Profilbild von LuckyLucy

LuckyLucy

aktives Lesejury-Mitglied
offline

LuckyLucy ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit LuckyLucy über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2025

Emotionale Achterbahnfahrt mit den Friesenhofschwestern

Der Friesenhof
0

Mit „Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist der zweite Teil der Teehändler-Saga von Fenja Lüders erschienen. In dem Roman beweisen die starken Frauen der Familie de Fries trotz zahlreicher Differenzen und ...

Mit „Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist der zweite Teil der Teehändler-Saga von Fenja Lüders erschienen. In dem Roman beweisen die starken Frauen der Familie de Fries trotz zahlreicher Differenzen und furchtbarer Schicksalsschläge jede Menge Zusammenhalt: Während Hanna mit ihrem Mann Tomek den familiären Hof führt und ihr zweites Kind erwartet, hat ihre Schwester Gesa sich bei ihrer Arbeit im Teekontor unentbehrlich gemacht. Aber auch ihr eigenes Teekontor entwickelt sich überraschend schnell und die heimliche Beziehung zu ihrem verheirateten Chef Keno wird immer intensiver. Doch dann taucht nach 10 Jahren Kriegsgefangenschaft überraschend Gesas Verlobter Gerold auf dem Friesenhof auf. Zusätzlich sorgt die scharfe Zunge der oft schlecht gelaunten ältesten Schwester Helga für Konfliktpotenzial, sodass Tanti mit ihrer direkten Art und ihrer Lebenserfahrung einige Wogen zu glätten hat.
Das Cover passt gut zum Inhalt des Buches und macht die Zusammengehörigkeit mit dem Auftaktband der Saga auf den ersten Blick deutlich. Im Vordergrund sind zwei Frauen zu sehen, die vermutlich die Protagonistinnen Hanna und Gesa darstellen. Etwas unscharf im Hintergrund ist der von Bäumen umgebener Hof zu erkennen, eingerahmt vom blau-weißen Muster eines friesischen Teeservices.
Obwohl ich den ersten Teil noch nicht gelesen habe, was ich zweifelsfrei nachholen muss, bin ich problemlos in die Geschichte eingestiegen. Dass Fenja Lüders vollkommen zurecht zu meinen Lieblingsautorinnen zählt, beweist sie auch mit diesem Buch eindrucksvoll. Sie legt den Fokus der Erzählperspektive mal auf Gesa, mal auf Hanna und transportiert das authentisch wirkende Geschehen ohne Effekthascherei. Dabei aber so eindringlich, dass ich vollkommen von der Handlung vereinnahmt mit den Schwestern gehofft, gebangt, gelitten und mich gefreut habe. Damit erklärt sich auch, das für eine Familiengeschichte vergleichsweise hohe Spannungsniveau, dass zum Schluss in einem überraschenden und absolut mitreißenden Höhepunkt gipfelt. Als Leser kann man nur schwer vorausahnen, was in diesen schweren Zeiten als nächstes passiert, auf welche Art das Schicksal der Familie mitspielt oder ob es ein Happy End gibt. Gern wäre ich beim Lesen auch noch näher an die dritte Schwester im Bunde herangerückt, die aber erzählerisch hinter Hanna und Gesa zurücksteht.
Ebenso wie die Handlung wirken auch die Figuren des Romans mit ganz individuellen Charakterzügen äußerst authentisch. Hannas Mann Tomek und Gesas große Liebe Keno sind überaus loyal und sympathisch. Sie stärken ihren Frauen stets den Rücken ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Trotzdem habe ich beim Lesen immer wieder an Kenos Schneid gezweifelt und mich um Gesa gesorgt. Helga ist von den Erfahrungen aus ihrer Ehe verbittert und bricht oft Streit vom Zaun. Andererseits blüht sie in ihrer neuen Aufgabe auf dem Nachbarshof spürbar auf, behält auch in Ausnahmesituationen einen kühlen Kopf und zeigt manchmal überraschendes Einfühlungsvermögen. Wenn es darauf ankommt, ist auf sie Verlass. Gesas Verlobter Gerold kommt nach 10-jähriger Gefangenschaft psychisch und physisch schwer gezeichnet in die Heimat zurück. Dass von seiner Familie niemand mehr übrig ist und er auch bei Gesa nicht nahtlos an die Vergangenheit anknüpfen kann, versetzt ihm einen weiteren harten Schlag. Hanna hat den Hof mittlerweile gut im Griff und ist mit ihrer kleinen Familie trotz der harten Arbeit sehr glücklich. Doch auch sie wird vom Schicksal nicht verschont. Die mittlere Schwester Gesa steht mit beiden Füßen mitten im Leben. Sie weiß, was sie will und baut sich mit ihrem Realitätsbewusstsein und ihrem unternehmerischen Talent eine Existenzgrundlage auf. Lediglich im Hinblick auf Keno wirkt sie zeitweise etwas naiv. Ganz besondere Freude hat mir Tanti mit ihrer schlagfertigen und direkten Art gemacht und mich einige Male zum Schmunzeln gebracht. Sie steht den Schwestern treu zur Seite, hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, beweist aber auch immer wieder enormes Fingerspitzengefühl.
„Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist ein Roman ganz nach meinem Geschmack: von Anfang an fesselnd, emotional unheimlich ergreifend, mit einer unvorhersehbaren, authentischen Handlung und vielschichtigen Charakteren. Lesefreude in reinster Form!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 04.08.2025

Lange verdrängte, traumatische Kindheitserlebnisse bewegend aufbereitet

Der Sommer am Ende der Welt
0

In „Der Sommer am Ende der Welt“ widmet sich Eva Völler ebenso einfühlsam wie eindringlich dem Schicksal ehemaliger Verschickungskinder – ein Thema das gerne unter den Tisch gekehrt wird.
Journalistin ...

In „Der Sommer am Ende der Welt“ widmet sich Eva Völler ebenso einfühlsam wie eindringlich dem Schicksal ehemaliger Verschickungskinder – ein Thema das gerne unter den Tisch gekehrt wird.
Journalistin Hanna verbindet den Urlaub mit ihrer Teenagertochter Katie auf Borkum mit Recherchearbeit für ihren nächsten Artikel. Auf ebendieser Insel hat auch Hannas Mutter als sogenanntes Verschickungskind Anfang der 60er Jahre sechs Wochen voller traumatischer Erlebnisse in einem der vielen Kinderkurheime zugebracht. Doch selbst Hanna hätte nicht mit dem gerechnet, was bei ihren Recherchen nach und nach ans Licht kommt. Ihre romantischen Gefühle dem loyalen Inselarzt Ole gegenüber, stürzen Hanna in einen tiefen Gewissenskonflikt, denn auch seine Familie ist maßgeblich in die damaligen Verbrechen verwickelt.
Das Cover mit dem Mädchen und der jungen Frau unter unheilvoll dunklen Wolken in trister Umgebung hat für mich etwas Bedrückendes, das hervorragend zum Inhalt des Romans passt. Doch auch wenn das Cover eher düster denn einladend wirkt, ist da auch noch der hoffnungsbringende Lichtschein am Horizont.
Warum Eva Völler zu meinen Lieblingsautorinnen gehört, stellt sie auch mit diesem Roman wieder eindrucksvoll unter Beweis. In ihrem wunderbar flüssig zu lesenden, eindrücklichen Schreibstil, stellt sie auf zwei verschiedenen Zeitebenen und in mehreren spannenden Erzählsträngen sehr feinfühlig das Schicksal ehemaliger Verschickungskinder dar. Ein Schicksal, das auch ich geteilt habe und obwohl mir fast alle Erinnerungen an diese Zeit fehlen, ist einiges doch wieder hochgekommen – ebenso wie das oftmals mühsam heruntergewürgte Essen im Kinderkurheim. Es ist überaus erschütternd, wie wenig damals hinterfragt wurde und das pädagogische Handeln hätte zweifelsfrei besser in eine Kaserne gepasst. Als wäre die wochenlange Trennung von Zuhause nicht schon schlimm genug gewesen. Zusätzlich verbindet Eva Völler die Verschickungsthematik mit NS- und Nachkriegsverbrechen und auch wenn es sich um einen fiktiven Roman handelt, wirkt die Szenerie doch authentisch und liegt absolut im Bereich des Vorstellbaren. Die beinahe von Beginn an vorhandene Spannung baut sich in den verschiedenen Erzählsträngen immer weiter auf und erreicht kurz vor Schluss einen dramatischen Höhepunkt. Langweilig wird es beim Lesen mit Sicherheit nicht. Vielmehr konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen – für mich ein echter Pageturner.
Die Charaktere lassen sich, mit Abstufungen, ziemlich deutlich in die Kategorien gut und böse einordnen, erhalten aber mit ihren individuellen Charakterzügen und Beweggründen deutliche Tiefe. Isa ist stets auf ihr eigenes Wohl und ihren Vorteil bedacht. Die zahlreichen Verbrechen ihrer Vorfahren lassen sie weitgehend kalt. Vielmehr ist sie in Sorge, dass ihr Hotel durch negative Presse eine Rufschädigung erfährt. Um dies zu verhindern ist sie zu einigen Intrigen bereit. Isas herrische Großmutter Margret ist bei ihren Mitmenschen alles andere als beliebt. Doch auch sie hat während ihrer Kindheit und Jugend traumatische Erfahrungen gemacht. Einer Inszenierung gleich gibt sie nun häppchenweise Details aus der Vergangenheit preis. Mehr noch als ihre Enkelin hat auch sie die Fähigkeit ihr Umfeld geschickt zu manipulieren. Mit Luise und Angela gibt es im Jahr 1962 zwei Betreuerinnen im Kinderkurheim die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hannas Tochter Katie ist trotz ihres Alters weitgehend umgänglich, verantwortungsbewusst und aufrichtig um ihre Familie besorgt. Inselarzt Ole verliebt sich ebenso Hals über Kopf in Protagonistin Hanna, wie auch umgekehrt. Mit seiner überaus loyalen und zuverlässigen Art steht er Hanna stets liebevoll zur Seite. Die Geschehnisse aus der Vergangenheit machen Ole allerdings schwer zu schaffen. Hanna ist froh darüber Ole an ihrer Seite zu wissen, denn nicht nur ihre Rechercheergebnisse erschüttern sie, auch ihre Gesundheit bereitet ihr Anlass zur Sorge und dann wird auch noch ein Anschlag auf ihr Leben verübt. So sehr sie ihre Erkenntnisse über das Kinderkurheim und die traumatischen Erlebnisse der Verschickungskinder auch an die Öffentlichkeit bringen möchte, treibt sie die Liebe zu Ole in einen tiefen Gewissenskonflikt.
„Der Sommer am Ende der Welt“ ist ein überaus lesenswerter Roman. Düster, spannend, erschütternd, einfühlsam und tiefgründig zugleich, widmet Eva Völler sich einem Thema zu, das viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Früher war eben doch nicht alles besser.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.06.2025

Das Koblenzer Katzenkommissariat ermittelt

Frühstück mit Elvis
0

„Frühstück mit Elvis“ ist ein Cosy-Katzenkrimi von S. Sagenroth der in Koblenz spielt und einiges an Lokalkolorit zu bieten hat. Das Hörbuch wird von Torsten Buhck gelesen.
Das ansprechende Cover zeigt ...

„Frühstück mit Elvis“ ist ein Cosy-Katzenkrimi von S. Sagenroth der in Koblenz spielt und einiges an Lokalkolorit zu bieten hat. Das Hörbuch wird von Torsten Buhck gelesen.
Das ansprechende Cover zeigt Kater Elvis der zu nächtlicher Stunde auf das vor ihm zwischen Rhein und Mosel liegende Deutsche Eck blickt – sehr passend zum Inhalt des Buches.
Für Elvis bricht eine Welt zusammen: Sein Frauchen Klärchen ist spurlos verschwunden und ihre Kinder räumen zuerst die Wohnung leer und verfrachten ihn anschließend ins Tierheim. Keine Frage, hier will Elvis auf keinen Fall bleiben und so befreit er sich mit einem wagemutigen Trick aus dem Tierheim und macht sich in Koblenz auf die Suche nach seinem Klärchen. Unterwegs lernt er nicht nur einige menschliche und kätzische Bewohner der Stadt kennen, er stolpert auch gleich noch über einen dubiosen Todesfall aus der Vergangenheit und eine brandaktuelle Vermisstensache. Gemeinsam mit seiner neuen Freundin, der unerschrockenen Samtpfote Cloe stürzt Elvis sich in die Ermittlungen – unterstützt von der Koblenzer Katzencommunity.
Eines ist zweifelsfrei klar, die Autorin ist ganz sicher Katzenliebhaberin und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Protagonist Elvis charakterlich besonders differenziert dargestellt wird. Seine Entwicklung vom verwöhnten Stubentiger zum abenteuerlustigen Helden vollzieht sich an Chloes Seite schrittweise und glaubwürdig. Nicht ganz so authentisch erscheint mir die Veränderung der menschlichen Figuren. Wohl auch, weil sie zwar fast alle ausgesprochen sympathisch erscheinen, ihnen meiner Meinung nach aber charakterlich ein wenig Tiefe fehlt. Manche Figuren wirken in ihrer überaus moralischen Haltung, wie z. B. der alte Joseph beinahe schon zu perfekt um einen realen Eindruck zu erwecken. Natürlich sind die im Roman eingebrachten Moralvorstellungen wichtig, insbesondere in der heutigen Zeit. Ein paar Ecken und Kanten hätten einigen Charakteren aber meiner Meinung nach auch gut getan. Die Handlung ist sehr gefällig und trotz des überschaubaren Spannungsniveaus nicht zu seicht. Es werden zahlreiche Themen angerissen, wie z. B. Leben in einem fremden Land, Einsamkeit (im Alter), Resozialisierung und Rehabilitierung und Neubeginne. Hier halten sich die breite Masse der Themen und die Intensität in der Schilderung so gerade noch die Waage. Auf sehr harmonische Art lässt die Autorin auch einigen Lokalkolorit einfließen, während sie Elvis und Co auf Spurensuche schickt.
Ein wenig zwiegespalten bin ich hinsichtlich der Stimme von Torsten Buhck. An einigen Passagen, vor allem bei den älteren Menschen und Katzen passt er wirklich perfekt zum gelesenen Text. Bei den spannenden Textstellen hätte ich mir allerdings ein wenig mehr Schwung gewünscht. Hier erscheint mir seine Stimme etwas zu unaufgeregt. Vielleicht bietet es sich an die Lesegeschwindigkeit ein wenig zu erhöhen.
Insgesamt ist „Frühstück für Elvis“ ein wirklich angenehmer und lesens- bzw. hörenswerter Katzenkrimi, nicht ausschließlich für Katzenfans. Neben einer schönen Atmosphäre und einer interessanten Handlung werden hier auch moralische Werte hochgehalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.05.2025

Der Ton macht die Musik …

Mordseemusik
2

„Mordseemusik“ ist bereits der 6. Band in Emmi Johannsens (Christine Drews) launiger Borkum-Krimireihe um die beiden Hobby-Ermittler Caro Falk und Jan Akkermann. Das Cover liefert eine gelungene und humorvolle ...

„Mordseemusik“ ist bereits der 6. Band in Emmi Johannsens (Christine Drews) launiger Borkum-Krimireihe um die beiden Hobby-Ermittler Caro Falk und Jan Akkermann. Das Cover liefert eine gelungene und humorvolle Mischung aus Inselflair und inhaltlichen Anhaltspunkten wie der Gitarre und dem Borkumer Musikpavillon. Auch wer, wie ich, erst mit diesem Band in die Reihe einsteigt findet schnell in die Handlung und erhält nach wenigen Kapiteln die wichtigsten Informationen über die reihentypischen Charaktere.
Mit ihrem Chor soll Caro den Schlagerstar der Urlaubsinseln Pablo Lavega bei seinem Konzert im Borkumer Musikpavillon begleiten. Vor allem bei der Damenwelt scheint Pablo auf große Resonanz zu stoßen. Doch ganz unvermittelt bricht der Sänger nach Luft ringend zusammen und stirbt während seines Konzertes. Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann, liegt für Caro und Jan auf der Hand. Bei ihren Ermittlungen entdecken sie, dass der beliebte Sänger sich gegenüber manch einem Mitmenschen ziemlich im Ton vergriffen hat und abseits der Bühne auch ganz andere, weit weniger charmante Saiten aufziehen konnte. Doch wer hat Pablo ins Jenseits befördert?
Der gradlinige Schreibstil von Emmi Johannsen zieht sich durch den kompletten Krimi, lässt sich sehr flüssig lesen und hat mir an vielen Stellen viel Spaß bereitet. Ganz nebenbei lernt man als Leser auch die Insel Borkum ein gutes Stück weit kennen, denn das Lokalkolorit kommt nicht zu kurz – ein bisschen Urlaub für zuhause ist also durchaus drin. Einige Textpassagen erscheinen mir ein wenig zu weit hergeholt, um realistisch zu wirken. Beispielsweise erhält Caro viele Informationen überraschend leicht, Pablos Mutter selbst bindet ihr Details über Leben und Charakter ihrer Söhne schon beinahe auf die Nase. Dies tut der Lesefreude aber keinen Abbruch, denn ein humorvoller cozy Krimi muss in meinen Augen nicht unbedingt völlig authentisch sein. Die Handlung bietet zwar, abgesehen von dem Höhepunkt kurz vor Schluss, keine großen Spannungsspitzen, lässt die Leser durch die Vielzahl potenziell Verdächtiger aber durchweg miträtseln – und führt sie mitunter ganz schön in die Sackgasse. Einzig das Motiv für den geplanten Mord erscheint mir ein wenig dünn, sodass mich die Rohheit mit welcher der Mord geplant und umgesetzt wurde wirklich überrascht.
Als Nebenfiguren verbreiten vor allem Caros Ex-Schwiegervater Hinnerk und ihr Sohn Justus mit ihrer direkten und unverblümten Art Heiterkeit. Besonders der Teenager wirkt – vollkommen altersuntypisch – überaus sympathisch und reibt seiner Mutter immer mal wieder ihre schlauen Erwachsenensprüche unter die Nase. Wirklich herrlich. Bei Pablos Bandkollegen herrschen dagegen die Misstöne vor. Sie scheinen alle eher von der egozentrischen Art zu sein. Statt dem toten Kollegen ein Mindestmaß an Respekt zu zollen, ist jeder nur damit beschäftigt die eigene Karriere nun so schnell wie möglich anzukurbeln. Protagonistin Caro scheint nicht gerade zurückhaltend zu sein, kann ihre Mitmenschen aber ausgesprochen gut einschätzen und weiß, wann es besser ist den Mund zu halten um ihr Gegenüber zum Reden zu animieren. Nur über ihre eigenen Gefühle wird sie sich einfach nicht klar. Ist Jan für sie wirklich „nur“ der beste Freund oder kribbelt es womöglich doch noch ein wenig mehr? In ihrer Unsicherheit verhält sie sich Jan gegenüber mitunter wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Jan ist bei den Ermittlungen als echtes Nordlicht eher ein wenig wortkarg, aber stets geradeheraus. Dabei wirkt er überaus sympathisch und hilfsbereit. Während Caro sich noch unschlüssig zu sein scheint, ob sie ihrer Beziehung zu Jan eine neue Richtung geben möchte, ergreift er die Initiative – oder versucht es zumindest. Bewundernswert, wie die beiden es trotz dieser Ablenkung schaffen einen Mord aufzuklären und nicht zuletzt einen zweiten zu verhindern. Als wahre Heldin muss hier natürlich auch Caros Hündin Aila erwähnt werden.
Insgesamt vereint „Mordseemusik“ eine gelungene Mischung aus kurzweiliger und äußerst unterhaltsamer Krimiunterhaltung, der Anbahnung einer möglichen Friends-to-Lovers Story und ganz viel Inselatmosphäre. Perfekt als leichte Lektüre für zwischendurch.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 25.04.2025

Wagemutiger Start in ein neues Leben

Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli
0

„Elbnächte – Die Lichter über St. Pauli“ ist der spannende Auftakt zu Henrike Engels jüngster Dilogie um zwei starke Frauen, die sich gemeinsam mit einem ehemaligen Polizisten den Herausforderungen in ...

„Elbnächte – Die Lichter über St. Pauli“ ist der spannende Auftakt zu Henrike Engels jüngster Dilogie um zwei starke Frauen, die sich gemeinsam mit einem ehemaligen Polizisten den Herausforderungen in ihrem neuen Leben stellen und daran wachsen.
Louise und Ella könnten unterschiedlicher kaum sein und doch führt das Schicksal sie 1913 im Hamburgerviertel St. Pauli zusammen - die eine Tochter aus gutem Hause und nun von ihrem betrügerischen Ehemann mittellos sitzen gelassen, die andere eine ehemalige Prostituierte aus ärmlichen Verhältnissen, der die Flucht gelungen ist. Auf der Suche nach einer neuen Existenzgrundlage treffen sie auf Paul, der nach einem Anschlag nur noch für die Jagd auf eine Bande gefährlicher Straßenkinder und ihren grausamen Anführer lebt. Als die beiden Frauen einem mutmaßlichen jungen Mörder Unterschlupf bieten, sind sie auf Pauls Unterstützung angewiesen, um die Unschuld des Jungen zu beweisen.
Das ansprechende Cover zeigt eine junge, emanzipiert wirkende Frau, in deren Rücken sich das Elbufer erstreckt. Es passt somit fast perfekt zur Handlung. Allerdings eben nur fast, denn die dargestellte Frau kann meines Erachtens nach weder die elegante, blonde Louise, noch die füllige, farbenfroh gekleidete Ella sein, sondern verkörpert lediglich eine starke Frauengestalt in der damaligen Zeit.
Der Schreibstil von Henrike Engel hat mir außerordentlich gut gefallen, lässt sich wunderbar flüssig lesen und wirkt atmosphärisch sehr dicht. Durch die bildhafte Ausdrucksweise konnte ich mich immer wieder nach St. Pauli im Jahr 1913 versetzen und intensiv mit den Charakteren mitfühlen. Umso schöner, dass die Handlung dem Schreibstil in nichts nachsteht. Schon allein die Schicksale der drei Protagonisten sind wirklich ergreifend, zumal Gedanken und Gefühle deutlich spürbar werden. Doch Henrike Engel belässt es nicht dabei ihre Protagonisten auf dem Weg in ein neues Leben zu begleiten. Stattdessen schafft sie eine extrem gelungene Mischung: eine interessante und emotional ansprechenden historischen Geschichte mit einem packenden Kriminanteil, der mit vielen unerwarteten Wendungen für ein fast durchgängig hohes Spannungsniveau sorgt, das kurz vor Schluss noch einmal einen Höhepunkt erreicht.
Absolutes Highlight des Romans sind in meinen Augen aber zweifelsfrei die Figuren und deren Entwicklung. Obgleich die drei Protagonisten sich stark unterscheiden ist der Zusammenhalt groß – allen voran zwischen Louise und Ella (und natürlich Principessa). Nachdem Paul bei einem Attentat den linken Arm verloren hat, besteht sein einziges Lebensziel in einem Rachefeldzug gegen die Kinderbande und vor allem den Drahtzieher. Abgesehen davon ist der clevere und einst so ambitionierte Ex-Polizist seines Lebens überdrüssig. Doch durch die gemeinschaftliche Aktion mit Ella verändert sich nach und nach Pauls Sichtweise, sodass der ehemals so korrekte Polizist gleich mehrfach die Grenzen der Legalität überschreitet und eine unvorhergesehene Überraschung erlebt. Ella ist trotz ihrer tragischen Vergangenheit voller Herzensgüte. Gemeinsam mit ihrer Hündin Principessa nimmt sie ihr neues Leben optimistisch in Angriff und ist dabei stets hilfsbereit. Allerdings bringt ihre Hilfsbereitschaft sie gelegentlich auch ganz schön in die Bredouille. Louise und Ella ergänzen sich in ihrer Freundschaft und in ihren Talenten sehr passend. Da ihre fehlende Bildung Ella aber oft unangenehm ist, beschließt sie mit viel Ehrgeiz dagegen anzugehen. Louise musste in ihrem behüteten Leben bislang noch nie auf eigenen Beinen stehen und fühlt sich nun ins kalte Wasser geworfen. Ihr kühler Verstand und ihre neu gewonnene Freundin Ella helfen ihr dabei maßgeblich. Louise tut, was immer nötig ist, um sich (und Ella) eine neue Existenzgrundlage zu schaffen, auch wenn es gesetzlich oder moralisch mindestens fragwürdig ist. Mit großer Zielstrebigkeit und wenig Hemmungen lernt Louise schnell eine Situation zu ihren Gunsten zu nutzen.
Wer historische Romane und/oder starke Frauenfiguren mag, sollte sich diesen keinesfalls entgehen lassen. Ergreifende Schicksale, authentische Figurenentwicklung und eine absolut spannende Handlung – was will man mehr? Ich freue mich jedenfalls schon darauf im zweiten Teil zu erfahren, wie es mit den drei Protagonisten weitergeht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere