Mut und Humor
"»Sag, wat de denkst.
Sag, wat de brauchst.
Sag, wovor de Angst hast.
Sag, wat de willst.«"
Der Klappentext dieses Werkes hatte ich mich dermaßen angesprochen und neugierig gemacht, dass ich unbedingt ...
"»Sag, wat de denkst.
Sag, wat de brauchst.
Sag, wovor de Angst hast.
Sag, wat de willst.«"
Der Klappentext dieses Werkes hatte ich mich dermaßen angesprochen und neugierig gemacht, dass ich unbedingt mehr erfahren wollte - über den Autor Hubertus Meyer-Burkhardt und jene Frau, die ihn zwar nur kurze Zeit seines Erwachsenenlebens begleitet hat, ihn in seinem Wesen aber unverkennbar geprägt hat: seine gleichermaßen herzige wie schlagfertige "Osi" Christine (- »Christel« - Elise Wilhelmine Vollbrecht, geb. 17. Mai 1898), die in ihm die Neugier auf das Leben und die Menschen entfacht hat.
Ich lese ja unheimlich gerne Geschichten, die auf wahren Begebenheiten und realen Personen basieren, und hier konnte ich nun sogar einen Blick in eine 'echte' Familienhistorie erhaschen, so authentisch wie es nur geht, null Fiktion, Leben pur.
Selten ist mir eine Rezension so schwer gefallen, da ich am liebsten sämtliche Passagen eins zu eins kopieren und mit euch teilen möchte.
Osi war ein absolutes Unikat, und es wundert mich überhaupt nicht, dass ihr Enkel sich auf eine ganz besondere, innige, seelenverwandte Weise mit ihr verbunden fühlt.
"Sie war eine Optimistin, eine lebenslustige und lebenshungrige Frau, die jeder Minute ihres Alltags Spannung abrang. Pessimisten empfand sie als intellektuell armselig […]."
Der rundum angenehme Schreibstil ist geprägt von enorm viel Feingefühl, Humor und Authentizität, ich hätte noch ewig weiterlesen können. Wie gerne hätte ich einmal die Gelegenheit gehabt, mit Osi gemeinsam in ihrem Lieblingslokal zu sitzen, ein gutes Getränk zu genießen und eine jener unterhaltsamen Diskussionen über Gott und die Welt mitzuerleben, die sie mittels provokanter Thesen zu entfachen liebte. Wahrscheinlich hätte ich die Rolle der still schmunzelnden Beobachterin eingenommen, Osi flößte einem nämlich automatisch Respekt ein. Gleichzeitig war sie ein Garant für intensive, kluge, bedeutungsschwere Gespräche.
"Sie war ein starker und vielschichtiger Charakter: kreativ, voller Witz und Eigensinn, genussfreudig, mutig, unangepasst, ja rebellisch, freiheitsliebend und ihrer Zeit weit voraus. Sie hatte Hal-tung, Geheimnisse und sicher auch innere Konflikte, die allerdings die wenigsten ahnten. Obwohl ihre Welt zweimal vor ihren Augen zerbrach, machte sie unerschrocken weiter ihr Ding und war dabei niemals Opfer, sondern immer angetrieben von einer tiefen Liebe zum Leben."
Osis von Individualität und Geradlinigkeit geprägte, lebensbejahende Haltung war für mich eine Quelle der Inspiration – so stark, dass Worte ihr kaum gerecht werden.
"Meine Osi ließ sich nicht kleinkriegen, sie sah das Leben als unverdientes Geschenk und entschied sich für das Glück und gegen das Selbstmitleid. Das hasste sie."
"Ihr Credo war: Die meisten Probleme sind ganz einfach zu lösen, wir müssen nur den Mut dazu aufbringen. Aber wie geht man dann mit Problemen um? Indem man, so meine Großmutter, zunächst das Wort »Problem« aus dem Wortschatz streicht und es durch »Aufgabe« ersetzt. Und dann auf diese Aufgaben mit der Haltung zugeht:» Det is det Leben. Und ick bin für det Leben. Punkt.«"
Besonders tiefgründige Zitate sind im Text vergrößert hervorgehoben worden, was auch dem Layout einen künstlerischen Touch verpasst.
In einigen von Osis Verhaltensmustern und Denkansätzen erkannte ich mich sogar ein wenig selbst wieder, was mich ungemein freute. Bestes Beispiel:
"Sie […] empfand es als magisch, ja schicksalhaft, dass Menschen zufällig gleichzeitig auf demselben Planeten, in derselben Stadt, im selben Zugabteil sitzen. Dieser Magie sei man verpflichtet, deshalb schulde man dem Schicksal eben auch etwas. Also forderte sie wildfremde Menschen oft unvermittelt dazu auf: »Erzähl doch mal, wer de bist. Wie is det Leben bisher gelofen?«"
Ich lieb's!
Im Anhang hat der Autor eine kleine Mediathek von Osis liebsten kulturellen Highlights zusammengestellt, ein liebevolles Detail, das Osis Wesen noch einmal aufleben lässt, und eine wunderbar persönliche Abrundung darstellt.
Abschließend kann ich nur sagen: Unsere heutige Welt bräuchte mehr Menschen mit Osis Charakterzügen. Es wäre mir eine Ehre gewesen, diese beeindruckende Frau persönlich kennenzulernen … aber in gewisser Weise durfte ich das ja nun dank dieser berührenden Erzählung nachholen. Es war eine wahre Bereicherung!
Was ich von Osi mitnehme: Im Jetzt leben. "»Am nächsten Tag kann allet passieren.«"
𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁:
Von mir gibt es eine begeisterte Leseempfehlung für alle Fans von starken weiblichen Persönlichkeiten.