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Veröffentlicht am 15.09.2016

„Die richtige Art Leben führen“ – „Weil er er war; weil ich ich war“

Und damit fing es an
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Rose Tremains Buch über die lebenslange Freundschaft von Gustav Perle und Anton Zwiebel wurde 2016 sowohl in deutscher Sprache als auch im englischen Original „The Gustav Sonata“ veröffentlich. Der Roman ...

Rose Tremains Buch über die lebenslange Freundschaft von Gustav Perle und Anton Zwiebel wurde 2016 sowohl in deutscher Sprache als auch im englischen Original „The Gustav Sonata“ veröffentlich. Der Roman ist in drei Teile gegliedert, ein Inhaltsverzeichnis ist hintangestellt; der erste Teil beschreibt die sehr unterschiedliche Kindheit und Freundschaft der beiden Jungen im Schweizer Matzlingen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, der zweite die Vorgeschichte Emilies und ihres Ehemanns Erich, und der dritte Teil berichtet mit Rückblicken über die beiden als Erwachsene.

Gustavs Kindheit ist geprägt von Armut und der Verbitterung seiner Mutter durch den sozialen Abstieg der Familie und den frühen Tod des Vaters Erich – dieser hatte die Arbeit bei der Polizei verloren, weil er vor dem Nationalsozialismus in die Schweiz geflohenen Juden geholfen hatte. Die Mutter erzieht Gustav dazu, er müsse wie die Schweiz sein: „Du musst dich zusammenreißen und mutig und stark sein und dich heraushalten. Dann wirst du die richtige Art Leben führen.“ S. 13 Gustav verinnerlicht ihre Prinzipien und verschließt seine Ängste. Anton hingegen, der Sohn eines Bankiers, ist empfindsam und ein begabter Klavierspieler. „Natürlich ist er ein Jude“ meint Emilie über ihn. „Die Juden sind die Leute, wegen denen dein Vater gestorben ist, als er sie retten wollte.“ S. 31. Dieser freudlosen Kindheit Gustavs gegenüber stehen die Besuche bei Antons Familie, die Gustav mitnimmt zum Schlittschuhlaufen, in den Urlaub und als der begabte Anton am Klavier vorspielen soll. Aber Anton kann vor großem Publikum sein Talent nicht zeigen.

Die Autorin erzählt die Familiengeschichte, in beiden veränderten die Tode von Kindern das Leben der Eltern. Besonders Emilies Hoffnungen, aus ihrer ärmlichen, freudlosen Herkunft zu einem besseren Leben zu kommen, zerbrachen. "Wenn man jung ist, glaubt man, dass man noch eine Menge Zeit vor sich hat, dass man alles, was man plant, auch tun kann. Man merkt nicht, wie die Zeit vergeht, das ist das Schwierige daran. Denn sie vergeht trotzdem." S. 70 Der Leser erfährt bei Emilies Ehe vom Versuch, eine Beziehung aufrecht zu erhalten, wo nichts mehr ist, von rücksichtslosem Begehren, von Hoffnungslosigkeit, Müdigkeit, Verlust, Aufgeben.

Als Erwachsener versucht Anton die Lieblosigkeit seiner Mutter zu verdrängen: „Sie hatte sich für die Person, die er war, im Grunde blind gestellt.“ Er wird Hotelbesitzer, bereitet anderen ein Heim fern der Heimat, sieht sich als „Sklave für anderer Leute Bedürfnisse und Wünsche“ S. 261, das Hotel wird ihm zur Zuflucht gegen die Kälte. Anton wurde Musiklehrer, bis er feststellt, dass er mit dem Aufgeben seines Traums, Konzertpianist zu werden, nie versöhnt war. Er erhält eine späte Chance. Gustav ist längst bewusst, „dass eine unerfüllte heimliche Leidenschaft zwangsläufig zum körperlichen Zusammenbruch führt.“ S. 294. Irgendwann wird klar: „Wir müssen die Menschen werden, die wir hätten sein sollen“ S. 327.


Der Roman liest sich leicht und zog mich schnell in seinen Bann – beim ersten Mal bin ich so schnell hindurchgeflogen, dass mir das Material für eine Zusammenfassung fehlte. Bei der zweiten Lektüre merkt man besonders das Talent der Autorin zu unterschwelligen, (fast) versteckten Andeutungen. So deutet Tremain den vergangenen Nationalsozialismus an in den Ängsten von Antons Mutter: in ihrer Reaktion auf das Wort Lager, als die Jungen nur von ihrem Versteck im Wald berichten, oder auf Eisenbahnsignale, wenn der Ehemann sie beruhigen muss, dass der Zug nur deshalb halte. Wenn beim Klavierwettbewerb der Familienname statt Zwiebel als Zwebbel gesprochen wird, schwingt ein weiterer Unterton mit. Im späteren Verlauf berichtet ein Gast des Hotels Gustav von der Befreiung Bergen-Belsens. Das ist geschickt gemacht, der weitere Sinn für die Geschichte erschließt sich jedoch nicht.

Sprachlich ist Tremain zart, poetisch, melancholisch – bis, ja bis auf das zweite Kapitel, das von geradezu besinnungslosem Begehren erzählt in Vulgärsprache – ich mag diese Sprache nicht, finde aber – eher zu meiner Überraschung – dass sie hier passt zu dem von den zwei Nebenfiguren selbst so beschriebenen hauptsächlich animalischen Treiben. Insgesamt wegen der sonst beeindruckenden Sprache und unkitschigen Emotionalität 4,5 Punkte von 5

Veröffentlicht am 15.09.2016

Toll geschrieben: Dystopie und Jugendbuch, ohne (nur) die Klischees beider zu erfüllen

Spiegelriss
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Wieder schreibt Alina Bronsky ein dystopisches Jugendbuch, das "selbst ich" gut finde - und ich fremdele (und das ist zurückhaltend ausgedrückt) eher mit beiden Genres.

Warum fremdeln? Jugendbücher ...

Wieder schreibt Alina Bronsky ein dystopisches Jugendbuch, das "selbst ich" gut finde - und ich fremdele (und das ist zurückhaltend ausgedrückt) eher mit beiden Genres.

Warum fremdeln? Jugendbücher waren mir selbst, als ich noch in dem Alter war, häufig zu flach und zu romantisierend (eher mehr "Die Welle" zum Nachdenken). Und ich mag schon als Film wenig Fantasy/SciFi, dann aber bitte nicht auch noch pessimistisch (Star Trek geht gerade noch, bei "Highlander" mit Christopher Lambert waren die Titel von Queen toll und die Schnitte vom See auf die Oberfläche des Aquariums - aber nein danke bei Matrix, Vampirserien, Übersinnlichem...).

Warum dann hier? Juli ist eine weibliche Hauptfigur, gegen die sich nicht alles in mir sträubt, im Gegenteil: Heldin eher widerwillig, keine "Tussi", Denken durchaus erwünscht, Vorurteile werden auf den Prüfstand gestellt - und das alles ohne Attitüde von "Teenager müssen dauer-bockig sein" oder "ich sitze hier und hoffe, dass er mich liebt, heul" oder "sehe ich gut aus?". Ja, ich mag keine Bücher für Mädchen, in denen eine Passivität proklamiert wird wie in den 50er-Jahre-Versionen von unserem Dachboden!

Dystopisches? Gibt es. Gefühlt weniger dezent als im Vorgänger "Spiegelkind", der sich erst nach genauerem Hinsehen offenbarte, aber immer noch mit genug "Ausgleichselementen", um mir trotzdem zu gefallen: der tolle Schreibstil der Autorin, die poetischen Elemente wie der Wald, der sich seinen Raum zurück erobert, und besonders die Möglichkeit, Themen im Buch zu übertragen: die Angst vor dem Fremden, die Ausgrenzung und Verfolgung bestimmter Gruppen, "entartete Kunst",... man möchte das eigentlich auf keinen Fall in die Hände von Lehrern für Deutsch oder Sozialkunde geraten lassen.

Im Gegensatz zum Vorgänger, der auch für sich allein stehen konnte, benötigt dieser zweite Band der noch unvollständigen Trilogie nach meiner Meinung das erste Buch, beide schließen aber immerhin nicht mit Cliffhangern (mein Abwahlkriterium).

Teils sehr düster und eher nicht für jüngere Teenager geeignet (Isolationshaft, Obdachlosigkeit, Dauer-Verhöre, Bedrohung mit Hinrichtung,...), dadurch aber durchaus einiges an Tiefe.

Hinsichtlich der geradezu poetischen Bilder und Anspielungen tatsächlich noch besser als Spiegelkind, dafür aber mir in einigen Elementen etwas zu mystisch-abgehoben (Zeitebenen, das Quadrum - wobei das schon Charme hat) und irgendwie auf mich einen Hauch zu unfertig wirkend - ja, das Genre - daher einen halben Punkt schlechter bewertet als Band 1. Band 3 hätte ich dann aber dennoch und deswegen auch mal ganz gern auf dem Markt gesehen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wunderschönes Bilderbuch komplett ohne Text – und unbedingt auch (eher?) für Erwachsene

Überall Blumen
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„Überall Blumen“ erschien 2016 in deutscher Ausgabe, 2015 in Kanada unter dem Originaltitel „Sidewalk Flowers“. Der Text (welcher Text? es gibt nur den Titel…) stammt von JonArno Lawson, die Bilder von ...

„Überall Blumen“ erschien 2016 in deutscher Ausgabe, 2015 in Kanada unter dem Originaltitel „Sidewalk Flowers“. Der Text (welcher Text? es gibt nur den Titel…) stammt von JonArno Lawson, die Bilder von Sidney Smith. Über Recherche kann man erfahren, dass Lawson die Idee von einem Spaziergang mit seiner eigenen Tochter mitbrachte, er wird vermutlich eine Art „Storyline“ vorgegeben haben.


Irgendwo stand „Poesie ohne Worte“ als Beschreibung für das Buch, was es meiner Meinung nach ganz gut trifft. Wir begleiten dieses kleine Mädchen und ihren Vater durch die Stadt, in der das rot ihres Kapuzenmäntelchens zuerst der einzige Farbtupfer ist, bis die Blumen dazukommen. Der Vater trägt den Einkauf, oft telefoniert er nebenbei oder wartet auf sie – während sie um sich herum die wenigen Blumen in der Stadt entdeckt, pflückt und teils wieder an anderer Stelle ablegt. Das geschieht wunderschön – der Schmuck für den toten Vogel oder für den Mann, der auf der Parkbank schläft – und bleibt dabei doch am ehesten Gedankenanstoß für den Erwachsenen, weniger Anregungsbuch für das gemeinsame Lesen mit dem Kind. Welcher Erwachsene möchte wirklich, dass sein Kleinkind zu der toten Taube geht, an den Laternenpfahl, an dem doch sicherlich sich auch Hunde erleichtert haben, oder zum Obdachlosen?

Für den Erwachsenen hingegen hat man hier ein wunderschönes Coffeetable-Buch, eine Art (Nicht-zu-viel-) Wimmelbuch für Erwachsene (nicht so bunt, nicht so viel „Gewimmel“ – reduziert „für’s Alter“ = Ein Buch, das wunderschön gestaltet ist, eine fast meditative Wirkung hat und zum Nachdenken anregt bei dieser „Achtsamkeitsübung“ entlang des Einkaufs.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Atmosphärisch dichter Psychothriller; einfallsreich, ohne unappetitlich zu werden

Ihr letzter Sommer
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„Ihr letzter Sommer“ heißt im Original „Only daughter“ und erschien 2016, dabei etwas früher in Deutschland als im UK-Original (Autorin und Handlung sind in Australien beheimatet). Das Buch hat mich blendend ...

„Ihr letzter Sommer“ heißt im Original „Only daughter“ und erschien 2016, dabei etwas früher in Deutschland als im UK-Original (Autorin und Handlung sind in Australien beheimatet). Das Buch hat mich blendend unterhalten und in seinen Bann gezogen! Da ich einfach (zu) viel aus dem Genre Krimi und Thriller lese, finde ich inzwischen das meiste vorhersehbar: entweder in der Lösung und/oder bezüglich unappetitlicher Gewaltorgien um ihrer selbst willen. Dieser atmosphärisch dichte Psychothriller hat mich positiv überrascht.

Achtung Erwartungshaltung: der Fokus liegt wirklich auf „Psycho“, es gibt keine Action, keinen Wettlauf gegen die Zeit, weniger ein „Whodunnit“ wie im klassischen Krimi, als vielmehr ein „was ist hier, was war hier los?“.

„Ich heiße Rebecca Winter. Ich wurde vor elf Jahren entführt.“ S. 7 so stellt sich die junge Frau, die gerade beim Lebensmitteldiebstahl ertappt wurde, gegenüber der Polizei vor.
Der Leser ist hier ein allwissender Leser, sein Wissen wird aber immer nur schrittweise entwickelt. Von Beginn an – der Klappentext verrät es auch – wissen wir, dass die junge Herumtreiberin sich nur als Rebecca ausgibt. Über ihre Motive, ihre Herkunft erfahren wir von Kapitel zu Kapitel mehr, wobei der Fokus eindeutig auf der „echten“ Rebecca liegt; stets im Wechsel spielt die Handlung 2003 und schildert die Geschehnisse rund um „Bec“ als Siebzehnjährige und 2014 um die junge Frau in deren Rolle, in deren Familie und in deren Leben.

Von Anfang an ist die Atmosphäre eher düster, von den Sorgen der jungen Frau im „heute“ angefangen [Insider: sie nennt sich Rebecca Winter und bekommt nie wirklich einen eigenen Namen – DIE Hommage an Daphne du Maurier ist, nun ja, irgendwie cool]. Wurde „Bec“ wirklich beobachtet? Und Luke, für den sie schwärmt – welches Spiel spielt er? Wie ist das Verhalten von Becs bester Freundin Lizzie zu deuten? Was will deren Vater von ihr? Was passiert daheim, nachts?
Einiges bleibt verstörend, was ich für einen sehr cleveren Schachzug halte, mir aber auch vielleicht fünfzig Seiten mehr gewünscht hätte, deshalb ganz ganz knapp an 5 von 5 Punkten vorbei.

S. 63 „Niemand konnte je wirklich verschwinden. Irgendwo existierte man immer.“

Als Folgeroman empfehle ich zum Thema Familie und Auswirkungen:

Jenny Milchman "Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken"

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Grenze in den Köpfen - wenn Politik der Liebe ein Verfallsdatum aufzwingen möchte

Wir sehen uns am Meer
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Die jüdische Israelin Liat und der Palästinenser Chilmi begegnen einander zufällig im Herbst 2002 in New York, sie ist Philologin, 29, mit einem Stipendium erst seit zwei Monaten in den USA, er ist Maler, ...

Die jüdische Israelin Liat und der Palästinenser Chilmi begegnen einander zufällig im Herbst 2002 in New York, sie ist Philologin, 29, mit einem Stipendium erst seit zwei Monaten in den USA, er ist Maler, 27, schon seit über zwei Jahren im Land. Als ein Freund, mit dem sich Liat treffen möchte, kurzfristig verhindert ist, schickt dieser Chilmi, der ihm Arabischunterricht gibt. „Coup de Foudre“, denn Liebe auf den ersten Blick trifft es noch nicht annähernd: Die beiden sind von diesem Tag an zusammen. Chilmi entspricht Liats Begriff eines „vegetarischen Arabers“, nicht religiös, sehr weltlich – keinem Feindbild zuzuordnen.

Liats Gefühle durchlaufen ein Wechselbad: anfangs Furcht aufgrund der Schauergeschichten, arabische Männer würden bevorzugt jüdische Frauen verführen und später versklaven, dann Schuldgefühle wegen der Besetzung, wegen der Dinge, die sie in Israel tun kann und er nicht. Er ist souveräner, beruhigt sie: „Weißt du, eines Tages …wird das Meer uns allen gehören, und wir werden dort gemeinsam schwimmen.“ S. 41
Später, im Winter, kommt Verleugnung hinzu: während Chilmi unbefangen und offen zu Liat steht, verleugnet sie ihn, erzählt den Eltern nichts, versteckt sich, steht nicht zu ihm.

Das große Können der Autorin Dorit Rabinyan besteht darin, dass diese Liat nicht unsympathisch wird, einerseits, weil sie als Ich-Erzählerin automatisch zu größerer Identifikation einlädt und der Leser an ihrem ganzen zerrissenen Innenleben inklusive der Scham über ihr Verhalten teilhat, andererseits, weil auch Chilmi in seiner Reaktion auf seine Erfolge als Maler mit einer chaotischen Besessenheit dargestellt wird, gegenüber der Liat immer als reifer, vernünftiger wirkt. Gleichzeitig wird beider Liebe sehr poetisch und sinnlich beschrieben: „Niemand erfährt, dass er für mich entbrennt wie trockenes Laub, mich immerzu begehrlich umschmeichelt und umwirbt. Unsere schönen Nächte sind wie eine Frucht, deren Fleisch stets nachwächst, so viel man auch abbeißt, unsere Lust steigert sich mit jeder Liebkosung, hungert uns aus und sättigt uns, bis wir wieder hungrig werden. Nehmen und Geben sind eins.“ S. 128f.

Sie streiten viel, die Politik liegt immer nur ein Wort, ein Blick, einen Gegenstand entfernt, so ist für ihn ist ihre hebräische Bibel, die sie zur obligatorischen Soldatenzeit erhielt, nur das „faschistische Szenarium, Soldaten mit Gewehren und heiligen Büchern“ S. 91, nichts anderes als „die Kombination von Koran und Kalaschnikow“ bei der Hamas. Gleichzeitig bemerken diese beiden gerade in der Fremde Gemeinsamkeiten, im Umrechnen der Währungen, der Temperatur-Systeme, im Leiden unter dem strengen Winter – im Heimweh. Dennoch ist es eine „Liebe mit Verfalldatum“, mit einem antizipierten fixen Ende durch die Heimreise Liats – auch wenn sie nicht in der Lage sein wird, eine harmlose Cornflakes-Packung zu erwerben, die zufällig ihr Heimreisedatum als Verfallsdatum zeigt, akzeptiert sie diese Zäsur.

Es ist unglaublich intelligent und einfühlsam, wie Rabinyan die Handlung dieses Buches aufbaut, von der Tatsache, dass diese Liebe ihren Anfang in New York nahm, bis hin zum „Wo“ und „Wie“ des Romanendes, nicht zu vergessen der Einstieg, als Liats hebräische Schriftzeichen den Verdacht des Terrorismus in einem Café provozieren und sie Besuch vom FBI bekommt, das dann, doppelte Ironie, wiederum nicht damit umzugehen weiß, dass ihre jüdischen Eltern aus dem Iran (ausgerechnet!) nach Israel eingewandert sind.

Dieses wundervolle, poetische, sinnliche, tragische, intelligente Buch wurde vom israelischen Erziehungsministerium von der Lektüreliste für die Oberstufe gestrichen - die israelische Zeitung Haaretz zitierte eine Beamtin des Erziehungsministeriums mit der Einschätzung, der Roman ermutige zu Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden, die die »separate Identität« bedrohten, und fördere die Assimilation (vgl. z.B. Jüdische Allgemeine oder Deutschlandfunk im Internet). Anhand eines Films, den Chilmis Bruder daheim für ihn gedreht hat, bittet Liat ihn, ihr die Grenze zu zeigen, gemäß der Lage der arabischen Dörfer und der jüdischen Siedlungen. Er sagt „Sie ist hier …sie verläuft in unseren Köpfen.“ S. 215