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Veröffentlicht am 26.05.2023

Kein Endzeitroman, aber eine berührende Auseinandersetzung mit häuslicher Gewalt.

The Violence – Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen?
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Als ich mit dem Lesen von diesem Buch begann, war ich voller Freude und Skepsis zugleich. Freude, weil der Klapptext eigentlich sehr vielversprechend und spannend klang. Skepsis, weil ich immer noch Gänsehaut ...

Als ich mit dem Lesen von diesem Buch begann, war ich voller Freude und Skepsis zugleich. Freude, weil der Klapptext eigentlich sehr vielversprechend und spannend klang. Skepsis, weil ich immer noch Gänsehaut von dem letzten, als feministisches Highlight gepriesenes Pandemiebuch (aka Die andere Hälfte der Welt oder auch mein Hassbuch 2022) hatte. Ich war also sehr gespannt. Hält dieses Buch, was es verspricht, oder erwartete mich das nächste Debakel?

Alle 11 Minuten wird weltweit eine Frau oder ein Mädchen von ihrem Partner oder ihrer Familie getötet (Quelle: Statistisches Bundesamt)
In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen Opfer von Gewalt (Quelle: ZDF Heute), jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal phyische und/oder sexuelle Gewalt, etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner (Quelle: BMFSFJ). Die Täter sind im Großteil der Fälle nicht etwa der Perverse, der nachts im Busch lauert, sondern Ehemänner, Partner, Expartner. In mitunter groß angelegten Kampagnen bringt man schon kleinen Mädchen bei, sich vor dem bösen Fremden zu schützen (Stichwort Stranger Danger), dabei liegt die größte Gefahr für Frauen und Mädchen meist im eigenen zu Hause. Das Perfide: Viele Täter geben sich nach Außen als liebevolle und fürsorgliche Familienmenschen aus. Sie manipulieren und beherrschen ihre Familie bis hin zur absoluten Kontrolle. Da nach außen hin diese Täter oft als nette, ja sogar häufig als in der Gemeinschaft hoch anerkannte Menschen angesehen wird, werden die Zustände hinter verschlossenen Türen nicht erkannt und für die Opfer wird es immer schwieriger aus diesem Käfig aus Gewalt auszubrechen, da sie a) immer weiter isoliert werden und b) man ihnen mitunter einfach nicht glaubt.

"Das ist unter Missbrauchstätern eine Standardtaktik. Sie bringen dich dazu, deiner eigenen Wahrnehmung zu misstrauen, überzeugen dich, dass du dich falsch erinnerst oder dir ohnehin niemand glauben würde. Sie wollen, dass du denkst, du wärst verrückt, irrational, hilflos. Sie isolieren dich vor jedem, der dir helfen könnte, bist du niemanden mehr hast, dem du dich anvertrauen kannst. Sie wollen dich zum Schweigen bringen."
(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.395f.)

Genau in solch einer Situation befindet sich auch Chelsea zu Beginn des Buches The Violence. Nach außen hin führt sie mit ihrem Mann David die “perfekte” Ehe, haben ein großes Haus, zwei Kinder und Chelsea gibt die perfekte Hausfrau. Doch David ist ein Trinker, aber auch wenn er nicht trinkt, tyrannisiert er seine Familie, beherrscht sie, kontrolliert sie, misshandelt sie. Er schlägt und würgt Chelsea und macht auch vor seiner ältesten Tochter Ella nicht Halt. Dazu kommt noch eine narzisstische und egoistische Mutter.
Diese ersten 200 Seiten im Buch sind daher emotional schwer zu ertragen. Beim Lesen empfand ich Wut, Hass und Zorn, denn ich weiß ganz genau, dass die Autorin hier nicht im Geringsten übertreibt, sondern dass es solchen Abschaum wie David wirklich gibt. Hunderte, Tausende Davids, die tagtäglich ihre Frauen und Partnerinnen misshandeln. Das erste Drittel des Buches war daher eine Achterbahnfahrt der negativen Gefühle für mich, wobei ich betonen möchte, dass das für mich kein Kritikpunkt ist, im Gegenteil. Ein Buch, das mich emotional so abholt, in der ein oder anderen Weise macht immer etwas richtig. Aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt, daher erzähle ich euch davon, denn abgesehen von der emotionalen Belastung, ist die Autorin auch nicht allzu zimperlich bei der Darstellung von physischer Gewalt und ja ein Hund stirbt und es wird auch genauer geschildert wie, da das ein Wendepunkt der Handlung ist. Es ist eine kurze einmalige Szene, wer aber mit dem Tod von Tieren bez. der Schilderung von dessen Tötung gar nicht konfrontiert werden möchte, sei hiermit gewarnt.

Der Weg in die Freiheit
Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem Chelsea das Violence Virus nutzen kann, um sich und ihre Töchter zumindest vorübergehend aus dem Griff ihres Ehemannes zu befreien, und ab hier beginnt der Kampf zurück zu sich selbst und in die Freiheit und das nicht nur für sie, sondern auch für ihre Tochter Ella und ihre Mutter Patricia, sodass wir in diesem Buch miterleben, wie drei Generationen von Frauen sich aus der Spirale von männlicher Macht und Gewalt zu befreien versuchen.
Die Schilderung dieses Prozesses ist die große Stärke des Buches. In einem emotionalen Vorwort berichtet die Autorin Delilah S. Dawson, dass sie selbst ein Opfer häuslicher Gewalt war und dass The Violence auch eine Form der Aufarbeitung ist. Man merkt deutlich, dass die Autorin ihre eigenen Erlebnisse verarbeitet, sowohl die Gewalt, als auch die Therapie und Heilung danach, wodurch sie die emotionalen Aspekte dieser Entwicklung sehr authentisch wiedergibt. Die Beschreibungen der Gewalt und ihrer Auswirkungen auf die Opfer sind erschreckend realistisch, aber auch einfühlsam dargestellt. Dadurch wird dem Leser bewusst, wie tiefgreifend und langanhaltend die Spuren von häuslicher Gewalt sein können.

“Ist okay. Es ist nicht deine Schuld.”
Chelsea lässt den Kopf hängen. “Es ist meine Schuld. Ich habe es zugelassen.”
[…] Es ist nicht deine Schuld. Es ist etwas, das dir zugestoßen ist, nicht etwas, das du verursacht hast. Das wäre, als würdest du sagen, du hast zugelassen, dass ein Fels auf dich runtergestürzt ist. Du hast nicht darum gebeten. Wenn Missbrauchstäter ihre Spielzüge ankündigen würden, gäbe es keine Opfer. […] Du bist nicht schwach. Du musst dich selbst nicht kleinmachen. Du darfst Gefühle haben. Du darfst wütend sein. Du darfst Platz für dich beanspruchen. Du darfst irrational und laut und hässlich sein. Du musst dich selbst nicht beschneiden. Nie wieder."

(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.396.)

Besonders beeindruckend ist der authentische Entwicklungsprozess der Hauptcharaktere. Es ist inspirierend zu beobachten, wie sie ihre Ängste und Traumata überwinden und allmählich wieder zu sich selbst finden. Diese Entwicklung ist glaubwürdig und gut durchdacht, was dem Leser ermöglicht, sich mit den Charakteren zu identifizieren und mit ihnen mitzufühlen. Es ist ermutigend zu sehen, wie sie Stärke und Mut finden, um sich aus der Gewaltspirale zu befreien.

"Mach dich niemals kleiner, nur um jemanden zu gefallen, der sich groß fühlen will."
(The Violence: Wie weit würdest du für deine Freiheit gehen? von Delilah S. Dawson, Heyyne, 2023, S.355.)

Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat ist, dass das Buch zwar in Form von David und seine Kumpanen zeigt, wie Frauen unterdrückt und misshandelt werden, das Buch aber auch positive Männerfiguren hat. In vielen Büchern, die sich Feminismus auf die Fahne geschrieben haben, geht es nur darum, wie schlecht und böse die Männer sind (hust Die andere Hälfte der Welt), aber das hat mit Feminismus dann nicht mehr viel zu tun. Die Autorin vermittelt hingegen die wichtige Botschaft, dass Feminismus nicht bedeutet, dass alle Männer schlecht sind. Indem sie Charaktere einführt, die als Unterstützung und Hilfe für die Opfer auftreten und das ganz ohne Retter in weißer Rüstung Klischee, sondern als Unterstützer und Zuhörer, unterstreicht sie die Bedeutung von Solidarität und gegenseitigem Respekt zwischen den Geschlechtern. Das fand ich große Klasse.

War da nicht noch etwas mit einem Virus?
Doch “Moment”, denkt ihr euch jetzt vielleicht, “Du hast uns jetzt schon so viel über das Thema häusliche Gewalt im Buch erzählt, aber gab es da nicht noch eine Pandemie und ein Virus, dass alle in Killermaschinen verwandelt?” Ähm ja, die gibt es und immer wieder spielt die Pandemie auch eine wichtige Rolle in dem Buch, aber ganz ehrlich? Mit minimalen Änderungen hätte die gesamte Geschichte auch ohne das Virus funktioniert. The Violence ist in erster Linie ein Buch, dass das Thema häusliche Gewalt aufarbeitet, und das macht es auch sehr gut, als apokalyptischer Endzeitroman überzeugt es hingegen weniger, denn dafür erscheint das Virus zu unausgereift bez. die ganze Pandemie rückt nie so richtig in den Fokus und bekommt dementsprechend auch kaum Hintergrundinfos, sodass das Violence Virus stets nur ein Nebendarsteller bleibt. Da ich gänzlich ohne Erwartungen an das Buch herangegangen bin, hat mich dieser Aspekt weniger gestört, aber wer Lust auf einen richtigen Endzeitroman hat, neugierig auf das Virus ist und wie die Pandemie sich auf die Gesellschaft auswirkt, oder einfach die Welt brennen sehen will, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden.
Dazu kommen durch die mangelnde Ausarbeitung des Virus auch einige Logikfehler und hin und wieder sind Dinge ziemlich überzogen dargestellt. Aber auch hier muss ich sagen, dass mich die Emotionalität des Buches gnädig gestimmt hat. Ich kann euch keine genaue Begründung liefern, aber was mich bei anderen Romanen an unrealistischem Verhalten und Löchern ohne Informationen auf die Palme gebracht hätte, hat mich bei The Violence nicht so gestört. Ja manches ist unrealistisch bis albern, trotzdem hat es für mich persönlich funktioniert und ich habe das Buch wirklich gerne gelesen und denke auch, dass es bei mir noch eine ganze Weile nachhallen wird.

Fazit:


The Violence ist ein Buch, dass einen vor allem emotional mitnimmt. Es ist eines jener Bücher, die dich erst auf die Palme bringen und Wunden in dein Herz reißen, um dann fein säuberlich ein wohltuendes Pflaster draufzupacken. Als Manko sind einige Logikfehler, Überzeichnungen und die Tatsache, dass das Virus und die Pandemie nur Hintergrund sind, zu nennen, was ich aber in diesem Fall nicht ganz so eng sah, da mir das Buch nach Beenden einfach ein gutes Gefühl gegeben hat.

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Veröffentlicht am 26.05.2023

Aus dem Leben eines Uhus

Strix
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Auf dieses Buch wurde ich durch Zufall aufmerksam, als ich durch die Randomhouse Vorschau stöberte. Die simple, aber doch irgendwie fesselnde Darstellung der Eule machte mich neugierig und als ich erfuhr, ...

Auf dieses Buch wurde ich durch Zufall aufmerksam, als ich durch die Randomhouse Vorschau stöberte. Die simple, aber doch irgendwie fesselnde Darstellung der Eule machte mich neugierig und als ich erfuhr, dass dieses Buch ein “wiederentdeckter” Klassiker von 1920 ist, war meine Neugierde endgültig geweckt.

Leben und Kampf eines Uhus
Der dänische Autor Sven Fleuron erzählt in diesem Buch die Lebensgeschichte, der großen und mächtigen Eule Strix Bubo. Ein Uhu Weibchen, das in den Wäldern der Fjorde ihr Revier hat. Die Geschichte beginnt, als Strix gerade auf dem Höhepunkt ihrer Kraft ist und ihn ihrem Wald gefürchtet und geachtet ist. Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise in das Leben der Eule Strix und zeigt uns die Welt aus ihrer Sicht.

"Sein Kopf ist größer als der einer Wildkatze, vorne flach abgeschnitten, so daß er das schönste Gesicht bildet. Der Schnabel ist stark und gekrümmt, und die Schneiden sind so scharf wie eine Rosenschere. Sie behandeln einen Braten meisterhaft, zerlegen ein Stück Wild im Handumdrehen. Ritsch, ratsch. […] Sie ist so groß, daß sie im Morgen- und Abendlicht, wenn sie über die Waldeswipfel herangleitet, einer kleinen Wolke gleicht – einer schwarzen und an den Rändern sonderbar zerfransten Wolke. Ihr Körper ist wie der einer Gans, und ihre Stärke gibt einen Königsadler in nichts nach. […] Die Dämmerung hat sie mit ihrem Pfeffer und Salz überstreut und die Nacht hat ihr mit schwarzem Pinsel über Flügel und Rücken gestrichen. Über die Mitte der dicken breiten Brust läuft ein weißlicher Strich […] Das ist das einzige, was wirklich hell ist an ihr, so etwas wie eine Erinnerung an den Glanz des Tages, an das Licht der Sonne – ganz willl sie sie doch nicht lassen."
(Strix: Die Geschichte eines Uhus von Svend Fleuron, Diederichs, 2023, S.8ff.)


Was an dieser Textpassage direkt auffällt, ist der Stil Fleurons, der dieses Buch seine ganz eigene Stimmung verleiht. Auf der einen Seite haben wir diese metaphernreiche, fast schon lyrische Sprache, in der alles Natürliche, sei es der Wald, der Wind, die Nacht oder die Dämmerung eine Seele und ein Wesen hat. Eine Sprache, in der die Natur und die Wildnis stark romantisiert wird. Auf der anderen Seite haben wir hart dazu im Kontrast stehend einen ungeschönten Realismus, was den Überlebenskampf und das Jagdverhalten von Raubtieren, zu denen Strix ohne Zweifel gehört, angeht. Die Beschreibungen von Jagd und Tötung sind pathoshaft und stellenweise auch brutal. Eine Jägerin zu sein und Beute zu ergreifen wird nicht simpel als Strix Art der Nahrungsbeschaffung geschildert, nein, es ist ihr ganzes Wesen.

Interessant ist, dass sich diese Glorifizierung des Rechts des Stärkeren jedoch strikt auf die Wildnis und Natur beschränkt. Svend Fleuron macht überdeutlich, dass der Mensch nicht in diese Rechnung gehört. Seine Überlegenheit wird nicht als naturgegeben, sondern als zerstörerisches Eindringen in die natürliche Ordnung dargestellt. Während der Autor Strix eine gewisse Freude an der Jagd zuspricht, weil es ihrer Natur entspräche, wird die Jagd des Menschen als eigennützige und im Sinne der Trophäenjagd sinnlose Brutalität dargestellt. Ich möchte an dieser Stelle jetzt kein Essay über die Jagd an sich schreiben, finde aber, dass dieser Punkt das Buch sehr interessant und ambivalent macht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Svend Fleuron selbst leidenschaftlicher Jäger war.

Aktueller denn je
Neben dem Eingreifen des Menschen ins Leben der Tiere in Form der Jagd spielt noch ein weiteres Thema eine wichtige Rolle: die Bedrohung des Lebensraums durch die Ausbreitung der menschlichen Bevölkerung. Der Autor zeigt, wie Strix Lebensraum immer wieder durch Abholzung, Landwirtschaft und Städtebau bedroht ist und wie schwer es für urtümliche Tiere, wie Strix es ist, sich an diese Veränderungen anzupassen. Immer wieder muss Strix vor den Menschen fliehen und sich neue Reviere suchen, doch der Mensch dringt unaufhaltsam auch in den hintersten Fjord vor. Diese Botschaft, die in Form von Strix beständiger Suche nach der letzten Wildnis ein zentrales Thema des Buches ist, ist aktueller denn je, da die Ausbreitung der bald acht Milliarden Menschen weiterhin in nahezu ungebremsten Tempo den Lebensraum zahlreicher Tiere zerstört. So liest man zwar ein hundert Jahre altes Buch, aber trotzdem werden Leserinnen und Leser dazu gebracht, über die Bedeutung von Umwelt- und Naturschutz nachzudenken. Die Geschichte von Strix ist ein Sinnbild für den Kampf, den viele Tiere tagtäglich führen, um in einer sich verändernden Welt zu überleben.

Letztendlich habe ich abgesehen, von den zuvor bereits erwähnten manchmal übertriebenen Glorifizierung des Jagdverhaltens von Strix nur einen weiteren Kritikpunkt: Einige Passagen, insbesondere die Beschreibung des “Alltagslebens” von Strix, sind zu langatmig und wiederholend. An manchen Stellen scheint der Autor zu sehr in die Beschreibung der Handlung vertieft zu sein, anstatt die Spannung aufrechtzuerhalten.

Fazit:


Insgesamt ist “Strix” ein faszinierendes Buch, das aufzeigt, wie wichtig es ist, den Lebensraum der Tiere zu erhalten und zu schützen. Der Kontrast zwischen der poetischen Sprache und des ungeschönten Überlebenskampfes der (Raub)tiere macht das Buch auf mehrere Ebenen interessant, wenngleich der Pathos an manchen Stellen zurückgeschraubt werden könnte und andere Passagen wiederum etwas mehr Schwung vertragen hätten.

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Veröffentlicht am 26.05.2023

Klassisch Gut

Mit leeren Augen
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Dieser Horror Einteiler fiel mir sofort beim Durchsehen des Splitter Programms ins Auge und wanderte sofort auf meine Must-Have Liste. Als der Comic mich erreichte, war ich überrascht, dass sogar ein fetter ...

Dieser Horror Einteiler fiel mir sofort beim Durchsehen des Splitter Programms ins Auge und wanderte sofort auf meine Must-Have Liste. Als der Comic mich erreichte, war ich überrascht, dass sogar ein fetter roter “ab 18” Sticker drauf prangte, was mich nur noch neugieriger werden ließ und dazu führte, dass ich den Comic sofort nach auspacken zu lesen begann.

Sie haben Hunger…
Die Handlung dieses Horrorcomics ist schnell erzählt: In einem Waisenhaus zur Zeit des 1. Weltkrieges sind die drei Kinder Maurice, Ofelia und Otto die letzten Überlebenden. Auf sich allein gestellt, finden sie nur eine grausige Nahrungsquelle: Menschenfleisch. Während Maurice, dessen Idee das war, sich immer mehr an das dadurch erhaltene Machtgefühl berauscht und Ofelia zur innerlich abgestumpften Mitläuferin geworden ist, kann der jüngste, Otto, dieses Leben nicht mehr lange ertragen. Zuflucht findet er bei den alten, gesprungenen Porzellanpuppen, die ihm Angst machen und trösten zugleich. Was Otto noch nicht weiß: Auch die Puppen haben einen Plan…

Worüber ich bei diesem Comic zuerst reden möchte, ist der eindrucksvolle Zeichenstil von Juan Manuel Tumburu. Der Künstler arbeitet rein digital, das erkennt man an den weichen Verläufen in den Gesichtern und Hintergründen, die man so mit realen Pinseln oder Stifte nicht erreichen kann, aber das sei jetzt nur als Anmerkung, keine Kritik. Ich finde es völlig legitim und genauso künstlerisch, wenn man sich für ein digitales Medium entscheidet, wie für Tusche, Öl oder Aquarell. Was zählt, ist das Ergebnis und hier braucht sich Juan Manuel Tumburu wahrlich nicht zu verstecken. Seine Linien sind weich, fast zart, ein Stil, den man bei Kinderbüchern schon häufiger gesehen hat, was einen interessanten Kontrast zu dem Horror/Gore-Motiv des Comics schafft (ein Eindruck, der durch das florale Vorsatzpapier nur verstärkt wird). In der Kolorierung hingegen fährt der Künstler dann alles auf, was die Farbpalette an Tristesse, Melancholie, Dreck und Blut herzugeben hat, sodass man trotz weicher Linienführung immer die passende Atmosphäre für die grausame Handlung hat.

In Bezug auf die Handlung finden wir hier klassische Horrorelemente: Gruslige Kinder, noch grausigere Puppen und eine Fokussierung auf Augen. Auch die Handlung folgt genretypischen Muster, mit zunächst ruhigerem Start, unterbrochen von einzelnen Schockmomenten, die in eine Eskalation gipfeln. Doch nur weil etwas althergebracht ist, muss es ja nicht schlecht sein. Es hat ja seine Gründe, warum sowas seit Ewigkeiten funktioniert und so mag Mit leeren Augen zwar nicht das Rad neu erfinden, macht aber dafür ziemlich Spaß zu lesen. Und völlig ohne eigene Ideen ist das Duo ja auch nicht. Besonders die Puppen fand ich gut gelungen, da sie sich nicht dem typischen Chucky/Anabelle Muster entsprechend verhalten. Was genau sie von diesen unterscheidet, verrate ich euch aber nicht. Auch das Weltkrieg-Setting hebt den Comic von anderen ab, denn die übernatürlichen Aspekte mal beiseite gestellt, fällt es einem nicht schwer zu glauben, dass eine so ähnliche Geschichte tatsächlich stattgefunden haben könnte (dass es aufgrund der Notlage, sowohl im Ersten, als auch im Zweiten Weltkrieg zu Kannibalismus kam, ist belegt). Das führt dazu, dass auch nach dem Lesen ein beklemmendes Gefühl bleibt und einen die kurze Geschichte nicht so schnell wieder loslässt.

Fazit:


Mit leeren Augen beeindruckt visuell mit tristester Farbpalette und einem ansprechenden Kontrast zwischen weichen Zeichnungen und der dargestellten Brutalität, während die Handlung bewährte Horrorelemente gelungen verknüpft. Ein rundum unterhaltsamer Horrorcomic.

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Veröffentlicht am 26.05.2023

Something is odd in this town

Der Geisterbaum
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Schon seit einiger Zeit lese ich immer wieder gerne die Bücher von Christina Henry, daher weckte auch Der Geisterbaum wieder sofort mein Interesse. Umso mehr, weil wir hier zum ersten Mal keine Geschichte ...

Schon seit einiger Zeit lese ich immer wieder gerne die Bücher von Christina Henry, daher weckte auch Der Geisterbaum wieder sofort mein Interesse. Umso mehr, weil wir hier zum ersten Mal keine Geschichte in Anlehnung an eine bekannte Legende/Märchen haben, sondern ein Henry Original und ich war gespannt, wie die Autorin diese Freiheit nutzen würde.

Something is odd in this town
Eine verschlafene amerikanische Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo, in der in den 80er Jahren so einiges Merkwürdiges vorgeht. Stranger Things lässt grüßen. So althergebracht das mysteriöse amerikanische Städtchen in der Horrorliteratur auch ist, lässt sich doch ohne Weiteres sagen, dass Christina Henry es meisterlich versteht, dieses klassische Setting für sich und ihr Buch zu nutzen und so ist wieder einmal die Stimmung die ganz große Stärke der Autorin. Die unterschwellige Angst, das nicht genau zu benennende Unheil, dass der Stadt droht und das Gefühl von Beunruhigung, weil trotz strahlendem Sonnenschein und spielenden Kinder irgendwas nicht zu stimmen scheint, bestimmen die Atmosphäre des Buches und schafft auch beim Leser/in ein beklemmendes Gefühl. Beklemmend genug, um darüber hinwegzutrösten, dass die Hintergründe, was in Smith Hollow vor sich geht, schon relativ früh enthüllt werden.

Zu dieser Stadt, die gefühlt de ganze Zeit den Atem anhält, passt auch Protagonistin Lauren, die in einem Alter ist, in dem sich vieles halb das eine, halb das andere anfühlt, in dem man Kind und Teenager zugleich ist und vieles im Umbruch scheint. So hat Lauren neben dem Bösen, das im Wald lauert, auch viel mit ganz gängigen Problemen ihres Alters zu kämpfen, was den Roman in vielerlei Hinsicht zu einem Coming-of-Age Roman macht. Dazu gehört auch eine keine Liebesstory, die meiner Meinung zwar nicht absolut störend war, es aber auch nicht gebraucht hätte.
Doch Coming-of-Age und Horror allein reichten der Autorin noch nicht. Nein Gesellschaftskritik sollte auch noch in den Roman und auch wenn ich die Absichten dahinter sehr begrüße, muss ich doch sagen, dass sich Henry hierbei übernommen hat. So geht es in einem Nebenhandlungsstrang um Rassismus, während ein anderer sich mit Slutshaming beschäftigt und die Haupthandlung wirft auch noch Fragen bezüglich des Kapitalismus und der Konsumgesellschaft auf. Das sind zu viele Themen auf einmal, die sich leider gegenseitig die Seiten wegnehmen und so alle nicht zu der Entfaltung kommen, die sie verdient und gebraucht hätten. Man hat beim Lesen das Gefühl, dass vieles nicht fertig ausgearbeitet ist, bez. wird aus Zeitmangel den rassistischen und misogynen Aussagen mancher Charaktere zu wenig entgegengesetzt, sodass Manches (ungewollt, wie ich doch denke) unangenehm kommentarlos im Raum bleibt, während die Handlung schon unterwegs zur nächsten Szene ist.

Wenn ich jetzt mein bisher geschriebenes so lese, hört sich das alles kritischer an, als ich es beim Lesen tatsächlich empfunden habe. Es sind Dinge, die mir aufgefallen sind und die verhinderten, dass das Buch mich vollends überzeugen konnte, dennoch kann ich sagen, dass ich trotzdem viel Spaß beim Lesen hatte. Durch die bereits erwähnte gelungene Atmosphäre, den abwechslungsreichen Charakteren (mit dem knuddligsten kleinen Bruder der Welt btw) und eine zwar nicht revolutionäre, aber solide Handlung konnte mich Der Geisterbaum gut unterhalten. Hätte ich halbe Punkte zu vergeben, wären es 4,5/6 geworden. So runde ich aber wohlwollend auf 5/6 auf (eigenes Blogbewertungssystem mit 6 möglichen Punkten).

Fazit:


Christina Henry schafft es immer wieder beklemmende und faszinierende Atmosphären zu erschaffen, so auch in Der Geisterbaum. Und auch wenn vieles an dem Buch nach klassischen Mustern verläuft und es wenig Neues zu bieten hat, kann ich nicht leugen, dass es mich insgesamt doch gut unterhalten hat und das ist doch die Hauptsache.

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Ein weiterer toller Roman aus dem Avatar Universum

Die Avatar-Chroniken: Der Aufstieg von Yangchen
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Nachdem ich im Januar Der Schatten von Kyoshi gelesen hatte, war ich wieder so richtig im Avatarfieber und freute mich darauf, gleich mit Avatar Yangchen weiterzumachen, umso mehr, da diese in dem genannten ...

Nachdem ich im Januar Der Schatten von Kyoshi gelesen hatte, war ich wieder so richtig im Avatarfieber und freute mich darauf, gleich mit Avatar Yangchen weiterzumachen, umso mehr, da diese in dem genannten Kyoshi Band einen kurzen Auftritt hatte und überhaupt immer wieder verehrend erwähnt wurde. Da war meine Neugierde und Vorfreude natürlich groß, endlich ihre Geschichte kennenzulernen.

Team Avatar Widerwillen
Avatar Yangchen. Schon während der Zeit ihres Nachfolgers Kuruk galt sie als Legende, ein Ruf, der über die Jahrzehnte darüber hinaus nur wuchs, sodass sie zu Kyoshis Zeiten schon als eine der größten Avatare aller Zeiten verehrt wurde. Ich war also sehr gespannt darauf zu erfahren, wie die Anfänge dieser legendären Frau waren.
Gleich am Anfang wird bereits ein Unterschied zu den Avataren, die wir schon kennenlernen durften, deutlich: während Kyoshi und auch Aang aufwuchsen, ohne zu wissen, dass sie der Avatar sind und nach dieser Enthüllung sich erst mit dieser Rolle zurechtfinden mussten, weiß Yangchen bereits von klein auf wer sie ist und was für eine Verantwortung sie trägt. Diese frühe Erkenntnis prägt maßgeblich ihren Charakter. Das heißt nicht, dass Yangchens es leichter hat, oder dass sie sofort der perfekte Avatar ist, aber es lässt sie doch deutlich anders denken und agieren, als zum Beispiel Kyoshi. Es hat auch zur Folge, dass Yangchen mit Beginn der Kernhandlung des Buches bereits reifer, entschlossener und gefestigter in ihrem Charakter wirkte, als Kyoshi, deren mangelnde Charakterentwicklung mein Hauptkritikpunkt an Die Schatten von Kyoshi war. Nachdem ich grade Kyoshis rumgeeiere gelesen hatte, fand ich Yangchens Entschlossenheit, Fokussiertheit und Wille so viel einnehmender und angenehmer. Das ist aber auch Geschmackssache bez. liegt vielleicht auch an meinem Alter, dass ich mit einer zumindest im Verhalten reiferen, überlegt handelnden Protagonistin mehr anfangen kann, als mit einem hitzköpfigen Teenager, der noch nicht so recht in die eigene Rolle passen will.

Yangchen konnte mich also schnell für sich einnehmen und auch über die ganze Länge des Buches hinweg überzeugen. Das einzige, was man vielleicht kritisieren könnte ist, dass es ruhig mehr Parts aus ihrer Perspektive hätte geben können. Womit wir bei Kavik werden, der neben Yangchen ebenfalls ein Protagonist darstellt, anders kann mane s nicht nennen, wo es mindestens genauso viele Kapitel aus seiner, wie aus Yangchens Sicht gibt. Auch wenn ich gerne noch mehr von Yangchen erfahren hätte, mochte ich auch Kaviks Perspektive. Er ist ein interessanter Charakter, deutlich ernster als andere Charaktere, die wir vom Wasserstamm kennen, wobei seine Art aber gut nachvollziehbar ist in Angesicht seiner Hintergrundgeschichte. Sehr gut gefallen hat mir auch die (widerwillige) Dynamik zwischen Kavik und Yangchen und das Tempo, in dem sich das Verhältnis der beiden entwickelt. Da ist man nicht gleich nach der ersten Gefahrensituation, die zusammen bewältigt wurde, Best Friends.

Etwas ist faul im Erdkönigreich
Auch die Handlung konnte mich wieder mehr überzeugen, als bei Die Schatten von Kyoshi. Auch hier muss wieder eine Verschwörung aufgedeckt werden und es geht viel um Intrigen, Machtkämpfe und Diplomatie, im Gegensatz zum Kyoshiband wirkt das alles hier aber strukturierter und Team Avatar eierte weniger planlos durch die Gegend, wodurch die ganze Handlung gleich viel mehr Spaß machte. Nur die Auflösung rund um die “Geheimwaffe” war nicht so meins, wobei ich das eher als Geschmackssache verbuchen würde (Ich mochte diese Art von “Waffe” schon in der Serie nicht besonders).
Ansonsten fand ich die Einbindung in den Kanon wieder ganz gut gelungen. Besonders gefreut habe ich mich darüber, mehr über das Alltagsleben der Luftnomaden zu erfahren und hoffe auf noch mehr Einblicke in das Leben der Mönche und Nonnen vor dem hundertjährigen Krieg im Folgeband.

Fazit:


Dieser neue Roman aus dem Avatar Universum konnte mich auf ganzer Linie überzeugen. Ich mochte sowohl Yangchen, als auch Kavik sehr gerne und genoss es, mehr über die Luftnomaden erfahren zu haben. Ich freue mich jetzt schon auf Band zwei!

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