Therapeut glücklos - Leserin glücklich
Der glücklose TherapeutNämlich mit der Lektüre dieses Buches!
Ein kleines Juwel ist dieses Büchlein, durch dessen Lektüre ich mich durchaus in eine Ecke drängen lasse: nämlich in die der psychoanalytisch Interessierten. Für ...
Nämlich mit der Lektüre dieses Buches!
Ein kleines Juwel ist dieses Büchlein, durch dessen Lektüre ich mich durchaus in eine Ecke drängen lasse: nämlich in die der psychoanalytisch Interessierten. Für andere ist dieses Buch nämlich definitiv nichts - sie werden sich tödlich langweilen.
Worum es geht: David Winter, seines Zeichens Pychotherapeut und seit Jahren auf Depressionen spezialisiert, ist am Ende: beruflich wie privat. Er ist analytisch an seine Grenzen gestoßen, in bezug auf seine - aus Frau und erwachsener Tochter bestehenden - Familie läuft auch alles schief. Kurzum: der gute Mann befindet sich in einer Zwickmühle, aus der definitiv schwer rauszufinden ist. Wohl und Wehe des Mannes hängen von den zukünftigen Entwicklungen, von Winters Handeln ab, sein beruflicher Ruf steht auf dem Spiel.
Dies alles wird auf gerade mal 250 Seiten sowohl unterhaltsam als auch ungewöhnlich dicht beschrieben - der Autor Noam Shpancer, selbst Psychologe, hat es sprachlich einfach drauf! Ein Genuss, seine leicht sarkastisch angehauchten Bonmots und Erkenntnisse zu lesen - wenn man selbst an Psychotherapie interessiert ist, andererseits jedoch nicht zu kritisch an die Materie rangeht. Der Autor bezieht nämlich durchaus Stellung bzw. lässt er dies seinen Protagonisten tun: dieser muss sich Gedanken über selbstmordgefährdete Patienten, eine untreue Ehefrau sowie die Zukunft der immer selbständiger werdenden Tochter machen - am meisten jedoch über sich selbst was - wie der Leser rasch merkt - der schwierigste Part von allen ist.
David Winters Alltag wird hier geschildert, wobei zwei Extremsituationen in das Setting eingebettet werden. Der Leser wird aufgerüttelt, wird aufgefordert, sich Fragen zu stellen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sehr zu empfehlen, allerdings nur für Rezipienten, die bereit sind, ihr ganzes Umfeld und nicht zuletzt sich selbst in Frage zu stellen.