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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.04.2024

Bewegende Geschichte eines schicksalhaften Sommers

Der Sommer, in dem alles begann
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Dieses Buch ist vieles. Eine regionale Geschichte, ein Generationenroman, ein bisschen Coming of Age und Familiendrama. All dies ist in meinen Augen auf etwa 240 Seiten lesenswert vereint.

Hélène ist ...

Dieses Buch ist vieles. Eine regionale Geschichte, ein Generationenroman, ein bisschen Coming of Age und Familiendrama. All dies ist in meinen Augen auf etwa 240 Seiten lesenswert vereint.

Hélène ist die geförderte Schülerin von Marguerite, die auf der Suche nach ihrer Mutter in das Dorf Le Bois d‘en Haut in der Bretagne gekommen ist. Ihr Mann, ein berühmter Schriftsteller, eigen und anziehend. Jannick, Hélènes Freund, der bretonischen Herkunft bewusst und für sie einstehend, wird ebenso in die Geschichte verwickelt wie Hélènes Großmutter. Es entspinnt sich eine Story über Liebe, Anziehung, Verlust und bretonischen Stolz.

Claire Léost erzählt kurzweilig und prägnant, stellenweise sogar dicht. Das Buch ist nicht überladen mit Kitsch, kommt ohne Schnörkel aus und trifft beim Lesen ins Herz. Durch drei Zeitebenen entsteht ein Anspruch an die Lesenden. Auch wenn es beim Lesen Vermutungen gibt, wie die Ebene der Vergangenheit der 1940er Jahre und die von 2015 mit der Hauptebene zusammenhängt, sind die Präzisierungen auf jeder einzelnen Seite spannend und zum Teil unerwartet. Geschickt wird die Tragik transportiert, welche die Vergangenheit in die folgenden Zeiten pflanzt.

Ein Buch, das hält, was das verträumte Cover verspricht.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

Was, wenn das möglich wäre?

Das andere Tal
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Voller plastischer Philosophie ist dieses Debüt des promovierten Philosophen Scott Alexander Howard. Er entsendet die Leserin und den Leser in eine Welt, in der Reisen in die Vergangenheit und Zukunft ...

Voller plastischer Philosophie ist dieses Debüt des promovierten Philosophen Scott Alexander Howard. Er entsendet die Leserin und den Leser in eine Welt, in der Reisen in die Vergangenheit und Zukunft möglich sind, jedoch nur unter strengen Auflagen. Wen würde man durch die Zeit reisen lassen und was würde das mit uns und unserer Welt machen?

Odile lebt in einem Tal. Die in Ost und West benachbarten Täler sind identisch, allerdings zeitversetzt um 20 Jahre in die Zukunft oder die Vergangenheit. Das Conceil entscheidet, ob jemand in das benachbarte Tal reisen darf. Als Odile Schülerin ist, träumt sie davon, im Conseil zu arbeiten. Sie bewirbt sich und durchläuft ein strenges Auswahlverfahren. Da kommt es zu einem Zwischenfall, der das Leben von Odile und ihrer Freunde verändert. Plötzlich wird das Reisen in ein anderes Tal für die Betroffenen relevant. Was könnte geschehen, wenn man Ereignisse in der Vergangenheit rückgängig macht und wie kann man verhindern, dass Menschen die Vergangenheit so beeinflussen, dass dies Auswirkungen auf das Heute hat?

Dieses fulminante Gedankenexperiment füllt die gut 450 Seiten mit einem fesselnden Plot und einer wunderschönen Sprache. Es zieht mich sofort in die Story und holt mich ab in diese Welt, in der die beschriebenen Menschen Du und ich sein könnten. Howard schreibt sehr realitätsnah, so dass dieses Geschichte fast wahrhaftig daher kommt. Er benutzt bildliche Mittel, die glaubwürdig sind und macht damit die Frage nach dem „Was wäre wenn?“ ganz greifbar. Es scheint in diesem Buch so, als ob es wirklich so ist. Gestützt wird dies durch die plastische Darstellung der Protagonistin Odile, die beim Lesen das Gedankenexperiment fassbar macht.

Ich habe das Buch mit Begeisterung gelesen und freue mich auf das nächste Werk dieses jungen Autors.

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Veröffentlicht am 07.02.2024

Schlichter Mann - grandios erzählt

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Michael Tsokos schreibt mit seiner Frau Anja ganz anders, als man es von seinen Büchern über Rechtsmedizin kennt. Die beiden erzählen herzerwärmend einen Roadtrip eines einfachen, schlichten Mannes, der ...

Michael Tsokos schreibt mit seiner Frau Anja ganz anders, als man es von seinen Büchern über Rechtsmedizin kennt. Die beiden erzählen herzerwärmend einen Roadtrip eines einfachen, schlichten Mannes, der auf seine Weise doch grandios ist.

Heinz Labensky lebt im sogenannten Feierabendheim, als ihn ein Brief von Rosa erreicht, der Tochter seiner Jugendliebe Rita. Rosa vermutet, dass die in Berlin in einer Baugrube gefundene Leiche ihre Mutter Rita sein könnte. Labensky macht sich auf den Weg zu Rosa, setzt sich in den Flixbus nach Warnemünde und erzählt unterwegs allerlei aus seinem Leben, seine kauzigen Erinnerungen. Dabei zieht er durch die DDR-Geschichte, den Alltag in der DDR, wahre Begebenheiten fiktiv verknüpft wie den Volksaufstand von 1953, den Besuch von Willy Brandt und andere.

Die Darstellung des Heinz Labensky ist dem Ehepaar Tsokos ganz besonders großartig gelungen. Labensky ist ein beschränkter Geist, wird in jungen Jahren als unbeschulbar abgegolten, schlägt sich mit niederen Arbeiten durch und erlebt und bewegt dabei doch Großes. So töricht, so simpel und unbedarft Labensky ist, so wenig scharfsinnig seine Gedanken, so groß ist sein Herz und seine eigene Sicht auf die Welt.

Ich freue mich auf eine mögliche Verfilmung. Dann sehe ich Milan Peschel als Labensky.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Lichtungen für die Verbindung zweier Menschen

Lichtungen
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Iris Wolff verarbeitet in ihrem neuen Roman „Lichtungen“ die Beziehung zwischen Lev und Kato, die seit der Kindheit ein Band verbindet, welches keine Kategorie hat. Diese beiden Menschen gehen als Soulmates ...

Iris Wolff verarbeitet in ihrem neuen Roman „Lichtungen“ die Beziehung zwischen Lev und Kato, die seit der Kindheit ein Band verbindet, welches keine Kategorie hat. Diese beiden Menschen gehen als Soulmates und doch ist da mehr, eine tiefe und breite Verbindung. Eingebettet ist die Geschichte der Familien in Rumänien zur Zeit unter Ceaușescu und erfährt Veränderung durch den Zerfall des Ostblocks und die Öffnung der Welt.

Das Besondere am Plot ist, er wird rückwärts erzählt. Beginnend beim Kapitel neun und einer gemeinsamen Fahrt auf der Fähre spreizt sich das Geschehen sukzessive in die Vergangenheit zurück. „Die Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen.“

Iris Wolff schreibt in einer ihr eigenen und typischen Sprachfarbe, poetisch erwärmend, berührend und himmlisch schön. Ihre Worte nehmen mich als Leserin auf in diese Welt und saugen mich mitsamt Emotionen durch die Jahre. Ich erlebe Flucht, die große Überfahrt, Trips in die Metropolen genauso wie in das diktaturgeprägte Rumänien.

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Veröffentlicht am 31.10.2023

Herzerwärmende Weihnachtsgeschichte

Kein guter Mann
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Walter ist ein Griesgram, ein Stoffel, ein Spielverderber, Miesmacher, unbequemer alter, miesepetriger Postbote und nicht mehr tragbar für die Firma. Er wird strafversetzt in die Christkindfiliale. Dort ...

Walter ist ein Griesgram, ein Stoffel, ein Spielverderber, Miesmacher, unbequemer alter, miesepetriger Postbote und nicht mehr tragbar für die Firma. Er wird strafversetzt in die Christkindfiliale. Dort erhält er Briefe vom zehnjährigen Ben, welche dieser an den lieben Gott schreibt. Walter übernimmt die Rolle des lieben Gottes und zeigt allmählich, dass er im Herzen doch noch warm ist.

Von der ersten Seite an war mir Walter sympathisch, ich mochte seine miesepetrige Art zu provozieren, sich zu rächen, sich mit schlechtem Karma zu profilieren. Irgendwie stellte ich mir so einen vom Leben entzauberten alten Stinkstiefel vor. Geschickt gelingt das durch die liebevolle Brille des Autors, fast mit Humor schreibend die Story authentisch aufzubauen. Durch die eingewobenen Rückblicke in Walters Vergangenheit entsteht ein Verständnis für Genese des Miesepetrigen in Walter. Dieser hatte eine Vergangenheit mit viel Potenzial, jedoch auch Schicksalsschlägen, Fehlern und Missverständnissen. Irgendwie menschlich, wie eben das Leben selbst. Was so haften bleibt im Laufe der Jahrzehnte. Und was ist schon (k)ein guter Mann?

Der herzerwärmende Plot, verbunden mit der liebevollen sprachlichen Gestaltung berühren mich sehr und sind keineswegs trivial oder kitschig. Im Ganzen ist dieses Buch eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte und Walter ein moderner Scrooge. Das Buch ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit, Toleranz und Verständnis, Güte und Wärme. Ein lohnenswertes Geschenk nicht nur in der Weihnachtszeit.

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