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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2021

Eine Stimme, die gehört werden muss

Drei Kameradinnen
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Shida Bazyar erzählt die Geschichte von drei Freundinnen in Deutschland und ihren Erfahrungen.
Der Roman beginnt mit einem Zeitungsartikel, dass Saya einen Großbrand mit vielen Todesopfern ausgelöst haben ...

Shida Bazyar erzählt die Geschichte von drei Freundinnen in Deutschland und ihren Erfahrungen.
Der Roman beginnt mit einem Zeitungsartikel, dass Saya einen Großbrand mit vielen Todesopfern ausgelöst haben soll. Kasih erzählt nun, wie es dazu kommen konnte. Die Stimme der Erzählerin ist sehr jung und wirkt sehr alltäglich, als würde sie die Geschichte bei einem Tee oder Kaffee der Familie oder den Freundinnen erzählen. Zwischendurch wendet sie sich jedoch immer wieder anklagend direkt an die Leserinnen und wirft ihnen Verdächtigungen an den Kopf, was sie gerade denken, was sie glauben, was sie nicht glauben und überhaupt was sie wissen...
Wichtiger jedoch als die Geschichte von Saya und dem Großbrand, sind die kleinen Geschichten des institutionalisiertem Rassismus, dem Kasih und ihre Freundinnen ausgesetzt sind. All die Dinge, die Kasih verschweigt und den Leserinnen erst später eröffnet, die die weißen Leserinnen nicht bedacht haben.
Trotzdem sind die Anschuldigungen, die Kasih erhebt, nicht immer gerechtfertigt. Nicht alle Leserinnen gehen mit einem so ignoranten und weltverschlossenem Gedankengut an das Buch heran und müssen deshalb von der Autorin als dumm oder gar rassistisch vorgeführt werden.
Doch am Ende überwiegt die Wichtigkeit der Gefühle und Gedanken der Protagonistin in all diesen Situationen, die die meisten Leser
innen wohl nie erleben werden, weil sie nie aus ihrer Heimat flüchten mussten und weil ihr Name nicht anständig falsch ausgesprochen wird.

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Veröffentlicht am 27.05.2021

Ein bisschen Wahrheit und eine Funken Magie ergeben das perfekte Buch

Der Junge, der das Universum verschlang
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Trent Dalton erzählt auf rund 550 Seiten einen relativ kurzen Ausschnitt aus dem Leben des Eli Bell, der sich immer wieder mit der Frage beschäftigt: Was macht einen guten Menschen aus?
Das Schicksal meint ...

Trent Dalton erzählt auf rund 550 Seiten einen relativ kurzen Ausschnitt aus dem Leben des Eli Bell, der sich immer wieder mit der Frage beschäftigt: Was macht einen guten Menschen aus?
Das Schicksal meint es nicht gut mit Eli Bell. Sein Vater hat mit Panikattacken und Alkoholismus zu kämpfen, die ihn und seinen Bruder fast umgebracht haben, seine Mutter und deren neuer Partner dealen mit Drogen und sein Babysitter ist der reale Slim Holliday, ein verurteilter Mörder, der bereits zwei mal aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. All das ist vermutlich nicht die beste Grundlage um erwachsen zu werden, doch Eli zeigt enorm viel Mut und eine riesen Dosis Kampfeswillen.
Dalton, der eigentlich Journalist ist, überrascht in seinem Debütroman mit einer wunderschönen Sprache, die den Leser:innen in die Geschichte eintauchen lässt und an die Seiten fesselt. Nicht nur die Handlung veranlasst einen dazu immer weiter zu lesen, denn trotz der vielen Seiten, wird das Buch nie langweilig, auch der Schreibstil sorgt dafür, dass man am liebsten Stunden und Tage in dem Roman verbringen möchte. Dalton schafft es genau den richtigen Ton für Eli Bell zu treffen. Einerseits von Anfang an enorm erwachsen und reif, anderseits an manchen Stellen derb und vulgär, wie es bei dieser Lebensgeschichte nicht anders zu vermuten war. So webt Dalton in seine bildhafte, poetische Sprache immer wieder diese Ecken und Kanten, an denen sich die Leser:innen stoßen um zu merken, was für eine tragische Geschichte, sie hier eigentlich lesen und erleben.
Dieser Roman zeigt eine ganz besondere Coming-of-Age-Geschichte eines einzigartigen Protagonisten, der die große Frage aufwirft, was gut und böse ist, ob man sich gegen sein eigenes Schicksal stellen kann und ob das Umfeld in dem man groß wird unbedingt auch die eigene Zukunft sein muss.

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Veröffentlicht am 27.05.2021

Eine allzu oft ignorierte Wahrheit

Im Reich der Schuhe
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Der jüdisch-amerikanische Alex soll die Schuhfabrik seines Vaters in China übernehmen, die dieser jahrelang staatstreu geführt hat - also ohne Rechte für die Arbeiter*innen und mit einem Haufen Schmiergeld ...

Der jüdisch-amerikanische Alex soll die Schuhfabrik seines Vaters in China übernehmen, die dieser jahrelang staatstreu geführt hat - also ohne Rechte für die Arbeiter*innen und mit einem Haufen Schmiergeld für die hohen Beamten. Der Erfolg und das Geld des Vaters sprechen für sich, ziemlich große Fußstapfen, die Alex zu füllen hat - aber will er das überhaupt?
Spencer Wise erzählt eine Geschichte von unfairen Verhältnissen, von der großen Macht der Wirtschaft, der Menschenleben egal sind, davon zu versuchen, sich zugehörig zu fühlen, von Politik, von Liebe....
Obwohl das Buch anfangs ziemlich trocken wirkt und es einem schwer fällt hineinzufinden, möchte man es zum Ende hin, kaum noch aus der Hand legen. Als die Kälte, Gefühllosigkeit und Verlorenheit vom Anfangs wandeln sich über 200 Seiten zu einem Wechselbad der tiefen Emotionen, zu einem Gefühl des Zusammenhalts und einer klaren Linie, einer Botschaft, die der Autor vermitteln möchte. So wandelt sich auch der Protagonist Alex von einem auswechselbaren Typen, von dem scheint, dass er kein Ziel im Leben verfolgt und kaum Selbstwert hat, zu einem engagierten, liebenden, jungen Mann, der eine Veränderung bringen möchte und dafür schon die richtige zu haben scheint.
Wise schreibt für alle und auch so, dass es möglichst alle verstehen, denn er hat wichtiges zu erzählen: von den Arbeitsverhältnissen in China, von den Regeln des Weltmarkts, von menschenverachtenden Hierarchien, von Chinas Politik und Geschichte. Und trotz dieser schwierigen Themen bleibt das Buch verständlich und kommt stellenweise mit einer Leichtigkeit rüber, die einem im Nachhinein fast erschreckt.
Das Buch ist interessant und auf jeden Fall zu empfehlen, vor allem, wenn man wissen möchte, was uns große Unternehmen gerne verschweigen und was wir uns nicht wahrhaben wollen, denn dieses Buch zwingt uns hinzusehen.

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Veröffentlicht am 22.01.2021

Zu wenig Geschichte, zu viel Familiendrama

Die Kaffeedynastie - Tage des Aufbruchs
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Leider konnte mich das Buch überhaupt nicht überzeugen und das lag nicht nur daran, dass ich etwas anderes erwartet habe. Im Klappentext wird zuerst das Schicksal von Eberhart zu Kriegsende geteasert, ...

Leider konnte mich das Buch überhaupt nicht überzeugen und das lag nicht nur daran, dass ich etwas anderes erwartet habe. Im Klappentext wird zuerst das Schicksal von Eberhart zu Kriegsende geteasert, dann das von Corinne in der Gegenwart. Von Eberhart erfahren wir aber reichlich wenig im Buch, er bekommt nicht einmal 10 Kapitel gewidmet und die Kapitel, die wir bekommen, sind historisch sehr oberflächlich gehalten und bringen kaum interessanten Inhalt. Da wunderst es eine/n, wenn die Autorin im Nachwort schreibt, wie wichtig ihr dieser Teil war und wie betroffen sie von der Recherche über diese Zeit war. Bei einer wirklich tief schürfenden Recherche, die durchaus betroffen machen kann, hätte ich mir persönlich mehr Inhalt gewünscht.
Die Geschichte in der Gegenwart war kitschig und vorhersehbar. Bis auf diese eine große Enthüllung, die einfach nicht in dem Roman gepasst hat, heutzutage nicht so ein großer Schockmoment sein sollte und dann innerhalb von zwei Seiten abgehandelt wurde...
Ein weiterer Punkt, der meine Bewertung für dieses Buch rechtfertigt, ist, dass es teilweise wirkt, als hätte es ein Kind geschrieben. Sätze, die eigentlich zwei sein sollte, werden durch Beistriche verbunden und somit fast unlesbar. Im hochemotionalen Moment, wenn sich die beiden Geschwister endlich wieder verstehen, sagt der erwachsene Alexander: "Tut mir leid, dass ich so blöd zu dir war..." Blöd? Gibt es da kein besser Wort als "blöd"? Und was hat "Oki" in einem Roman zu suchen?

Für mich leider ein totaler Fehlgriff und komplett falsches Marketing. Ein Roman, der gefühlt nicht mal zu einem Fünftel in der Vergangenheit spielt, ist für mich nicht historisch...

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Veröffentlicht am 17.12.2020

So viel mehr als nur Gay-Romance

The Music of What Happens
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The Music of What Happens bietet so viel mehr als das Cover und der Titel vermuten lassen. Ich bin an das Buch herangegangen mit der Vermutung eine kitschige Gay-Romance zu lesen. Die habe ich auch bekommen, ...

The Music of What Happens bietet so viel mehr als das Cover und der Titel vermuten lassen. Ich bin an das Buch herangegangen mit der Vermutung eine kitschige Gay-Romance zu lesen. Die habe ich auch bekommen, jedoch auch so viel mehr. Konigsbergs Roman ist eine emotionale Achterbahnfahrt, die die Leserinnen packt und bis zum Ende nicht mehr loslässt. Nach dem Aussteigen fühlt man sich immer noch leicht schwindelig, das Buch hinterlässt auf jeden Fall seine Spuren.
Am Ende des Romans gibt der Verlag Triggerwarnungen, die für diesen Roman auf jeden Fall nötig sind, auch wenn ich sie nicht gelesen habe, um mich nicht zu spoilern. Konigsberg spricht wichtige Themen an, die nicht nur die LGBTQ+-Gemeinde betreffen. Dies macht er mit brutaler Ehrlichkeit und einer Heftigkeit, dass man manchmal das Buch für eine Weile zur Seite legen muss, um das Gelesene erstmal zu verdauen. Vor allem, wenn man sich selbst in diesen Situationen wiederfindet, ist es erschreckend, wie realistisch die Gefühle und Gedanken der Protagonisten geschildert sind, sodass man sich als Leser
in Gedanken macht, was der Autor vielleicht alles schon durchmachen musste.
Auf diese Szenen folgen jedoch wieder Szenen, die einem ein Pflaster auf die aufgerissenen Wunden legen und einen fest in den Arm nehmen, damit man ja nicht zerbricht, an dem eben Miterlebten. Sensibel und einfühlsam lässt der Autor die Leser*innen tief in die Gefühle der Protagonisten eindringen und uns an ihrem Heilungsprozess teilhaben.
Das alles ist verpackt in einem angenehmen und leicht verständlichen Schreibstil, der exakt auf die beiden Protagonisten passt und sie sofort nahbar und sympathisch macht. Man wünscht den beiden Jungs nur das Beste, lacht und weint mit ihnen und will sie am Ende eigentlich gar nicht verlassen. Obwohl das Ende ziemlich schnell kommt und viele Fragen offen bleiben, wirkt das Buch doch nicht unvollständig.

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