Profilbild von Buecherfresserin49

Buecherfresserin49

Lesejury Star
offline

Buecherfresserin49 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Buecherfresserin49 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2017

Wenn die Hoffnung stirbt und alle schweigen

Ermordung des Glücks
0

Nach 34 Tagen des Bangens und des Hoffens ist es traurige Gewissheit: der 11jährige Lennard Grabbe kommt nie wieder nach Hause. Er wurde tot aufgefunden und von seinem Mörder fehlt jede Spur. Ein Albtraum ...

Nach 34 Tagen des Bangens und des Hoffens ist es traurige Gewissheit: der 11jährige Lennard Grabbe kommt nie wieder nach Hause. Er wurde tot aufgefunden und von seinem Mörder fehlt jede Spur. Ein Albtraum für alle Eltern – hier aber besonders für seine Mutter Tanja, die ihr ganzes Leben nach ihrem Sohn ausgerichtet hat und der nun der Lebensinhalt entzogen wurde. Ihr ganzes Glück verschwand durch den Mord an Lennard und dieses Verbrechen zieht weite Kreise.
Wut, Verzweiflung, Bitterkeit, Selbstvorwürfe, Entfremdung der Eheleute, Geheimnisse und Hoffnungslosigkeit werden durch die eindringliche Erzählung von Friedrich Ani sofort greifbar und dringen bis zum Leser durch. Mitten in diesem Strudel an Gefühlen befindet sich Jakob Franck, der die Todesnachricht überbringt. Freiwillig hat er sich dafür gemeldet, obwohl er bereits in Pension ist – er hat sich dies zu seiner Aufgabe gemacht. Seine Aufklärungsrate während seiner Dienstzeit war sehr hoch und er kann sich nicht damit abfinden, einen Fall ungelöst zu den Akten zu legen. So unterstützt er seine „Kollegen“ und rollt sämtliche Befragungen zum Verschwinden von Lennard neu auf. Er verbeißt sich geradezu in den Fall und gibt nicht auf. Leider holt ihn seine eigene Vergangenheit ein und macht ihm die Ermittlung nicht leichter. Jakob Franck ist sympathisch und ein prima Zuhörer, doch er zieht sich bisweilen in sich zurück und wirkt dann verschlossen. Währenddessen versinken Lennards Eltern und sein Onkel in Trauer und Sprachlosigkeit. Tanja Grabbe sperrt ihre komplette Umwelt aus, zieht sich in Lennards Zimmer zurück und nicht einmal ihr geliebter Bruder Max kommt an sie ran.
Der eindringliche Schreibstil des Autors gab mir das Gefühl, mitten unter den Familienangehörigen zu sein und mitzuleiden. Zudem konnte ich mich gut in die Gedankengänge und die Hartnäckigkeit von Jakob Franck hineinversetzen. Es grenzt schon an Besessenheit, wie er die Suche nach dem Mörder vorantreibt und dabei sehr unbequem und sogar lästig wird – für seine Kollegen und die Angehörigen.
Ich habe mich etwas gewundert, dass ein Ex-Kommissar sich so intensiv in die Ermittlungen einmischen darf. Ob das rechtens ist? Im Laufe des Lesens wurde mir das zunehmend unwichtig, denn es kam immer mehr Spannung auf und schließlich haben sich die Ereignisse überschlagen, so dass gar keine Zeit mehr blieb, einen Gedanken daran zu verschwenden. Der Autor versteht es hervorragend, die Gefühle, Gedanken und Handlungen der Protagonisten zu beschreiben, so dass der Leser geradezu in die Geschichte hineingezogen wird. Er lässt einzelne Charaktere zu Wort kommen, indem er ihre Gedanken einfühlend und glaubhaft beschreibt. Die Reaktionen von Tanja Grabbe sind heftig und erzeugen eine bedrückende und düstere Stimmung, was nicht für jeden stimmen mag. Doch wer weiß schon, wie er sich verhalten würde, wenn einem das eigene Kind mit Gewalt genommen wird. Durch die Rückblicke in die Vergangenheit (13 Jahre vor dem Mord) wird die besondere Verbindung zwischen den Geschwistern Tanja und Max beleuchtet und umso trauriger stimmt das Zerbrechen dieser nach dem Tod von Lennard.
Ohne viel Action, Blut und großen Nervenkitzel zeichnet Friedrich Ani ein melancholisches, oft düsteres, aber auch einfühlsames Bild von einer Lawine an Gefühlen, die durch den Tod des Jungen ausgelöst wird. Das Ende des Falles überrascht und ist in sich schlüssig. Friedrich Ani ist es gelungen, die Dynamik, die der Verlust eines geliebten Menschen mit sich bringt, sehr anschaulich und auch spannend zu beschreiben. So ist das Buch nicht nur ein einfacher Krimi, sondern richtet den Blick auf das Umfeld und nur am Rande auf den Täter. Der Schwerpunkt hat sich somit verschoben und das mag für den einen oder anderen Leser enttäuschend sein, wenn er einen herkömmlichen Krimi erwartet hat. Mich hat das Buch begeistert und von Anfang an mitgenommen in eine Familie, die den Tod von Lennard als „Ermordung des Glücks“ empfindet und daran zu zerbrechen droht.

Veröffentlicht am 18.08.2017

Ein etwas anderer Paasilinna

Weltretten für Anfänger
0

Der Roman „Weltretten für Anfänger“ von Arto Paasilinna entstand bereits 1986 – also 4 Jahre vor meinem Lieblingsbuch „Der wunderbare Massenselbstmord“. Das hatte ich leider erst zum Ende des Hörbuchs ...

Der Roman „Weltretten für Anfänger“ von Arto Paasilinna entstand bereits 1986 – also 4 Jahre vor meinem Lieblingsbuch „Der wunderbare Massenselbstmord“. Das hatte ich leider erst zum Ende des Hörbuchs hin herausgefunden. Wie auch bei seinen anderen Büchern bestechen schon der Titel und das Cover mit seiner Originalität.
Surunen, seines Zeichens finnischer Sprachwissenschaftler, ist wahrlich ein Anfänger in Sachen Weltretten. Doch er ist wild entschlossen und verfügt über jede Menge Energie und Fantasie, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wie könnte ihn da ein unwissender Zollbeamter in Kalmanien (ein fiktives Land in Südamerika) aufhalten?! Der gute Mann denkt doch tatsächlich, dass es Finnland gar nicht gäbe. Mit seiner Freundin Anneli unterstützt Surunen seit Jahren politische Gefangene, so wie z. B. Ramon Lopez. Da allerdings die Obrigkeit in seinen Augen nichts unternimmt und nur wenig taugt, fühlt er sich geradezu berufen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. So bricht er zu einem aberwitzigen und gefährlichen Befreiungsunternehmen auf. Seine Reise führt ihn zunächst über Moskau, wo er mit dem russischen Pinguinforscher Lebkov so manche Flasche Whiskey leert. Dies ist der harmlose Anfang einer unglaublich skurrilen Reise nebst Erdbeben, Folter und Flucht durch ein diktatorisches Land. Vieles läuft nicht so wie geplant, doch der „kleine Magister“ Surunen weiß sich stets zu helfen und bleibt sich und seinem Vorhaben stets treu.
Arto Paasilinna ist mit dem Roman „Weltretten für Anfänger“ eine Satire mit einer überspitzten, ironischen und wirklichkeitsfremden, aber auch bisweilen naiven Darstellung von Handlungen und Erlebnissen durch Surunen gelungen. Er reist dabei von einer Diktatur in die nächste – zwar nur fiktiv, aber erschreckend aktuell – und prangert das jeweilige Regime an. Sein Humor rutscht dabei oft in brutale Begebenheiten ab und der Leser sollte dies im Hinterkopf behalten, um nicht enttäuscht oder sogar entsetzt zu sein. In diesem Roman zählt nicht allein der überspitzte Humor des Autors. Jeder Charakter seiner Geschichte glaubt das, was ihm gerade passt und lässt sich von Titeln und einem entsprechenden Ambiente blenden. Das zeigt sich vor allem in Surunens Einladung zu einem Vortrag über die hellenistische Kultur, zu dem er die Frauen ranghoher Militärs und Politiker des südamerikanischen Landes Kalmanien einlädt. Letztlich lassen sich alle durch den Schein trügen, denn Surunen erzählt nur Mist. Er hat sich seinen Vortrag aus den Fingern gesogen und verkauft sich in einem ansprechenden Ambiente als Experte, um sich den Zugang zu hohen Kreisen zu verschaffen. Das mag in der Realität vielleicht nicht so gelingen, doch die Geschichte hat gezeigt, was alles möglich ist. Der Schreibstil des Autors ist stets einfach gehalten und sehr direkt. Durch Jürgen von der Lippe als Sprecher wird das Hörbuch sehr lebendig. Er gibt den Charakteren unterschiedliche Stimmen und eine ganz eigene Art zu sprechen, was dazu führt, dass innere Bilder entstehen. Besonders die letzte CD, die in Kytislawonien spielt, hat mich zum Lachen gebracht. Opa Flasza ist für mich ein typischer Paasilinna Charakter und war mir sofort sympathisch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Stimme
  • Dramaturgie
  • Humor
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.07.2017

Rätselhafte und brutale Morde in Philadalphia

Shutter Man
0

Der Thriller von Richard Montanari spielt sich auf 3 Zeitebenen (2015 und 1976 in Philadelphia und 1941 in County Louth, Irland) ab. In mehreren Handlungssträngen wird einerseits über die Ermittlungen ...

Der Thriller von Richard Montanari spielt sich auf 3 Zeitebenen (2015 und 1976 in Philadelphia und 1941 in County Louth, Irland) ab. In mehreren Handlungssträngen wird einerseits über die Ermittlungen von Detective Kevin Byrne und dessen Vergangenheit, andererseits vom mafia-ähnlichen Clan der irischen Farrens erzählt.
Alles beginnt im Jahre 1975 als Kevin Byrne seine Ferien in Devil’s Pocket mit seinen drei Freunden verbringt. Die Jugendlichen unterhalten sich mit kleinen Diebstählen und dem Mobbing von Des Farren, der geistig zurückgeblieben ist. Unter ungeklärten Umständen fand ein kleines Mädchen seinen Tod und Des Farren kommt kurze Zeit später auch ums Leben.
Im Jahre 2015 wird Detective Kevin Byrne mit zwei grausamen und rätselhaften Morden an einer Familie und einem Mann konfrontiert. Ohne es zu ahnen, führen ihn diese Morde in sein eigene Vergangenheit und die Familie Farren spielt darin eine erhebliche Rolle. Der Mörder gibt Byrne einige Rätsel auf: er verstümmelt die Leichen und hinterlässt an jedem Tatort ein altes, verblichenes Taschentuch mit je einem einzigen Wort. Dabei handelt es sich um s.g. Palindrome, die lange Zeit nicht gedeutet werden können. Außerdem taucht immer wieder eine kleine, alte Frau im Zusammenhang mit den Morden auf, die niemand zu kennen scheint. Schließlich stößt Byrnes ehemalige Kollegin und jetzige stellverstretende Staatsanwältin Jessica Balzano zu ihm und unterstützt ihn in seinen Ermittlungen. In Rückblenden offenbaren sich Stück für Stück die Geschichte und die Grausamkeit des Farren-Clans und dass sie vor nichts zurückschrecken.
Schon relativ früh wird dem Leser klar, wer hinter den Morden steckt. Doch welche Motivation den Mörder antreibt und wie alles zusammenhängt, lässt nicht nur Detective Byrne, sondern auch den Leser, ratlos zurück. Bald fragt man sich: Wer ist Billy the Wolf, von dem am Anfang des Buches die Rede ist? Der Schreibstil ist sehr klar und hat keine großen Ausschmückungen, was gut zu einem Thriller/Krimi passt. Das Genre „Thriller“ ist hier nicht ganz passend, jedoch ist dem Autor ein absolut spannender und nervenaufreibender Krimi gelungen. Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet und es zeigt sich, dass der Mörder nicht nur brutal ist, sondern auch Zuneigung empfinden kann – das Buch bedient sich nicht der Schwarz-Weiß-Malerei von Gut und Böse. Geschickt flechtet der Autor die Vergangenheit der irischen Familie Farren in die Geschichte ein, ohne dabei zu viel zu verraten. So tappen sowohl Byrne als auch die Leser lange Zeit im Dunkeln. Etwas schade finde ich die Längen im Buch, die durchaus den Lesefluss stören können. Außerdem ist das Konstrukt des Plots isehr komplex und bisweilen verwirren die unterschiedlichen Zeitebenen und Handlungsstränge. „Shutter Man“ verlangt dem Leser ein hohes Maß an Konzentration ab, wird aber mit einem wirklich gelungenen Showdown belohnt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Figuren
  • Handlung
  • Spannung
Veröffentlicht am 25.06.2017

Verjährt, aber nicht abgeschlossen

Die verlorenen Kinder
0

Im Prolog wird der Leser mit ungeheuren Missbräuchen in Kinderheimen der 60er Jahre konfrontiert.
Wien 2015:
Der ehemalige Polizist Falco Brunner arbeitet nun als Privatdetektiv und wird von der jungen ...

Im Prolog wird der Leser mit ungeheuren Missbräuchen in Kinderheimen der 60er Jahre konfrontiert.
Wien 2015:
Der ehemalige Polizist Falco Brunner arbeitet nun als Privatdetektiv und wird von der jungen Witwe Susanne Markhof engagiert, um den Tod ihres wesentlich älteren Mannes aufzuklären. Innerhalb kürzester Zeit wurden in zwei Wiener Altenheimen zwei alte Männer getötet und die Polizei unter Bruno Horvath vermutet den/die Mörder/in unter dem Pflegepersonal. Doch schon bald wird klar, dass diese Fälle nicht so leicht aufzuklären sind. Außerdem geraten Falco und Bruno immer wieder aneinander. Sie waren Kollegen und dass Bruno nun mit Christian, der Exfrau von Falco, zusammen ist, macht die Zusammenarbeit zusätzlich schwer. Was haben die beiden Toten gemeinsam? Ihre Mitgliedschaft in einer schlagenden Burschenschaft? Oder reicht die Geschichte noch weiter zurück?
Dieser Wien-Krimi führt in eine dunkle Zeit zurück, in der in Kinderheimen „verlorene Kinder“ systematisch missbraucht wurden und vor allem die Politik kehrte alles unter den Teppich. Nachdem ich anfangs mit der Geschichte nicht so richtig warm wurde, zog mich die Geschichte von Zeile zu Zeile mehr in ihren Bann. Das Entsetzen über die damaligen Geschehnisse war allgegenwärtig und ich hätte am liebsten selbst mitgeholfen, die Täter zu stellen und die Opfer zu trösten. Die Aufklärung der Morde und das Motiv waren sehr schlüssig und der Krimi bis zum Schluss spannend. Der Dialekt passt ganz gut in dieses Buch und macht die oft schwere Kost ein bisschen leichter.

Veröffentlicht am 25.06.2017

Erzählungen, die nachdenklich machen

Liebe wird überschätzt
0

In diesem kleinen Büchlein finden sich 8 ganz unterschiedliche, jedoch auch sehr menschliche Geschichten über die Liebe und das Leben. Die Sprache der Autorin ist sehr klar und verzichtet auf sentimentale ...

In diesem kleinen Büchlein finden sich 8 ganz unterschiedliche, jedoch auch sehr menschliche Geschichten über die Liebe und das Leben. Die Sprache der Autorin ist sehr klar und verzichtet auf sentimentale Ausschmückungen. Doch genau dieser Schreibstil macht die Geschichten so besonders: der Leser kann sich in die unterschiedlichen Charaktere hineinversetzen. Das fällt oft gar nicht so schwer, da nicht alle Charaktere Namen haben.
Am Besten haben mir die beiden Erzählungen „Liebe wird überschätzt“ und „Die Ausgesetzten“ gefallen. In beiden geht es um Liebe in verschiedenen Facetten und doch ähneln sie sich. Einfach wunderschön!
Weniger gelungen finde ich die Übersetzung, die den Lesefluss manchmal unterbricht und etwas hölzern wirkt. Das ist zwar schade, tut aber der Qualität der Erzählungen keinen Abbruch.
Das Cover gefällt mir nach wie vor sehr gut – so bunt wie die Liebe und das Leben und auch so verwirrend.
Kleine Geschichten, die zum Nachdenken anregen und mir noch lange im Gedächtnis bleiben werden.