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Veröffentlicht am 11.05.2025

Wolfsblut, ein verfolgter und gequälter Außenseiter

Wolfsblut
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Im hohen Norden Amerikas macht eine Gruppe hungriger Wölfe die Gegend unsicher. Unter ihnen ist auch Wolfsbluts Mutter Kiche, halb Wolf halb Hund, die sich mit dem stärksten Wolf der Gruppe paart und Wolfsblut ...

Im hohen Norden Amerikas macht eine Gruppe hungriger Wölfe die Gegend unsicher. Unter ihnen ist auch Wolfsbluts Mutter Kiche, halb Wolf halb Hund, die sich mit dem stärksten Wolf der Gruppe paart und Wolfsblut zur Welt bringt. Der Welpe ist früh auf sich alleine gestellt, da Kiche eines Tages von der Jagd nicht mehr zurückkehrt. Er kommt zu Indianern, wird Schlittenhund und später für ein paar Flaschen Whiskey an einen Veranstalter von Hundekämpfen verkauft. Er muss gegen andere Hunde kämpfen, wo er meist als Sieger hervorgeht, bis er von einer Bulldogge beinahe tödlich gebissen wird. Der Minenexperte Weedon Scott kauft ihn für 150 Dollar ab, pflegt ihn gesund und nimmt ihn mit nach San Francisco. Seine Familie ist anfangs nicht begeistert, doch Wolfsblut passt sich an, kann die Familie vor einem entflohenen Sträfling retten und schließt sogar Freundschaft mit dem Familienhund Collie …

Jack London, geb. 1876 in San Francisco, war ein US-amerikanischer Schriftsteller, Journalist und Fotograf. Er war erst 40 Jahre alt, als er 1916 unter ungeklärten Umständen starb. Seine Bekanntheit erlangte er hauptsächlich durch seine Abenteuerromane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt wurden. Zu seinen Lebzeiten war Jack London der erfolgreichste Autor der Welt.

Der Roman „Wolfsblut“ (Originaltitel „White Fang“) erschien erstmals 1906 und ist in mehreren deutschen Übersetzungen erhältlich. Jack Londons Schreibstil ist kraftvoll, bildhaft, beinahe sachlich aber dennoch sehr eindringlich. Die Besonderheit dieser Geschichte ist der Perspektivwechsel. Der Roman beginnt mit der Sichtweise von Menschen, um dann im 2.Teil zu der von Wolfsblut zu wechseln. Dadurch gelingt es ihm, das tierische Verhalten glaubhaft zu schildern, ohne es jedoch zu vermenschlichen. Der Wolf bzw. der Hund steht im Vordergrund, was die Spannung und Dramatik ungemein erhöht. Einige Kampfszenen werden jedoch so drastisch geschildert, dass sie für Kinder ungeeignet sind. Die Grausamkeit der Menschen kennt keine Grenzen. Die Naturbeschreibungen jedoch sind sehr eindrucksvoll, die erbarmungslose Kälte des Hohen Nordens ist förmlich zu spüren und die feindliche Wildnis buchstäblich greifbar.

Fazit: Ein zeitloser Klassiker, spannend und berührend, der sowohl Abenteurer als auch Natur- und Tierfreunde begeistern kann.

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Veröffentlicht am 10.05.2025

Ein stinkender Wal, eine zerrüttete Ehe und ein Luxushotel

Der Duft des Wals
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Um zu retten was von ihrer Ehe noch übrig ist, fliegen Hugo und Judith mit ihrer 10jährigen Tochter nach Mexiko, wo sie ihren Urlaub in einem luxuriösen All-Inclusive-Resort verbringen möchten. Kurz nach ...

Um zu retten was von ihrer Ehe noch übrig ist, fliegen Hugo und Judith mit ihrer 10jährigen Tochter nach Mexiko, wo sie ihren Urlaub in einem luxuriösen All-Inclusive-Resort verbringen möchten. Kurz nach ihrer Ankunft wird die Idylle jedoch gestört, als ein toter Wal an den Strand gespült wird, der einen unerträglichen Gestank verströmt. Trotz aller Bemühungen des Hotelpersonals den üblen Geruch zu beseitigen, er bleibt – genau wie die Probleme des Paares. Sie schweigen sich an, sie streiten miteinander, und wenn sie sich mal amüsieren, dann jeder für sich, während ihre kleine Tochter alleine durch die Gegend streift und sich mit ihrer Zeichentafel beschäftigt. Als dann der große Regen kommt, bahnt sich die Katastrophe an …

Paul Ruban ist ein frankokanadischer Autor, der in Winnipeg/Kanada geboren wurde. Er ist Drehbuchautor, Übersetzer und Schriftsteller. „Der Duft des Wals“ (2025 Aufbau-Verlag) ist sein erster Roman, der in Kanada gleich zu einem Überraschungserfolg wurde. Der Autor lebt in München und Ottawa.

Der Autor beweist in seinem Debüt, dass er über zeitgemäße Themen schreiben und diese mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors zu Papier bringen kann. Sein Stil ist dabei nüchtern, klar und analysierend, ganz dem Thema zwischenmenschlicher Dramen und Konflikte angepasst. Er berichtet in kurzen Kapiteln aus der Ich-Perspektive der einzelnen Protagonisten, deren Gedanken und Gefühle man somit hautnah empfindet. Dadurch gelingt ihm eine unterhaltsame Geschichte, die trotz skurriler Begebenheiten und grotesker Ereignisse nachdenklich stimmt und die Formulierung ‚Hier stinkt es gewaltig‘ gleich eine doppelte Bedeutung bekommt.

Fazit: Eine tiefgründige Analyse menschlicher Beziehungen und gesellschaftlicher Illusionen, kombiniert mit abstruser Satire und schwarzem Humor. Muss man mögen!

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Veröffentlicht am 02.05.2025

Eine jüdische Familie im Exil

Der Löwensucher
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Fünf Jahre ist Isaac Helger alt, als er mit seiner Mutter Gitelle und seiner Schwester Rively nach Johannesburg zieht. Vater Abel ist seiner Familie schon vorgereist und betreibt nun dort eine Uhrmacherwerkstatt. ...

Fünf Jahre ist Isaac Helger alt, als er mit seiner Mutter Gitelle und seiner Schwester Rively nach Johannesburg zieht. Vater Abel ist seiner Familie schon vorgereist und betreibt nun dort eine Uhrmacherwerkstatt. Sie sind jüdische Einwanderer aus Litauen, wo es vor dem 2. Weltkrieg nicht mehr sicher ist. Familienangehörige, Schwestern von Mutter Gitelle mit ihren Familien, mussten sie zurücklassen in der Hoffnung, sie noch nachholen zu können und so vor einer Verfolgung zu retten. Ein großes Haus ist ihr Traum, in dem sie alle leben könnten. Isaak fühlt sich verpflichtet, seiner Mutter diesen schier unmöglichen Wunsch zu erfüllen. Als der schmächtige Junge von der Schule fliegt, arbeitet er zunächst sehr hart in verschiedenen Berufen, nur um den Anforderungen seiner Mutter gerecht zu werden. Er verändert sich allmählich, lernt Menschen kennen die sich Freunde nennen, und wird dabei stärker und beginnt sich durchzusetzen. Aber auch Südafrika bleibt vom Antisemitismus nicht verschont und für Juden wird die Einreise kaum noch möglich. In ihrer Not wendet sich Mutter Gitelle an Avrom, dem Besitzer einer Farm am Löwenfelsen, den sie ihren Neffen nennt. Er hat die nötigen finanziellen Mittel, die Verwandten in Litauen freizukaufen. Ob er helfen wird, die zurückgebliebenen Schwestern ins Land zu holen? …

Kenneth Bonert, geb. 1972 in Johannesburg, ist ein kanadisch-südafrikanischer Autor mit litauisch-jüdischen Wurzeln. Im Alter von 17 Jahren emigrierte er mit seinen Eltern nach Kanada, wo er in Toronto Journalistik studierte und heute als Reporter und Schriftsteller lebt. „Der Löwensucher“ (2013) ist sein Debüt-Roman, der im selben Jahr den National Jewish Book Award und den Edward Lewis Wallant Award gewann und auf der Shortlist für den Governor General’s Award stand.

Wir begleiten die Familie Helger über einen Zeitraum von 25 Jahren bei ihrem Versuch, ein friedliches und glückliches Leben zu führen und erleben dabei, was Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit anrichten können. Wir rätseln mit Isaac über das schreckliche Familiengeheimnis, über das seine Mutter eisern schweigt, und versuchen dem auf die Spur zu kommen. Der Schreibstil des Autors ist dabei flüssig und sehr gut lesbar. Er benutzt schöne sprachliche Bilder und versteht es, auch raue und brutale Szenen angemessen zu beschreiben. Interessant ist auch, dass er gelegentlich jüdische und afrikanische Ausdrücke verwendet, die auch am Ende des Buches in einem Glossar zu finden sind. Aufschlussreich ist ebenso die Entwicklung, die das Land wirtschaftlich und politisch in diesem Zeitraum erfährt. Wenn man auch das Ende der Geschichte versöhnlich empfindet, der sich daran anschließende Epilog berichtet realistisch von den Tatsachen.

Fazit: Obwohl der Tenor des Buches überwiegend düster und melancholisch ist und auch einige detaillierte Gewaltszenen enthalten sind, ist die Geschichte dennoch lehrreich und durchaus lesenswert.

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Veröffentlicht am 29.04.2025

Oft trügt der Schein

Wut und Liebe
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Camilla ist es leid ihren Freund Noah, ein bisher erfolgloser Maler, mit ihrem Gehalt weiter durchzufüttern. Sie hat sich ein besseres Leben erhofft und trennt sich von ihm, obwohl sie ihn immer noch liebt. ...

Camilla ist es leid ihren Freund Noah, ein bisher erfolgloser Maler, mit ihrem Gehalt weiter durchzufüttern. Sie hat sich ein besseres Leben erhofft und trennt sich von ihm, obwohl sie ihn immer noch liebt. Noah leidet sehr unter der Trennung und möchte Camilla unbedingt wieder zurück haben, weiß aber, dass ihm dies nur gelingt, wenn er ihr ein sorgloses Leben bieten kann. Da kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Die Lösung seines Problems könnte Betty Hasler, eine reiche ältere Dame, sein. Sie bietet ihm viel Geld für das Beseitigen von Peter W. Zaugg, einem Kunstsammler und Unternehmensberater, den sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht. Noah kommt ins Grübeln. Soll er weiterhin auf seinen Durchbruch als Maler warten oder auf das Angebot der alten Dame eingehen?

Martin Suter ist ein Schweizer Schriftsteller, der 1948 in Zürich geboren wurde und seit 1991 zunächst als Autor von Kolumnen für diverse Magazine und Tageszeitungen arbeitete. Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm 1997 mit seinem ersten Roman Small World, der im Diogenes Verlag erschien und der, ebenso wie alle seine Romane bisher, auch international sehr erfolgreich war. Seit 2011 lässt er außerdem den Gentleman-Gauner Allmen in einer Krimi-Reihe ermitteln, von der derzeit sieben Bände vorliegen. Suters zweite Frau verstarb 2023 – heute lebt er mit seiner Tochter in Zürich.

Wie weit ist Noah bereit zu gehen? Wird er für seine Liebe alle moralischen Bedenken über Bord werfen? Das Buch entwickelt einen Sog, in den man als Leser unweigerlich hinein gezogen wird. Mit wachsender Spannung verfolgt man Noahs verzweifelte Anstrengungen, einen Mord unbemerkt ausführen zu können. Suter gelingt es dabei großartig, die zwiespältigen Gefühle und inneren Konflikte seiner Protagonisten einzufangen und zu Papier zu bringen. Sein klarer und präziser Schreibstil, seine überzeugend reale Darstellung der verschiedenen Charaktere und nicht zuletzt das äußerst klug gestaltete Ende machen das Lesen dieses Buches zum Vergnügen.

Fazit: Ein Buch, das ich mit voller Überzeugung weiter empfehlen kann!

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Veröffentlicht am 19.04.2025

Der Nebel des Vergessens

Der begrabene Riese
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Britannien vor vielen hundert Jahren: Der große Krieg gegen die Sachsen ist beendet, die Leute leben in kleinen Gruppen in abgelegenen Siedlungen. Sie haben alles vergessen, was zuvor war, denn über dem ...

Britannien vor vielen hundert Jahren: Der große Krieg gegen die Sachsen ist beendet, die Leute leben in kleinen Gruppen in abgelegenen Siedlungen. Sie haben alles vergessen, was zuvor war, denn über dem Land liegt ein seltsamer Nebel, der ihnen die Sinne verwirrt und ihre Gedanken an früher auslöscht. Verbunden durch ihre große Zuneigung können sich Axl und Beatrice, ein betagtes Paar, jedoch noch dunkel an Vergangenes erinnern. Sie haben einen Sohn, den sie gerne noch einmal sehen würden. So verlassen sie eines Tages ihre Dorfgemeinschaft und begeben sich auf eine Wanderschaft, die sie zu ihrem Sohn führen soll. Unterwegs begegnen sie Drachen, Bestien und Rittern der Tafelrunde. Diese kämpfen und besiegen letztendlich das alte Ungeheuer, das den Nebel des Vergessens über das Land gelegt hat. Die Erinnerungen kehren zurück – ob das wohl von Vorteil für Axl und Beatrice und für die Menschheit sein wird? …

Kazuo Ishiguro wurde 1954 in Nagasaki geboren. Bereits 1960 zog seine Familie nach England – und blieb dort. Schon während seines Studiums in Englisch und Philosophie machte er die Literaturszene mit Kurzgeschichten auf sich aufmerksam. Inzwischen schrieb er mehrere Romane, für die er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt und die auch teilweise verfilmt wurden. Der Autor ist seit Jahrzehnten britischer Staatsbürger, seit 1986 verheiratet und lebt in London.

„Der begrabene Riese“ ist der siebte Roman des Autors. Er erschien zehn Jahre nach seinem großen Erfolg „Alles, was wir geben mussten“. Die Kritiken waren negativer als bei seinen Vorgängern, was hauptsächlich auf das Genre Fantasyroman zurückzuführen ist. Die Handlung ist im fünften oder sechsten Jahrhundert, zur Zeit der Artussage mit Hintergrund der Kriege gegen die Angelsachsen, angesiedelt. Es war eine Zeit, in der die Menschen an Geister, Dämonen und Fabelwesen glaubten und sich von ihnen beherrschen ließen.

Es ist ein Roman über das Vergessen und das Erinnern. Wann ist es besser zu vergessen und wann ist es besser, sich zu erinnern? Diese Frage wird auf mehreren Ebenen behandelt. Den Protagonisten Axl und Beatrice fehlt die Erinnerung an ihre Liebe, an ihr gemeinsames Leben und an ihren Sohn – der Krieger Wistan und der alte Ritter Gawain sind politische Gegenspieler. Während Wistan den „begrabenen Riesen“ wieder zum Leben erwecken will, um vergangene Untaten aufzudecken und Rache walten zu lassen, möchte Gawain den Mantel des Vergessens über begangenes Unrecht decken, damit die alten Wunden heilen können.

Die Figuren sind psychologisch vielschichtig angelegt und in ihren Handlungsweisen oft widersprüchlich. Das gespaltene Land, die Trostlosigkeit der Menschen und der über allem liegende Nebel des Vergessens schaffen eine bedrückende Atmosphäre, die durchweg anhält und zum Nachdenken anregt. Zugegeben, die Geschichte hat einige Längen und zieht sich bisweilen sehr dahin, aber durchhalten lohnt sich allemal, da es gegen Ende noch richtig spannend wird.

Fazit: Wer Geschichten von Drachen, Menschenfressern und Ungeheuern mag, wird diesen Roman lieben – für mich war es doch etwas zu viel Fantasy.

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