Emotionale Achterbahnfahrt mit den Friesenhofschwestern
Der FriesenhofMit „Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist der zweite Teil der Teehändler-Saga von Fenja Lüders erschienen. In dem Roman beweisen die starken Frauen der Familie de Fries trotz zahlreicher Differenzen und ...
Mit „Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist der zweite Teil der Teehändler-Saga von Fenja Lüders erschienen. In dem Roman beweisen die starken Frauen der Familie de Fries trotz zahlreicher Differenzen und furchtbarer Schicksalsschläge jede Menge Zusammenhalt: Während Hanna mit ihrem Mann Tomek den familiären Hof führt und ihr zweites Kind erwartet, hat ihre Schwester Gesa sich bei ihrer Arbeit im Teekontor unentbehrlich gemacht. Aber auch ihr eigenes Teekontor entwickelt sich überraschend schnell und die heimliche Beziehung zu ihrem verheirateten Chef Keno wird immer intensiver. Doch dann taucht nach 10 Jahren Kriegsgefangenschaft überraschend Gesas Verlobter Gerold auf dem Friesenhof auf. Zusätzlich sorgt die scharfe Zunge der oft schlecht gelaunten ältesten Schwester Helga für Konfliktpotenzial, sodass Tanti mit ihrer direkten Art und ihrer Lebenserfahrung einige Wogen zu glätten hat.
Das Cover passt gut zum Inhalt des Buches und macht die Zusammengehörigkeit mit dem Auftaktband der Saga auf den ersten Blick deutlich. Im Vordergrund sind zwei Frauen zu sehen, die vermutlich die Protagonistinnen Hanna und Gesa darstellen. Etwas unscharf im Hintergrund ist der von Bäumen umgebener Hof zu erkennen, eingerahmt vom blau-weißen Muster eines friesischen Teeservices.
Obwohl ich den ersten Teil noch nicht gelesen habe, was ich zweifelsfrei nachholen muss, bin ich problemlos in die Geschichte eingestiegen. Dass Fenja Lüders vollkommen zurecht zu meinen Lieblingsautorinnen zählt, beweist sie auch mit diesem Buch eindrucksvoll. Sie legt den Fokus der Erzählperspektive mal auf Gesa, mal auf Hanna und transportiert das authentisch wirkende Geschehen ohne Effekthascherei. Dabei aber so eindringlich, dass ich vollkommen von der Handlung vereinnahmt mit den Schwestern gehofft, gebangt, gelitten und mich gefreut habe. Damit erklärt sich auch, das für eine Familiengeschichte vergleichsweise hohe Spannungsniveau, dass zum Schluss in einem überraschenden und absolut mitreißenden Höhepunkt gipfelt. Als Leser kann man nur schwer vorausahnen, was in diesen schweren Zeiten als nächstes passiert, auf welche Art das Schicksal der Familie mitspielt oder ob es ein Happy End gibt. Gern wäre ich beim Lesen auch noch näher an die dritte Schwester im Bunde herangerückt, die aber erzählerisch hinter Hanna und Gesa zurücksteht.
Ebenso wie die Handlung wirken auch die Figuren des Romans mit ganz individuellen Charakterzügen äußerst authentisch. Hannas Mann Tomek und Gesas große Liebe Keno sind überaus loyal und sympathisch. Sie stärken ihren Frauen stets den Rücken ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Trotzdem habe ich beim Lesen immer wieder an Kenos Schneid gezweifelt und mich um Gesa gesorgt. Helga ist von den Erfahrungen aus ihrer Ehe verbittert und bricht oft Streit vom Zaun. Andererseits blüht sie in ihrer neuen Aufgabe auf dem Nachbarshof spürbar auf, behält auch in Ausnahmesituationen einen kühlen Kopf und zeigt manchmal überraschendes Einfühlungsvermögen. Wenn es darauf ankommt, ist auf sie Verlass. Gesas Verlobter Gerold kommt nach 10-jähriger Gefangenschaft psychisch und physisch schwer gezeichnet in die Heimat zurück. Dass von seiner Familie niemand mehr übrig ist und er auch bei Gesa nicht nahtlos an die Vergangenheit anknüpfen kann, versetzt ihm einen weiteren harten Schlag. Hanna hat den Hof mittlerweile gut im Griff und ist mit ihrer kleinen Familie trotz der harten Arbeit sehr glücklich. Doch auch sie wird vom Schicksal nicht verschont. Die mittlere Schwester Gesa steht mit beiden Füßen mitten im Leben. Sie weiß, was sie will und baut sich mit ihrem Realitätsbewusstsein und ihrem unternehmerischen Talent eine Existenzgrundlage auf. Lediglich im Hinblick auf Keno wirkt sie zeitweise etwas naiv. Ganz besondere Freude hat mir Tanti mit ihrer schlagfertigen und direkten Art gemacht und mich einige Male zum Schmunzeln gebracht. Sie steht den Schwestern treu zur Seite, hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, beweist aber auch immer wieder enormes Fingerspitzengefühl.
„Der Friesenhof – Schicksalstage“ ist ein Roman ganz nach meinem Geschmack: von Anfang an fesselnd, emotional unheimlich ergreifend, mit einer unvorhersehbaren, authentischen Handlung und vielschichtigen Charakteren. Lesefreude in reinster Form!