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Veröffentlicht am 21.03.2024

Ein Roman zum Mitfühlen und Mitdenken

Zeit der Schuldigen
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Volker März hat eine Siebzehnjährige vergewaltigt und danach bestialisch auf sie eingestochen. Das steht jedenfalls mehrere Jahrzehnte später eindeutig fest. Denn erst da reicht aufgrund des technologischen ...

Volker März hat eine Siebzehnjährige vergewaltigt und danach bestialisch auf sie eingestochen. Das steht jedenfalls mehrere Jahrzehnte später eindeutig fest. Denn erst da reicht aufgrund des technologischen Fortschritts die Auswertung der Spuren am Mordopfer juristisch für eine Verurteilung aus.
Trotzdem bleibt März ein freier Mann. Er wird nicht verurteilt. Da die Beweislage im damaligen Prozess nicht ausreichend war und ein Freispruch erfolgte, kann er nicht ein zweites Mal für denselben Tatbestand vors Gericht zitiert werden.
Ist dies nicht ungeheuerlich? Wird da nicht die Gerechtigkeit mit Füßen getreten? Oder schützt dieser in Deutschland geltende Rechtsgrundsatz einfach alle Bürgerinnen oder Bürger vor einer lebenslangen Verfolgung durch die Justiz für denselben Tatvorwurf? Muss nicht ein einmal erfolgter Richterspruch ein für alle Mal Gültigkeit haben.

Um diese Kernfrage dreht sich Markus Thieles Roman „Zeit der Schuldigen“, der sich am wahren Fall der Frederike von Möhlmann orientiert.
Der Roman ist aber kein Gerichts- und Prozessroman, kein Austauschen von Argumenten und Gegenargumenten, die von Anwälten, Staatsanwälten, Richtern sowie anderen Prozessbeteiligten vorgebracht werden.
Dieser Roman lässt einen in die Gefühle, Gedanken und die Zeit der Betroffenen schlüpfen. Die Achtziger erstehen wieder auf und mit ihnen verschiedene Figuren, welche die Ungerechtigkeit des Rechtssystems nicht dozierend aussprechen, sondern die Leserin und den Leser spüren lassen: der tief getroffene Vater der getöteten Nina, der engagierte Polizist Margraf, der März damals verhaftet hat und seinen Freispruch erleben musste und nicht zuletzt die Polizistin Anne, die in der Gegenwart eine ganz persönliche Rechnung mit dem Täter begleichen will – mehr als 40 Jahre nach der Tat.
Dem Autor gelingt es durchweg, stimmige Details in seine Schilderung der Figuren und Szenen zu verweben. Die kalte, Prozessregeln abarbeitende Gerichtsmaschinerie wird so genauso spürbar wie der Wunsch des Umfeldes von Nina, Gerechtigkeit zu erfahren. Obwohl man ahnt, dass der Roman kein anderes Ende nimmt als der wahre Verlauf der Geschichte, erwischt man sich immer wieder dabei, doch noch auf eine Wendung zu hoffen, das Happy End herbeizusehnen.
Dieser Roman regt zum Mitfühlen und zum Mitdenken an.

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Veröffentlicht am 17.12.2023

Greg in der Schule - sehr witzig und sehr monothematisch

Gregs Tagebuch 18 - Kein Plan von nix
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Zum Inhalt

Auf Greg Heffleys Schule läuft’s nicht rund: Bei einem Test belegte die Bildungsanstalt den letzten Platz im gesamten Bundesstaat. Das verwundert nicht – denn im Unterricht wird der Lehrplan ...

Zum Inhalt

Auf Greg Heffleys Schule läuft’s nicht rund: Bei einem Test belegte die Bildungsanstalt den letzten Platz im gesamten Bundesstaat. Das verwundert nicht – denn im Unterricht wird der Lehrplan nicht sehr penibel umgesetzt. So lässt sich die Bald-Pensionärin Mrs Lacky von der Klasse in Sozialwissenschaften das beste Angebot für ihre Ruhestandskreuzfahrt austüfteln, die Geometrielehrerin diskutiert am liebsten über ihren neuen Hund und der Naturwissenschaftspauker klärt über die Zusammensetzung von Fürzen auf.
Das hat Folgen: Nach dem Testergebnis werden einige neue Ideen umgesetzt. Sponsoren mischen nun im Schulbetrieb kräftig mit. Für erfolgreiche Schüler werden Anreize in Form der Mitgliedschaft im Überfliegerclub geschaffen, was für die Mitglieder zum Beispiel mehr Beinfreiheit im Unterricht zu Folge hat.
Trotzdem droht die Schließung der Schule. Ein neuerlicher Test soll darüber entscheiden. Und Greg fragt sich, was aus ihm und seiner Schulkarriere werden soll.

Meine Meinung

Wieder gelingt es dem Jeff Kinney, aktuelle gesellschaftliche Strömungen durch witzige Pointierungen in eine Geschichte und in Bilder zu fassen.
Aus Geldnot müssen die Schüler Nudeln aus der Mensa statt Bandwürmer zensieren, in der Mensa werden mit Karamell überzogene Tofu-Hotdogs angeboten und der Lateinlehrer bringt eine Fantasiesprache bei, da er eigentlich gar kein Latein kann! Das brachte mich nicht nur zum Schmunzeln, sondern ließ mich manchmal auch mehr als das Fünkchen Wahrheit entdecken: Mangelnde Schulausstattung, die Fokussierung auf Gesundheitstrends und unausgebildete Seiteneinsteiger als Lehrkräfte sind nur manche der Entwicklungen, die nicht nur in den USA zu beobachten sind.
Bei diesem Band der Reihe steht meiner Meinung nach die Thematik Schule im Vordergrund. Sie dominiert fast vollständig die gesamte Handlung. Von der Schule unabhängige Erlebnisse Gregs in der Familie oder mit seinen Freunden sind so gut wie nicht zu finden. Selbst das Date Gregs mit seiner Flamme führt letztendlich zu einschneidenden Folgen für den Schulstandort.
Die Auflösung am Ende kommt bei mir am Ende etwas zu schnell, besonders im Vergleich zur ausführlichen Darstellung der Probleme in Gregs Schule.
Ansonsten aber hat mir dieser Comic-Roman mit seiner Figurenzeichnung und seinem Witz wieder sehr gut gefallen – wenn er diesmal auch ein reines Schul-Special war.

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Veröffentlicht am 02.08.2023

Düstere Geheimnisse im Marschland

Düstergrab
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Zur Handlung

Es könnte alles so schön sein: Kommissarin Frida Paulsen ist Teil der Mordkommission Itzehoe, wohnt in ihrem Elternhaus und darf somit in der heimatlichen Elbmarsch leben und arbeiten.

Doch ...

Zur Handlung

Es könnte alles so schön sein: Kommissarin Frida Paulsen ist Teil der Mordkommission Itzehoe, wohnt in ihrem Elternhaus und darf somit in der heimatlichen Elbmarsch leben und arbeiten.

Doch die einzigartigen Glücksmomente fehlen durchweg am Beginn des neuen Falles: Die spannenden Fälle im Team bekommt Kollege Leonard Bootz zugeschustert, ihr vertrauter Partner Bjarne Haberkorn wirkt nun weit weg in Kiel bei der Cold Case Unit und bei schlechtem Wetter wird ein jung verstorbener Schulfreund der Kommissarin auf dem Dorffriedhof beigesetzt.

Zu diesem Szenario passt der Titel „Düstergrab“ vortrefflich; noch düsterer wird die Angelegenheit, als am nächsten Tag eine Mädchenleiche im Grab des frisch Bestatteten entdeckt wird und bald darauf Bootz durch einen Heckenschützen verletzt wird.

Einziger Lichtblick im Düsteren ist für Frida Paulsen, dass Bjarne Haverkamp bald wieder zu ihrem Arbeitspartner wird. Denn die Mädchenleiche im Grab könnte einer der beiden Zwillingsschwestern sein, die vor einigen Jahren verschwunden sind und bisher nicht mehr auftauchten – ein Cold Case für Haverkorn also.

Mehr oder weniger wieder heiß werdende Spuren führen zu den früheren Pflegeeltern der Schwestern, einem Biologen, der die Blätter von Eichen analysiert, und zu einem Ehepaar mit einer sehr außergewöhnlichen Lebensform und Vergangenheit.

Meine Meinung

Die beiden Hauptfiguren konnten schnell meine Sympathie gewinnen. In ihrem Alltagsleben schlagen sie sich eben auch mit Alltagsproblemen herum, die man selbst kennt oder nachvollziehen kann – und nicht mit existentiellen Fragen, schwerer Alkoholsucht oder ausgewachsenen Depressionen, wie das in anderen Krimis oft unabdingbar zu sein scheint.

So fragt sich Frida, ob sie ihren Freund Torben, der gerade beruflich in Bayern weilt, dazu bewegen kann, im elterlichen Haus eine gemeinsame Wohnung auszubauen. Und Haverkorn schlägt sich mit der Gewöhnung an das vegetarische Essen seiner Tochter Henni herum.

Auf diese Weise bleibt genug Zeit und Raum für die Darstellung der Ermittlungsarbeit; hier gibt es ja Dramatisches genug zu berichten. Die Ereignisse werden sehr gut nachvollziehbar dargestellt. Obwohl bald eine große Riege an Personal aufgefahren wird, weiß der Leser und die Leserin jederzeit, von wem da gerade die Rede ist: Da wird beispielsweise nicht einfach nur der Name „Judith Mehring“ fallen gelassen, der schon eingeführt ist, sondern vorsorglich ergänzt: „Ach so, die Kollegin von Bootz, mit er was gehabt hat“. Und schon ist man wieder orientiert!

Die Auflösung des Falles hat mir gut gefallen: Einige Haken werden geschlagen, bis dann doch die plausible, aber unerwartete Enthüllung vorgenommen wird. Am Ende geht es auf jeden Fall Schlag auf Schlag mit den Wendungen und neuen Erkenntnissen, sodass die Seiten sich fast von alleine umblättern.

Wäre aber nicht nur für die falschen Fährten, sondern auch für die richtige die ein oder andere Spur im Vorfeld gelegt worden, hätte ich die Auflösung noch beeindruckender gefunden.

Die so liebenswert sympathische Zeichnung der Figuren hätte zudem noch hin und wieder etwas mehr Tiefe vertragen können, ohne gleich drastische Schicksalsschläge für die Protagonisten beschwören zu müssen. Frida etwa macht sich gelegentlich Sorgen, ob der Beruf der Polizistin der richtige für sie sei. Diese Sorgen sind aber nach wenigen Abschnitten wieder vorbei, als könnte sie diese an- und ausschalten.

Das sind aber nur kleine Kritikpunkte an einem insgesamt gut gelungenen und fesselnden Krimi.

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Veröffentlicht am 04.07.2023

Beziehung, Sex und Abenteuer

Neon Gods - Helena & Achill & Patroklos
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Zum Inhalt

Ares ist tot - und das Amt des Sicherheitschefs von Olympus wird neu ausgeschrieben. Unter den Bewerbern sind Helena, Achill und Patroklos. In drei zum Teil lebensgefährlichen Wettkämpfen soll ...

Zum Inhalt

Ares ist tot - und das Amt des Sicherheitschefs von Olympus wird neu ausgeschrieben. Unter den Bewerbern sind Helena, Achill und Patroklos. In drei zum Teil lebensgefährlichen Wettkämpfen soll der nächste Ares ermittelt werden.

Während Patroklos von Anfang an plant, nur als Unterstützer seines ehrgeizigen Freundes Achill mitzuwirken, verändert sich die Beziehung Helenas zu den beiden Freunden im Laufe der Zeit.
Sind sie am Anfang nur Konkurrenten, die es auszuschalten gilt, entwickelt sich zwischen den drei Protagonisten bald eine mehr als nur lockere Beziehung – in jeder Hinsicht!

Die Figuren

Eines vorneweg: Die Figuren tragen allesamt Namen aus der griechischen Sagenwelt. Der dritte Band der Dark-Olympus-Reihe ist aber wie seine Vorgänger keine Umsetzung der antiken Sagenerzählungen in Romanform. Die griechischen Götter, Halbgötter und Helden leihen den Figuren von Katee Roberts nur ihre Namen und grundlegenden Eigenschaften. Die Handlung jedoch wird in modernem Kleide neu gesponnen.

Helena beispielsweise, im antiken Mythos als schönste Frau der Welt vertreten, besticht auch in den Neon Gods durch ihr umwerfendes Äußeres. An einem glamourösen Lebensstil mangelt es ihr ebensowenig wie an einflussreichen Beziehungen. Das genügt ihr aber nicht: Sie ist es leid, nur ein Spielstein im Machtgeflecht der „Dreizehn“ zu sein. Angeführt vom aktuell amtierenden Zeus, Helenas Bruder Perseus, bestimmt dieser Kreis die Geschicke von Olympus. So kommt Helena der Tod des letzten Ares gerade recht – und sie will sich auf das Amt bewerben. So kann sie endlich selbst am Steuerrad der Politk drehen.

Das ist ebenfalls das Ziel von Achill. Im mangelt es von Hause aus nicht an Selbstbewusstein. Dass er das Amt erringt, scheint ihm nur eine Formalität zu sein, zumal sein Freund und Partner Patroklos ebenfalls am Wettkampf teilnimmt.

Letzter gilt als Stratege; seine geistige Brillanz will er nicht in erster Linie für sich selbst einsetzen. Er plant und denkt für Achill mit.

Dass Zeus aus heiterem Himmel Helena als kostenlose Dreingabe für den nächsten Ares auslobt – sie soll als Ehefrau desselben dienen, macht die Ausgangslage für alle Hauptfiguren nicht leichter
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Die Handlung

Drei große Bausteine tauchen in der Handlung dieses Romans immer wieder auf:

Zum Einen sind da die spannungsgeladenen Wettkämpfe. Als Zwischenetappen und Höhepunkte markieren sie drei Meilensteine auf dem Weg zum Ares-Titel. Die Leserin und der Leser erlebt drei adventure-artige Sequenzen und letztendlich die Entscheidung: Wer wird der oder die neue Ares?

Dazwischen werden immer wieder die Beziehungen zwischen den drei Hauptfiguren thematisiert: Alle drei machen sich, gerne in Form innerer Monologe, sehr viele Gedanken über ihre gegenseitigen Beziehungen. Die Frage, welche Handlung welche Konsequenz in der Beziehung zu den zwei anderen Konkurrenten in Zukunft haben wird, nimmt Achill, Helena und Patroklos sehr ein. In diesen Passagen wird die äußere Handlung kaum vorwärts getrieben.

Und schließlich landen – das ist der dritte charakteristische Handlungsblock – die Figuren immer wieder im Bett. In dieser Hinsicht bleibt es nicht bei Metaphern: Alle Details der Liebesspiele werden sehr ausführlich geschildert.

Meine Meinung

Der sehr viel Spannung verheißende Beginn des Geschehens löst diesen Anspruch nicht durchgehend ein: Sehr bald wird der Fokus, der am Anfang auf die schillernde und pulsierende Olympuswelt mit all ihren interessanten Figuren und Beziehungen gerichtet ist, fast nur noch auf Achill, Patroklos und Helena gelenkt. Andere Figuren erscheinen nur am fernen Horizont.
Man bewegt sich sehr oft im Gedankendunstkreis dieser Drei. Die Wettkämpfe bieten hier eine willkommene Unterbrechung der Gedankenmühlen, sind aber rasch abgearbeitet und nicht mit so viel Hingabe geschildert wie die Beziehungserörterungen zuvor.

Wer sich gern in die zwischenmenschlichen Beziehungen emotionaler und körperlicher Art hineindenkt, ist mit diesem Roman gut bedient. Wer vor allem als Fan der antiken Götterwelt oder in Erwartung eines ausgefeilten Handlungsbogens zum Roman greift, könnte enttäuscht werden.

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Ein Krimi mit Drive

Racheherz. Der Schrecken in dir
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Zum Inhalt

Eine Frau und zwei Männer aus dem Raum Frankfurt haben nicht nur ihr jugendliches Alter gemeinsam: Um ihr 18. Lebensjahr herum kommen sie von einem geordneten Lebensweg ab, mit Drogen in Kontakt ...

Zum Inhalt

Eine Frau und zwei Männer aus dem Raum Frankfurt haben nicht nur ihr jugendliches Alter gemeinsam: Um ihr 18. Lebensjahr herum kommen sie von einem geordneten Lebensweg ab, mit Drogen in Kontakt und nun kurz hintereinander auf teilweise grausame Weise ums Leben.

Hauptkommissar Jack Diehl vom LKA Wiesbaden muss mit seinem Team klären, ob diese Parallelen Zufall sind. Noch mehr aber ist zu Beginn unklar: sei es die Identität der drei Toten, ihre gegenseitige Beziehung, die dubiose Rolle des Innenministers oder die Frage, wie das Ermittlerteam mit dem dominanten und brüsken Führungsstil der neuen Kommissariatsleiterin zurechtkommt.

Außer der neuen Chefin sorgt auch noch anderes für Spannungen im Umfeld des „Cowboys“ Diehl: Mit der Profilerin Hendricks und der Tatortfotografin Benevides verbindet ihn nicht nur Berufliches. Und Diehls zwielichtiger Vater hat diesem Fall ebenfalls seine Finger im Spiel.

Meine Meinung

Wie schon im ersten Band der Jack-Diehl-Reihe nimmt auch hier im Folgeband die Handlung ähnlich schnell Fahrt auf, wie Jack Diehl mit seinem gelben Porsche durch Frankfurt und Wiesbaden rast. Keine langen Schnörkel und Einleitungen stören das Lesevergnügen; die Figuren charakterisieren sich vor allem dadurch, was sie sagen und wie sie handeln, und eben nicht durch langatmige Beschreibungen. Mit meist knappen, aber treffenden Sätzen ist man sofort im Plot und der Stimmung der jeweiligen Szene. Die große Stärke sind die lebendigen Dialoge
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Man könnte meinen, die neue Chefin Oreana Massoudi spricht auch über den Erzählstil des Thrillers, als sie sich selbst vorstellt: „Ich bin für klare Ansagen, und ich hasse Umwege.“

Jack Diehl zeigt ebenfalls klare Kante: Seine Vorliebe für Whisky, Frauen und seinen 119 stehen ebenso wenig zur Disposition wie die Abneigung gegen seinen Vater. Erfrischend ist, dass neben dem handelsüblichen Krimipersonal eine Tatortfotografin in den erweiterten Kreis der Hauptfiguren Aufnahme findet. Das ist mal etwas anderes als der altbekannte exzentrische Forensiker oder der bleiche und picklige Computer-Nerd im Team, die man nur allzu oft in anderen Krimis gesehen hat.

Alle wichtigen Figuren sind gut gezeichnet, haben ihr klares Profil, ihre Macken und Eigenheiten und zeigen durchaus verschiedene Facetten. Ich hätte mir aber gewünscht, dass sie häufiger und überzeugender aus dem vorgegebenen Rahmen ausbrechen. Profilerin Viola Hendricks, Diehls Ex, hat gewichtige Gründe zur Eifersucht. Trotzdem kommt es mir so vor, als hätte sie diesbezüglich nur hin und wieder eine leichte Magenverstimmung, die schnell vorübergeht.

Neuchefin Massoudi schwingt von Anfang an die Peitsche, tritt dann aber für meinen Geschmack recht selten in Erscheinung. Hier wäre es spannender gewesen, auch eine schwache, sensible Seite von ihr viel häufiger dagegenzusetzen.

Die gelungene Konstruktion der Handlung machen die kleinen Schwächen in der Figurenzeichnung aber wieder wett: Die verschiedenen Handlungsstränge werden am Ende gekonnt zusammengebaut; alles fügt sich zu einem stimmigen Mosaik.

Immer wieder wird die Perspektive gewechselt: Man verfolgt nicht nur die Ermittlungen, sondern zum Teil auch die Morde, die Aktionen der Verdächtigen, die mysteriösen Telefonate mit dem Innenminister. All diesen verschiedenen Handlungsebenen konnte ich jederzeit gut folgen, ohne am Anfang zu ahnen, welche Rolle die Figur bei der Auflösung spielen wird.

Fazit

Auf den Spuren des Cowboys Jack Diehl bleibt es für den Leser auch im 2. Band sehr spannend: Mit ordentlich Drive fahren Diehl und sein Ermittlerteam durch den Fall. Der souveräne Erzählstil nimmt den Leser mit auf diese kurzweilige Fahrt durch den Raum Frankfurt. Wer den ersten Band kennt, wird keine Überraschung bei der Figurenzeichnung erleben, kann sich aber auf die alten Vertrauten aus dem Vorgängerband und gute Krimiunterhaltung freuen.

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