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Veröffentlicht am 07.03.2018

Neighbour in a Coma

Nachts, wenn mein Mörder kommt
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Und nicht Girlfriend wie im 1980er Jahre-Song der britischen Band The Smiths. Die zwölfjährige Kelly und ihre Mutter haben die Nachbarin Sarah, Ende zwanzig und (bisher) kinderlos verheiratet, schwer verletzt ...

Und nicht Girlfriend wie im 1980er Jahre-Song der britischen Band The Smiths. Die zwölfjährige Kelly und ihre Mutter haben die Nachbarin Sarah, Ende zwanzig und (bisher) kinderlos verheiratet, schwer verletzt aufgefunden. Die Handlung dieses Thrillers - wenn man ihn so nennen will - setzt danach ein, Sarah liegt im Koma, kann sich nicht bewegen - aber sie kann hören. Und sie hört so einiges - durch ihre Familie, die zu ihr kommt, durch das Personal, aber auch durch Kelly und ihre Mutter, die immer wieder vorbeischauen.

Die Handlung wird aus ihrer Sicht geschildert - und wechselweise aus der des jungen Mädchens Kelly. Es sind Gedanken dabei, die in die Vergangenheit gehen, sich auf das Umfeld beziehen. Und da ergibt sich so einiges.

Aufwühlend auf eine besondere, gesellschaftskritische Art. Man sollte, bevor man zu lesen beginnt, den (deutschen) Titel & alle damit verbundenen Erwartungen innerlich ausblenden und einfach loslegen. Denn dieses Buch ist nichts für Liebhaber harter Thriller mit schneller Handlung, nein, es ist so langsam wie ein Tag, wie mehrere Tage im Koma und es offenbart sein Innerstes (und das seiner Protagonisten) nach und nach, auf zutiefst persönliche und verletzliche Art und Weise.

Ein Buch, das tief in die sozialen Strukturen Großbritanniens bzw. der heutigen Zeit geht und so einiges an den Tag bringt, das uns auch hier blühen könnte - bzw. bereits blüht. Wenn man nur genauer hinschaut. Ein Thiller für Leser, die bereit sind, auf den zweiten Blick zu urteilen und abzuwarten.

Ein Buch, das dem Leser so einiges abverlangt, weil es nicht an der Oberfläche kratzt, sondern direkt dahinterblickt. Aber man muss bereit sein, mitzugehen, sich auf diese stillere, dadurch besonders klare Sprache, die in großen Teilen die Gedanken einer Komapatientin offenlegt, einzulassen. Dann erlebt man einen besonderen Thriller, der noch lange nachhallt!

Veröffentlicht am 04.03.2018

"Gefährlich ist's den Leu zu wecken

NACHTWILD
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Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.

Das wusste schon Friedrich Schiller und Joan erfährt es aufs Schmerzlichste, als sie, unterwegs ...

Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.

Das wusste schon Friedrich Schiller und Joan erfährt es aufs Schmerzlichste, als sie, unterwegs bei einem spätnachmittaglichen Zoobesuch mit ihrem kleinen Sohn Lincoln auf einmal Schüsse hört! Ihr ist ziemlich schnell klar, dass es Terroristen sind, die es auf die Zoobesucher abgesehen haben. Sie versteckt sich und den Kleinen in einem leeren Tiergehege, in dem sie lange ausharren. Allerdings nicht lange genug...

Von 16:55 bis 20:05 Uhr dauert ihre Tortur - ebensolange, wie dieser Roman, ein Psychothriller der subtilsten Sorte. Besonders eindringlich ist der Autorin die Passage gelungen, in der Joan versucht, der Situation Herr(in) zu werden, indem sie sie bzw. ihren Gegner einzuschätzen versuchte, was sich ebenfalls eher unterschwellig abspielt und genau dadurch so realistisch wirkt. Doch vollzieht Joan diverse Handlungen, die unlogisch wirken, gerade auch in einer solchen Situation, den möglichen Tod für sich und - schlimmer noch - den kleinen Sohn vor Augen. Klar, man weiß nie, wie jemand in einer solchen Situation reagiert, vor allem, wenn man wie ich selbst noch nie etwas Vergleichbarem ausgesetzt war - gottseidank! Aber Joans Handlungen wie auch die anderer Figuren wirken teilweise ganz und gar abwegig aus meiner Sicht.

Außerdem wurde das Setting "Zoo" meiner Meinung nach viel zu wenig ausgereizt - die Tiere, die Dämmerung, dann die Dunkelheit - da hätte man wesentlich mehr draus machen können! Im Gegensatz zum Lebewesen Mensch wurde dem Lebewesen Tier hier nicht genügend Beachtung geschenkt!

Insgesamt jedoch gefällt mir der Stil der Autorin, ihre zutiefst menschliche Zuwendung zum Thema, die von Susanne Goga-Klinkenberg überaus stimmig übersetzt wurde. Die bedrohliche Atmosphäre der Stille, die plötzlich einsetzenden Geräusche - das Buch befriedigt - zumindest in meinem Falle verschiedene Sinne, weil ich mir alles so bildhaft vorstellen und auch die Geräuschkulisse vor meinem "inneren Ohr" sehr gut abspulen konnte. Alles in allem ein gelungener Psychothriller mit kleineren Macken

Veröffentlicht am 04.03.2018

Eine Frau der Tat

Margaret Stonborough-Wittgenstein
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ist Margaret Stonborough-Wittgenstein, die ältere Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein, schon in jungen Jahren. Und selbstbewusst - schon als Kind lässt sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen ...

ist Margaret Stonborough-Wittgenstein, die ältere Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein, schon in jungen Jahren. Und selbstbewusst - schon als Kind lässt sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen und äußerst sich ihrer Mutter gegenüber despektierlich über den berühmten Komponisten Brahms, der sie bei einem Empfang in ihrem Elternhaus zwecks stärkeren Haarwuchses mit Champagner bespritzt hat. Das "so nicht", das ihre Mutter ihr entgegenhält, wird sie in ihrem weiteren Leben eher selten erfahren - meist hat sie das Heft in der Hand.

Eine ungewöhnliche und alles andere als einfache Frau ist es, die wir in dieser ebenso unterhaltsamen wie informativen Biografie von Margret Greiner kennenlernen. Stonborough-Wittgenstein, durch Heirat zur Amerikanerin geworden, war schon früh, also vor der Jahrhundertwende - der vorletzten, wohlgemerkt - sowohl an Wissenschaften als auch an Kultur interessiert. Ja, sie lebte dafür und so sollte es bis an ihr Lebensende bleiben. Eine Frau aus reichen, aber schwierigen Verhältnissen: in ihrem weiteren Leben trug sie nicht gerade wenig dazu bei, dass es dabei blieb.

Doch sie war auch eine Frau, die sich selbst treu blieb, ebenso wie ihren Prinzipien und ihren Lieben - auch, wenn die es ihr nicht immer einfach machten und ihrerseits nicht unbedingt ebenso aufrecht waren wie sie selbst.

Eine interessante Persönlichkeit, die Schwieriges in schwierigen Zeiten durchmachen musste: sie verlor gleich drei Brüder sowie ihren Ehemann durch Suizid, während der amerikanischen Wirtschaftskrise fast ihr gesamtes Vermögen - ein Umstand, mit dem sie vergleichsweise pragmatisch umging. Desgleichen gab es diverse Enttäuschungen in ihrem Leben - so kontrovers ihr Charakter auch war, sie war eine starke Frau, die vieles bewirkte.

Eine faszinierende, vielschichtige, facettenreiche Frau aus einer ebensolchen Familie: Margret Greiner hat ihr mit diesem Buch ein ganz wunderbares Denkmal gesetzt, das mich ebenso wie die vor einigen Jahren erschienene Biographie der Modeschöpferin, Schneiderin und Gefährtin Klimts, Emilie Flöge "Auf Freiheit zugeschnitten" sowohl begeisterte als auch bewegte. Frau Greiner verfügt über die seltene Gabe, ihre Biographien spannender als jeden Roman zu gestalten und ich freue mich schon auf das nächste Werk über eine ungewöhnliche und starke Frau - wer es wohl sein wird? - aus ihrer Feder. Wer Wahres auf besondere Art erlesen will, der liegt bzw. liest hier richtig!

Veröffentlicht am 04.03.2018

Mit sich und der Welt im Reinen

Ein letzter Flug
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ist die frisch emeritierte Musikprofessorin Wilhemina Bowen. Denkt sie jedenfalls, denn sie hat ja Gott an ihrer Seite, hat den christlichen Glauben von jeher gelebt. Sie ist mit ihm aufgewachsen, er hat ...

ist die frisch emeritierte Musikprofessorin Wilhemina Bowen. Denkt sie jedenfalls, denn sie hat ja Gott an ihrer Seite, hat den christlichen Glauben von jeher gelebt. Sie ist mit ihm aufgewachsen, er hat sie durchs Leben geführt. Doch jetzt, ohne ihren Beruf, der ihr auch Berufung war, fühlt sie sich unausgefüllt, weggedrängt und weiß nicht, was sie mit dem Rest ihres Lebens machen soll, obwohl sie gesund ist, jede Menge Zeit und auch genug Geld hat. Ja, die Voraussetzungen sind gegeben, aber doch - ohne ihre Position als Professorin macht nichts Spaß, auch nicht ihre freiwillige Aktivität in der Krebshilfe, in der sie viele totgeweihte Menschen kennen lernt.

So auch den Piloten Mike, der Kriegsveteran und Witwer ist und nach dem Erhalt seiner Krebsdiagnose nur noch kurz zu leben hat. Doch er ist immer noch fröhlich, teilt sein Leben mit seinem Sohn, seinen Enkeln - und ein bisschen auch mit Wilhelmina, die für ihn nur Willymina ist. Und - unglaublich! - er will seinem Leben selbst ein Ende setzen, denn er will aktiv sterben, nicht langsam dahinvegetieren. Und er hat vor, den Zeitpunkt dafür selbst zu setzen - mit einem letzten Flug.

Selbstmord also! Ein Gedanke, den Wilhelmina als Christin nicht mittragen kann und so sieht sie ihre Aufgabe darin, ihn davon abzubringen. Doch sie kommt nicht dazu - nicht dass Mike nicht für sie da ist, doch er zieht sie mit hinein in seine Aktivitäten, in sein prall gefülltes Leben voller Enkel und Flugzeuge . Wird sie dazu kommen, ihn davon zu überzeugen, das er sein Leben - und auch dessen Ende - in Gottes Hand geben soll?

Ein kluges und zudem sehr unterhaltsames Buch, das ich
"in einem Rutsch" runtergelesen habe und an dem ich viel Freude hatte. Und die wird mir bleiben, denn es ist ein ganz besonderes Buch, das ich lange in Erinnerung behalten werde.

Ja, Gott ist groß! Aber wie kann jemand der an ihn glaubt, so unzufrieden und oft auch traurig sein? Und ein anderer, in dessen Leben er kaum Platz hat, so erfüllt vom Leben, so reich beschenkt durch sich selbst und seine Lieben? Dass man in Bezug auf diese und andere "große" Fragestellungen des Lebens und Glaubens nicht vorschnell urteilen, sondern auch und gerade hinter die Fassade blicken sollte, das zeigt uns Lynn Austen in diesem sowohl klugen als auch warmherzigen Buch, dem ich viele Leser wünsche!

Veröffentlicht am 02.03.2018

Ein überaus geheimnisvolles Erbe

Die Klippen von Tregaron
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Nämlich ein wunderschönes Häuschen auf den Klippen von Tregaron, Wales, steht der Glaskünstlerin Caron ins Haus. Ganz plötzlich und unvermittelt, denn noch nie hat sie von dem Ort gehört, auch der Erblasser, ...

Nämlich ein wunderschönes Häuschen auf den Klippen von Tregaron, Wales, steht der Glaskünstlerin Caron ins Haus. Ganz plötzlich und unvermittelt, denn noch nie hat sie von dem Ort gehört, auch der Erblasser, Brynmore Bowen, ist ihr gänzlich unbekannt.

Doch das Erbe ist an eine Bedingung geknüpft und die ist so geheimnisvoll und gleichzeitig spannend, dass Caron gleich Feuer und Flamme ist. Denn sie soll eine Person auf einem Bild, das in ihrem potentiellen neuen Haus hängt, identifizieren: eine Frau, die ein kleines Kind hält. Und diese Frau sieht ihr selbst so unglaublich ähnlich, dass es ihr die Schuhe auszieht!

Und es gibt auch schon einen ersten Hinweis - ein geheimnisvolles Tagebuch aus dem späten 19. Jahrhundert. Autor ist der Künstler selbst.

Im Umfeld des Hauses trifft sie auf diverse Gestalten, von denen einige - so Anwalt Stan, mit dem sie wegen der Erbschaft zu tun hat und der gutaussehende Gärtner Ioan - sehr nett und zugänglich scheinen, andere jedoch - so die Verwandten des Verstorbenen, die Witwe seines Bruders und ihre (erwachsenen) Zwillinge - ihr Angst einjagen. Ist Caron dort in ihrem Häuschen sicher und hat sie eine Zukunft in Wales?

Was steckt der ganzen Geschichte? Und kann ihre in London lebende Mutter ihr einen Hinweis geben? Ich habe begeistert und gespannt gelesen, mit Caron gehofft und gelitten und war ganz traurig, als das Buch ausgelesen war.

Constanze Wilken hat einen wunderschönen Spannungsroman geschrieben, in dem auch Atmosphäre und Herz eine große Rolle spielen. Die Protagonistin Caron verliebt sich gleich mehrfach und eine Liebe - nämlich die zu Wales und speziell zu Tregaron und Umgebung - kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe mich auch gleich mitverliebt und könnte mir gut vorstellen, dass es mich in einem meiner nächsten Urlaube dort in die Gegend verschlagen wird. Und zwar definitiv mit einem der Wales-Romane von Constanze Wilken im Gepäck. Es gibt nämlich insgesamt fünf, von denen ich erst zwei gelesen habe. Gottseidank!