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Veröffentlicht am 20.11.2025

Fünf vor zwölf?

Am Kipppunkt
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Wann wirds mal wieder richtig Sommer heißt es in einem Schlager, ein Sommer wie er früher einmal war? Wenn man sich die aktuelle Entwicklung einmal ansieht wahrscheinlich nie wieder, haben wir es doch ...

Wann wirds mal wieder richtig Sommer heißt es in einem Schlager, ein Sommer wie er früher einmal war? Wenn man sich die aktuelle Entwicklung einmal ansieht wahrscheinlich nie wieder, haben wir es doch in den letzten Jahren recht erfolgreich geschafft unser Klima negativ zu beeinflussen. Da werden Kinder ohne schlechtes Gewissen im SUV die 500m bis zur Schule gefahren, Kreuzfahrten mit dieselfressenden Megaschiffen in die letzten intakten Ökosysteme der Welt unternommen, Regenwälder abgeholzt um Platz für Sojaplantagen zu schaffen, oder Monokulturen angepflanzt um ausreichend Futtermittel für Nutztiere zu bekommen, die letztlich als Schnitzel auf unserem Teller landen. Schon heute sind die Auswirkungen unseres Raubbaus an der Natur überall zu spüren, schmelzende Polkappen, Überschwemmungen, Stürme, Dürreperioden hier, sintflutartige Regenfälle dort, Waldbrände, sterbende Korallen, auftauender Permafrostboden, die Liste ist lang und beängstigend.

"Am Kippunkt" geht nun der Frage nach, ob die Menschheit sich schon ihr eigenes Grab geschaufelt hat und es quasi eigentlich egal ist, was wir noch versuchen, hilft eh nichts mehr, oder, ob all diese Bemühungen das Ruder vielleicht doch noch herumreißen können. Die Autoren nähern sich der Thematik von mehreren Seiten und haben zu den verschiedenen Punkten unglaublich detailliert recherchiert. Das Wissen, das so im Buch vermittelt wird, ist unglaublich umfangreich und interessant, liest sich dabei aber sehr anschaulich und verständlich. So erfährt man zb mehr über die Entstehung von Gletschern und den Faktoren, die ihren Rückgang bedingen, über das Zusammenspiel der Meeresströmungen, ihre Bedeutung für die Temperaturen in den verschiedensten Regionen, über die Prozesse, die das Eis in der Polarregion schmelzen lassen, oder wie empfindlich Korallen auf die kleinsten Temperaturschwankungen reagieren. Es werden aktuelle Forschungsergebnisse analysiert, die beteiligten Wissenschaftler kommen zu Wort, auch, wenn sie mit ihrer Forschung nicht unbedingt zu einheitlichen Ergebnissen kommen.

Einheitliche Ergebnisse, bzw konkrete Aussagen liefert das Buch nicht, es wird schnell klar, dass es diese eine Lösung des Problems, dieses eine Parameter, das wir ändern müssen, diese exakte Obergrenze bei der Erderwärmung, die es zu halten gilt, eben nicht gibt. Wir haben unwiderruflich Prozesse in Gang gesetzt, die nun nicht mehr umkehrbar sind, die aber deshalb nicht gleich den Untergang der Menschheit bedeuten. Fest steht, dass sich unser Leben grundlegend verändern wird, für unsere Generation nicht unbedingt mehr so radikal spürbar, für folgende dagegen sehr.

In dieser Beziehung macht das Buch ein klein wenig Hoffnung, denn auch wen ich beim Lesen ständig das Szenario von Roland Emmerichs "The Day after Tomorrow" vor Augen hatte, das sich an einigen sehr realen Problemen orientiert, sind wir hiervor erstmal sicher. Trotzdem kein Grund um aufzuatmen, oder den Klimawandel gar zu leugnen, im Grunde ist es nicht fünf vor zwölf, sondern eher fünf nach. Sehr interessant war es für mich zu lesen, wie andere Länder mit der Problematik umgehen, denn auch wenn Deutschland unter Angela Merkel schon recht früh Klimaziele definiert hat, sind wir in der Umsetzung ganz weit hinten und über den Boom bei Photovoltaik leider nicht hinausgekommen. Lernen können wir hier von den skandinavischen Ländern, von sogenannte Dritte Welt Ländern wie Äthiopien, oder der ungeliebten Weltmacht China.

Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass sich das Buch nicht manchmal auch etwas gezogen hätte. Die Autoren schaffen es aber immer wieder mich mit ihren Erkenntnissen und der Gegenüberstellung positiver und negativer Möglichkeiten zurück ins Geschehen zu holen. Das Buch vermittelt viel Wissen, gibt unzählige Denkanstöße, unterstreicht die Dringlichkeit, ohne dabei aber die ganze Zeit mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. Für alle Interessierten definitiv zu empfehlen und wenn man mitreden können will sowieso.

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Veröffentlicht am 20.11.2025

Krimi der besonderen Art

Der Schneider von London
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Achille Perrot findet es wird mal wieder Zeit seinem Londoner Schneider einen Besuch abzustatten, unerfreulich nur, als zum vereinbarten Termin eben dieser verhindert ist und Achille sich unvermittelt ...

Achille Perrot findet es wird mal wieder Zeit seinem Londoner Schneider einen Besuch abzustatten, unerfreulich nur, als zum vereinbarten Termin eben dieser verhindert ist und Achille sich unvermittelt dessen Bruder gegenübersieht. Unverrichteter Dinge verlässt Perrot das Geschäft, natürlich mit der Ankündigung seiner baldigen Rückkehr und mit dem Geruch von Amber in der Nase, nicht ahnend, dass ihn dieser Duft in den nächsten Tagen verfolgen wird.

Im vierten Buch der Reihe, rund um den fiktiven Enkel des berühmten Hercule Poirot, lässt Autorin Crysta Winter ihre Hauptfigur erstmals selbst zu Wort kommen und als Ich - Erzähler agieren. Wenn man Achille bereits kennt, bekommt man so einen ganz anderen, intensiveren, aber oft auch frustrierenden und verwirrenden Einblick in dessen Gedankenwelt, sollte man ihn mit diesem Buch erst kennenlernen, dann bitte nicht abschrecken lassen, es lohnt sich wirklich seine Bekanntschaft zu machen. Achille ist, wie auch sein berühmter Großvater eine ganz spezielle Persönlichkeit, ein loyaler, leider nicht unbedingt immer mitteilsam Freund und natürlich ein brillanter Ermittler.

Wer, so wie ich, auf spezielle Ermittlerfiguren steht, wird dies hier definitiv finden und auch das Setting der Geschichte tut hier ihr Übriges. Passend zu Perrot Wesen wird der Leser in ein London entführt, das anmutet wie zu Zeiten Jack the Rippers, oder Sherlock Holmes. Der Leser besucht nicht nur eine fantastisch anmutende Menagerie der Künste, sondern macht auch die Bekanntschaft mit einer, wie aus der Zeit gefallen wirkenden, geheimnisvollen Dame und tauch tief ab in die düstere, viktorianisch angehauchte Atmosphäre verwinkelter Gassen und Parks. Beim Lesen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion noch stärker, als sie es ohnehin schon tun, denn man vergisst fast, dass das Buch eigentlich im Jetzt spielt und ist immer wieder übereascht, wenn man darauf durch ein kleines Detail hingewiesen wird.

Das Buch entwickelt einen ganz eigenen und unvergleichlichen Charme, den die Autorin noch durch ihre besondere Art zu Schreiben unterstützt. Anfangs hatte ich damit etwas Schwierigkeiten, obwohl ich schon die anderen Bücher der Autorin kenne. Der Schreibstil ist sehr präzise und direkt, kommt oft mit ganz kurzen, manchmal sogar nur aus einem Wort bestehenden Sätzen aus und ist schon auch etwas anspruchsvoll. Mich hat er stellenweise in meinem Lesefluss ausgebremst, wobei das durchaus ein positiver Effekt ist, wurde ich doch hier zur Konzentration gezwungen, dazu, mich auf die Geschichte einzulassen, der Tiefe und den Nuancen nachzuspüren, um nichts zu überlesen. Das ist anstrengend, ungewohnt, aber eben absolut passend zu Perrots Figur und dem Kriminalfall.

Wer bei diesem Kriminalfall ein spannungsgeladenens Feuerwerk inklusive Verfolgungsjagd und Schießerei erwartet, wird leider enttäuscht. Auch hier folgt Perrot ganz seinem berühmten Vorfahren, die Ermittlungsarbeit ist geprägt vom Einsatz der kleinen grauen Zellen, die zur Regeneration natürlich ausreichend Schlaf, gutes Essen und anregende Gespräche benötigen.

Crysta Winter liefert hier einen Krimi mit allen klassischen Elementen, wie man sie auch bei Agatha Christie, oder Arthur Connan Doyle und ihren Figuren findet, individualisiert das aber durch ihre ganz eigene Art eine Geschichte zu erzählen. Vielleicht trifft sie damit nicht unbedingt den Geschmack der breiten Masse, aber das ist vollkommen okay, ich gehöre gern zu einer elitären kleinen Minderheit.

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Veröffentlicht am 20.11.2025

Deutsch mal witzig

Kleines Kuriositätenkabinett der deutschen Sprache
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Deutsche Sprache, schwere Sprache. Dieser Satz ist sowas von wahr, denkt man nur an die unendlichen Möglichkeiten Worte zu deklinieren, zu schreiben, falsch auszusprechen, oder schier endlos aneinanderzureihen, ...

Deutsche Sprache, schwere Sprache. Dieser Satz ist sowas von wahr, denkt man nur an die unendlichen Möglichkeiten Worte zu deklinieren, zu schreiben, falsch auszusprechen, oder schier endlos aneinanderzureihen, um ein neues Wort zu bilden. Das die deutsche Sprache mit all ihren Eigenheiten aber auch viel Raum für komisches, skurriles und kurioses bietet, wird in diesem Büchlein mehr als deutlich.

DUDEN steht ja immer für Wissensvermittlung, jeder von uns der Schulkinder hat, hat irgendein Buch von DUDEN im Regal und mit Sicherheit gibt es in vielen deutschen Haushalten das Original Nachschlagewerk in verschiedensten Auflagen, oder auch eine mehr, oder weniger aktuelle Ausgabe zu den Regeln der "Neuen deutschen Rechtschreibung". Hier hat sich das Team nun mal nicht auf den reinen Aspekt der Wissensvermittlung konzentriert, der ja zugegebenermaßen schon auch manchmal etwas dröge werden kann, sondern auf das Kuriose der deutschen Sprache.

Das kleine Büchlein bietet auf 141 Seiten allerhand witziges von A wie Annagramm, bis Z wie Zweifelsfälle. Da versammeln sich Wortungetüme wie "Erdachsendeckelscharnierschmiernippelkommission" (absolut herrlich), Anglizismen, Worte, die gar nicht deutschen Ursprungs sind, solche, die, man auf mehr als eine Weise schreiben kann, welche, die von vorn wie von hinten gelesen gleich sind, oder solche, die immer falsch ausgesprochen werden. Das Buch beschäftigt sich aber auch mit den Ursprüngen der Sprache, mit Fremdwörtern, Wortneuschöpfungen, solchen, die gar nicht mehr nach ihrer ursprünglichen Bedeutung gebraucht werden, Unwörtern, Jugendwörtern, längsten Wörtern, schönsten Wörtern, fast ausgestorbenen Wörtern und solchen, die in den herrlichsten Dialekten daher kommen.

Mich hat das Buch richtig gut unterhalten, die Zusammenstellung ist wirklich gelungen und auch optisch hat man sich hier einiges einfallen lassen, um das Ganze Thema interessant rüber zu bringen. Für mich ist das Buch ein perfektes Geschenk für Menschen, die beruflich mit Sprache zu tun haben, definitiv für Kinder und Jugendliche, die sprachinteressiert sind, oder aber für die, die so ihre Schwierigkeiten mit ihr haben und definitiv für Menschen wie mich, die immer auf der Suche nach (liebgemeint) "unnützem" Wissen sind, mit dem sie bei der nächsten Gelegenheit klugscheissen können.

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Veröffentlicht am 11.11.2025

Vorgeschichte

Der letzte Wunsch
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Geralt von Riva, seines Zeichens Hexer, zieht durch die Lande um im Auftrag Monster und Bestien zu töten, die die Menschen bedrohen. Begleitet wird er dabei von seinem guten,, aber manchmal auch recht ...

Geralt von Riva, seines Zeichens Hexer, zieht durch die Lande um im Auftrag Monster und Bestien zu töten, die die Menschen bedrohen. Begleitet wird er dabei von seinem guten,, aber manchmal auch recht nerviegen Freund Rittersporn, der es sich als Barde zur Aufgabe gemacht hat die Heldentaten Geralts zu besingen. Als Geralt auf die Zauberin Yennefer trifft, ändert sich sein Leben für immer.

Die Serie "The Witcher" auf Netflix erlebt ja gerade einen neuen Hype durch eine weitere Staffel. Fans ist die Geschichte um Geralt, Yennefer und Ciri natürlich schon lange ein Begriff, nicht zuletzt auch durch das Computerspiel zu den Büchern von Andrzej Sapkowski. Obwohl ich ein großer Fantasy Fan bin, war das Ganze lange an mir vorbeigegangen und auch der Start der Serie hat mich wenig berührt, ich hab mich erst relativ spät dazu durchgerungen sie mir anzusehen und war, ehrlicherweise erstmal von dem ganzen Gemetzel etwas enttäuscht. Je tiefer ich allerdings in das Geschehen eingetaucht bin um so mehr hat es mich in seinen Bann gezogen. Trotzdem hatte ich bis vor wenigen Wochen noch keines der Bücher gelesen.

Als nun die neue Staffel anlief und ich die ganzen damit verbundenen Diskussionen verfolgt habe, in denen ja oft die inhaltliche Entfremdung der Serie von den Büchern geht, musste ich einfach mit dem lesen anfangen. "Der letzte Wunsch" ist die Vorgeschichte zur eigentlichen Hexersaga und besteht aus lose aneinandergereiten Kurzgeschichten, die von einer verbindenden Zwischenstory ergänzt werden. Viele dieser Geschichten haben so auch Einzug in die Serie gefunden und waren mir somit nicht gänzlich neu, allerdings im Buch natürlich alles viel detaillierter. Detaillierter, aber dadurch manchmal auch leider etwas langatmiger, gerade weil der Autor sehr in seinen Dialogen schwelgt und mit diesen die Geduld des Lesers oft doch sehr auf die Probe stellt.

Mich hat sehr fasziniert, dass Sapkowski in seiner Welt viel von altbekannten Märchen eingebaut hat. Da gibt es Prinzessinnen, die in Türme gesperrt werden, welche, die ermordet werden sollen und Zuflucht bei Zwergen im Wald finden, oder solche, die einen Pakt mit einem merkwürdigen Wesen schließen und diesem ihr erstgeborenes Kind versprechen. Das war mir sympathisch und hat mich oft zum Schmunzeln gebracht. Generell ist Sapkowskis Welt eine besondere, hat nichts gemein mit beispielsweise der von Tolkien (die Geschichte der Elfen und auch der Zwerge ist hier vollkommen anders), oder der von G.R.R.Martin. Nichtsdestotrotz ist sie genauso episch und magisch, vielleicht aber etwas näher an der Unseren.

Mir hat der Schreibstil gut gefallen. Wie schon gesagt hatte ich manchmal meine Probleme mit den seitenlangen Dialogen, die sich mir auch oft einfach inhaltlich nicht wirklich erschlossen haben. Diese blumige, "um den heißen Brei" Rumgerede ist nicht unbedingt so meins. Der Humor des Autors hingegen schon eher. Die Dynamik zwischen den Figuren ist gut gelungen, besonders das Verhältnis zwischen Geralt und Rittersporn bekommt hier eine ganz andere Richtung als in der Serie.

Ich hätte eigentlich gesagt, man muss nicht zwingend das Buch kennen, um die Serie zu streamen, allerdings enthält das Buch nochmal ganz andere Hintergrundinformationen, die einiges in der Serie erklären, gerade wenn man wie ich das Witcher Universum so gar nicht kennt. Gerade was die verwirrende Zeitleiste der ersten Staffel angeht, sehe ich nun wesentlich klarer. Ich habe im Nachgang die erste Staffel nochmal mit ganz anderen Augen geschaut und Zusammenhänge erkannt, die mir vorher nicht klar waren. Normalerweise vertrete ich die Meinung, man sollte eine Serie und ihre literarische Vorlage getrennt voneinander bewerten (siehe "Game of Thrones", wo die Serie ja eine völlig andere Richtung als die Bücher einschlägt und sogar ein Finale liefert, das es in Buchform noch gar nicht gibt), hier finde ich aber, dass sich Buch und Serie gut ergänzen.

Die Hexer - Saga ist ein episches Meisterwerk, in das man mit diesem Buch einen guten Einstieg findet und natürlich liegen die Folgebände schon hier bereit.

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Veröffentlicht am 11.11.2025

Besondere Atmosphäre

Kurilensee
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Jeden Sommer kommt eine Gruppe Wissenschaftler nach Kamtschatka. Hier in der Forschungsstation am Kurilskoye leben und arbeiten die Mitglieder der Gruppe über Monate, weit weg von der Zivilisation, abhängig ...

Jeden Sommer kommt eine Gruppe Wissenschaftler nach Kamtschatka. Hier in der Forschungsstation am Kurilskoye leben und arbeiten die Mitglieder der Gruppe über Monate, weit weg von der Zivilisation, abhängig von den Lebensmittellieferungen per Hubschrauber, umgeben von atemberaubender Natur, einzige Gesellschaft die Bären und die Lachse. Die Lachse zu zählen und zu untersuchen ist die Hauptaufgabe der Forschenden, um zu prognostizieren, wie sich die Population entwickeln wird und mit welchen Fangmengen man in der Fischerei demzufolge rechnen kann. Eine von ihnen ist Anna, die schon seit Jahren mit ihrem Partner zur Stammcrew der Forschungsstation gehört und mit ihren Augen sieht man nun diesen Sommer am Kurilensee.

Ich kann gar nicht mehr genau sagen, was mich am Klappentext angesprochen und letztlich dazu bewogen hat das Buch zu lesen. Irgendwie hat mich diese Mischung aus Naturbeschreibung und Zivilisationsproblematik interessiert und ich war gespannt auf die Umsetzung.

Autorin Sophia Klink beschreibt in ihrem Roman die bekannte Problematik der Überfischung der Meere, den Rückgang der Fischpopulation bedingt durch Klimawandel, Umweltverschmutzung, und die Verringerung der Lebensräume durch das Eingreifen der Menschen. Dem setzt sie den absoluten Kontrast einer atemberaubenden Landschaft mit rauchenden Vulkanen und herumtollenden Bärenjungen entgegen, eine Idylle, fern jeglicher Zivilisation, vermeintlich unberührt, wild und gefährlich, aber letztlich auch bereits kompromittiert durch die Anwesenheit der Wissenschaftler. Dieser Kontrast erzeugt bereits eine besondere Stimmung, die noch verstärkt wird durch die philosophischen, fast melancholischen Gedankengänge von Hauptfigur Anna.

Anna trägt das Buch, durch ihre Augen erlebt man die Arbeit der Wissenschaftler und erfährt von den Konsequenzen, die ihre negativen Forschungsergebnisse nach sich ziehen. Man erlebt die inneren Konflikte der verschiedenen Personen, ihre im Keim erstickte Auflehnung gegen die Pläne der Regierung und die damit verbundene Resignation, trotz allem führen sie ihre Arbeit fort, immer mit der Hoffnung auf ein Wunder, auf ein "die Natur findet einen Weg", auf ein "vielleicht wird ja doch noch alles gut". Es ist fast deprimierend dem zu folgen und dabei auch noch mit Annas geheimsten, unerfüllten Sehnsüchten konfrontiert zu werden.

Der Schreibstil ist leise und zart, fast wie eine leichte Sommerbrise. Manchmal wirkt es beinahe etwas hypnotisch, ich will nicht sagen einschläfernd, man wird eingesaugt in diese flirrende Atmosphäre von Mückenschwärmen und sich windenden Fischleibern, man spürt die Anspannung, die Hektik beim Zählen der Tiere, den Druck und die bleiernde Schwere wenn Erfolgserlebnisse ausbleiben, sich Befürchtungen bewahrheiten. Natürlich besteht ein Großteil des Buches auch aus wissenschaftlichen Fakten rund um die Arbeit Annas und ihrer Kolleg*innen. Es ist unglaublich interessant und komplex was die Autorin hier an Wissen vermittelt, ohne das dies plump als solches zu erkennen ist. Ehrlicherweise muss ich schon sagen, dass ich davon nicht wirklich unbedingt viel verstanden habe, aber ich denke auch nicht, dass dies die vorrangige Intention der Autorin war.

Kurilensee ist ein absolut bemerkenswertes Buch, die Art und Weise wie die verschiedenen Themen hier miteinander verwoben sind, hab ich so bisher noch nicht erlebt. Allein wenn Anna über die Fische sinniert und dabei auf ihre eigene Fruchtbarkeit kommt und den Leser dann entführt auf eine Reise durch den Körper, wo ein Hormon einen Impuls steuert, auf den hin eine Eizelle herangebildet wird und ein anderes Hormon dann dafür sorgt, das sich diese auf ihren Weg durch den Körper macht... Allein das ist so philosophisch, so poetisch, so besonders, dass man es einfach gelesen haben muss.

Ein sensibles Buch, eines das Kritik übt und zum Nachdenken anregt, ein Buch, das nachhallt beim Leser über die letzte Seite hinaus.

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