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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2018

Freuds abtrünnige Patientin

Ida
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Bereits als junges Mädchen leidet Ida an allerlei Krankheiten: Husten bis hin zur Sprachlosigkeit, Magenbeschwerden, ein taubes Bein. Krankheiten scheinen in der Familie Bauer einen großen Stellenwert ...

Bereits als junges Mädchen leidet Ida an allerlei Krankheiten: Husten bis hin zur Sprachlosigkeit, Magenbeschwerden, ein taubes Bein. Krankheiten scheinen in der Familie Bauer einen großen Stellenwert einzunehmen, auch Mutter und Vater sind ständig krank. Als Ida dann von einem Bekannten der Familie belästigt wird und sie sich der Mutter anvertraut, glauben die Eltern Ida nicht und schicken sie zur Behandlung ihrer physischen und psychischen Leiden zu Dr. Freud.
Die Sitzungen bei Freud haben meine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Egal, was Ida ihm erzählt, alles interpretiert er in Richtung Sexualität. Wenn sie einige der absurden Auslegungen Freuds vehement ablehnt, so erklärt er dies damit, dass sie sich des Sachverhalts lediglich nicht bewusst ist. Gottseidank bricht Ida die „Kur“ ab.
Zu Beginn des (Hör-)Buchs kommt Ida im Alter von 58 Jahren nach ihrer Flucht aus dem von Nazis besetzten Europa in den USA an, wo ihr Sohn schon seit längerem lebt. Ida hat kein gutes Wort für ihn und seine Frau, sie mäkelt an allem herum und ist mir äußerst unsympathisch.
Im Laufe des Buchs wird anhand von Rückblenden Idas Leben erzählt und ich habe mehr Verständnis dafür entwickelt, warum sie so geworden ist.
Die Geschichte springt von einer Zeit zur nächsten und da ich das Buch als Hörbuch gehört habe, war dies nicht immer einfach zu verfolgen. Auch war mir zunächst die Stimme der Sprecherin nicht angenehm, doch bereits bei der 2. CD hatte ich mich an die österreichische Färbung gewöhnt.
Alles in allem fand ich Idas Geschichte sehr interessant, vor allem hat es mir gut gefallen, dass die Autorin den politischen Ereignisse der damaligen Zeit einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Das Buch ist keine leichte Kost und Freuds Therapie hat mich zur Weißglut getrieben, trotzdem würde ich die Lektüre empfehlen.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Ein schicksalhafter Wintertag

Ein unvergänglicher Sommer
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Wintereinbruch in Brooklyn. Die Menschen sind gehalten, ihre Wohnungen nicht zu verlassen, doch Richards Katze muss dringend zum Tierarzt. Auf dem Rückweg gerät sein Wagen ins Rutschen und beschädigt das ...

Wintereinbruch in Brooklyn. Die Menschen sind gehalten, ihre Wohnungen nicht zu verlassen, doch Richards Katze muss dringend zum Tierarzt. Auf dem Rückweg gerät sein Wagen ins Rutschen und beschädigt das vor ihm fahrende Fahrzeug. Der Fahrerin, einer jungen Latina, kann er gerade noch seine Visitenkarte überreichen, bevor sie davonfährt. Später am Abend steht sie vor seiner Tür. Ursprünglich hatte sie nur Angst vor ihren Arbeitgebern, weil sie das Auto ohne Erlaubnis ausgeliehen hatte, doch jetzt hat sie festgestellt, dass eine Leiche im Kofferraum liegt.
Richard ist mit der Situation überfordert und wendet sich an seine chilenische Untermieterin Lucia. Gemeinsam beschließen sie, die Leiche und den Wagen loszuwerden. Der Plan ist, beide in einem See zu versenken.
Trotz Schneegestöbers brechen sie zu dritt Richtung Norden auf. Unterwegs beginnen sie damit, sich gegenseitig ihre Lebensgeschichte zu erzählen und sich dabei näherzukommen...
Die vordergründige Geschichte von der Leiche im Kofferraum ist der schwächste Teil der Geschichte. Viel interessanter sind die Schilderungen der bitteren Armut in Guatemala, wo Evelyn, die junge Latina, aufgewachsen ist, die Macht der Narcos und Gangs, die Machenschaften der Menschenhändler. Lucia berichtet von der Gräueln der Militärdikatatur mit den vielen Verschwundenen und auch Richard hat in seinem Leben schon manches erlebt.
Allendes Sprache ist bildhaft und eindrücklich, allerdings finde ich, dass sie in dieses Buch ein bisschen zu viel an Informationen gepackt hat. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Lucia und Richard hat mir gefallen, die Odyssee mit der Leiche im Kofferraum und die Lösung dieses Problems weniger.
Ein unvergänglicher Sommer ist ein durchaus lesenswertes Buch, aber restlos begeistern konnte es mich nicht.

Veröffentlicht am 09.08.2018

Liebe - ein Leben lang

Das rote Adressbuch
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Die 96jährige Doris ist geistig noch voll auf der Höhe, doch aufgrund ihrer körperlichen Gebrechen ans Haus gefesselt. Sie lebt ein sehr einsames Leben, hat nur Kontakt zu ihren Pflegerinnen und der einzigen ...

Die 96jährige Doris ist geistig noch voll auf der Höhe, doch aufgrund ihrer körperlichen Gebrechen ans Haus gefesselt. Sie lebt ein sehr einsames Leben, hat nur Kontakt zu ihren Pflegerinnen und der einzigen lebenden Verwandten, der Großnichte Jenny, die mit ihrer Familie in den USA lebt. Mit ihr skypt sie einmal pro Woche. Nach diesen Gesprächen, in denen sie Einblick in das laute, lebhafte Familienleben von Jenny erhält, ist ihr die Stille in ihren eigenen vier Wänden noch mehr bewusst.
In ihrer Kindheit bekam Doris von ihrem Vater ein rotes Adressbuch geschenkt, das sie wie einen Schatz ihr ganzes Leben aufbewahrt hat. Die darin enthaltenen Namen sind fast alle durchgestrichen mit dem Vermerk „tot“. Sie beschließt, ihr Leben und ihre Verbindung zu diesen Menschen für Jenny aufzuschreiben. Der Leser erfährt von ihrem harten und abenteuerlichen Leben, das sie von ihrer Heimat Stockholm nach Frankreich, Amerika, England und wieder zurück nach Schweden führt.
Dabei wechselt die Perspektive von Doris als junger Frau zurück zu der gebrechlichen Doris der Jetztzeit, die eigentlich nur noch auf den Tod wartet. Doris’ Lebensgeschichte ist spannend und geprägt von der Begegnung mit Allan, der Liebe ihres Lebens, den sie in den Wirren des zweiten Weltkriegs aus den Augen verloren, doch nie vergessen hat.
„Das rote Adressbuch“ ist ein melancholischer und sehr berührender Roman, dessen Ende für meine Begriffe zwar ein bisschen dick aufgetragen ist, was dem Lesegenuss aber keinen Abbruch tut. Ich habe ihn jedenfalls verschlungen.

Veröffentlicht am 26.07.2018

Enttäuschend

Nichts ist verziehen
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Ein Klassentreffen nach 30 Jahren und alle kommen. Die Starken, die die anderen schikanierten, deren Opfer und alle anderen. Wie damals bei ihrem Abschlussfest findet das Treffen in der Hütte ihres ehemaligen ...

Ein Klassentreffen nach 30 Jahren und alle kommen. Die Starken, die die anderen schikanierten, deren Opfer und alle anderen. Wie damals bei ihrem Abschlussfest findet das Treffen in der Hütte ihres ehemaligen Lehrers Sune statt. Sogar eine Gespensterwanderung wie damals ist vorgesehen.
Zu vorgerückter Stunde, als sie zu der Wanderung aufbrechen, sind alle schon ziemlich betrunken. Dann wird eine übel zugerichtete Leiche gefunden. Es handelt sich um Jack, einen der Anführer aus der Schulzeit, der mittlerweile eine bescheidene Karriere als Teilnehmer in einer Realityshow gemacht und von dem Plan gesprochen hat, demnächst seine Memoiren zu veröffentlichen. Wer hat ihn genug gehasst, um ihn zu ermorden? War das geplante Buch der Grund, weshalb er sterben musste? Der Kreis der Verdächtigen ist groß, da Jack keine sehr nette Person war. Doch dann geschehen weitere Todesfälle...
Die Idee des Buchs fand ich spannend, doch die Umsetzung war für meine Begriffe nicht sehr gelungen. Der Anfang des Buchs liest sich wie ein Telefonbuch, unzählige Namen, die es auseinanderzuhalten gilt. Neben den Ermittlungen zu den Mordfällen gibt es jede Menge Nebenschauplätze: untreue Ehepartner, Eifersucht, unerfüllter Kinderwunsch, Alkoholprobleme und damit einhergehende Gedächtnislücken, um nur ein paar zu nennen. Die Autorin streut jede Menge falsche Spuren, was in einem Krimi ja nichts Ungewöhnliches ist, doch manche davon sind wirklich absurd.
Was mir das Lesen dieses Krimis zusätzlich erschwert hat, ist, dass immer wieder ohne irgendwelche Erklärungen auf Personen und alte Geschehnisse Bezug genommen wird, was ziemlich nervt, wenn man, wie ich, die Vorgängerbände nicht kennt.
Für mich war dieses Buch ziemlich mühsam zu lesen, auf keinen Fall der spannende Krimi, den ich erwartet hatte.

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Veröffentlicht am 19.07.2018

Die Idylle trügt

Kampfsterne
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Das Buch handelt vor allem von zwei Familien, die in den 1980er Jahren in einer Vorortsiedlung in ihren kleinen, schön eingerichteten Häusern mit hübschen Gärten irgendwo in Deutschland leben. Allen geht ...

Das Buch handelt vor allem von zwei Familien, die in den 1980er Jahren in einer Vorortsiedlung in ihren kleinen, schön eingerichteten Häusern mit hübschen Gärten irgendwo in Deutschland leben. Allen geht es materiell gut, die Männer arbeiten, die Frauen sind zuhause und widmen sich ihren Kindern und Hobbies. Nach außen die absolute Idylle, doch wenn man hinter die Kulissen blickt, sieht es ganz anders aus.
Jedes Kapitel wird von einem anderen Familienmitglied erzählt, oft werden dieselben Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert. Rita, eine durch und durch verbitterte und berechnende Frau vergleicht sich und ihr Leben ständig mit anderen. Sie hat einen erfolgreichen Mann (zu schwach, kein Rückgrat, langweilig in seinen Cordanzügen) und zwei Kinder. Das Mädchen ist nicht so hübsch wie die Nachbarstochter Lexchen, weshalb Rita Lexchen regelrecht hasst. Der Sohn ist in sich gekehrt und Rita weiß nichts mit ihm anzufangen. Mutterliebe scheint Rita fremd. Ganz anders Ulla, die mit ihren beiden Töchtern Lexchen und Cotsch ein beinahe symbiotisches Verhältnis hat. Ihr Mann Rainer neigt dazu auszurasten und schlägt sie sogar vor den Töchtern. Da sie um nichts in der Welt so schwach und unterwürfig wie ihre Mutter sein möchte, schläft sich Cotsch durch die Reihen ihrer Verehrer, nur um sie danach schnellstmöglich wieder loszuwerden. Lexchen wiederum ist der reinste Sonnenschein, ein immer gutgelauntes kleines Mädchen, das mit seinen acht Jahren noch aussieht wie fünf.
Die Interaktion zwischen all diesen Menschen ist äußerst spannend. Im Laufe des Romans entdeckt man neue Seiten an ihnen, sie entwickeln sich weiter, oft in eine andere ganz Richtung als gedacht. Für mich ein Lesehighlight dieses Sommers!