu fürchten, und der sie respektierte, ohne ihr zu schmeicheln. Grimm trat Katharina weder als Untertan noch als Bittsteller entgegen, sondern als freier Geist, der ihr intellektuell gewachsen war und doch taktvoll im Hintergrund blieb - genau jene Mischung, die ihr selten begegnete und die sie umso höher schätzte.