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Veröffentlicht am 03.03.2024

Alltag in Zeiten des Krieges

Margherita und der dunkle Widerschein der Welt
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Wie die Inhaltsbeschreibung verrät, entschließt sich die über 80-jährige Margherita Civitella, Tochter eines in Großbritannien zu Wohlstand gekommenen Italieners und einer englischen Bischofstochter, davon ...

Wie die Inhaltsbeschreibung verrät, entschließt sich die über 80-jährige Margherita Civitella, Tochter eines in Großbritannien zu Wohlstand gekommenen Italieners und einer englischen Bischofstochter, davon zu erzählen, wie sie als junges Mädchen, gerade 13 geworden als der Zweite Weltkrieg mit dem Einmarsch der Deutschen in Polen begann, die Kriegsjahre erlebt hat. Vorliegendes Buch ist der erste Teil einer offensichtlich auf mehrere Bände angelegten Serie und ihre Erinnerungen im hier zu besprechenden Band beziehen sich auf die Zeit vom September 1939 bis zum Ende des Jahres 1940.
Sehr klar sind sie, diese Erinnerungen, sehr detailliert, wie man das nicht selten bei alten Menschen findet, besonders dann, wenn es dabei um eine Zeit geht, die lebenseinschneidend, lebensverändernd war und die eine ganze Generation um ihre Jugend betrogen, ein normales, sorgloses Heranwachsen und Erwachsenwerden verhindert hatte, sofern letzteres überhaupt erreicht wurde. Und das war bei genügend jungen Frauen, vor allem aber bei Millionen junger Männer, die zunächst voller Begeisterung und Patriotismus in einen von Wahnsinnigen – denn das sind Kriegstreiber immer und ausnahmslos! - angezettelten Krieg zogen, nicht der Fall!
Nun, wie wir alle wissen, sofern wir uns für dieses wohl düsterste Kapitel deutscher Geschichte interessieren, war mit dem Überfall auf Polen 1939 zwar klar, dass da ein Krieg begonnen hatte, aber während der ersten Monate herrschte noch die Ruhe vor dem Sturm, in Deutschland sowie natürlich in Südostengland, dem Hauptschauplatz dieses Romans. Eine trügerische Ruhe freilich, denn außerhalb des Landes, auf See, waren bereits die ersten Opfer zu beklagen, die sich zu Beginn des Folgejahres während der Luftschlacht um England vervielfältigen sollten. Noch aber herrschte Ruhe im Land, das Leben ging mit verschmerzbaren Einschränkungen weiter und auf die gewohnten Vergnügungen, wie Kino und Tanzen, musste erst einmal nicht verzichtet werden.
Darüber mögen die einen, die mit Vernunft und Verstand Gesegneten, froh gewesen sein, die anderen, vorwiegend junge Männer, erfüllt von einem für die junge Generation heute unverständlichen Patriotismus, aber enttäuscht, denn, idealistisch wie sie waren, wollten sie am liebsten sofort in den Krieg ziehen, um Hitler den Garaus zu machen oder, je nachdem, aus welchem nationalen Blickwinkel man es betrachtet, Europa und die Welt zu erobern, für den Führer! Man bekommt geradezu eine Gänsehaut, wenn man über diese Begeisterung des Beginns am Anfang der Geschichte liest....
Da uns Margherita ausführlich an ihrem Familienleben teilhaben lässt, wissen wir, dass auch ihr älterer Bruder Gino ganz erpicht darauf war, zu kämpfen und sich alsbald in der Royal Air Force als Pilot ausbilden ließ, nicht ahnend, mit welchen Desillusionen er schon bald zu kämpfen haben würde. Seine Freunde, bis auf den rationalen Sonny, waren da nicht anders, hatten aber weniger Glück in Bezug auf eine militärische Karriere als der schneidige Gino. Was sich ja vielleicht als lebensrettend erweisen würde... Dem jungen Danny, deutscher Jude, der von seiner Familie rechtzeitig, wie sie meinten, in England in Sicherheit gebracht wurde, jedoch wurde deutlich klargemacht, dass sein Einsatz für England nicht erwünscht war. Ironie der Geschichte, die sich ein ums andere Mal wiederholt hat und das noch immer tut: der vermeintlich sichere Hafen ist genau das nicht! Man will sie nicht, die Fremden, die Geflüchteten. Man schiebt sie ab, interniert sie, schickt sie in Camps, die nichts anderes sind als Gefangenenlager, schafft sie außer Landes – und viele müssen mit dem Leben bezahlen.
Manche Leser, mich eingeschlossen, werden erstaunt über das gewesen sein, was wir über das Schicksal der Flüchtlinge und der Nicht-Briten in England, von denen viele längst in der fremden Heimat sesshaft geworden waren, erfahren haben. Ganz sicher aber betroffen, denn am Misstrauen bis hin zur offenen Feindseligkeit Fremden gegenüber hat sich bis heute nichts geändert, nicht in England, nicht in Deutschland und vermutlich nirgendwo!
Überhaupt ist das Buch, sind Margheritas Erinnerungen nicht nur interessant und spannend zu lesen, sondern darüberhinaus informativ und lehrreich, ob es nun die eben erwähnte Behandlung der Emigranten betrifft oder auch der Dienstboten in jenen Zeiten oder militärische Einzelheiten, die Bildung von Bürgerwehren, die beginnenden Rationierungen und neuen Vorschriften oder das, was einen wichtigen Raum in diesem ersten Teil einnimmt – das Internatsleben nämlich, das auf jemanden, der so etwas gar nicht oder nur aus maßlos verklärenden Kinderbüchern kennt, die eine Zeitlang mit Vorliebe in Internaten angesiedelt waren, ziemlich schockierend wirken mag. Ein Leben voller Zucht und Ordnung und so, wie man sich ein Kasernenleben vorstellt. Gefühle zeigt man nicht, mit Schmerzen und Verletzungen geht man stoisch um und macht im Übrigen alles mit sich selbst aus. In der Tat, auf den ersten Blick wirkt diese so englische Einrichtung mehr als abschreckend, aber wenn man zu seinem Erstaunen Margherita sagen hört, dass ihr eigenes Mädcheninternat ihr zweites Zuhause sei und allmählich tiefere Blicke in diese Institution und ihren Alltag wirft, modifiziert man vielleicht seine anfängliche Abneigung... Dem aber soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden!
Betrachten wir stattdessen die Art und Weise, auf die uns der Autor an Margheritas Erinnerungen teilhaben lässt, uns geradezu mit hineinnimmt in ihre Gedanken und Beobachtungen! Der Ich-Erzählerin ist die anfangs 13-jährige mühelos abzunehmen. Ein Kind noch in ihrer Einschätzung von etwas, das sie weder recht versteht noch gar abschätzen kann (womit sie schließlich nicht alleine war, denn wer konnte das schon in jenen frühen Monaten des Weltensturms?). Doch blickt sie immer wieder voraus, greift den Ereignissen vor in ihrer Erzählung, um das, was sie viel später erst versteht, mit dem zu verknüpfen, was sich ereignet hat in den Jahren 1939 und 1940. Ebenso glaubwürdig und sehr feinfühlig geschildert wird der Reifeprozess, den Margherita in dieser Zeit durchläuft, die Wandlung vom Kind zum Teenager oder Backfisch, wie man dieses mitunter schwierige Stadium damals nannte, diese Veränderung ahnend, spürend, aber noch nicht recht begreifend, dabei erstaunlich unwissend in den Dingen des Lebens und viel kindlicher als Gleichaltrige heutzutage!
Sehr gut gemacht ist das, mich geradezu begeisternd. Und wenn dann die Geschichte auch noch in einer Sprache abgefasst ist, an der ich nicht den geringsten Makel finden und die ich nur als verführerisch schön bezeichnen kann, dann weiß ich, dass ich hier einen guten, einen sehr guten, tiefgründigen, authentischen, bis in die kleinsten Einzelheiten stimmigen Roman gelesen habe, der haargenau so ist, wie ich das von Büchern erwarte, aber leider immer seltener bekomme – und auf dessen Fortsetzung ich ungemein neugierig bin!

Veröffentlicht am 03.03.2024

Alte Liebe rostet nicht?

Die verschollene Bernsteinkette
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Skizzenhaft mutet es an, das kleine Büchlein, das Robert Mitterwallners Erstling ist. Im Anschluss an die Lektüre kann man lesen, dass der Autor seine schriftstellerische Tätigkeit mit Tagebuchaufzeichnungen ...

Skizzenhaft mutet es an, das kleine Büchlein, das Robert Mitterwallners Erstling ist. Im Anschluss an die Lektüre kann man lesen, dass der Autor seine schriftstellerische Tätigkeit mit Tagebuchaufzeichnungen begonnen hat – und genauso kommt mir die Geschichte auch vor! Tagebuchaufzeichnungen allerdings, die nicht nur von dem ein wenig verloren wirkenden, suchenden, ziemlich einsamen und ratlosen Protagonisten Alex verfasst wurden, sondern vielmehr abwechselnd von all jenen, die an dem Vorfall vor 40 Jahren, den eben jener Alex im Jahre 2016 wieder aufrollt, um endlich ein altes, über die Jahre vergessenes Rätsel zu lösen, das plötzlich wieder gegenwärtig wird, als Alex Tochter sich in den Sohn der Hamburger High Society Dame Anne verliebt, die zu der Gruppe von fünf jungen Leuten gehörte, die im Sommer 1976 gemeinsam ihre Ferien auf Sylt verbrachten, die mit dem Verschwinden einer weiteren jungen Frau, Tina, abrupt endeten, in die Alex seinerzeit verliebt war. Nur halbherzig, wie es mir scheint, hatte dieser versucht, Tina zu finden – um sie wenig später zu vergessen. Wie das nun einmal so ist, wenn man jung ist und das ganze Leben noch vor sich hat. Normalerweise. Ausnahmen mag es geben, aber sie sind so selten wie jene blaue Blume der frühen Romantiker.
Das genau aber ist die Crux an der Sache! Kann man einen Menschen über einen so langen Zeitraum vergessen, um sich dann plötzlich wieder an die, sicherlich nicht lange, Zeit der Verliebtheit erinnern, die längst vorbei ist, überdeckt von einem, wie man den Eindruck bekommt, durchaus erfüllten Leben an der Seite einer Frau, die man liebt, bis sie dann verstarb? Ist es die Einsamkeit, die Sehnsucht nach einer neuen Partnerschaft, die längst vergessene Gefühle zu einem längst vergessenen Menschen wieder hochkommen und sich regelrecht daran festbeißen lässt? Denn Alex lässt nichts unversucht, spannt die nicht gerade begeisterten flüchtigen Bekannten von damals, denn mehr waren sie nie und sind sie auch heute nicht, ein, um Tina aufzuspüren und herauszufinden, was denn eigentlich mit ihr geschehen ist und ob sie überhaupt noch lebt.
Der Leser weiß bereits mehr, ist Alex voraus, der inzwischen seine Tochter und deren Freund, zwei obercoole, aber gutmütige, wenn auch lethargische 'Chiller', gebeten hat, Internetanzeigen auf der ganzen Welt aufzugeben, um über eine unverwechselbare Bernsteinkette, Alex Geschenk an die damals Angebetete (warum sollte sie die noch tragen, frage ich mich, überschätzt Alex die eigene Wichtigkeit nicht gar zu sehr?), Tinas Aufenthaltsort ausfindig zu machen.
Und so, wie die Tagebuchaufzeichnungen, wie ich sie weiterhin nennen möchte, wechseln, so wechseln auch die Schauplätze: von München nach Hamburg, nach Sylt, nach Berlin – und nach Neuseeland, denn dort.... Man kann es sich denken, und auch vermuten, wie die Geschichte ausgehen wird!
Durch die Kürze des Romans und die ständig wechselnden Schauplätze und Perspektiven sind es eigentlich nur Streiflichter einer Geschichte, die uns der Autor sehen lässt. In die Tiefe blicken wir nicht, wobei ich mutmaße, dass es da auch wenig auszuloten gibt, bei keinem der Fünf, so wie der Autor sie angelegt hat, und schon gar nicht bei Alex Studententochter Elsa und Annes Tagträumersohn Paul. Schade, denn ich mag es gerne tiefgründig und facettenreich – und wenn schon große Gefühle, dann aber richtig und konsequent und nicht so lauwarm dahinplätschernd, freilich mit einem paukenschlagartigen Happy End, das vierzig Jahre einfach wegwischt und das mich dann doch umhaut, mir zuviel ist, das schlicht und einfach zu dick aufgetragen wurde, der die ganze Zeit über durch Nüchternheit ersetzten Romantik wegen, die bei einem solchen Ende eigentlich im Vorfeld angebracht gewesen wäre.
Zudem – Tinas Geschichte, wie wir sie allmählich erfahren, kam mir sehr wenig realistisch, sehr konstruiert vor, gar nicht nachvollziehbar, zumal ich mir für ihre Probleme die eine oder andere schlüssigere Lösung gut, besser, hätte ausmalen können.
Aber nun - „Die verschollene Bernsteinkette“ ist ein Erstlingswerk, ein trotz meiner Kritik passables, und daher mit Wohlwollen zu betrachten! Im Übrigen könnte ich mir vorstellen, dass aus den 'Tagebuchskizzen' ein richtig guter, detaillierter, in die Tiefe gehender, vielschichtiger Roman hätte werden können – oder noch werden kann? - , denn die Zutaten, die einen solchen Roman ausmachen, sind alle bereits vorhanden, aber, sozusagen, noch nicht so miteinander verarbeitet, dass sie sich voll entfalten können! Und es wäre nicht das erste Mal, dass aus einer 'Vorübung', einem Ausloten, schließlich etwas ganz Großes und Großartiges entsteht....

Veröffentlicht am 02.03.2024

Angestrengt konstruierter Krimi

Starmord am Wörthersee
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Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. ...

Ich lese gerne Kriminalromane – und das schon lange! Im Laufe der Zeit sind mir viele gute, einige wenige sehr gute, aber noch mehr bestenfalls mittelmäßige und auch richtig schlechte Krimis untergekommen. Leider weiß man vor Beginn der Lektüre niemals so genau, zu welcher Kategorie das gerade auserwählte Exemplar gehört, zumal Klappentexte, an denen man sich ja in der Regel orientiert, in die Irre führen können und dies oft auch tun.
Als ich die Inhaltsangabe des hier zu besprechenden Werkes von Roland Zingerle, „Die Tote im Rampenlicht“, offensichtlich der Einstiegsband in eine Serie um den österreichischen 'Berufsdetektiv Sablatnig, las, hatte ich durchaus den Eindruck, etwas Lohnenswertes würde darauf warten, mir spannende Lesestunden zu bescheren. Doch, um es vorwegzusagen, dem war nicht so! Bereits nach wenigen Seiten hatte ich das noch vage Gefühl, meine Zeit zu vergeuden – was sich bis zum Ende kontinuierlich verstärkte und schließlich Gewissheit wurde, wiewohl ich zwischendurch an der einen oder anderen Stelle dachte, die Geschichte, die ich nach beendeter Lektüre als arg konstruiert bezeichnen möchte, würde nun interessanter, spannender und vor allem glaubwürdiger. Und so las ich weiter, denn ich wollte wissen, das vor allem, was denn um des lieben Himmels Willen dem schlaffen, saft- und kraftlosen Protagonisten, besagtem Berufsdetektiv (verstanden habe ich bis zum Schluss nicht, was diesen denn von einem Privatdetektiv unterscheidet) mit dem wenig eingängigen Nachnamen Sablatnig, in Kolumbien zugestoßen ist, das er kürzlich besucht hat und von wo er völlig verändert wieder in die heimischen Gefilde zurückkehrte.
Ja, zugegeben, der Autor hielt mit den ständigen Anspielungen auf das Kolumbien-Trauma seines gar nicht heldenhaften Helden, der aber genau zu jenem am Ende mutierte, absprungbereite Leser wie mich vom Abbruch seines Romans ab! Genauso geschah es mit einigen unerwarteten Wendungen in der dahinplätschernden Handlung später, als man schließlich genug hatte von den ewigen Andeutungen auf Kolumbien. Das ist durchaus clever gemacht, gibt dem sogenannten Regionalkrimi, der meines Erachtens überall hätte spielen können und in keiner Weise an die Region, nämlich die Gegend um den Wörthersee, gebunden ist, aber keine zusätzliche Qualität.
Der Kriminalfall selber, der am Anfang gar keiner ist, wie man dem Klappentext entnehmen kann, sondern erst einer wird – siehe ebenfalls Klappentext, den ich hier nicht zu wiederholen gedenke! -, hat mich überhaupt nicht überzeugt, und gefesselt schon gar nicht. Die Auflösung war – nun ja, an den Haaren herbeigezogen und kam mir vor wie ein Verlegenheitseinfall des Autors, als Geistesblitz der aus seiner Lethargie erwachenden Sablatnig getarnt. Überraschend war sie schon deshalb nicht, weil die Anzahl der – nebenbei bemerkt ausnahmslos flachen, nichtssagenden – Handlungsträger sehr überschaubar war und im Grunde nur die Person, die übrig blieb, als Bösewicht in Frage kam. Doch – was es da mit dem schlimmen Kolumbienerlebnis auf sich hatte, wird schließlich aufgeklärt, tränenreich! Es erscheint mir reichlich phantastisch, aber da ich die Verhältnisse in besagtem südamerikanischen Land nicht kenne, maße ich mir da kein besserwisserisches Urteil an. Der Autor wird schon seine Hausaufgaben gemacht haben!
Worüber ich mir aber ganz gewiss ein Urteil anmaße, und kein positives, ist die Sprache, derer sich der Autor bedient, wenn er seine Figuren den Mund aufmachen lässt! Dialektgefärbt soll sie sein, diese Sprache? Nicht doch - denn die sprechen ja alle gleich schlecht und nachlässig, lassen Endbuchstaben weg, ziehen Wörter unnötigerweise zusammen, ihre Diktion ist nichtssagend, beinahe kindlich-einfältig, ganz gleich, ob sie aus Österreich kommen, aus München oder, wie die eigenartige, mir höchst simpel und unterbelichtet vorkommende, vom verliebten Rekonvaleszenten Sablatnig aber in den Himmel gehobene (in den sie keinesfalls gehört!) und unmäßig verklärte Schlagersängerin Saskia, die Empfängerin des Drohbriefes, dessen Urheber der wackere Heinz, wie der Berufsdetektiv mit Vornamen heißt, ursprünglich finden sollte, aus dem hohen Norden Deutschlands.
Tja, so ist das nun einmal, wenn man die ausgeklügeltsten, spannendsten, sprachlich auf hohem Niveau angesiedelten Kriminalromane der Meister ihres Fachs gelesen und genossen hat! Man wird anspruchsvoll! Man weiß dann nämlich, wie ein richtig guter Krimi zu sein hat. Und das gereicht der „Toten im Rampenlicht“, die natürlich auch ihre begeisterten Leser hat, unglücklicherweise sehr zum Nachteil!

Veröffentlicht am 15.03.2023

Ein Leben für die Fliegerei

Über den Wolken
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Wenn die Skiläuferin und Pilotin Dominique Gisin in ihrem Vorwort zu Regula Eichenbergers Autobiographie 'Über den Wolken' schreibt, dass dieses Buch 'weit mehr (ist) als ein Buch für Aviatikbegeisterte', ...

Wenn die Skiläuferin und Pilotin Dominique Gisin in ihrem Vorwort zu Regula Eichenbergers Autobiographie 'Über den Wolken' schreibt, dass dieses Buch 'weit mehr (ist) als ein Buch für Aviatikbegeisterte', dann ist dem nur zuzustimmen! Allerdings – ohne ein gewisses Interesse an der Fliegerei geht es auch nicht, denn obwohl die Autorin wiederholt versichert, dass sie weitgehend Abstand davon nimmt, sich in Fachtermini zu ergehen und ihre Leser auch 'nicht mit allzu viel aviatischem Wissen (…) über fliegerische Abläufe und komplexe Verfahren zu langweilen', drehte sich ihr Leben, über das sie hier so spannend und interessant berichtet, doch schon in früher Kindheit und auch über ihre Verrentung im Jahre 2015 hinaus vor allem um diese ihre größte Leidenschaft, das Fliegen!
Sie hatte den Vorteil – sie würde es vermutlich als Glück bezeichnen -, einen flugversessenen Vater zu haben, der die ganze Familie für sein Lieblingshobby, das bald zum Beruf wurde, zu begeistern vermochte und es als das Selbstverständlichste der Welt erachtete, dass Regula, die jüngere seiner beiden Töchter, das Fliegen ganz und gar zu ihrem Broterwerb machte – dass es auch ihre Berufung war, stellt der Leser während der bemerkenswerten Biographie sehr bald fest. Und dies in einer Zeit – Regula wurde 1955 geboren -, als der Beruf des Piloten, schon gar von Linienmaschinen, eine fast ausschließliche Männerdomäne war.
Bedingungsloser Rückhalt von Seiten der Familie und ihr eigener starker, unternehmungslustiger und optimistischer Charakter, gepaart mit dem sprichwörtlichen Quäntchen Glück waren, wie man der Autobiographie entnehmen kann, die Voraussetzungen, den einmal gewählten Weg zu gehen, allen Widrigkeiten zum Trotz, und sich erfolgreich zu behaupten in der Welt der Cessnas, der Piper bei ihrem Vater, den Turboprops bei ihrer ersten Fluggesellschaft Crossair und schließlich der Boeings und des Airbusses bei weiteren Fluglinien, zu denen sie wechselte, nachdem – und diese Gefahr scheint bei Fluggesellschaften allgegenwärtig zu sein – sie der Reihe nach insolvent wurden.
Als erste Linienpilotin der Schweiz kam Regula Eichenberger 1983 in die Schlagzeilen – eine echte Sensation, wenn man bedenkt, dass erst 1990 alle Kantone im Lande der Eidgenossen den Frauen das Wahlrecht zubilligten und nebenbei auch erfährt, dass die zu jenem Zeitpunkt frischgeschiedene und bereits als Flugkapitänin erfolgreiche Regula in den 80er Jahren Mühe hatte, eine Wohnung vermietet zu bekommen. Dass sie diese letztendlich doch noch bekam, verdankte sie der – widerwilligen! - Erwähnung eben dieses professionellen Titels. Dies erstaunte mich nicht wenig, hatte ich die Schweiz doch immer als liberales und fortschrittliches Land eingeschätzt...
Über die Probleme, die die Autorin in der von Männern beherrschten Welt der Aviatik hatte, berichtet sie freimütig. Imponiert hat mir immer ihre Einstellung dazu, denn obwohl sie nicht unberührt blieb von den Feindseligkeiten und den unangenehmen Szenen, zu denen sie mitunter führten, ging sie doch stets, so wütend sie auch gelegentlich gewesen sein mag, souverän damit um – wie im Übrigen mit all den Anforderungen, die an Piloten nun einmal gestellt werden und von deren Komplexität ich sehr beeindruckt war. Simulationstrainingseinheiten am laufenden Band, ständige Weiterbildungen und Schulungen – der Beruf eines Piloten ist, auch das wird von Regula Eichenberger deutlich vermittelt, ein hochanspruchsvoller und es verwundert nicht, dass die Angehörigen dieses Berufsstandes frühzeitig in Pension gehen dürfen, manchmal auch müssen! Letzteres schien mir bei der energiegeladenen Schweizerin der Fall gewesen zu sein, obschon auch sie mit zunehmendem Alter feststellte, dass ihr Körper die starke Beanspruchung in ihrem Berufsalltag mit den häufigen Jetlegs nicht mehr so leicht wegstecken konnte.
Apropos anstrengender Berufsalltag! Zu den Zeiten, als die Autorin als Flugkapitänin und gleichzeitig auch als Instruktorin tätig war, arbeitete sie nonstop – was heute viel strenger reguliert ist, denn da wird peinlich genau darauf geachtet, dass die Piloten nicht, wie sie selbst es oft tat, bis ans Limit ihrer Belastungsfähigkeit gehen. Bei Regula hingegen musste das Privatleben zwangsläufig auf der Strecke bleiben, wessen sie sich durchaus bewusst war. Und mein Eindruck ist, dass es ihr auch nicht sonderlich fehlte, keine eigene Familie zu haben, in der sie die Rolle der Ehefrau und Mutter hätte spielen müssen. Dennoch, und das spricht für ihre Weitsichtigkeit, sorgte sie dafür, dass Freundschaften erhalten blieben, selbst wenn sie die privaten Kontakte nur unter größter Willensanstrengung, die bei der sie ständig begleitenden Müdigkeit und Erschöpfung notwendig war, unterhielt. Denn, so war ihr bei all ihrer Begeisterung für ihren Beruf immer klar, es gibt auch noch ein Leben nach der frühzeitigen Pensionierung! Das sie dann auch in vollen Zügen genoss, zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, ihrer großen Liebe, wie sie betont, der ihr wenige Monate, bevor sie beschloss, ihre Biographie zu schreiben, durch den Tod genommen wurde. Wie auch einige Jahre zuvor ihre ältere Schwester Eva, zu der sie, wie zu den ebenfalls inzwischen verstorbenen Eltern, eine innige Beziehung unterhielt. Nein, von Schicksalsschlägen blieb auch Regula Eichenberger nicht verschont, wobei sie, die ihre Freundschaften pflegte, das Glück hatte, aufgefangen zu werden und sich immer, denn Aufgeben kommt, wie sie selbst sagt – und nach dem Lesen ihrer Autobiographie verwundert das nicht -, nicht in Frage, fürs Weiterleben entschieden hat.
Summa summarum: Ohne dass ich mich mit besonderen Erwartungen an die Lektüre von Regula Eichenbergers Autobiographie gemacht hatte und mir die Berufspilotin bis dato völlig unbekannt war, wurde ich von Seite zu Seite überrascht! Einmal von dem schnörkellosen, mit schweizerdeutschen Ausdrücken angereicherten Stil und der Unverblümtheit, mit der die sympathische Flugkapitänin im Ruhestand an ihren Erinnerungen, einer Aneinanderreihung von unterhaltsamen wie informativen Episoden und Anekdoten, teilhaben lässt, zum anderen von Frau Eichberger selbst, die ihren Träumen gefolgt ist und ein gelungenes und ungemein spannendes Leben geführt hat. Weil sie es konnte und weil sie es wollte. Respekt! Und selbst wenn das vom Schweizer Woerterseh Verlag herausgegebene Buch in hochwertiger Aufmachung mit über 36 Euro einen stolzen Preis hat, lohnt sich die Anschaffung. Für Laien wie auch für Leute vom Fach, von denen ich nicht glaube, dass sie sich langweilen würden – wie die Autorin befürchtet! -, in Leben und Erlebnisse einer so interessanten wie mutigen und für sich einnehmenden Frau eintauchen zu dürfen, die ein kleines Stück Luftfahrtgeschichte mitgeschrieben hat!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Science Fiction für Experten

Sieben Kapitulationen
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Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, ...

Um 'Sieben Kapitulationen' (im englischen Original 'Seven Surrenders'), dem zweiten Band der Tetralogie 'Terra Ignota' der Historikerin der University of Chicago, Ada Palmer, überhaupt folgen zu können, bedarf es unbedingt der Kenntnis des ersten Bandes 'Dem Blitz zu nah' (im englischen Original 'Too Like the Lightning'), denn Band 2 beginnt genau da, wo Band 1 aufgehört hat – ein ungemein komplexer und komplizierter Science Fiction Roman, für dessen Verständnis meines Erachtens weit mehr vorausgesetzt wird, als der Durchschnittsleser, Science Fiction erprobt oder nicht, mitbringt. Und selbst dann hat man Mühe, die vielen und vielfältigen Themen, mit denen sich die Autorin befasst, zu ergründen, geschweige denn sie bis in ihre Tiefen zu verstehen. Um Religion geht es, um Geschlechtergleichheit, überhaupt Genderfragen, um Moral, um Freiheit, Brüderlichkeit etcetera, um all die Ideale aus der Zeit der Aufklärung, die die Gesellschaft im Jahre 2454, der wir in diesem außerordentlich ambitionierten, philosophisch-politischen Science Fiction Roman begegnen, scheinbar lebt. Scheinbar, und möglicherweise lebte man eine Zeitlang ja tatsächlich dieses Ideal, das durch die Aufhebung der Nationalstaaten möglich gemacht wurde, an deren Stelle die 'Hives' traten, in die man nicht hineingeboren wird, sondern denen man als Erwachsener beitreten kann, je nach Neigung, vielleicht auch charakterliche Disposition. Es gibt derer sieben – der Titel ist also nicht von ungefähr gewählt und spricht überdies für sich! -, nämlich die Humanisten, die Cousins, das Maurer-Imperium, die Gordischen, die Europäische Union, die Mitsubishi und die Utopianer, über deren Systeme man in den vorderen und rückwärtigen Versatzblättern des Buches Genaueres erfahren kann. Doch sollte man sich nicht täuschen lassen von den wohlklingenden Beschreibungen! Der Teufel liegt eben auch hier im Detail....
Jedenfalls – nach 300 Jahren des Friedens, sprich der Abwesenheit von offen ausgetragenen Kriegen, zeigt sich aber, dass das so stabil erscheinende Machtgefüge brüchig ist, dass da eine Verschwörung im Gange ist, über die der Leser von dem Ich-Erzähler, einem zwielichtigen, seltsamen Manne, einem Verbrecher gar, der, wie es der Klappentext verrät, 'dazu verurteilt wurde, im Dienste aller Hives um den Globus zu wandern' und der daher besser als jeder andere Bescheid weiß, peu a peu erfährt, wenig Genaues freilich. Überdies nennt er sich selbst einen unzuverlässigen Erzähler. Durch seine Augen hauptsächlich erleben die Leser nun die Ereignisse, die die Utopie bedrohen, zu der die Erde – wieder scheinbar! - geworden ist: eine Welt ohne Krieg, ohne Hunger, in der alle Bedürfnisse erfüllt werden und die dank der – heute noch unvorstellbar, aber eigentlich auch nicht verwunderlich! - enorm fortgeschrittenen Technologie auch nicht mehr durch Klimawandel und die daraus resultierenden, uns heute verheerend erscheinenden Konsequenzen bedroht ist.
Spannend, vielschichtig, zum Nachdenken auffordernd? Gewiss! Doch ob seiner Komplexität nur sehr schwer, sehr mühsam zu lesen, wozu auch die wenig eingängige, geschlechtsneutrale Sprache ihren Teil beiträgt, an die ich mich bereits im ersten, beinahe noch schwerer zu lesenden Band nicht gewöhnen konnte, den ich unmittelbar vor dem zweiten gelesen habe, als ich nach dessen ersten hundert Seiten oder so feststellen musste, dass die Handlung sich auch bei größter Konzentration meinem Zugriff entzog. Im amerikanischen Heimatland der Autorin mag ihre Terra Ignota Tetralogie ja als genial, intelligent, alle gekannten Maßstäbe sprengend etc. gefeiert werden – meinem Lesegeschmack hingegen entspricht sie in keiner Weise. Science Fiction ja, gelegentlich, aber nicht die Art, auf die die intellektuell nicht mit unseren Maßstäben zu messende Ada Palmer sie schreibt. Die ist mir schlicht zu mühsam und zu unverständlich – und tatsächlich habe ich für die Lektüre von 'Dem Blitz zu nah' und 'Sieben Kapitulationen' sage und schreibe vier Monate gebraucht! Da kann dann von Lesevergnügen keine Rede mehr sein, zumal Abbrechen nicht in Frage kam, da ich mich unklugerweise auf eine Leserunde mit dem hier gerade mehr schlecht als recht besprochenen Werk eingelassen habe. Wäre es mir aber auf andere Art und Weise in die Hände gefallen, so hätte ich nach spätestens 100 Seiten, denen nämlich, die ich brauchte, um endgültig einzusehen, dass ich so gut wie nichts verstanden hatte, das Buch mehr oder weniger unauffällig verschwinden lassen, wahrscheinlich aber in die Ecke gefeuert, und damit das Experiment beendet, Zugang zu etwas zu bekommen, das von jemandem geschrieben wurde, die ganz offensichtlich in Sphären schwebt, zu denen ich nur verwundert staunend aufblicken kann! Eine Bewertung erscheint mir also beinahe unangemessen, jedenfalls soweit es mich betrifft. Da Lesbarkeit und Verständlichkeit für mich aber ein ebenso wichtiges Kriterium für die Beurteilung eines Buches sind, gleich welcher Kategorie es angehört, wage ich es, aus der Reihe der Begeisterten auszuscheren und es nur solchen Lesern zu empfehlen, die sich gerne lange und fruchtlos quälen wollen während einer Freizeitlektüre. Oder eben denjenigen, die ähnlich abgehoben ticken wie die Geschichtsprofessorin aus den Vereinigten Staaten!