Profilbild von Suhani

Suhani

Lesejury Profi
offline

Suhani ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Suhani über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2024

"Aufreger" mit Happyend

Nordseesterne
0

Ich brauchte mal wieder eine Pause von Thrillern und da kam so ein „Feelgood“ gerade richtig.
Das Cover war schonmal top dafür und auch der Klappentext hat mich dann überzeugt. Außerdem lese ich gerne ...

Ich brauchte mal wieder eine Pause von Thrillern und da kam so ein „Feelgood“ gerade richtig.
Das Cover war schonmal top dafür und auch der Klappentext hat mich dann überzeugt. Außerdem lese ich gerne Bücher, die in meiner Region – oder zumindest drum rum – spielen. Greetsiel kenn ich übrigens auch und ich hatte den kleinen Ort wieder bildhaft vor Augen. Die Autorin kannte ich noch nicht und es ist ihr erster Nordsee-Roman. Bisher hat sie immer ihre Romane an der Ostsee angesiedelt. Wie die sind, kann ich nicht sagen, aber ihr erster Nordsee-Roman ist ihr sehr gut gelungen!
Wenn ich diesen Roman mit einem Satz beschreiben sollte, dann so:
„Aufreger mit Happyend!“

Warum Aufreger?
Weil ich mich andauernd über Marianne, Luisas Mutter, aufgeregt habe.
Sie gängelt ihre Tochter, bestimmt über sie, fädelt Dinge ein und stellt Luisa vor vollendete Tatsachen. Kurz, sie bestimmt und manipuliert das Leben ihrer Tochter und andere Menschen, um ihre Vorteile durchzusetzen – alles „Zum Wohle ihrer Tochter“
Luisa ist über 30 Jahre alt!
Klar, Luisa könnte dagegen angehen und ihr Leben führen wie sie es mag, schließlich ist sie doch schon erwachen.
Luisa mag eigentlich auch gar nicht in dem Unternehmen ihrer Mutter arbeiten, und schon gar nicht später einmal übernehmen.
Viel lieber kocht sie. Sie hat sogar einen eigenen Kochkanal, auf dem sie sich auch immer Kochduelle mit ihrer besten Freundin liefert. Das Kochen ist ihre Leidenschaft und so gerne würde sie mehr als nur diesen Hobbykanal daraus machen.
Aber sie leitet die Marketingabteilung von „Natürlich schön“, der Firma ihrer Mutter. Aber selbst das ist der Mutter nicht genug. Ihr ist ein Dorn im Auge, dass Luisa nicht ihren Ehrgeiz hat, um die Firma weiterzubringen und deswegen fädelt sie auch etwas in der Firmenleitung ein und stellt Luisa vor vollendete Tatsachen, die sie im Moment vor Schock nicht ablehnen kann. Bevor sie überhaupt Nein sagen kann, gratulieren ihr schon alle.
Auf der Party bricht Marianne zusammen und die Diagnose im Krankenhaus verändert schlagartig alles.
Ab da sind wir nur noch in Ostfriesland / Greetsiel und Umgebung.

Gleich bei der Anreise war ich mitten drin, in Greetsiel. Die Autorin beschreibt den Ort, die Menschen dort und alles drum rum so authentisch, dass das Kopfkino von Anfang an live und in Farbe mitläuft.
Greetsiel ist die Heimat von Marianne, aus der sie vor langer Zeit nicht im Guten weggegangen ist. Doch jetzt möchte sie alles ins Reine bringen, denn nach dem Schock der Diagnose wird ihr einiges klar.
Wenn Luisa zu Anfang auch nur dachte, dass ihre Mutter ihre Heimat wiedersehen will, so kommt gleich der nächste Schock, als sie statt vor einem Hotel vor einem kleinen Haus halten und sie von jetzt auf gleich eine „neue“ Familie kennenlernt.
Ihre Tante Helga, ihre Cousine Merle und ihren Cousin Björn.
Eine Familie, von der sie noch NIE etwas gehört hatte!
Aber warum?
Nach und nach tun sich für Luisa die Familiengeheimnisse auf und auch ihre Mutter erkennt sie manchmal nicht wieder. Diese friesische Art, die sie noch nie bei ihrer Mutter auch nur ansatzweise gesehen hat, erstaunen sie immer wieder.
So langsam gefällt ihr auch die Gegend und die Leute, ganz besonders auch Holger, der Restaurantbesitzer und Bekannte von Merle, bei dem sie spontan beim ersten Besuch in der Küche aushilft, weil der Koch abgehauen ist.
Na da entwickelt sich doch was ……
Aber was?

Trotz der friesischen Idylle und der neuen Familie, die (fast) nicht nachtragend ist, gibt es dennoch genug „Drama“.
Sollte man meinen, dass Marianne langsam umdenkt, was ihr Geschäft, deren Führung und vor allem Luisa angeht, hat man sich getäuscht.
Sie manipuliert die Menschen in ihrem Umfeld weiter und spinnt Fäden, die sie zum Ziel führen sollen – alles zum Besten von Luisa!
Nein, ist es aber nicht!
Und genau das ist der Punkt, der mir Marianne immer wieder unsympathisch macht und ich Lisa anschreien möchte „Hör verdammt nochmal nicht auf sie und lass dir das nicht gefallen!“
Wenn das meine Mutter wäre, ich hätte sie schon längst in die Wüste geschickt. Diagnose hin oder her.

Aber was wäre so meine Geschichte ohne Happy End? ^^
Natürlich gibt es das hier auch, der Weg dahin ist eben steinig.
Die Autorin schafft es aber geschickt mit Wendungen, die ich als Leserin nicht vermutet habe, die Geschichte auch spannend zu halten und gibt damit eine Vollständigkeit, in der doch am Ende alle zufrieden sind. So wie es in einer Familie und deren „neuen“ Mitglieder sein sollte.
Natürlich kommt hier auch die Romantik nicht zu kurz, die aber nicht kitschig wird – bis auf ein ganz klein wenig, was aber nicht weh tut. Ja, die Romantik hat auch Höhen und Tiefen, wie im richtigen Leben auch, somit fand ich auch das realistisch.
Haben sich denn nun am Ende Luisa und ihre Mutter ausgesöhnt?
Wer ist denn jetzt für die Romantik zuständig?
Holger oder Erik, Luisas Verlobter in Hamburg und Mariannes Vertretung?
Lest selbst das Buch, dann habt ihr die Antworten ☺️

Mein Fazit:
Ja, es ist definitiv ein „Feelgood“, mit tollem und bildreichem Schreibstil.
Aber es gibt auch Aufreger und Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet habe.
Eine tolle Geschichte, wie sie auch im richtigen Leben passieren kann und in der ich von Anfang bis Ende mittendrin war.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 03.03.2024

Kurze Unterhaltung - mehr nicht

Mr. Sapien träumt vom Menschsein
0

Hmm…. Warum dieses Buch verdient ein Klassiker zu werden, leuchtet mir nicht ein.
Der Klappentext passt so gar nicht zu dem was ich letzt endlich gelesen habe.

Ja, es ging um Roboter in einer Welt, in ...

Hmm…. Warum dieses Buch verdient ein Klassiker zu werden, leuchtet mir nicht ein.
Der Klappentext passt so gar nicht zu dem was ich letzt endlich gelesen habe.

Ja, es ging um Roboter in einer Welt, in der es fast keine Menschen mehr gibt.
Ja, es ging um Roboter, die sehr menschliche Züge hatten.
Ja, es gab auch Mr. Sapiens.
Aber das war es dann auch schon.
Mr. Sapiens war für mich nur eine Nebenrolle, die immer mal wieder kurz auftauchte, ein paar Gedanken beisteuerte und das war es dann auch wieder.

Vielmehr hab ich hier von einem kränklichen Menschen und einem Robotermädchen gelesen, die sich eine heile (menschliche) Welt aufbauen wollten, die aus Mutter, Vater, Kind bestehen sollte.
Der Rest bestand aus einer Roboterjugend, die genauso gelangweilt war, wie es auch unter heutigen Jugendlichen vorkommt. Sie wissen nichts mit sich anzufangen, leben in den Tag und kommen auf mehr oder weniger blöder Ideen.

Laut Klappentext wäre es eine andere Geschichte gewesen und am Ende war ich froh, dass ich nur 1.99 € als Mengelexemplar dafür ausgegeben habe.
Ich hab es nicht abgebrochen, weil mich das wirkliche Geschehen in der Geschichte nicht gelangweilt hat, und ein Roboter doch mehr unter seiner (Metall)Schale hatte, als es oberflächlich den Anschein hatte.
Aber zu tiefer ging es auch da nicht in die Geschichte und den Sinn des Lebens.

Mein Fazit:
Wenn man sich nicht an den Klappentext festhält, reicht es noch für eine kurze Unterhaltung.
Mehr sollte man aber nicht erwarten, sonst wäre die verbrachte Lesezeit zu schade.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.03.2024

Eine interessante und auch spannende Geschichte

Raum
0

Im Gegensatz zu vielen hatte ich von Anfang an überhaupt keine Probleme in das Buch reinzukommen, da ich schon wusste, das es aus der Sicht eines 5jährigen geschrieben wurde. Das bringt natürlich mit sich, ...

Im Gegensatz zu vielen hatte ich von Anfang an überhaupt keine Probleme in das Buch reinzukommen, da ich schon wusste, das es aus der Sicht eines 5jährigen geschrieben wurde. Das bringt natürlich mit sich, dass die Grammatik und andere Wörter falsch ausfallen. Ich „war“ also von Anfang an Jack, der seit seiner Geburt in diesem Raum alleine mit seiner Mutter wohnt.
Ich fand es interessant, wie die Mutter alles ihn ihren Möglichkeiten stehende zu tun um Jack ein halbwegs normales Leben zu bieten – was es natürlich überhaupt nicht war.

Interessant war das Buch auf jeden Fall und als der Fluchtversuch gemacht wurde, hab ich echt den Atem angehalten.
Alles in allem war das Buch logisch verständlich, was den Ablauf der Geschichte betrifft.
Ich konnte sowohl die Handlungen und auch Gedanken von Jack nachvollziehen, als auch von der Mutter und den Großeltern.
Allerdings hatte ich ab und an mit der Wortwahl von Jack meine Zweifel.
Es sollte ja nach Bezeichnungen und Grammatik die eines 5jährigen sein, der unter besonderen Umständen bis dato aufgewachsen war – kein Problem.
Aber immer wieder „wechselte“ die Wortwahl dann wieder zu Fremdwörtern und eine Ausdrucksweise, wie von einem studierten Erwachsenen.
Das passte überhaupt nicht zusammen, meiner Meinung nach. Das war für mich auch nicht damit zu erklären, dass die Mutter ihn ja nach ihren Möglichkeiten selbst unterrichtet hat, dann hätte z. B. die kindliche Grammatik auch anders sein müssen.
Das Konzept von Jacks Sprache fand ich dann doch nicht richtig durchdacht.

Abschließend kann ich aber sagen, dass es – bis auf meine Bemängelung – eine runde Geschichte war, die auf keinen Fall Mainstream ist.
Auch die psychische Seite bei Jack und seiner Mutter konnte ich verstehen – selbst die Sache mit „Schlimmer Zahn“, auch wenn sich mir jedes Mal wieder die Nackenhaare aufstellten …

Mein Fazit:
Eine interessante und auch spannende Geschichte, die zeigt was eine Extremsituation für Folgen haben kann.
Ein Buch , das mich unterhalten hat und nicht aus der Hand legen konnte, weil ich unbedingt wissen wollte wie es weiter ging.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.02.2024

Stolze Wüstentochter

Hinani. Tochter der Wüste
0

Ich liebe die Bücher von Federica de Cesco ^^
Auch mit diesem dünnen Buch hat sie es geschafft, mir den Zauber der Wüste näher zu bringen.
Sie schreibt so bildlich, dass man von Anfang an dabei ist.

Hinani, ...

Ich liebe die Bücher von Federica de Cesco ^^
Auch mit diesem dünnen Buch hat sie es geschafft, mir den Zauber der Wüste näher zu bringen.
Sie schreibt so bildlich, dass man von Anfang an dabei ist.

Hinani, eine stolze Wüsten Tochter. Sie ist mutig, selbstbewusst und Tochter des Amenokals (Stammeshäuptlings). Sie genießt das Ansehen der Familie und ihre Freiheit. Ihr gefallen die Annäherungsversuche von Mohara, lässt ihn aber immer wieder abblitzen und verspottet ihn sogar. Für sie kommt nur ein Prinz in Frage, schließlich ist sie die Häuptlingstochter und er nur ein normales Stammesmitglied.
Mohara gibt aber nicht auf und will ihr sogar ein Gepardenfell vor die Füße legen und macht sich mit einem Freund und einem Fährtensucher auf die Suche nach einem Gepard.
Sie finden auch einen und er kann ihn selbst erlegen. Leider ist es am Ende doch nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte ….

Hinani trifft tatsächlich einen Prinzen – Ahmed – und ist ihm auch nicht abgeneigt, im Gegenteil, ihr Herz fängt jedes Mal anzuflattern, wenn sie ihn sieht.
Auch Ahmed verliebt sich in die hübsche Tochter seiner Gastgeber, will sie heiraten und mit in sein Land nehmen.
Als er ihr erklärt, wie sie bei ihm leben würde, verweigert sie ihm gegen ihre Gefühle die Hochzeit. Im Stamm der Kel Rela bestimmt die Frau, wen sie heiraten wird und der Mann zieht in den Stamm der Braut. Sie würde nie die Freiheit der Wüste gegen ein Leben hinter Palastmauern eintauschen. Auch nicht, wenn ihr ansonsten jeder Wunsch von den Augen abgelesen werden würde.
In seinem Stolz gekränkt entführt Ahmed sie und sie erwacht hinter Mauern ….

Die Geschichte selbst ist nur 155 Seiten lang. Das sind nicht viel und ich halte eigentlich auch nichts von Büchern unter 350 Seiten. Federica de Cesco ist da eine große Ausnahme für mich. Ihre Bücher kaufe ich blind und wurde bis her noch nie enttäuscht. Meistes schreibt sie Bücher so zwischen 200 und 350 Seiten. Und obwohl dies nun wirklich eine sehr kurze Gesichte war, war es ein Buch voller Leben und Kopfkino!
Die Autorin hat es auch mit diesen wenig Seiten geschafft, das mir nichts an er Geschichte fehlte. Klar hätte noch mehr von der Stammesgeschichte, von der Heimat des Prinzen und der Rettung von Hinani erzählt werden können, aber so wie die Autorin die Geschichte erzählt brauch es nicht mehr.
Ich war mittendrin und hatte volles Kopfkino.
Konnte über Hinani schmunzeln, wenn sie wieder Mohara eine Abfuhr erteilte, die Gefühle zwischen dem Prinzen und ihre Traditionen verstehen, war voller Spannung wegen ihrer Rettung und war froh über das gute Ende.
Wie das war verrate ich euch natürlich jetzt nicht 😉

Mein Fazit:
Eine sehr kurze Geschichte, mit allem was eine Geschichte braucht und die mich voll und ganz abgeholt hat.
Traut euch! 😊

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.02.2024

Eine Geschichte voller Leben aus dem Berlin

Ein Mann will nach oben
0

Die Geschichte spielt in Berlin zwischen 1910 und 1930, geschrieben hat Hans Fallada es aber zwischen 1941 und 1943.
Eigentlich wollte die Produktionsfirma “Wien-Film“ ein Drehbuch von Hans Fallada geschrieben ...

Die Geschichte spielt in Berlin zwischen 1910 und 1930, geschrieben hat Hans Fallada es aber zwischen 1941 und 1943.
Eigentlich wollte die Produktionsfirma “Wien-Film“ ein Drehbuch von Hans Fallada geschrieben haben. Es sollte ein Berlin-Film werden, in dem ein Kleinstädter das große Berlin erlebt, ohne das Kriegszeiten eine Rolle darin spielen.
Da Hans Fallada aber kein Drehbuchautor war und es auch nach mehreren Versuchen nicht klappte, schrieb er ein Buch davon.
Und das ist ihm unter vielen, widrigen Umständen hervorragend gelungen, wie ich finde.

Karl Siebrecht ist 16, als sein Vater starb und er als Vollwaise dasteht. Voller Erbitterung stellt er schon bei der Beerdigung fest, dass keiner ein gutes Wort für seinen Vater übrig hat. Dabei war sein Vater immer allen gegenüber gefällig und hilfsbereit in seinem Leben gewesen.
Mit wütender Entschlossenheit beschließt er, dass ihm das nicht passiert und während die Onkel und andere der Gemeinde noch über seine verarmte Zukunft diskutieren, beschließt Karl nach Berlin zu gehen.
Allein und ohne irgendwelche Heuchler im Rücken nimmt er sich vor, Berlin zu erobern.
Er würde stark und hart seinen Weg gehen und sich von niemanden hereinreden lassen.
Davon kann ihn auch Minna, die gute Seele und Haushälterin nicht von abbringen. Auch wenn es ihr schwer fällt Karl, den sie immer wie einen eigenen Sohn behandelt hat, gehen zu lassen, so kann sie es doch nicht verhindern.
Aus Angst um seine Zukunft, besteht sie darauf, dass Karl ihre Ersparnisse als Startkapital nimmt und wenn er es zu was gebracht hat, kann er sie ja immer noch zurückgeben.
Und damit macht sich Karl im Morgengrauen auf den Weg, Berlin zu erobern.

Als Leser begleiten wir Karl Siebrecht durch seinen schwierigen, mit Hindernissen übersäten Lebensweg.
Er trifft viele Menschen, die ihm wohlgesinnt sind, aber auch Neider und die ihn als Konkurrenz weghaben wollen. Schnell merkt Karl, dass Berlin sich nicht so leicht erobern lässt, ganz im Gegenteil! Dabei hat er so viel Hilfe, um sich erstmal in Berlin zurechtzufinden, die er auch annimmt, aber nur solange, wie er seine eigenen Entscheidungen treffen kann. Manches Mal geht er dabei über „Leichen“, bei Menschen die es gut mit ihm meinen und eigentlich seine Freunde sind.
Aber immer die schlechten Erfahrungen von Zuhause im Hinterkopf, macht er sich auch viel kaputt.
Da ist zum Beispiel Rieke. Eigentlich eine echte „Berliner Göre“ mit ihren 13 Jahren. Aber auch sie musste schon erwachsen werden, um ihre kleine Schwester und ihren, dem Suff verfallenden, Vater durchzubringen. Sie weiß wie das Leben läuft und nimmt Karl bei sich auf, damit er erstmal eine Bleibe hat.
Riecke kümmert sich trotz schlechter Zeiten um alles und durch sie findet Karl langsam Fuß in Berlin.
Aber wie schon erwähnt, er stellt sich immer wieder selbst ein Bein, in dem er immer, wenn es drauf ankommt seinen Freunden vor dem Kopf stößt.
Aber ohne sie und anderen Menschen, die es gut mit ihm meinen, wäre auch er nie so weit gekommen, wie er es am Ende dann doch geschafft hat.

Was „Der amerikanische Traum“ vom Tellerwäscher zum Millionär ist, ist hier der „Berliner Traum“ vom Kofferträger zum angesehenen Geschäftsmann.
Beide Wege sind steinig. Benötigen Ehrgeiz, Durchhaltevermögen und Kampfgeist. Aber ohne Freunde und Förderer geht es nicht. Wer das einsieht kommt schneller ans Ziel, wer nicht braucht sehr lange und verliert auch viel. Nicht nur Geld, auch Freunde.

Hans Fallada hat hier wieder aus dem vollen Leben des kleinen Mannes eine Geschichte gezaubert, so bunt wie das Berlin selbst!
Er fängt die Personen so lebensnah ein, dass man sie sofort annimmt. Da ist nichts übertrieben, weder bei den Guten noch bei denen, die es auf die krumme Tour versuchen. Man hat das volle Leben der frühen Berliner Jahre sofort vor Augen und man ist mitten drin.
Karl Siebrecht hat mich so manches Mal echt verzweifeln lassen. Da hat er so viele Menschen um sich herum, die es wirklich nur gut mit ihm meinen, ohne selbst Nutzen daraus zu ziehen, nehmen seine Eskapaden klaglos hin und am Ende lässt er sie doch hinter sich, weil er am Ende doch nur an sich denkt.
Das hört sich jetzt nach einem hochgradigen Egoisten an, aber das kann man ihm trotz allem wiederum auch nicht auf die Fahne schreiben.
Ein Egoist hat andere Beweggründe, die Karl hier nicht hat. Er will nur nicht am Lebensende so wie sein Vater dastehen. Er nimmt Hilfen an, wenn es gar nicht anders geht, aber die Entscheidungen trifft er, um sein Ziel zu erreichen, grundsätzlich selbst. Auch wenn er seine „Freunde“ am Ende vor den Kopf stößt. Einige mehr oder weniger, einige auch so sehr, das es zu einem Bruch kommt.

Das Freunde hab ich extra in Anführungszeichen gesetzt, weil er manches Mal gar nicht erkennt, wer seine Freunde sind.

Um seine Ziele zu erreichen, kommt er aber auch immer wieder mit zwielichtigen Gestalten zusammen, das er sogar dafür büßen muss.
Ja und dann sind da noch die Frauen. Keine „leichten Mädchen“, sondern die, die es wirklich ehrlich mit ihm meinen, sich in ihn verlieben und eine Beziehung mit ihm aufbauen möchten.
Aber auch da steht sich Karl selbst im Weg. Nachdem eine Heirat nach ein paar Jahren in die Brüche geht, hat er ein Auge auf eine Dame geworfen, die ihn zwar fördert, aber nichts von ihm will. Sie hat eine ähnliche Einstellung zum Leben wie er. Irgendwann gibt sie zu ihren Bedingungen nach und beide leben irgendwie im selben Haus, aber doch nur nebeneinander her. Es ist eine seltsame Beziehung. Sie hat von Haus aus Geld, da ihrem Vater ein Autohaus gehört und Karl hat sich inzwischen ein Unternehmen trotz aller Widrigkeiten aufgebaut und ist jetzt auch ein richtiger Geschäftsmann, aber ohne eine richtige Familie zu haben. Aber da ist noch eine Dame, an die er dauernd denken muss, die aber eine lange Zeit einfach unerreicht für ihn ist. Als sie sich dann doch nach Jahren näherkommen und sich ihre Liebe eingestehen, ist es zu spät für Beide.

Ja, Karl Diebrecht verpasst eine Menge in seinem Leben, aber er hat auch eine Menge erreicht und das in eine Zeit, die mit Handwagen beginnt, über Pferdekutschen weitergeht und mit Autos endet. Er konnte am Ende Berlin zwar nicht erobern, aber Berlin hat ihn erobert und aufgenommen. Ob es am Ende ein gutes und erfülltes Leben war, das können nur Karl Siebrecht, Berlin und der Leser dieses Buches entscheiden.

Auch hier hat mich Hans Fallada über alle 825 Seiten pures Leben mitgenommen. Eine Geschichte, die zwar von vorne bis hinten frei erfunden ist, und doch genau so passiert sein kann. Selbst das Nachwort, wie die Geschichte erstanden ist, war für mich noch sehr interessant und zeigte mir ein Stück aus dem Leben und Denken des Autors.

Mein Fazit:
Eine Geschichte voller Leben aus dem Berlin zwischen 1910 und 1930 mit allen Eigenheiten.
Ein Junge, der auszog um Berlin zu erobern und am Ende von Berlin erobert wird.
Von einem Autor, der mich wieder voll und ganz begeistern konnte und ich freue mich jetzt schon auf weitere Bücher von ihm, die schon längst in meinem RuB stehen.
Von mir volle Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere