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Veröffentlicht am 04.05.2021

Ein kurzer Blick auf ein tragisches Leben

Die Bildhauerin
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Im Jahre 1881 zieht die siebzehnjährige Camille Claudel mit ihrer Familie aus dem ländlichen Villeneuve ins mondäne Paris, um an einer privaten Kunstakademie ihr unbestreitbares Talent als Bildhauerin ...

Im Jahre 1881 zieht die siebzehnjährige Camille Claudel mit ihrer Familie aus dem ländlichen Villeneuve ins mondäne Paris, um an einer privaten Kunstakademie ihr unbestreitbares Talent als Bildhauerin schulen zu lassen. Damit beginnt eine turbulente Zeit im Leben der jungen Frau, denn spätestens als Camille den über zwanzig Jahre älteren Auguste Rodin kennenlernt, prallen zwei starrköpfige Urgewalten der Kunstwelt aufeinander - und entbrennen füreinander in unfassbarer Leidenschaft.

"Die Bildhauerin" ist Teil einer losen Reihe im Aufbau-Verlag, die sich in pastellener Sepia-Optik eine biographische Aufarbeitung des Lebens berühmter historischer Frauenfiguren auf die Fahnen geschrieben hat. Das geht natürlich nicht ohne die für derlei Romane gültigen Grundstrukturen, so dass hier das Augenmerk klar auf den romantischen Begegnungen der jeweiligen Persönlichkeiten liegt, ergänzt um ein farbenfrohes Sittenbild der historischen Epoche, innerhalb deren festgefügtem Wertesystem Frauen um ihre Anerkennung und das Recht auf freien Ausdruck ihrer Leidenschaft streiten müssen. Das funktioniert im Angesicht geschichtlicher Akkuratesse mal mehr, mal weniger gut, aber hier hatte Autorin Pia Rosenberger immerhin mit dem Vorbild der echten Camille Claudel eine tatsächlich starke, wenn auch tragische Frauenfigur. "Die Bildhauerin" ist kompetent geschrieben und hakt (mit einigen Rückblenden in die Kindheit) brav die Etappen eines knappen Jahrzehnts im frühen Leben der Künstlerin ab - dabei gelingt ein durchaus umkitschiges Bild der Beziehung zwischen Rodin und Claudel, die beide als gleichberechtigte Partner zeigt, obwohl schon früh klar ist, dass sich der berühmteste bildende Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts niemals vollständig an seine große Muse binden wird. Als Leserin bekommt man weiterhin einen flüchtigen Einblick in die Pariser Kunstgesellschaft dieser Zeit, begegnet kurz Monet, Degas und Camille Claudel's zweitem hartnäckigem Verehrer Claude Debussy. Trotzdem kann man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass die "Bildhauerin" bloße Nacherzählung betreibt, Themen nur anreißt und komplexe Emotionen einer undefinierbaren Leidenschaft für die Kunst opfert, die in vielen der kleinen hier geschilderten Episoden nur behauptet bleibt.

Letztlich wird der Roman für Gelegenheitsleser
innen sicherlich ein schöner Appetithappen bleiben, den bereits vorgebildeten Kunstinteressierten bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die "Bildhauerin" endet gegen 1890 ziemlich abrupt und klammert sowohl die nächste große Schaffensphase von Camille Claudel als auch ihre weitere Beziehung zu Rodin aus (die nur noch ein paar weitere Jahre anhielt, bevor er sich 1898 endgültig gegen sie entschied). Camille arbeitet weiter, schafft noch einige Werke von Rang, aber ihre Leidenschaft ist erloschen. Nach dem Tod ihres Vaters 1913 wird sie von der immer noch wütenden Mutter und ihrem stoischen Bruder in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, die sie trotz gegenteiligen Ratschlags der Ärzte bis zum Ende ihres Lebens dreißig Jahre später (1943) nicht mehr verlassen wird. Weggesperrt, für immer.

Rodin hat Camille nicht einmal dort besucht. Stattdessen heiratet er nach über fünfzig Jahren (und weiteren langen Liebschaften) im Januar 1917 dann doch noch seine langjährige Haushälterin Rose - einen Monat vor ihrem Tod. Seine einstige Muse hat er da längst vergessen.

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Veröffentlicht am 24.03.2021

Das ging leider nach hinten los

Höllenkind
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Ermittlerin Clara Vidalis kommt hier in ihrem achten Fall zum Einsatz, und das auch noch, obwohl sie eigentlich nur ihre Suspendierung dazu nutzt, ein paar ungestörte Tage im italienischen Florenz zu verbringen. ...

Ermittlerin Clara Vidalis kommt hier in ihrem achten Fall zum Einsatz, und das auch noch, obwohl sie eigentlich nur ihre Suspendierung dazu nutzt, ein paar ungestörte Tage im italienischen Florenz zu verbringen. Eine zu Tode blutende Braut, weitere Morde innerhalb der alteingesessenen Adelsfamilie und ein Killer, der seine Opfer kunstvoll nach Dantes göttlicher Komödie arrangiert, machen ihr allerdings einen Strich durch die Rechnung.

"Höllenkind" war nach dem direkten Vorgänger "Blutgott" erst mein zweiter Vidalis-Thriller, und das zahlt sich vor allem beim Leseverständnis aus, denn Veit Etzold bezieht sich hier oft direkt auf Geschehnisse aus dem siebenten Fall der Ermittlerin. Leider wiederholt der Autor auch all die Fehler, die den "Blutgott" zu einem halbgaren literarischen Spannungsversuch machten, und so unterbietet "Höllenkind" stellenweise fast noch seinen Vorgänger: Wieder liegt der Fokus auf grausamen Details, ohne wirklich Motivation oder ansatzweisen Realismus zu hinterfragen, wieder ist der Plot selbst nur hauchdünner Vorwand für einen Thriller und wird durch die andauernde(!), aber ausgesprochen holprige Einstreuung von Trivia aus Film, Literatur, Kunst und Geschichte einfach nur in die Länge gezogen - und wieder (ohne spoilern zu wollen) lässt Etzold seine Geschichte am Ende völlig offen in der Luft hängen, ohne seine zuvor gesponnenen Fäden irgendwie zusammenführen zu wollen. Zum zweiten Mal nach dem "Blutgott"!

Erneut sind hier Dialoge nur Mittel zum Zweck, vor allem die seitenlangen Erklärungen irgendwelcher Nebensächlichkeiten untereinander, die in dieser Form kein normaler Mensch derart ausformulieren würde. Erneut wird hier auch die Glaubwürdigkeit auf die Probe gestellt, nicht nur in Bezug auf die Motive des Täters und dessen Timing für Showzwecke, sondern auch hinsichtlich der privaten Einbeziehung einer deutschen Ermittlerin, die außer für deren zwanghafte Einbindung in die Story keinerlei Sinn ergibt (und ohnehin erst nach einem Buchdrittel Geplänkel erfolgt). Darüber hinaus ist auch der Vatikan als Startpunkt reine Deko fürs erwünschte Dan-Brown-Flair, weil sich die Geschichte relativ schnell in Richtung Italien verlagert.

Alles in allem ist "Höllenkind" (allein der Titel verrät schon relativ früh in diesem spannungsarmen Thriller, wer der Täter ist) ein Ärgernis vor allem für Krimi-Vielleser, weil zu keinem Zeitpunkt Spannung aufkommt, die "Ermittlungen" sich hauptsächlich auf das Auffinden und Obduzieren weiterer Leichen beschränken und Veit Etzold erneut mit einer Null-Auflösung aufwartet, die die zuvor verbrachten Lesestunden letztlich obsolet macht. Hinzu kommt durch die bereits erwähnten Info-Drops in jedem dritten Absatz ein stockender Aufbau, den der Autor noch dazu mit einem sprachlichen Niveau nur knapp oberhalb von "annehmbar" unterfüttert. Da macht das lieblose Lektorat leider auch keinen Boden mehr wett. Insofern ähnlich wie der "Blutgott" ein groß zum Bestseller aufgeblasener Reinfall, der nur dadurch überhaupt punktet, weil das grundsätzlich sympathische Ermittler-Ehepaar Vidalis & MacDeath zumindest in der Theorie allerhand Potential für spannende Stories bieten könnte. Hier wurde die Chance dazu allerdings (wieder mal) vergeben.

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