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Veröffentlicht am 31.08.2019

Preisgekrönte anspruchsvolle Erzählung

Der hinkende Rhythmus
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Zum Inhalt: Laut Klappentext ist "Der hinkende Rhythmus" eine Erzählung "von Begehren, Rache, der Macht der Musik und den Abgründen einer unmöglichen Liebe"; ein "ungewöhnliche(r) Liebesroman".
Den Inhalt ...

Zum Inhalt: Laut Klappentext ist "Der hinkende Rhythmus" eine Erzählung "von Begehren, Rache, der Macht der Musik und den Abgründen einer unmöglichen Liebe"; ein "ungewöhnliche(r) Liebesroman".
Den Inhalt in beschreibende Worte zu fassen, sehe ich persönlich mich kaum im Stande. Ist das Buch doch außergewöhnlich und philosophisch. Ein Versuch von Objektivität: Es ist eine gesellschaftskritische Geschichte über den Rhythmus des Lebens, eine Geschichte der Unvollkommenheit.

Leseeindruck: Der Roman wurde von seiner Autorin im Original "Aksak Ritim" getauft. Dieser in der türkischen Musik durchaus gebräuchliche "hinkende Rhythmus", wirkt auf westliche Ohren zunächst befremdlich. Als wäre an dem damit unterlegten Musikstück etwas fehlerhaft und irgendwie "unvollkommen". Letzteres Adjektiv hätte m.E. ebenfalls wunderbar in den Titel gepasst. Denn beim nachsinnen über das Buch, kam mir folgendes Zitat in den Sinn:
"Es sind nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen, welche der Liebe bedürfen. Wurde einem eine Wunde zugefügt, sei es durch die eigene oder durch fremde Hand, dann sollte die Liebe herannahen und ihm Heilung schenken – aus welchem Grunde sonst existierte die Liebe?"
(Oscar Wilde)

Die kribbelnde Spannung, herauszufinden was dieses Zitat für den Roman bedeutet, überlasse ich Dir, lieber zukünftiger Leser.

Mich hat Gaye Boralıoğlu mit ihrem Erzählstil in den Bann ihrer Protagonisten gezogen. Sie paart Substantive mit unerwarteten Adjektiven, lässt ihre Leser innehalten, nachdenken und nicht immer gänzlich verstehen. Frau Boralıoğlu, als studierte Philosophin, versteht es ihre Leser gemeinsam mit ihren erdachten Charakteren durch eine ganz eigene Atmosphäre Istanbuls wandeln zu lassen.

Durch den Zufallskauf ihres Bandes "Die Frauen von Istanbul" (im Original "Mübarek Kad nlar", 2015 mit dem Yunus Nadi Preis für Kurzgeschichten ausgezeichnet) habe ich Gaye Boralıoğlu lesen und schätzen gelernt. Als logische Konsequenz, erwarb ich begeistert ein weiteres Buch von ihr, nämlich das hier besprochene. Von diesem wurde ich auf eine zauberhafte Art gefesselt und zugleich mit geistigen Flügeln bestückt. Mein Gefühl in literarischen Werken zu schweben, kannte ich bisher nur durch Lektüre von Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann. Ich wage zu glauben, dass die (späte) Gruppe 47 Gaye Boralıoğlu gern gefördert und zu den ihren gezählt hätte.


Fazit: Wer sich an Gaye Boralıoğlus hintergründige Erzählung un-vollkommenener Liebe heran wagt, der darf mannigfaltige Schicksale eines poetischen Istanbuls kennen lernen. Für diesen 2009 erschienenen Roman wurde die Autorin mit dem Literaturpreis Notre Dame de Sion ausgezeichnet.
Absolut lesens- und erlebenswert.

Veröffentlicht am 03.08.2019

Schlagfertige Emanzipation at its best

Netzgeflüster
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Gestatten: Lena, 30, Zahnmedizinerin, Single, der die „Leichtigkeit des Seins (…) abhandengekommen“ (S. 14) ist.

Wie erlangt man Letzteres wieder? Leckeres Essen oder Diätplan? Wasser oder Wein? Fitnessstudio, ...

Gestatten: Lena, 30, Zahnmedizinerin, Single, der die „Leichtigkeit des Seins (…) abhandengekommen“ (S. 14) ist.

Wie erlangt man Letzteres wieder? Leckeres Essen oder Diätplan? Wasser oder Wein? Fitnessstudio, Wellness, Shoppen?  Fachlektüre, Liebesromane oder Lifestyle-Magazine? Sich selbst treu bleiben oder mutig den eigenen Typ verändern? Überzeugter Single sein oder in eine Beziehung starten? Oder gibt’s gar eine ausgewogene Mischung aus all dem? Freundinnen können sich da als hilfreich entpuppen – wenn man sie lässt. Und Männer … tja, die können einen himmelhoch jauchzen lassen und zu Tode betrüben, wie auch Lena erfahren darf. Online Dating-Portale mit fleißig werbenden Männchen tun dabei ihr übriges. Wen man da so alles kennen lernt …

Fertig ist der spritzige Liebesroman mit viel frechem Humor, einer wunderbaren, schlagfertigen Protagonistin und garantierten „Genau so geht’s mir auch!“-Momenten für die Leserinnen. Unterhaltsam vom Anfang bis zum Ende, nur ein echter Spannungsbogen baut sich leider recht spät auf. Dafür einen Stern Abzug. Der Stil der Autorin ist beschwingt, kurzweilig und zaubert ein heiteres Lesevergnügen für uns Mädels.

Veröffentlicht am 03.08.2019

Zufallskauf mit Wow-Effekt

Die Quintessenz von Staub
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„Die Quintessenz von Staub“, klassisch Belesene werden wissen, wer oder was damit gemeint ist. Alle anderen – inklusive mir – erfahren es zu Beginn des Romans und wundern sich dann womöglich umso mehr, ...

„Die Quintessenz von Staub“, klassisch Belesene werden wissen, wer oder was damit gemeint ist. Alle anderen – inklusive mir – erfahren es zu Beginn des Romans und wundern sich dann womöglich umso mehr, wo denn dieser Titel hinführen soll.

Am Anfang scheint eine Liebesgeschichte zu stehen, die der Leser aber nicht so ganz wahrhaben will. Und dann begreift man plötzlich das menschliche Drama, hinter all der Science(-Fiction) und durchblickt den Psychothriller, der sich da abspielt und schließlich … soll hier nicht gespoilert werden.

Die Autorin hat u.a. Psychologie studiert und nutzt dieses Wissen meisterhaft, um ihre Charaktere zu formen und die Leserschaft zu fesseln.

Wer Neugierde verspürt, dem sei empfohlen: Lies, es lohnt sich.

Veröffentlicht am 31.07.2019

Pratchettesk

Dünenweise Schnäppchenpreise
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Wenn man es „kafkaesk“ nennt, im Stile und Geiste Franz Kafkas zu schreiben, so lautet das äquivalente Adjektiv für den wunderbaren Terry Pratchett wohl „pratchettesk“. Und genau dieses Wort ist mir mehrmals ...

Wenn man es „kafkaesk“ nennt, im Stile und Geiste Franz Kafkas zu schreiben, so lautet das äquivalente Adjektiv für den wunderbaren Terry Pratchett wohl „pratchettesk“. Und genau dieses Wort ist mir mehrmals durchs erstaunte Hirn gegeistert, als ich Meike Möhles „Dünenweise Schnäppchenpreise“ las.

Kennengelernt hatte ich Frau Möhle und ihre Bücher zufällig bei einem Stadtfest, auf dem sie und andere Autoren aus ihren neuesten Werken vorlasen.

Fazit: Wer Terry Pratchett kennt, der wird Meike Möhles Erzählungen neugierig verschlingen. Und wer beide noch nicht kennt, der ist in der glücklichen Situation sich aussuchen zu dürfen, in wessen Bann er sich zuerst ziehen lassen möchte.

Klare Lese- und Genussempfehlung.

Veröffentlicht am 31.07.2019

Nicht Fisch, nicht Fleisch

mySPANKING
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In „mySPANKING“ berichtet eine Mittfünfzigerin über ihren Einstieg ins und ihre Erfahrungen mit Spanking.

Es ist kein rechtes Sachbuch, aber auch kein interessanter Roman. Ich vermisse sowohl über das ...

In „mySPANKING“ berichtet eine Mittfünfzigerin über ihren Einstieg ins und ihre Erfahrungen mit Spanking.

Es ist kein rechtes Sachbuch, aber auch kein interessanter Roman. Ich vermisse sowohl über das gesamte Buch hinweg, als auch innerhalb der einzelnen Kapitel einen wirklichen Spannungsbogen. Der Stil der Autorin und der fast immer gleiche Kapitelaufbau werden rasch eintönig.
Als Einstieg in die Spanking-/BDSM-Szene fände ich das Buch bedenklich, da z.B. gängige Sicherheitsvorkehrungen nur am Rande erwähnt werden oder gleich ganz fehlen. Da gibt’s weitaus bessere Sachbücher, Ratgeber und Romane für Neugierige.

Fazit: Da es weder ernstzunehmendes Sachbuch, noch interessant aufgebauter Roman ist, kann ich mir leider keine Zielgruppe für dieses Werk vorstellen.