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Veröffentlicht am 01.10.2018

Eine Frage, die sich wohl niemand stellen möchte: Du oder dein Kind?

Wähle den Tod
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Jana Langenfeld führt ein perfektes Leben: Mit ihrem Mann und den beiden Kindern, Kim und Max, lebt sie im Umfeld von Berlin – anscheinend ohne ernstere Sorgen. Doch eines Tage wird diese Idylle getrübt, ...

Jana Langenfeld führt ein perfektes Leben: Mit ihrem Mann und den beiden Kindern, Kim und Max, lebt sie im Umfeld von Berlin – anscheinend ohne ernstere Sorgen. Doch eines Tage wird diese Idylle getrübt, als ihr Hund bestialisch im Garten getötet wird. Ihrem Sohn, Max, verschweigt sie das Geschehene und verstrickt sich so in ein Netz aus Lügen. Jedoch dieses ist nicht die einzige Lüge in ihrem Leben. Als dann noch eine weitere Person aus ihrem Umfeld stirbt und ihre Kinder entführt werden, muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen – mit verheerenden Folgen.
„Wähle den Tod“ ist das erste Buch, das ich von Jutta Maria Herrmann gelesen habe, und ich war positiv angetan.
Die Autorin beginnt ihr Werk mit einer Rückblende, die den Leser mit einigen offenen Fragen zurücklässt, und sich erst gegen Ende des Buches auflösen. Schon hiermit baut sich ein Spannungsbogen auf, der den Leser bis zum Ende des Buches in Atem hält, um sich dann in einem fulminanten Ende aufzulösen.
Nach einem Sprung in die Gegenwart entpuppt sich die Langenfeld’sche heile Welt als ein einziges Lügennetz, das sich allerdings erst nach und nach entfaltet. Dieses erreicht die Autorin dadurch, dass sie dem Leser die wahren Hintergründe nur häppchenweise präsentiert – teils durch Rückblenden in Janas Geschichte, teils durch Janas Gedanken. Immer wieder wird der Leser dabei auch auf falsche Fährten gelockt: Ist es Janas beste Freundin Sylvie, die diese Intrigen strickt? Die Indizien dafür erhärten sich jedenfalls. Und dass Kims Internetbekanntschaft, Sebi, nicht ganz koscher ist, ist von Anfang an klar. Doch welche Rolle er spielt, wird erst gegen Ende ersichtlich.
Jutta Maria Herrmann kommt in ihrem Roman mit wenigen Charakteren aus, die sehr realistisch und damit auch sympathisch gezeichnet sind. Die Kinder sind nett und wohl erzogen, die pubertären Eskapaden der Tochter Kim halten sich in Grenzen. Hannes, Janas Mann, arbeitet an seiner Karriere, kümmert sich aber dennoch nach bestem Wissen und Gewissen um seine Familie, und Janas beste Freundin, Sylvie, erregt mit ihrer Lebenssituation ein bisschen Mitleid. Erscheint Jana anfangs ebenfalls als eine hingebungs- und verantwortungsvolle Mutter, so offenbart sich ihr wahrer Charakter erst im Laufe der Handlung und lässt den Leser mit keinem guten Bild zurück. Ich frage mich am Ende, ob sie überhaupt etwas aus ihrer Geschichte oder ihrem Handeln gelernt hat, oder ob sie nicht auch ihr zukünftiges Leben auf Lügen aufbauen wird. Mir fehlt am Ende einfach ihre Aufrichtigkeit.
Die Rückblenden führen den Leser immer wieder in die DDR- und die Wendezeit. Die Geschichte wird hier allerdings nur am Rande historisch, sondern vor allem persönlich aufgearbeitet: Welche Sehnsüchte hatte Jana, als sie das erste Mal in den Westen kam? Welche Hoffnungen hatte sie, aus ihrem engen Alltagstrott auszubrechen? Sie hat die Gelegenheit zur Freiheit am Schopfe gepackt – allerdings mit weitreichenden Konsequenzen.
Psychologisch interessante Aspekte des Thrillers sind zudem die Frage: Wie kann ich eine Familie zusammenhalten, zu der ich selber keinerlei innere Bindung verspüre – erst recht, wenn es sich um die eigenen Kinder handelt und ich selbst fast noch ein Kind bin? Und dann die wohl schlimmste Frage, die man einem Menschen stellen kann: Bin ich bereit, mein Leben zu opfern, um ein anderes zu retten? Bin ich bereit, mich selbst zu richten, damit meine Kinder am Leben bleiben können? Fragen, die sich wohl niemand in der Realität möchte stellen müssen.
Herrmanns Sprache ist schnörkellos und flüssig zu lesen. Der Handlungstrang verläuft geradlinig und ohne „Nebenschauplätze“, sodass Lesende dem Geschehen problemlos folgen können. Am Ende wird auch die Wahl des Thrillertitels ersichtlich, was mir auch sehr gut gefällt.
Das dunkle Cover mit den weißen Dornenzweigen spiegelt das Destruktive dieses Buches wider.
Insgesamt handelt es sich bei Jutta Maria Herrmanns „Wähle den Tod“ um einen spannenden Psychothriller, der diesen Namen wirklich verdient, da er ohne exzessive Gewaltdarstellungen auskommt und seine Spannung vor allem aus Psychologie und Geschichte(n) schöpft. Meiner Meinung nach ein wirklich empfehlenswertes Buch, das von der ersten Seite an fesselt.

Veröffentlicht am 01.10.2018

„Diese vielen Urs machen mich völlig fertig.“ (Juri Pilecki)

Alte Feinde
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Bei Petra Ivanovs Kriminalroman „Alte Feinde“ handelt es sich um den achten Band ihrer Flint und Cavalli-Reihe. Er ist im August 2018 im Züricher Unionsverlag erschienen und umfasst 384 Seiten.
Albert ...

Bei Petra Ivanovs Kriminalroman „Alte Feinde“ handelt es sich um den achten Band ihrer Flint und Cavalli-Reihe. Er ist im August 2018 im Züricher Unionsverlag erschienen und umfasst 384 Seiten.
Albert Gradwohl wird in seiner Wohnung erschossen aufgefunden – nein, nicht einfach erschossen, regelrecht hingerichtet wurde er. Und das Verblüffendste: Bei der Mordwaffe handelt es sich um einen Revolver aus der Zeit des Sezessionskrieg. Als sich dann auch noch herausstellt, dass schon vor nicht allzu langer Zeit in den USA ein Mord mit dieser Waffe begangen wurde, macht sich Staatsanwältin Regina Flint auf den Weg in die Vereinigten Staaten.
Dort sucht derweil Bruno Cavalli nach dem ominösen Indian Killer. Als sich die Wege der beiden Ermittler kreuzen, setzen ihre Suche nach dem Mörder gemeinsam fort und tauchen dabei in die amerikanische Geschichte ein.
Mit „Alte Feinde“ präsentiert Ivanov einen sehr komplexen Krimi. Die Handlung spielt auf drei Handlungs- bzw. Zeitebenen, deren verbindendes Element der Army-Revolver aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg ist. Gleichsam parallel zur eigentlichen Kriminalgeschichte kann der Leser in einer Ebene den Weg dieser Waffe vom 19. bis ins 21. Jahrhundert mitverfolgen. Als zweite Handlungsebene seien die Morde im nordamerikanischen Cherokee-Reservat genannt, wegen der Cavalli vor einigen Monaten nach North Carolina gereist ist. Die dritte Ebene nimmt ihren Beginn im schweizerischen Zürich. Als Regina Flint schließlich in die USA reist, werden diese drei Ebenen allmählich zusammengeführt, wobei Leser und Ermittler lange Zeit im Dunklen tappen, welchen Zusammenhang es zwischen diesen Ereignissen geben könnte. Die eine oder andere überraschende Wendung tut ihr Übriges, aus diesen drei scheinbar voneinander unabhängigen Geschichten ein spannendes, in sich logisches und abgeschlossenes Leseereignis zu machen. Durch Kapitelüberschriften, Orts- und Zeitangaben fällt es dem Leser recht leicht, sich in der Vielschichtigkeit zurechtzufinden.
Verwirren mag den Leser zu Beginn die doch recht große Zahl an Charakteren. Dieses mag zum Teil daran liegen, dass es sich hierbei um einen Teil einer Reihe handelt, d.h. dass zumindest ein Teil der Protagonisten dem Leser eventuell schon bekannt ist. Wie bei vielen Reihen stellt sich hier der Autorin die Frage, wie viel Wissen sie voraussetzen kann, und wie viel sie wiederholen muss, um sowohl „Insidern“ als auch Neulingen interessanten Lesestoff zu bieten. Mir persönlich fiel die Orientierung nach einigen Kapiteln recht leicht, sodass ich sagen kann: Die Mischung stimmt.
Ivanovs Sprache ist flüssig zu lesen, jedoch nicht ohne Ansprüche an den Leser. Besonderen Wert legt die Autorin auf die Beschreibung von Details, wobei sie auf brutale, blutige Darstellungen verzichtet. Die Szenen aus dem Bürgerkrieg oder der Besuch im Indianerreservat zeugen von einer sehr gründlichen Recherche. Ein besonderes Highlight stellt die Führung durch das Medical Forensic Center in Baltimore dar.
Das Cover zeigt den Schatten eines einsamen Mannes vor glühendem Hintergrund und erinnert somit an alte Western. Wenngleich das Buch mit dem Wilden Westen nichts zu tun hat, macht dieses Bild Lust, das Buch zu lesen, assoziiert der Betrachter damit doch Abenteuer.
„Alte Feinde“ ist ein Krimi, den man nicht einfach mal so nebenbei lesen kann, verlangt er vom Leser doch einiges an Konzentration. Hat man sich jedoch einmal in die Handlung eingefunden, kann man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen – mir jedenfalls ging es so. Ganz nebenbei habe ich auch noch Wissenswertes über den Amerikanischen Bürgerkrieg sowie das heutige Leben in Indianerreservaten erfahren. Vor allem mit Ersterem werde ich mich bestimmt noch weiter beschäftigen – dank dieses Buches. Zudem war dieser achte Band bestimmt nicht der erste und letzte, den ich aus dieser Reihe gelesen habe. Allen, die an komplexen Romanen und Spannung gleichermaßen Gefallen finden, kann ich die Lektüre dieses Buch bedenkenlos empfehlen.

Veröffentlicht am 30.09.2018

Ein eindrucksvolles Dokument gewöhnlichen Lebens in ungewöhnlichen Zeiten

Zerrissene Leben
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Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt ...

Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt Konrad Jarausch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von 80 Biographien von Männern und Frauen, die in der Weimarer Republik geboren wurden, Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau in Ost und West miterlebt haben, um dann ihren Ruhestand in einem wiedervereinigten Deutschland zu verbringen. Dabei stehen weniger die großen geschichtlichen Ereignisse im Mittelpunkt, sondern viel mehr individuelle Erlebnisse, die allerdings einander bedingen. So vereinigt er die Einzelschicksale zu einer großen kollektiven Biographie, die ein vielfältiges, aber dennoch in vielen Bereichen einheitliches Bild dieser Zeit ergeben.
Gerahmt werden die Biographien von einer Einführung, in der der Autor seine Arbeitsweise und Intention darstellt, und einem umfassenden Anhang mit Kurzbiographien der Protagonisten, Fußnoten, Quellenangaben und einem Register.
Bei der Darstellung der der Biographien geht der Verfasser chronologisch vor: Vom Kaiserreich über die Weimarer Republik schlägt er einen Bogen zu Kriegs- und Nachkriegszeit über die Entwicklung im getrennten Deutschland bis hin zur wiedervereinigten Bundesrepublik, wobei er in der Nachkriegszeit Ost und West getrennt betrachtet. Die einzelnen Biographien werden so nicht zusammenhängend dargestellt, sondern im jeweiligen geschichtlichen Kontext.
Zwar kommen in diesem Werk auch bekannte Persönlichkeiten wie Joachim Fest, Dorothee Sölle, Fritz Stern oder Carola Stern oder Opfer der beiden großen deutschen Diktaturen zu Wort, größtenteils handelt es sich jedoch um ganz normale deutsche Durchschnittsbürger. Wie sie mit und in der Geschichte gelebt haben, wie sie ihre Mitschuld an der großen Katastrophe erlebt und reflektiert haben, steht im Zentrum dieses Buches. Dabei stößt der Leser auf alle möglichen Facetten des Lebens und Wege, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Somit präsentiert sich dem Leser ein eindrückliches Bild der deutschen Geschichte anhand von Individuen. Lobend sei erwähnt, dass auch die Frage nach Schuld und Wiedergutmachung (soweit sie denn möglich ist) nicht zu kurz kommt. Am Ende ergibt sich das Bild eines Deutschlands, das durchaus fähig war und ist, Konsequenzen aus seiner Geschichte zu ziehen.
Die Sprache ist eingängig, sachlich und gut zu lesen. Selbst bei Darstellungen wie den nationalsozialistischen KZs verzichtet der Herausgeber auf reißerische oder grausame Formulierungen. Bilddokumente illustrieren und verdeutlichen das Geschriebene.
Insgesamt präsentiert sich hier ein sehr lesenswerten Buch: Die letzten der in der Weimarer Republik Geborenen, die unser Land so sehr geprägt haben, sterben nach und nach. Mündliche Berichte und Erzählungen werden seltener. Erinnerungen gehen verloren, lediglich nackte geschichtliche Daten überdauern. Daher bedarf es eines solchen Buches, Erinnerungen präsent zu halten – erstrecht vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, von der sich immer mehr Menschen zu distanzieren versuchen. Mich selber hat das Buch sehr zum Nachdenken angeregt, obwohl ich selber noch viele Zeitzeugen kennenlernen durfte und vieles von dem, was ich von ihnen gehört habe, wiedererkannte. Allen, denen dieses nicht widerfahren ist, kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Nur Mut, Ferkelchen!

Bis bald im Wald!
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Gundi Hergets und Kai Schüttlers Bilderbuch „Bis bald im Wald!“ ist 2018 im Magellanverlag erschienen und umfasst 32 großformatige Seiten.
Mama Susa zeigt ihren Ferkelchen die Welt. Nur vor einer Sache ...

Gundi Hergets und Kai Schüttlers Bilderbuch „Bis bald im Wald!“ ist 2018 im Magellanverlag erschienen und umfasst 32 großformatige Seiten.
Mama Susa zeigt ihren Ferkelchen die Welt. Nur vor einer Sache warnt sie sie: „Haltet euch fern vom Wald!“ Alle sind beeindruckt, nur ein Ferkel nicht. Eines Tages macht sich der kleine Kerl auf den Weg ins große Abenteuer Wald und muss feststellen, dass es dort nur halb so schlimm ist, wie Mama gesagt hat …
Schon das Cover des Buches ist farbenfroh gestaltet, und auf ihm gibt es Einiges zu entdecken, sodass es zum ruhigen Betrachten einlädt und Lust macht, das Buch gemeinsam anzuschauen.
Die Bilder sind farbenfroh und nicht überladen, sodass sie sich für kleinere Kinder gut eigenen. Außerdem ist es dem Illustrator gelungen, die Botschaft des Textes in den Bildern einzufangen. Lobend sei hinzugefügt, dass die Zeichnungen trotz der Kindlichkeit keinesfalls kitschig sind.
Schön finde ich, dass es neben der eigentlichen Angstgeschichte auch Waldtiere zu entdecken gibt und das Thema "Miteinander" angerissen wird, indem das Ferkelchen am Ende auch anderen etwas schenkt und sich nicht hochmütig von den anderen abgrenzt, die weniger mutig sind/waren.
Ein wenig problematisch erscheint mir, dass zu Beginn des Buches eine erwachsene Gestalt in dem Buch unrealistische Ängste in ihren Kindern schürt. Hier wären meiner Meinung Gleichaltrige besser geeignet gewesen.
Positiv sei noch erwähnt, dass der Magellanverlag, wie auch auf dem Cover kommuniziert, Wert auf Nachhaltigkeit legt.
Insgesamt verbreitet dieses Buch auf kindgerechte Weise die Botschaft: Überwinde deine unnötigen Ängste und du kannst stolz auf dich sein. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Es ist auf jeden Fall eine vergnügliche und lehrreiche Beschäftigung, dieses Buch gemeinsam mit Kindern im Kindergartenalter zu betrachten und es vorzulesen.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Frauenschicksal in bewegten Zeiten

Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen
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Das biographische Werk „Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen. Ein Zeitgemälde in Tagebüchern und Briefen der Marie Bruns-Bode (1885 – 1952)“, herausgegeben von Rainer Noltenius, erschien im September ...

Das biographische Werk „Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen. Ein Zeitgemälde in Tagebüchern und Briefen der Marie Bruns-Bode (1885 – 1952)“, herausgegeben von Rainer Noltenius, erschien im September 2018 im Gebr. Mann-Verlag und umfasst 328 Seiten.
Der Name Bode dürfte kulturell Interessierten vor allem durch das Bode-Museum in Berlin bekannt sein. In diesem Buch wird das Leben des Bildungsbürgertums vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts anhand einer Auswahl von Tagebuchaufzeichnungen und Briefen von Wilhelm Bodes Tochter Marie aufgezeichnet. Der Herausgeber selbst entstammt ebenfalls dieser Familie und ist ein Enkel Marie Bruns-Bodes.
Im Zentrum dieses Buches stehen, wie schon erwähnt, Tagebücher und Briefe, die einen Einblick in den Alltag dieser Familie geben. Gerahmt werden diese von einer „Bilderreise durch Marie Bruns-Bodes Leben“ und einem umfangreichen Nachwort mit Erläuterungen, biografischen Angaben der gesamten Familie, Quellenangaben sowie einem Personen- und Institutionenregister.
Im Nachwort erfährt der interessierte Leser Wissenswertes über die Bedeutung von Tagbüchern und Briefen in vergangenen Zeiten sowie das Leben in der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und dem Dritten Reich, sodass man über das Leben und die Familie dieser Frau hinaus noch interessante Fakten über das Bürgertum dieser Epoche erfährt.
Neben der oben erwähnten Familie tauchen auch andere bekannte Namen auf, so z.B. die Familie von Weizsäcker, zu der verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, die Kaiserfamilie, deren jüngste Tochter von Marie Bode unterrichtet wurde, oder Sauerbruch – ein Zeichen, wie eng doch die Beziehungen in der damaligen Zeit innerhalb des Bildungsbürgertums waren. Auch kann man anhand dieses Buches nachvollziehen, wie sich die Rolle der Frau in diesen Jahren verändert hat: Am Ende des 19. Jahrhunderts war es selbst – oder gerade – in gebildeten Schichten noch unüblich, den Mädchen eine höhere Bildung zwecks Broterwerb angedeihen zu lassen. Dieses bedeutete allerdings nicht, dass diese Frauen dumm oder ungebildet waren und sich nicht zu beschäftigen wussten, wie das Beispiel Marie Bruns-Bode eindrücklich zeigt. Die Eltern Bruns-Bode machten sich bei der Erziehung ihrer Töchter schon völlig andere Gedanken.
Obwohl die Aufzeichnungen teils schon über 100 Jahre alt sind, waren sie sehr flüssig zu lesen und boten nicht zuletzt auch einen guten Einblick in die Schriftkultur jeder Jahre.
Zahlreiche Zeichnungen und Bilddokumente illustrieren das Gelesene, führen es dem Betrachter vor Augen und machen Lust, das Buch immer wieder in die Hand zu nehmen.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Buch sicher um kein Werk, das eine breite Leserschaft erreichen wird – dieses ist gewiss auch nicht intendiert. Denjenigen aber, die sich für Zeitgeschichte, Kultur und nicht zuletzt auch das Frauenleben dieser Epoche interessieren, wird es einige interessante Lesestunden bereiten. Mir jedenfalls ging es so, weshalb ich dieses Buch allen Interessierten empfehlen möchte.