Abgründe des Kolonialismus
Eine dunkle Nacht auf der Themse, auf einer Yacht sind einige Seeleute zusammen und einer von ihnen, Marlow, beginnt eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte einer schicksalhaften Fahrt den Kongo entlang ...
Eine dunkle Nacht auf der Themse, auf einer Yacht sind einige Seeleute zusammen und einer von ihnen, Marlow, beginnt eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte einer schicksalhaften Fahrt den Kongo entlang ins Landesinnere, direkt ins Herz Afrikas, ins Herz der Finsternis.
Der Beginn des Buches, die beschriebene Szenerie auf dem Fluss, die bunt zusammengewürfelte Gruppe Männer, die Art und Weise wie Ich-Erzähler Marlow seinen Bericht beginnt, all das hat mich direkt an die Eröffnungsszene in Moby Dick denken lassen, ohne das ich genau sagen könnte warum. Irgendwie war direkt eine gewisse Düsternis zu spüren, eine Trostlosigkeit, ein Gefühl, als würde diese Geschichte nicht gut ausgehen und, obwohl Marlow seinen Zuhörern gegenübersitzt und von seiner Reise erzählen kann, ist sie das ja schlussendlich auch nicht.
Ich weiß gar nicht mehr genau, warum ich mir das Buch gekauft habe und ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung davon, was mich erwartet. Gelesen habe ich das Buch dann wärend einer längeren Zugfahrt, aufgrund seiner Kürze schien es mir dafür perfekt geeignet. Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1902 und der Autor arbeitet hier eine tatsächliche Reise nach Afrika auf, die er als Seemann 1890 selbst unternommen hat. Die Sprache, in der das Buch verfasst ist, entspricht natürlich der damaligen Zeit und ist dementsprechend nicht unbedingt leicht zu lesen. Noch weniger leicht zu lesen sind aber die damals vorherrschenden Ansichten zum Kolonialismus und das sollte man sich vor Beginn der Lektüre bewusst machen.
Das Buch liegt in seiner ursprünglichen Form vor, das bedeutet, dass Ausdrücke, Ausdrucksweisen, Weltanschauungen dargelegt werden, die heute nur als absolut abscheulich und antiquiert betrachtet werden können, den damaligen Zeitgeist aber leider eins zu eins widerspiegeln. Ich möchte hier jetzt nicht ins Detail gehen, aber es gab schon einige Beschreibungen, die mich wirklich haben schlucken lassen und die zeigen, wie man als zivilisierter und gebildeter Europäer von Afrika und seinen Bewohnern gedacht und gesprochen hat. Es macht betroffen mit welcher Überheblichkeit man sich ganze Länder aneignet, untereinander aufgeteilt und ausgebeutet hat, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur und all dies noch unter dem vermeintlichen Segen eines Gottes, den man diesen Menschen so unbedingt aufzwingen wollte. Es macht betroffen, wütend und einfach nur sprachlos, ist aber ein Zeitzeugnis und darf als Mahnung nicht in Vergessenheit geraten. Um die Geschichte des Buches in den richtigen Kontext zu setzen gibt es natürlich noch ein Nachwort.
Viele Bücher, die ähnliche Thematiken beinhalten werden in Neuauflagen heute immer öfter bereinigt, bestimmte Begrifflichkeiten, oder ganze Passagen geändert, oder sogar ganz entfernt. Ich sehe das zugegebenermaßen eher kritisch, den ein Buch spiegelt nunmal den Zeitgeist zum Zeitpunkt seines Entstehens und ist somit ein Zeitzeugnis, im positiven wie im negativen Sinne und sollte dementsprechend kritisch gelesen und wenn nötig auch erklärend aufbereitet werden, wenn man es beispielsweise mit Kindern liest. Ich vertrete eher die Meinung, man sollte, wie es hier gesehen ist, das Original unzensiert anbieten und im Nachgang dann diskutieren, erklären und in den richtigen Kontext setzen. Bücher umzuschreiben, oder gar auf den Index zu setzen ist in meinen Augen der völlig falsche Weg und erzeugt bei mir immer einen gewissen faden Beigeschmack.
Herz der Finsternis ist kein einfaches Buch, nicht vom Inhalt und auch nicht von der Erzählweise her, ich habe lange mit mir gerungen, ob ich überhaupt eine Rezension dazu schreiben soll, denn irgendwie schienen mir alle meine Worte falsch. Letztlich muss das jeder Leser für sich selbst entscheiden.