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Veröffentlicht am 21.08.2021

Eine ehrliche Darstellung von Perspektivlosigkeit

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
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„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist ein eindrucksvolles Buch von Christiane F., welches 1978 durch den Carlsen Verlag veröffentlicht wurde und seitdem nicht an Bedeutung verloren hat. Es illustriert die prägenden ...

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist ein eindrucksvolles Buch von Christiane F., welches 1978 durch den Carlsen Verlag veröffentlicht wurde und seitdem nicht an Bedeutung verloren hat. Es illustriert die prägenden Erfahrungen aus Christiane F. Kindheit und Jugend, was unter anderem Themen wie Drogensucht und häusliche Gewalt anschneidet. Dabei werden diese grausamen Erfahrungen nicht verharmlost oder ästhetisiert, sondern ehrlich und ohne Selbstmitleid dargestellt.

Die Protagonistin des Buches ist die junge Christiane F., welche nüchtern, aber auch mit viel Nachsicht gegenüber ihrem Jüngeren Ich, über ihre Kindheit und frühe Jugend berichtet. Dabei spielen ihre Familie und ihre Freunde eine ambivalente Rolle – besondere Bedeutung haben für sie und den Verlauf ihres Lebens ihre Mutter, ihr Vater und ihr Partner Detlev.

Schonungslos wird über häusliche Gewalt, Perspektivlosigkeit, Drogenkonsum und Kinderprostitution berichtet – mit der Nüchternheit wie nur eine Betroffene es tun kann und einer ehrlichen Darstellung der daraus resultierenden Konsequenzen.

Dazu beginnt Christiane mit ihrer Erzählung bereits als kleines Kind: Als Dorfkind musste sie mit ihrer Familie nach Berlin ziehen – unter dem Versprechen ein schönes Leben führen zu können, was unter anderem ein eigenes Kinderzimmer beinhaltete – nur um auf die graue und kinderfeindliche Welt eines Plattenbauviertels in Berlin zu treffen.

In dieser Welt herrschte das Recht des Stärksten – Nachsicht und Empfindsamkeit konnten hier nicht gedeihen.

Ohne Spielplätze oder anderen Freizeitgelegenheiten mussten sich die Kinder mit Straftaten als Unterhaltung in ihrem Plattenbaughetto vergnügen, nur um Zuhause regelmäßig auf häusliche Gewalt zu treffen – Gewalt wurde somit als normale Verhaltensweise akzeptiert.

Während der Schulzeit versuchten sich Lehrer vergeblich gegenüber den Kindern zu behaupten – aber auch in der Schule zeigten Lautsein und Aggressivität Stärke, wogegen die Lehrer wehrlos waren.

Zu Abwechslung und Verständnis fand man nur in Jugendclubs, die auch unteranderem von kirchlichen Organisationen geleitet wurden. Dort, in diesen Clubs, konnte Christina eine Freundesgruppe finden, in welcher sie nicht das Gefühl hatte, sich behaupten zu müssen und sich auch verstanden fühlen konnte. Durch diese Freundesgruppe kam sie auch den ersten Kontakt mit Drogen – sie wurden als Entspannung und Ablenkung vom stressigen und sinnlosen Arbeits- und Ausbildungsalltag eingenommen.

Weil ihr Umfeld nicht auf Christianes Hilferufe reagieren konnte oder sie sogar gar nicht erst wahrgenommen hat, folgte eine Abwärtsspirale aus Drogenkonsum, Prostitution, Entzügen und Hilflosigkeit, welche unter mangelnder staatlicher und medizinischer Unterstützung nach Jahren gebrochen werden konnte. Zu diesen Hilfeschreien gehörten nicht nur schlechter werdenden Schulleistungen, sondern auch der Körperliche Verfall durch Drogenkonsum.

Der Grund wieso dieses Buch so bedeutend ist, wird schnell klar: Es ist eine zeitlose Gesellschaftskritik, welche durch ihre Ehrlichkeit fesselnd und emphatieanregend ist.

Die Rolle des Umfelds in Bezug auf die Perspektiv- und Hilflosigkeit von Jugendlichen wird nüchtern dargestellt und zeigt die Konsequenzen auf, mit welchen viele Menschen schon vor mehreren Dekaden, aber auch heutzutage, umzugehen und zu leben haben.

Zu diesen Konsequenzen gehört nicht nur eine große Anzahl an gar nicht oder nur schlecht ausgebildeten Jugendlichen, sondern auch Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle, Systemhass und Selbstmordgedanken.

Der Drogenkonsum der Kinder und Jugendlichen war in jedem Moment bloß eine Ausflucht aus einer Realität, in welcher keine Kreativität und Wertschätzung geboten wurde, sondern Spießbürgertum und Kleinlichkeit das Ideal waren. Die Kinder sind ohne Ziele und Ideale groß geworden und mussten unter der Prämisse, leben den Erwachsenen keinen Ärger zu machen, obwohl es nie klar war, was die Erwachsenen ärgert oder wohin sie mit ihrer Energie sollen. Schulen waren keine Zuflucht, sondern eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, in welcher kein Zugehörigkeitsgefühl oder Inspiration möglich war.

So ist es verständlich, dass nach den ersten Möglichkeiten gegriffen werden, welche die momentane Situation erträglicher machen kann – in die Zukunft vorauszudenken oder auf anderen Wegen Auswege zu finden waren nie Optionen gewesen – unteranderem, weil andere Auswege nie geboten wurden oder greifbar waren.

Die Konsequenzen daraus sind der Tod von vielen Kindern und Jugendlichen durch Überdosen und Selbstverletzung, wobei die Drogen selbst nicht das tatsächliche Problem gewesen sind.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2021

Eine ehrliche Darstellung von Perspektivlosigkeit

Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
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„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist ein eindrucksvolles Buch von Christiane F., welches 1978 durch den Carlsen Verlag veröffentlicht wurde und seitdem nicht an Bedeutung verloren hat. Es illustriert die prägenden ...

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist ein eindrucksvolles Buch von Christiane F., welches 1978 durch den Carlsen Verlag veröffentlicht wurde und seitdem nicht an Bedeutung verloren hat. Es illustriert die prägenden Erfahrungen aus Christiane F. Kindheit und Jugend, was unter anderem Themen wie Drogensucht und häusliche Gewalt anschneidet. Dabei werden diese grausamen Erfahrungen nicht verharmlost oder ästhetisiert, sondern ehrlich und ohne Selbstmitleid dargestellt.

Die Protagonistin des Buches ist die junge Christiane F., welche nüchtern, aber auch mit viel Nachsicht gegenüber ihrem Jüngeren Ich, über ihre Kindheit und frühe Jugend berichtet. Dabei spielen ihre Familie und ihre Freunde eine ambivalente Rolle – besondere Bedeutung haben für sie und den Verlauf ihres Lebens ihre Mutter, ihr Vater und ihr Partner Detlev.

Schonungslos wird über häusliche Gewalt, Perspektivlosigkeit, Drogenkonsum und Kinderprostitution berichtet – mit der Nüchternheit wie nur eine Betroffene es tun kann und einer ehrlichen Darstellung der daraus resultierenden Konsequenzen.

Dazu beginnt Christiane mit ihrer Erzählung bereits als kleines Kind: Als Dorfkind musste sie mit ihrer Familie nach Berlin ziehen – unter dem Versprechen ein schönes Leben führen zu können, was unter anderem ein eigenes Kinderzimmer beinhaltete – nur um auf die graue und kinderfeindliche Welt eines Plattenbauviertels in Berlin zu treffen.

In dieser Welt herrschte das Recht des Stärksten – Nachsicht und Empfindsamkeit konnten hier nicht gedeihen.

Ohne Spielplätze oder anderen Freizeitgelegenheiten mussten sich die Kinder mit Straftaten als Unterhaltung in ihrem Plattenbaughetto vergnügen, nur um Zuhause regelmäßig auf häusliche Gewalt zu treffen – Gewalt wurde somit als normale Verhaltensweise akzeptiert.

Während der Schulzeit versuchten sich Lehrer vergeblich gegenüber den Kindern zu behaupten – aber auch in der Schule zeigten Lautsein und Aggressivität Stärke, wogegen die Lehrer wehrlos waren.

Zu Abwechslung und Verständnis fand man nur in Jugendclubs, die auch unteranderem von kirchlichen Organisationen geleitet wurden. Dort, in diesen Clubs, konnte Christina eine Freundesgruppe finden, in welcher sie nicht das Gefühl hatte, sich behaupten zu müssen und sich auch verstanden fühlen konnte. Durch diese Freundesgruppe kam sie auch den ersten Kontakt mit Drogen – sie wurden als Entspannung und Ablenkung vom stressigen und sinnlosen Arbeits- und Ausbildungsalltag eingenommen.

Weil ihr Umfeld nicht auf Christianes Hilferufe reagieren konnte oder sie sogar gar nicht erst wahrgenommen hat, folgte eine Abwärtsspirale aus Drogenkonsum, Prostitution, Entzügen und Hilflosigkeit, welche unter mangelnder staatlicher und medizinischer Unterstützung nach Jahren gebrochen werden konnte. Zu diesen Hilfeschreien gehörten nicht nur schlechter werdenden Schulleistungen, sondern auch der Körperliche Verfall durch Drogenkonsum.

Der Grund wieso dieses Buch so bedeutend ist, wird schnell klar: Es ist eine zeitlose Gesellschaftskritik, welche durch ihre Ehrlichkeit fesselnd und emphatieanregend ist.

Die Rolle des Umfelds in Bezug auf die Perspektiv- und Hilflosigkeit von Jugendlichen wird nüchtern dargestellt und zeigt die Konsequenzen auf, mit welchen viele Menschen schon vor mehreren Dekaden, aber auch heutzutage, umzugehen und zu leben haben.

Zu diesen Konsequenzen gehört nicht nur eine große Anzahl an gar nicht oder nur schlecht ausgebildeten Jugendlichen, sondern auch Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle, Systemhass und Selbstmordgedanken.

Der Drogenkonsum der Kinder und Jugendlichen war in jedem Moment bloß eine Ausflucht aus einer Realität, in welcher keine Kreativität und Wertschätzung geboten wurde, sondern Spießbürgertum und Kleinlichkeit das Ideal waren. Die Kinder sind ohne Ziele und Ideale groß geworden und mussten unter der Prämisse, leben den Erwachsenen keinen Ärger zu machen, obwohl es nie klar war, was die Erwachsenen ärgert oder wohin sie mit ihrer Energie sollen. Schulen waren keine Zuflucht, sondern eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, in welcher kein Zugehörigkeitsgefühl oder Inspiration möglich war.

So ist es verständlich, dass nach den ersten Möglichkeiten gegriffen werden, welche die momentane Situation erträglicher machen kann – in die Zukunft vorauszudenken oder auf anderen Wegen Auswege zu finden waren nie Optionen gewesen – unteranderem, weil andere Auswege nie geboten wurden oder greifbar waren.

Die Konsequenzen daraus sind der Tod von vielen Kindern und Jugendlichen durch Überdosen und Selbstverletzung, wobei die Drogen selbst nicht das tatsächliche Problem gewesen sind.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte.

Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.

Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen. Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen.

Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte. Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte.

Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.

Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen. Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen.

Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte. Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte. Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.
Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen.

Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen. Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte.

Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

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