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Veröffentlicht am 29.11.2020

Florian Kremp: Über Manfred Scharfs Roman Eine Zeit mit Anne

Eine Zeit mit Anne
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Vergängliches zum Gleichnis zu erheben, ist die vornehme Aufgabe fiktionaler Literatur. In Manfred Scharfs neuem Buch Eine Zeit mit Anne wird ein Roman zum Spiegelbild des Hier und Heute. Die virtuelle ...

Vergängliches zum Gleichnis zu erheben, ist die vornehme Aufgabe fiktionaler Literatur. In Manfred Scharfs neuem Buch Eine Zeit mit Anne wird ein Roman zum Spiegelbild des Hier und Heute. Die virtuelle Welt hat uns im Griff, würgt stärker schon als wahres Leben. Mit subtiler Ironie verweist der Autor auf die Fremd-bestimmtheit unseres Tuns.
Die Studentin Anne liegt im Koma, versorgt von Schläuchen, Apparaten. Ein Verkehrsunfall lässt das Absurde, das erschreckend Zufällige als Ursache alles Folgenden erscheinen. Der am Unfall beteiligte Martin Hembach, ohne Schuld vor dem Gesetz, verfällt darauf, der Komapatientin bei jedem Krankenbesuch vorzulesen, um ihr Heilung, die Rückkehr in die Wirklichkeit zu bringen mit Erdachtem und Erdichtetem. Manfred Scharf zeigt das auf fast satirische Weise, indem er Selbsterfundenes und mehr oder weniger bedeutende literarische Werke – vom Nibelungenlied bis Joyce’ Ulysses – an die Stelle einer Handlung setzt, sie an der Leserin, dem Leser bruchstückhaft vorbeiziehen lässt.
Dabei gerinnen Textauswahl und Leseerfahrungen des Protagonisten zum Psycho-gramm: Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist. Voller Gefühl und Leidenschaft ist die Scheinwelt des Erlesenen, zur Halbheit, fast zum Stillstand ist die Wirklichkeit erstarrt. Zum Running Gag wird das obligatorische Asterixheft, das Martin Hembach dem Pfleger Karl bei jedem Krankenhausbesuch in die Hände drückt.
Am Ende bleibt ein Lachen unter Tränen, die freudige Erkenntnis, dass das Leben siegt, ist man bereit, sich in das zu fügen, was nicht zu ändern ist.

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