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Veröffentlicht am 13.10.2018

Großartiges Werk. Unbedingte Lesepflicht!

Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus
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Das vorliegende Buch von Shoshana Zuboff habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch wärmstens weiter. Tiefgreifend, überzeugend und mutig zeichnet sie das Bild des Überwachungskapitalismus, seine ...

Das vorliegende Buch von Shoshana Zuboff habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch wärmstens weiter. Tiefgreifend, überzeugend und mutig zeichnet sie das Bild des Überwachungskapitalismus, seine Entstehung, die Gegenwart und die Zukunft, dass man sich dieser Sicht der Dinge kaum entziehen kann. Auf alle Fälle sehr lesenswert!
Klappentext beschreibt das Buch sehr treffend.
Frau Zuboff zeigt am Beispiel von Google, Facebook &Co. womit diese Unternehmen ihr Geld verdienen, zu welchem Zweck das getan wird, welche Ziele damit erreicht werden wollen und wer davon profitiert.
Bei ihrer Argumentation zieht die Arbeiten von Psychologen, Philosophen, Soziologen, Politologen usw. heran, um den Lesern begreiflich zu machen, dass die Entwicklungen a lá Google &Co., bei denen unzählige Nutzer Unmengen an ihren Verhaltensdaten an die Überwachungskapitalisten täglich verschenken, die breite Masse der Menschen in ein totalitäres Zeitalter bar jeder Freiheit und der Chance zum selbständigen Denken und Fühlen hineinzwingen. Und mit der Zeit, in nicht allzu ferner Zukunft, wird man dorthin auch gelangen, zum Teil kann man die Anzeichen davon schon heute beobachten, wenn man nichts dagegen als Gemeinschaft unternimmt.
Insofern stimmt Frau Zuboff mit solchen Gesellschaftskritikern der Gegenwart überein wie Rainer Mausfeld in „Warum schweigen die Lämmer?“, Noam Chomsky in seinen zahlreichen Werken, anderen Autoren in „Fassenden Demokratie und Tiefer Staat“. Sie machen es auf ihre Art, Frau Zuboff hat ihren eigenen, sehr fundierten Ansatz, aber sie alle warnen vor den Gefahren der heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen, und sagen so ziemlich das Gleiche, nämlich, dass die Menschheit in ein totalitäres Zeitalter abrutscht, genauer gesagt, wird seit Jahrzehnten von bestimmten Kräften (Eliten, establishment) dorthin dirigiert.
Frau Zuboff schreibt sehr anschaulich und sehr zugänglich. Jeder, der sie verstehen möchte, wird es problemlos auch tun können. Sie geht sehr strukturiert vor. Die Ausführungen der drei Teile bauen aufeinander auf. Am Ende eines jeden größeren Abschnitts gibt es Zusammenfassungen. Am Ende der Kapitel stellt sie oft sehr gute Fragen, um sie im nächsten Kapitel anhand von konkreten Beispielen, Daten und Fakten zu beantworten. Einiges wiederholt sich, von verschiedenen Aspekten aus betrachtet, das ist gut so, denn so prägt sich der Stoff besser ein, sodass jeder das Buch lesen und die Inhalte begreifen kann. Vor allem dies tun sollte, denn Frau Zuboff erzählt eindringlich, was gelaufen war, was momentan läuft und was der Menschheit blüht, wenn sie so weitermacht und die Gestaltung der Zukunft leichtgläubig den Raubrittern des Überwachungskapitalismus überlässt.
Sie schließt recht optimistisch. „Es ist jetzt an uns, unser Wissen einzusetzen, unsere Orientierung wiederzufinden, andere dazu aufzurütteln, dasselbe zu tun, und für eine neuen Anfang zu sorgen. … Dieses Buch ist als Beitrag zu dieser kollektiven Anstrengung gedacht.“
Das Buch ist definitiv KEIN(!) 08/15 Zeitungswissen. So ziemlich das Gegenteil davon.
Sobald man sich reingelesen hat, kann man davon nicht so schnell ablassen, wobei Pausen zu machen auch eine gute Idee ist, um nachzudenken, um den Stoff mit Freunden und Kollegen auszudiskutieren usw. Das Ganze klingt nach. Noch lange, nach dem die letzte Seite umgeblättert wurde.

Das Buch ist hochwertig gemacht: Festeinband in Orange, Umschlagblatt aus glattem, festem Papier, Lesebändchen in Schwarz. Perfekt als Geschenk.
Anmerkungen erstrecken sind über hundert Seiten. Darin findet man weitere Erläuterungen, jede Menge online Quellen, meist auf Englisch, als weiterführende Literatur.

Fazit: Ein großartiges, opulentes Werk. Eine brillante Analyse dessen, was gelaufen ist, eine Warnung und Aufruf zum Widerstand. Unbedingte Lesepflicht!
Gekürzt.

Veröffentlicht am 11.09.2018

Ein großartiger Roman: spannend und toll geschrieben!

Gott der Barbaren
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„Gott der Barbaren“ von Stephan Thome habe ich sehr gern gelesen. Wenn es nach mir ginge, wäre dieser Roman der Gewinner des dt Buchpreises 2018.
Das Lesen machte richtig Spaß. Schön süffig, charismatisch, ...

„Gott der Barbaren“ von Stephan Thome habe ich sehr gern gelesen. Wenn es nach mir ginge, wäre dieser Roman der Gewinner des dt Buchpreises 2018.
Das Lesen machte richtig Spaß. Schön süffig, charismatisch, sehr gekonnt, mit viel Kenntnis der Materie das Ganze erzählt. Ich genoss jede Seite. Das Buch mochte ich gar nicht aus der Hand legen.
Klappentext beschreibt den Inhalt sehr treffend.
Es ist ein opulenter historischer Roman vom Feinsten, mit Niveau und Tiefgang, der seinen Lesern paar erfüllte Lesestunden bereitet.
Das Kopfkino startete sofort auf der ersten Seite. Die Figuren, es gibt jede Menge schräge und schrullige dabei, denn man besucht auch entsprechende Schauplätze, wurden wunderbar authentisch gezeichnet. Die Figuren agierten wie lebendige Menschen mit ihren Ecken und Kanten, ihrem Größenwahnsinn, Zweifeln, religiösem und anderem Fanatismus usw. vor meinem inneren Auge.
Es gibt im Wesentlichen zwei Erzählstränge:
Die Auseinandersetzungen der Engländer und Chinesen in China des 19 Jh. Authentisch, spannend und aufschlussreich dargestellt. Weltmachtgehabe der Engländer, die in China einen Krieg vom Stapel brechen, da sie der Meinung sind, dass sie die „chinesischen Barbaren“, wie sie die lokale Bevölkerung nennen, u.a. zivilisieren müssen, ist sehr plastisch, bildhaft, zum Greifen nah dargestellt worden. Auch die chinesische Seite steht in der Hinsicht, auf ihre eigene Art, im Nichts nach. Auch für die Chinesen sind die europäischen Endringlinge Barbaren, denn sie kamen in ihr Land und waren dabei, ihre Art von Ordnung aufzuzwingen.
Im Wechsel wurde das Schicksal eines jungen Mannes namens Philipp Johann Neukamp, des Sohnes eines Zimmermeisters aus dem Märkischen, erzählt. Er ging als Mitarbeiter der Basler Missionsgesellschaft nach China. Dort freundete er sich mit einigen vor Ort lebenden Engländern und Chinesen an, und wollte eines Tages, da es mit dem Missionieren nicht so rund lief, seinen chinesischen Bekannten, der nach eigenen Angaben nun einen hohen Posten bekleidete, in Nanking besuchen. Das bedeutete, dass er ein gutes Stück vom Süden nach Norden zurücklegen musste. Der Vorhaben wurde zu einem atemberaubenden und beinah das Leben raubenden Abenteuer, der seinesgleichen suchte.
Bis S. 305 wurde im Wesentlichen die Vorgeschichte erzählt, die auch sehr gut und spannend ist. In Shanghai im Sommer 1860 geht das Ganze dann richtig los.
Es hat echt viel Spaß gemacht, dieses Feinhumorige und Tiefgründige des Romans! Man versinkt in diesen Geschehnissen, folgt den Überlegungen des englischen Lords Elgin, der es mit den Chinesen aufgenommen hat und das Ganze von seiner Warte aus betrachtet. Er denkt über vieles nach: über die chinesische Sprache, über ihre Art zu denken, zu leben, über ihren Charakter usw. Man lauscht auch gern den Antworten seines chinesischen Sekretärs, der schon länger in China lebt und sich dort viel besser auskennt. Man hört aber auch gern von Philipp und folgt ihm auf seinen spannenden Abenteuern.
Nach und nach entsteht ein üppiges, farbenprächtiges Gemälde der damaligen Zeit mit all den hist. Ereignissen, Besonderheiten und Tücken, ob es um die gebunden Füße der chinesischen Frauen, sowie ihrer Stellung in der Gesellschaft insg., geht oder auch um die Rebellen und ihr Streben nach Macht usw. Bei all dem ist man auf den Seiten dieses Romans hautnah dabei und erlebt das Ganze unmittelbar mit. Es gibt da auch paar gruselige Ereignisse, Opium wird reichlich konsumiert, Köpfe abgehackt, dies ist aber nie ein Selbstzweck, wird eher nüchtern und kurz erwähnt.
Bin gern abends zum Roman zurückgekehrt, sich schon tagsüber darauf gefreut, da weiter lesen zu können.
Wer oder was nun Gott der Barbaren ist, soll jeder selbst für sich entscheiden. Genug Stoff zum Nachdenken bekommt man auf jeden Fall. Spätestens in der Mitte des Buches kommt man drauf. Paar gute Tipps sind hier und dort im Text verstreut.
Man kann noch viel über diesen großartigen Roman erzählen, besser, man liest den selbst.

Das Buch ist hochwertig gestaltet:
Zwei geographische Karten von China: vorn die Ostküste und hinten am Einband die Gegend um Peking, runter zur Küste bei Beitang, helfen, die beschriebenen Ereignisse zu verbildlichen.
Die Schrift ist von angenehmer Größe, es gibt genug Text auf jeder Seite.
Festeinband in kräftigem Rot, Lesebändchen in Bordeaux, Umschlagblatt aus glattem, festem Papier. Toll als Geschenk.

Veröffentlicht am 06.09.2018

Ein toller Roman. Unbedingt hören!

Kriegslicht
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„Kriegslicht“ von Michael Ondaatje, gelesen von Frank Stieren, habe ich sehr gern gehört. Es ist eine ungewöhnliche Familiengeschichte, dazu unkonventionell und sehr gekonnt erzählt.

Klappentext beschreibt ...

„Kriegslicht“ von Michael Ondaatje, gelesen von Frank Stieren, habe ich sehr gern gehört. Es ist eine ungewöhnliche Familiengeschichte, dazu unkonventionell und sehr gekonnt erzählt.

Klappentext beschreibt das Hörbuch sehr gut: „1945, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, lassen die Eltern des 14-jährigen Nathaniel ihn zusammen mit seiner Schwester Rachel allein in London zurück. Die Kinder bleiben in der Obhut des mysteriösen Mannes. Sie vermuten, dass er ein im Schmuggler sein könnte, doch sie geben ihre Vorbehalte auf, als sie seine exzentrischen Freunde kennenlernen. Es sind Männer und Frauen, die im Krieg an verschiedenen Missionen teilgenommen hatten. Sie werden zur Ersatzfamilie für Nathanael und Rachel. Ihre Erziehung ist dabei fürsorglich wie unkonventionell. Doch sind diese Menschen in Wahrheit auch jene, für sie sich geben? Ebenso eigenartig ist die Rückkehr der Mutter der beiden, ohne den Vater, ohne irgendeine Erklärung zu geben und ohne sich zu entschuldigen. Zwölf Jahre später beginnt Nathaniel all das aufzudecken, was er in jener Zeit nicht wissen und nicht verstehen konnte und dieses Unternehmen erzählt Ondaatje anhand von Fakten, Erinnerungen und Phantasie in einem seiner schönsten Romane.“

Kopfkino war sofort da und blieb bis zur letzten Minute. Erst erzählt der 14-jährige Nathaniel, dass er und seine Schwester zunächst für ein Jahr ohne Eltern leben müssen, in Obhut eines seltsamen Mannes, den sie den Falter nennen. Dann kommt ein weiterer Mann dazu, der Boxer, der dem Jungen rät, er soll sich seine eigene Familie selbst suchen. Am Ende werden diese Worte in einem ganz anderen Kontext wieder präsent.
Nach Jahren kommt die Mutter zurück. Nathaniel verbringt auch Zeit mit ihr, lernt sie aber nicht wirklich kennen.
Später erzählt der erwachsene Nathaniel, was aus den beiden zurückgelassenen Kindern geworden, wie es ihnen ohne Eltern ergangen, was aus Rachel geworden war, wie unterschiedlich die Kinder auf das Verschwinden und Wiederauftauchen der Mutter reagiert haben.
Nach Mutters Tod, kraft seines Jobs, erhält Nathaniel den Zugang zu den relevanten Daten, die die bis dahin geheimnisvolle Lebensgeschichte seiner Mutter ganz anders beleuchten. Nach und nach, aus mehreren Puzzlestücken setzt sich die wahre Geschichte zusammen. Auch die beiden Betreuer, der Falter und der Boxer, haben ihre wahren Geschichten, die zum Schluss auch ans Licht kommen und z.T. eine ganz schöne Überraschung bereiten.
Oft wurde zwischen den Zeiten, Personen und Ereignissen gewechselt. Die Orientierung ist aber absolut kein Problem. So wirkt das Ganze authentischer, als ob man Nathaniel vor sich hat und seinen Erinnerungen an seine Kindheit und seine Familie lauscht, die manchmal vllt rein assoziativ einander folgen.
Der Roman regt schön zum Nachdenken an: Was ist eine glückliche Kindheit? Was ist eine glückliche Familie? Wie weit darf der Job in das Leben der Familie eingreifen? Wie nachhaltig beeinflusst der Krieg das Leben der Kinder, auch nach dem er beendet wurde? Und noch vieles mehr. Die Rolle der Mutter, Mutter-Sohn, Mutter-Tochter Beziehung, die Rolle der Väter, sowie die Beziehung der beiden Geschwister wurden eingängig thematisiert und von mehreren Blickwinkeln betrachtet.
Am Ende hat Nathaniel die Antworten auf die ihn umtreibenden Fragen gefunden, und die Tür im Haus seiner verstorbenen Mutter, auch im symbolischen Sinn, zugesperrt.

Frank Stieren hat kongenial gelesen. Seiner professionell ausgebildeten, wohlklingenden Stimme habe ich sehr gern gelauscht. Alle Figuren und ihre Gemütszustände konnte ich prima heraushören. Die 512 Minuten der ungekürzten Ausgabe waren schnell vorbei. Laut Klappentext „…brilliert er (Frank Stieren, meine Anmerkung) mit seiner Interpretation und verleiht Ondaatjes facettenreichem Roman einen zusätzlichen Zauber.“ Das stimmt, sehe ich auch so.

Die 2 mp3 CDs wurden in einer praktischen Klappbox aus festem Karton mit glatter, wasserabweisender Oberfläche geliefert. Prima als Geschenk.

Fazit: Ein toller Roman. Unbedingt hören!

Veröffentlicht am 03.09.2018

Ein sehr lesenswertes, toll geschriebenes Buch.

Warum wir tun, was wir tun
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Von diesem Buch von Jens Förster habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen und empfehle es gern auch weiter.
Es ließ sich sehr angenehm lesen. Dabei offenbarte es viele neue, nützliche Dinge, die den ...

Von diesem Buch von Jens Förster habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen und empfehle es gern auch weiter.
Es ließ sich sehr angenehm lesen. Dabei offenbarte es viele neue, nützliche Dinge, die den Lesern ihr Leben positiver gestalten, mit bestimmten Situationen besser umgehen helfen können und noch vieles mehr.
Die Themen sehr gut gewählt: aktuell, vielfältig, sodass jeder für sich etwas entdecken kann.
Das Buch ist prima strukturiert. Es gibt drei Teile:
Teil I: „Psychologie – Was ist das eigentlich?“
Teil II: „Die Grundpfeiler der Psychologie: Denken, Fühlen, Verhalten“
Teil III: „Alltagspsychologie – Themen, Bereiche und Problemfelder“
Das Lesen dieses Buches ähnelt einem guten Gespräch mit einem alten Bekannten, der einem über viele spannende Dinge aus dem Bereich Psychologie erzählt: die grundliegenden Konzepte, die zahlreichen Tests, ihre Ergebnisse, was diese bedeuten, und wie man sie im Alltag anwenden kann. Es geht sowohl über die Beeinflussung von Kaufentscheidungen als auch über das Miteinander am Arbeitsplatz, über Personenbeurteilung uvm. Auch was Stereotypen sind, wie sie funktionieren und unser Denken und Handeln beeinflussen, z.B. bei der Diskriminierung der Minderheiten; was Priming ist und wie man es einsetzt, um die Meinung der Menschen in gewünschte Richtung zu lenken uvm. Auch über „Lebensziele und Glück“ sowie über, „Beziehungen“, „Intelligenz und Kreativität“, „Kommunikation“, „Aggression und Hilfeverhalten“, so heißen die Kapitel im Teil III, erfährt man viele spannende und nützliche Dinge, die den Lesern bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben gut weiterhelfen können.

Die knapp 500 Seiten flogen schnell dahin. Ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen.

Für wen kann dieses Buch von Bedeutung sein? Vor allem für die Leser, die sich für Psychologie im Alltag interessieren und den eigenen Horizont erweitern wollen. Das Buch ist eindeutig ein Gewinn: Sowohl für Einsteiger, für die das Buch hpts. geschrieben wurde, wie es mir vorschwebt, z.B. für Studenten oder diejenigen, die es noch werden wollen, als auch für Fortgeschrittene, denn auch letztere werden einige neue Erkenntnisse für sich finden können: Viele der beschriebenen Tests und die dazugehörigen Erkenntnisse sind des neueren Datums, s. Anmerkungen. Diese sind echt gut: man findet dort viele zusätzliche Infos, Kommentare, Erläuterungen und nicht nur die blanken Quellen.

Fazit: Ein sehr lesenswertes, toll geschriebenes Buch. Ein schönes Leseerlebnis insgesamt, das einige erfüllte Lesestunden und viele neue und nützliche Erkenntnisse liefert. Prima als Geschenk.

Veröffentlicht am 30.08.2018

Highlight dieses polit. Lesesommers! Unbedingte Lesepflicht!

Armageddon im Orient
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„Armageddon im Orient“ von Michael Lüders ist ein tolles, sehr lesenswertes Werk, das ich sehr gern gelesen habe und wärmstens weiterempfehle. Diese Inhalte sollte jeder kennen, das gehört einfach zur ...

„Armageddon im Orient“ von Michael Lüders ist ein tolles, sehr lesenswertes Werk, das ich sehr gern gelesen habe und wärmstens weiterempfehle. Diese Inhalte sollte jeder kennen, das gehört einfach zur Allgemeinbildung.
Das Buch liefert viel mehr als man vllt zunächst vermutet: Daten, Fakten, Hintergründe, Ursachen der Konflikte, Zusammenhänge, messerscharfe Analysen uvm. Der Autor versteht es, den Inhalt schlicht und ergreifend auf den Punkt zu bringen und für alle verständlich darzulegen.
Für so manchen Leser, der seine Meinung übers Weltgeschehen aus den sog. Leitmedien erfährt, kann dieses Buch zu einem wahren Augenöffner werden, denn der Autor redet hier Klartext und füllt somit die Lücken aus, die die offiziellen Meinungsmacher durch ihre oft oberflächliche und fragmentierte Berichterstattung hinterlassen haben. Man bekommt hier ein viel vollständigeres Bild des Geschehens, klar und deutlich vor Augen geführt.
Das Buch liest sich sehr gut. Die Kapitel sind in kleinere Segmente von paar Seiten unterteilt. Man kommt gut voran und gewinnt an Wissen, das man sonst nirgends herbekommt. Und wer denkt: Orient, das ist weit weg, das betrifft mich nicht. Falsch. Warum? Steht in diesem Buch.
Rund 230 Seiten sind in 12 Kapitel geordnet. Zunächst gibt es etwas Geschichte, was hilft, u.a. den heutigen Konflikt zw. Sunniten und Schiiten zu verstehen, und führt vor Augen, was Arabien früher mal war, wovon da die Leute lebten, und warum die Konflikte in der Form überhaupt möglich sind. Weiter folgen die Ausführungen aufeinander aufbauend. Alles ist sehr verständlich erklärt, sodass jeder das Buch problemlos lesen kann.
Einiges muss besonders hervorgehoben werden:
Im Kapitel „Regimewechsel in Teheran? Warum ein Friedensangebot Washington empörte“ schreibt Lüders, warum Iran ins Visier der Saudi-Connection geraten ist, welche Seite was sich davon verspricht und noch vieles mehr. „Der Neokonservatismus, der mit George W. Busch 2001 an die Macht gelangte, ist eine in den 1960er Jahren entstandene, ursprünglich stark antikommunistisch ausgerichtete Bewegung, die Werte wie Freiheit, Demokratie, Rechtstaatlichkeit ideologisch instrumentalisiert, um sie als Rammbock machtpolitischer Interessen einzusetzen. So soll amerikanische Hegemonie weltweit durchgesetzt und verteidigt werden, in Verbindung mit einem so weit wie möglich deregulierten, am Finanzkapital ausgerichteten Wirtschaftssystem. Gleichzeitig dienen die Neocons als eine Art ideologische Speerspitze pro-israelischer Gruppen in den USA.“ S. 90.
Lüders spricht auch über solche Ereignisse, die in den Zeitungen &Co. kaum zutreffend, wenn überhaupt, beleuchtet wurden, z.B. über den seit einigen Jahren andauernden Krieg in Jemen, wer dort die Machtspiele treibt, auf welch grausame wie perfide Weise und warum.
Auch das Kapitel über Syrien ist sehr stark und aufschlussreich, selbst für diejenigen, die sich mit dem Thema bereits befasst haben. Lüders fasst das offizielle Narrativ der Leitmedien zusammen und sagt, warum dies sowohl wenig zutreffend, heuchlerisch als auch gefährlich ist. S. 189-191. Auch hier nennt er die Dinge beim Namen, deckt Hintergründe, zeigt die Motive auf, weist auf die wenig rühmliche Rolle Deutschlands als Mitläufer bei den fragwürdigen Aktionen der Saudi-Connection hin uvm.
Nicht zu vernachlässigen ist der Ausblick, S. 231-240. Lüders spricht hier über mögliche Wege aus dieser Situation, sowohl für die schwindende Weltmacht USA als auch für die Leser. Klar sagt er: „Dummheit und Verblendung sind mächtige Triebkräfte menschlicher Entwicklung, und sie beherrschen die anti-iranische Agenda. Das Projekt Regimewechsel im Iran ist ohne Wenn und Aber völkerrechtswidrig. Davon unabhängig wäre jeder Angriff auf die Kulturnation Iran nichts weniger als ein Menschenverbrechen. Wer sich daran beteiligt, gleich unter welchem Vorwand, macht sich mitschuldig, mögen die vorgeschobenen Motive noch so edelmütig klingen.“ S. 234.
Des Öfteren musste ich während der Lektüre an Peter Scholl Latour (PSL) und sein „Fluch der bösen Tat“ denken. Auf Klappentext geschaut: Michael Lüders „…ist Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, in Nachfolge des verstorbenen Peter Scholl-Latour. Als Nahostexperte ist er häufiger Gast in Hörfunk und Fernsehen.“ Ich hatte den Eindruck, Lüders geht da ein Stück weiter als PSL, spricht sehr offen über die Dinge, über die sonst kaum jemand so deutlich zu reden vermag.
Auch an „Illegale Kriege“ von Daniele Ganser, „Fassadendemokratie und Tiefer Staat“ von Ulrich Mies/Jens Wernicke (Hg.), „Lügen die Medien?“ von Jens Wernicke, „Plot zu Scapegoat Russia“ von Dan Kovalik, alle sehr lesenswerte Werke, musste ich zurückdenken. Wer also die o.g. Bücher gut fand, wird auch hier sehr zufrieden sein. Wer sie noch nicht gelesen hat, auf den wartet eine sehr spannende und aufschlussreiche Lektüre.

Fazit: Warum also dieses Buch lesen? Um sich Klarheit über die Kräfteverhältnisse und die allg. Lage in der Weltpolitik verschaffen, jenseits des gewohnten Narratives der Leitmedien. Um adäquat informiert zu sein, was läuft und warum dies deutlich verbesserungswürdig wäre, da brandgefährlich und verantwortungslos.
Die Inhalte dieses Werkes sind definitiv KEIN 08/15 Zeitungswissen. Es ist viel, viel mehr. Unbedingt lesen.