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Veröffentlicht am 02.07.2018

Die Cazalets

Die Jahre der Leichtigkeit
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Elizabeth Jane Howard ist eine englische Schriftstellerin, die es bei uns noch zu entdecken gilt. Sie hat ein langes, produktives Leben geführt und starb 2014 mit 90 Jahren. Ihre bekanntesten Werke sind ...

Elizabeth Jane Howard ist eine englische Schriftstellerin, die es bei uns noch zu entdecken gilt. Sie hat ein langes, produktives Leben geführt und starb 2014 mit 90 Jahren. Ihre bekanntesten Werke sind die „Cazalet-Chronicles“, der ersten Band die „Jahre der Leichtigkeit“ nun von DTV vorgelegt wird.
Die Cazalets sind eine großbürgerliche Familie, die mit Holzhandel zu Geld gekommen sind. Trotz eines großen Landsitzes gehören sie aber nicht zur Upper Class. Brig älteste Söhne haben den ersten Weltkrieg überstanden und sind ins Familienunternehmen eingetreten, ein Sohn unterrichtet Malerei, träumt aber immer noch von einer Laufbahn als Künstler. Eine Tochter ist unglücklich verheiratet und die jüngste scheint sich mit ihrem Los abgefunden zu haben, ihr Leben den Eltern zu widmen. Jeden Sommer versammeln Brig und Duchy ihre Kinder und Schwiegerkinder und die Schar der Enkel auf dem Landsitz der Cazalets.
Es ist der Sommer 37: in Europa brodelt es, Mosley findet in England genügend Anhänger, die Hitler nicht ablehnen und Chamberlain taktiert um den Frieden zu erhalten.
Aber es ist nicht die große Weltpolitik allein, die die Cazalets bewegt, es sind die Dramen in der Familie. Große Leidenschaften und Ehebrüche, Eifersucht und Entsagung, Konkurrenz und Wettstreit brodeln mehr oder weniger unter der Oberfläche einer heilen Familie.
Howard wirft immer wieder abwechselnd ein Streiflicht auf die einzelnen Figuren. Sie stellt sie in den Vordergrund, lässt ihre Persönlichkeit deutlich werden. Dabei wertet sie die Charaktere nicht, sie begegnet jedem, selbst den Kindern der Familie mit Interesse und Respekt. Das überträgt sich auch auf mich als Leserin, ich fühlte mich wie eine unsichtbare Beobachterin in dieser Familie, war Zeuge ihrer Streitereien, ihrer Nöte und auch ihrer Vergnügungen.
Ich habe ein wenig gebraucht um in den Rhythmus des Romans zu kommen. Ich möchte es mit einem alten Film vergleichen, den man nach langen Jahren wieder sieht und über dessen Langsamkeit und langen Einstellungen man verwundert ist. Genau so ging es mir hier, ich musste mich erst an das zurückgenommene Tempo der Sprache gewöhnen, mich quasi einlesen, um die Feinheiten zu genießen. Aber dann hat mich die Geschichte völlig in Bann gezogen.
Ich freue mich auf die Entdeckung einer großartigen Schriftstellerin.

Veröffentlicht am 02.07.2018

Hopfen und Malz

Hopfenkiller
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Die Brauerszene in München steht Kopf! Da kommt so ein Ami daher und will den g’standenen Braumeistern zeigen, wie heute Braukunst geht und was er vom Reinheitsgebot hält. Craft Bier ist das Zauberwort ...

Die Brauerszene in München steht Kopf! Da kommt so ein Ami daher und will den g’standenen Braumeistern zeigen, wie heute Braukunst geht und was er vom Reinheitsgebot hält. Craft Bier ist das Zauberwort und da er noch so ausschaut wie ein geigender Frauenschwarm, steht ihm die Münchner Szene offen.
Aber auch den Craft Bier Adepten ist das Engagement nicht so recht, denn die Finanzkraft hinter Garreth Vane scheint grenzenlos und sie fürchten um ihre kleinen handwerklich geprägten Betriebe. Bald scheint es ernst zu werden, der Inhaber der bisher größten Craftbierbrauerei treibt tot in der Isar, sein Konkurrent und Mitstreiter liegt erschlagen im Brauhof. Aber auch die traditionellen Brauereien klagen über Anschläge und Manipulationen.
Was bleibt da Kommissar Bichlmaier anders übrig als sich der Hilfe von Alfred Sanktjohanser, allgemein nur als der „Sanktus“ bekannt, zu versichern. Schließlich war er mal Polizeikollege und Braumeister ist er immer noch. Allerdings hat Sanktus seiner Kathi versprechen müssen, in Zukunft auf gefährliche Ermittlungsarbeit zu verzichten und mit Kathi möchte er es sich nicht verderben. Aber ein bissl umhören, wird er sich schon können.
Bayern, Sommer und Biergärten und dazu ein süffiges Weißbier, egal ob traditionell oder als Craft Bier und dazu passt der neueste „Sanktus“-Krimi. Spritzig ist die Geschichte, voller Sprachwitz und Situationskomik. Der Sanktus redet und denkt wie ihm der Schnabel gewachsen ist und der Autor fängt das wunderbar authentisch ein. So stelle ich mir einen humorigen Bayernkrimi vor. Da darf man gern in die Klischeekiste greifen, wenn man – wie bei Autor Andreas Schröfl – auch immer das Augenzwinkern spürt. Ich liebe die deftigen Dialekteinschübe, genau wie die liebevoll und gekonnt gezeichneten Originale. Sicher, sie werden auch mal überzeichnet, aber genau wie bei Klischees ist das immer gut dosiert und als Stilmittel gewollt. Man kann eben nur überzeichnen, was man auch kennt und mag. Mir gefällt auch, wie Sanktus‘ Gedanken immer ganz ungefiltert und bar jeder grammatikalischen Norm einfließen, das erinnert mich ein wenig an die Brenner Romane von Paul Haas und macht den Krimi lebendig und direkt.
Die Geschichte ist spannend und recht verzwickt aufgebaut, so einfach war es nicht mit meinen Verdachtsmomenten. Immer wieder kam ich ins Zweifeln und so blieb die Spannung bis zum Finale hoch.
Andreas Schröfl versteht nicht nur eine Menge vom Bier, er versteht es auch einen gelungenen Kriminalroman mit Lokalkolorit zu schreiben.

Veröffentlicht am 27.06.2018

Was geht auf der Bohrinsel 77 vor?

Insel 77
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Kristin Jorgensen arbeitet seit einigen Monaten als leitende Ärztin auf einer Bohrinsel in der Nordsee. Ihr Bruder Marius arbeitet dort schon seit langem und da der Dienstplan passt, wollen sie gemeinsam ...

Kristin Jorgensen arbeitet seit einigen Monaten als leitende Ärztin auf einer Bohrinsel in der Nordsee. Ihr Bruder Marius arbeitet dort schon seit langem und da der Dienstplan passt, wollen sie gemeinsam auf's Festland zurückfliegen. Doch der Hubschrauber hebt ohne Marius ab, er taucht einfach nicht auf. Auch telefonisch kann Kristin ihn nicht erreichen. Aber es gibt Gerüchte, dass Marius nicht der einzige Arbeiter ist, der plötzlich von der Insel verschwand.

Dann wird sie zu einem medizinischen Notfall auf die Bohrinsel gerufen, der Flug ist ein Höllenritt. Ein Sturm tobt über die Nordsee und macht die Landung des Helikopters zu einer Himmelfahrtsmission. Doch alle Mühe ist vergebens, der Patient ist bereits verstorben. Aber die Umstände machen Kristin hellhörig, es gehen geheimnisvolle Dinge auf der Bohrinsel vor und je weiter sie forscht, umso gefährlicher wird es für sie.

Schon der Beginn ist atemberaubend erzählt. Der Flug im Sturm, die Landung auf der winzigen Landefläche der Bohrinsel, das ist so temporeich erzählt, dass es mich sofort in Bann gezogen hat. Die Handlung spielt - von einigen Rückblenden abgesehen auf dieser Plattform - und das ergibt ein fast klaustrophisches Gefühl. Kristin ist quasi auf sich gestellt. Wem kann sie vertrauen, warum wird sie den Verdacht nicht los, dass sie überwacht und beobachtet wird? Und was ist mit Marius?

Der Thriller ist nicht sehr umfangreich, aber Quantität ist nicht immer ausschlaggebend. Hier ist der größte Teil der Handlung auf einen eng umgrenzten Schauplatz beschränkt und daraus resultiert der Sog des Buches und erzeugt Gänsehautfeeling. Das gelingt nicht zuletzt mit dem dichten Sprachstil und einer sehr sympathischen und mutigen Protagonistin. Der Plot ist raffiniert und ähnlich wie Kristin, brauchte ich einige Zeit um hinter die perfiden Vorgänge zu kommen.

Ich habe die Geschichte in einem Rutsch gelesen und nur bedauert, das es so lange auf meinem Stapel der noch zu lesenden Bücher lag.

Veröffentlicht am 25.06.2018

Hyggelig

Ein dänisches Verbrechen (Ein Gitte-Madsen-Krimi 1)
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Gitte Madsen beschließt nach dem Tod der Mutter einen radikalen Neuanfang. Sie verlässt das Münsterland, wechselt von ihrem Beruf als Opferbetreuerin bei der Polizei ins Bestattungswesen. In Marialyst ...

Gitte Madsen beschließt nach dem Tod der Mutter einen radikalen Neuanfang. Sie verlässt das Münsterland, wechselt von ihrem Beruf als Opferbetreuerin bei der Polizei ins Bestattungswesen. In Marialyst auf der Insel Falster findet sie sofort eine Stelle. Der Ort ist bedeutsam für Gitte, hier wurde ihr Vater das letzte Mal gesehen. Seit 16 Jahren ist er spurlos verschwunden und sie ist überzeugt, dass er einem Verbrechen zum Opfer fiel.
Schon auf der Überfahrt fällt ihr ein junger Mann auf, der offensichtlich Angst hat. Von ihrer früheren Arbeit her, hat sie einen Blick dafür. Sie kommt mir Joris, so heißt der junge Grieche, ins Gespräch und erfährt von seinen Plänen. Doch kaum hat sich Gitte in ihrem Domizil eingerichtet, stolpert sie buchstäblich über einen Toten: Joris liegt blutüberströmt auf ihrer Schwelle.
So macht sie die Bekanntschaft mit Kommissar Ole Ansgaard, die aber im Lauf der Tage nicht ganz problemlos verlaufen wird, denn wie sollte es bei einem Krimi anders sein, mischt sich Gitte ganz erheblich in die Ermittlungsarbeit ein.
Marialyst ist ein malerisches kleines Städtchen, in dem jeder jeden kennt und so fühlt sich Gitte auch gleich heimisch. Ihre ersten Fragen zu ihrem Vater bringen ihr auch neue Erkenntnisse. Wichtiger ist für Gitte aber auch das Ankommen, sie findet es an der Zeit nun die dänische Seite ihrer Biografie auszuleben.
Die Beschreibung, wie sie dabei auf Entdeckungsreise geht, die süßen Leibspeisen ihrer Ferienkindheit wieder entdeckt und die Familienbande neu knüpft, sind deshalb auch ein wichtiger Bestandteil dieses unterhaltsamen Krimis. Die exzentrische Tante und der urige schwedische Nachbar und Gittes neuer Chef, der immer einen Grund für ein morgendliches Gläschen Aquavit findet, sind farbige Nebenfiguren, die viel zur Atmosphäre beitragen. Natürlich darf auch ein gewisses Kabbeln und Kribbeln mit dem attraktiven Kommissar nicht fehlen.
Der Krimi hält, was der Klappentext verspricht, ein unterhaltsames und recht spannendes Lesevergnügen. Hyggelig eben!

Veröffentlicht am 25.06.2018

Kate Shackelton ermittelt

Mord nach Strich und Faden
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Kate Shackelton mag sich mit ihrem Status als Kriegswitwe nicht abfinden. Sie klammert sich an die Hoffnung, dass die Leiche ihres Mannes nach einem Angriff nicht gefunden wurde und geht jeder Spur nach. ...

Kate Shackelton mag sich mit ihrem Status als Kriegswitwe nicht abfinden. Sie klammert sich an die Hoffnung, dass die Leiche ihres Mannes nach einem Angriff nicht gefunden wurde und geht jeder Spur nach. Dabei hat sie ein gewisses Geschick entwickelt und konnte mancher Leidensgenossin Gewissheit verschaffen, nur ihr selbst blieb der Trost verwehrt.

Ein Brief der Freundin Tabitha Braithwaite bringt eine neue Herausforderung. Ihr Vater wird ebenfalls vermisst, allerdings nicht als Kriegsfolge, sondern er verschwand nach einem missglückten Suizidversuch aus der Klinik. Tabitha möchte nun heiraten und ihr sehnlichster Wunsch ist es, vom Vater an den Altar geführt zu werden.

So macht sich Kate auf den Weg nach Bridgestead, einem Städtchen das seinen Reichtum den Webereien verdankt. Auch den Braithwaites gehört eine große, erfolgreiche Weberei und die Familie konnte ihren Reichtum auch nach dem Krieg bewahren. Schnell wird Kate aber klar, dass Mrs Braithwaite mit der Suche überhaupt nicht einverstanden ist und auch die Recherche in der Fabrik wird für sie als Frau sehr schwierig werden. Ein Glück, dass ihr Vater, ein pensionierter Kriminalbeamter, ihr Sykes zur Seite stellt. Sykes ist schweigsam, hat seinen Polizeidienst freiwillig quittiert und ist froh wenigstens für einige Wochen ein regelmäßiges Einkommen zu haben.

Kate Shakelton steht am Beginn einer Detektivkarriere, zumindest ist das der erste Band, dem wohl noch weitere folgen werden. Sie ist eine junge Frau, schon mit einem Fuß in der Moderne angekommen und scheint allmählich die Fesseln, die ihr ihre Gesellschaftsschicht und ihr Geschlecht auferlegen, abzustreifen.
Ihr behutsames Vorgehen schafft Vertrauen, so wird ihr im Gespräch vieles anvertraut, was der Polizei nie aufgefallen ist. Auch im Betrieb sieht sie manche Vorgänge aus einem anderen Blickwinkel. Schnell wird ihr klar, dass es noch eine andere Seite des Mr Braithwaite gibt, Kriegsgewinne durch gehortete Chemikalien vom Feind, rücksichtsloses Gewinnstreben, auch auf Kosten von Mitarbeitern und – besonders kränkend für Mrs Braithwaite – immer wieder Affären.

Mir gefällt der unaufgeregte, aber trotzdem sehr flüssige Stil und so viel an Hintergrundwissen über die Nachkriegszeit in England einfließt. Das war schließlich der Beginn einer Zeitenwende. Auch die Arbeitswelt war faszinierend geschildert, so eine Weberei war wie der Vorhof zur Hölle: laut, heiß und stinkend. Die Arbeiter waren den ganzen Tag den giftigen Dämpfen und dem Lärm ausgesetzt, auf dem Boden farbige Pfützen, weil sich die Chemikalien im Boden ablagerten.

Ein wenig verschenkt fand ich die Figur des Sykes, der hätte einen guten Gegenpart zu Kate ergeben können, aber leider darf nur er nur einige sehr kurze, wenn auch entscheidende Szenen beleben. Da würde ich mir für einen Folgeband mehr Augenmerk für diesen Protagonisten wünschen.
Der Krimi spiegelt sehr schön die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in England wieder, man spürt schon, dass die alte Gesellschaftsordnung ins Wanken gerät und Kate Shackelton verkörpert das sehr gut. Es ist ein ruhiger Krimi, der sicher eher Leserinnen anspricht und mir gut gefallen hat.

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