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Veröffentlicht am 26.08.2018

Ein toller, spannender Krimi. Bitte mehr davon.

Die Tote im Wannsee
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Dieser Krimi hat auf mich einen sehr guten Eindruck hinterlassen: spannend, toll geschrieben, Form und Inhalt sind perfekt aufeinander abgestimmt. Kopfkino von der ersten bis zur letzten Seite. Hat echt ...

Dieser Krimi hat auf mich einen sehr guten Eindruck hinterlassen: spannend, toll geschrieben, Form und Inhalt sind perfekt aufeinander abgestimmt. Kopfkino von der ersten bis zur letzten Seite. Hat echt Spaß gemacht.
Klappentext beschreibt den Inhalt recht treffend.
Der Protagonist, Ermittler Wolf Heller bei Berliner Polizei, kommt sympathisch rüber, gefällt Frauen, spielt Klavier, hat manchmal philosophische Anwandlungen, aber nur kurz, da er auch versucht, das Leben zu verstehen, hat aber auch seine Probleme: Oft kann er nicht schlafen.
Die Nebenfiguren, ob die ehem. Nazis, die zwar vordergründig keine mehr sind, aber im Stillen immer noch diese Mentalität beherzigen, da ist die Figur des Vaters in der Hinsicht sehr markant, oder die aufmüpfigen Studenten, die den Staat zu unterwandern versuchen, sind wie dem wahren Leben entsprungen. Sie sind so lebendig und so zum Greifen nah! Man taucht in diese wilden Zeiten der sechziger Jahre, kurz nach dem Attentat auf Rudi Dutschke. Auch andere bekannte Namen wie Benno Ohnesorg, Axel Springer oder auch Otto Schily tauchen im Laufe der Geschichte auf, sie sind passend in den Erzählteppich eingeflochten worden.
Heller will eigentlich nur eins: herausfinden, wer und warum die Tote am Wannsee umgebracht hat. Aber im Spannungsfeld zwischen den Nazis und den Chaoten von rebellierenden Studenten läuft er die Gefahr, nicht nur seinen Job und sein Leben zu verlieren, auch um seine Lebensgefährtin und ihre Kinder muss er fürchten.
Die Sprache ist sehr angenehm: Schlicht und ergreifend, aussagestark. Die Seiten flogen schnell dahin.
Es gibt nichts, was die Handlung unnötig in die Länge gezogen hätte. Man taucht komplett in diese verrückte, für rechtschaffende Bürger nicht einfache Zeit ein. Diese Atmosphäre fand ich sehr gut eingefangen.
Das Cover passt sehr gut zum Inhalt. So dynamisch das Foto wirkt, so entwickelt sich auch die Handlung. Sie ist prima aufgebaut: logisch, sich erst nach und nach entwickelnd, alle Motive etc. sind gut nachvollziehbar. Am Ende ist alles aufgeklärt.
Man kann noch viel dazu schreiben, besser, man liest das Buch selbst.

Fazit: Ein toller, spannender Krimi. Klassisch, dennoch KEIN(!) 08/15, durchaus mit eigenem Charakter, lebendigen Figuren, authentisch, einfach wunderbar. Habe ich sehr gern gelesen.

Ich freue mich auf weitere Werke aus der Feder dieses Autorentrios.
5 wohl verdiente Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 21.08.2018

Das Treiben der Eliten. Klar und wohl begründet erklärt.

Die Abgehobenen
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Von diesem Buch von Michael Hartmann habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen und empfehle es auch gern weiter. Lesenswerte Inhalte gepaart mit einem angenehmen, klaren Schreibstil bereiten paar erfüllte ...

Von diesem Buch von Michael Hartmann habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen und empfehle es auch gern weiter. Lesenswerte Inhalte gepaart mit einem angenehmen, klaren Schreibstil bereiten paar erfüllte Lesestunden mit Erkenntnisgewinn, insb. für die Einsteiger.
„Michael Hartmann war bis Herbst 2014 Professor für Soziologie an TU Darmstadt. Sein Schwerpunkt ist Elitenforschung“, so Klappentext.
Das Werk ist sehr gut strukturiert. Ca. 242 Seiten ergeben 5 Kapitel.
Kap. 1. „Einleitung: Parallelwelt mit eigenen Regeln“, in dem Hartmann u.a. vier Thesen präsentiert, die er im weiteren Verlauf auch begründet: Die Eliten sind, dank ihrer Herkunft, sozial exklusiv und homogen, gute Basis für die neoliberale Politik. Um dem entgegen zu wirken ist das Aktivwerden der Bevölkerung und Erneuerung der Parteien vonnöten, u.a. um dem Rechtspopulismus und der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Dadurch würde sich die politische Elite sozial öffnen.
Im Kap. 2 „Eine zunehmend geschlossene Gesellschaft“ beschreibt Hartmann die Eliten näher. „Elite heißt macht ausüben“. Dass die Eliten nach dem Prinzip „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ bilden, liest man auf S. 64-70. Hier gibt es paar gute Beispiele, die das Wirken dieses Prinzips verbildlichen. Eliten vierer Länder wurden unter die Lupe genommen: Deutschland, Großbritannien, USA, Frankreich und grundlegende Gemeinsamkeiten festgestellt. „Die Mär von den kosmopolitischen Eliten“ schließt Kap. 2 ab.
Kap. 3 „Wie Eliten die soziale Ungleichheit vorantreiben“ fängt gleich gut mit „Großbritannien und die USA: Politiker aus der Upperclass machen Politik für die Upperclass“ an. Hier ist die Rede von der politischen Wende der 1980ger Jahre, die Emmanuel Todd in seinem sehr lesenswerten Werk „Traurige Moderne“ (2018) als die neoliberale Revolution bezeichnet. Das liegt in der Herkunft begründet, sagt auch Hartmann. Unter Reagan wurden beiden Kabinetten von den Vertretern der Upperclass dominiert, was vorher nicht der Fall war. Bei Thatcher Regierung sah es ähnlich aus. Kleine aber feine Unterkapitel „Selbst zu Feudalzeiten war die Einkommenskonzentration geringer“, „Die Reichen wurden reicher, die Armen ärmer…“ belegen diese Thesen mit Zahlen und Fakten. Diese Ausführungen erinnerten mich an ein weiteres sehr aufschlussreiches Werk „Fassadendemokratie und Tiefer Staat“ von U. Mies/J. Wernicke (Hg). Ein Blick zu Deutschland zeigt ähnliche Entwicklungen, nur etwa zwanzig Jahre später. „Herkunft der politischen Elite prägt ihre Entscheidungen“ schließt das 3. Kapitel ab und sagt, basierend auf einer fundierten Studie: „In den Fällen, in denen die Ministerpräsidenten eine niedrigere Herkunft aufwiesen, werde signifikant häufiger eine Politik betrieben, die soziale Unterschiede zu reduzieren versuche, indem die Ausgaben für Bildung, soziale Sicherheit, Infrastruktur und Gesundheit gesteigert würden. Bei den Ministerpräsidenten, die aus der Mittel- oder Oberschicht stammten, sei das nicht der Fall.“ S. 152. Das gilt für die alten Bundesländer von 1972 bis 2009, für die neuen von 1992 bis 2009.
Kap. 4 beschäftigt sich mit „Eigennutz vor Gemeinnutz – so ticken die Eliten“ und besagt u.a., dass „Steuern als staatlicher Raubzug, Steuerhinterziehung“ bei den Eliten als Kavaliersdelikt gilt. Hier ist die Rede von den aus der Presse bekannten Fällen: Klaus Zumwinkel, Uli Hoeneß, Alice Schwarz usw. Dabei wurde auf die übliche Handhabe der Eliten eingegangen: „Selbstmitleid statt Unrechtbewusstsein“ S. 158-164, „Klage über die Gier des Steuerstaates“ S. 164-168, „Legitimierung krimineller Finanztricks: Die Dreistigkeit der Cum-Ex-Geschäfte“ S. 168-177. Mit zahlreichen Daten und Fakten belegt, seht gut und zugänglich erklärt. Auch für Einsteiger verständlich.
Kap. 5 „Eine Politik jenseits des Neoliberalismus ist nötig und möglich“ erläutert, dass „in den letzten Jahrzehnten dominierende neoliberale Ausrichtung der Politik“, die „bis heute von der großen Mehrheit der Eliten“ geteilt wird, keineswegs alternativlos ist, dass die heute herrschende Politikverdrossenheit und das Aufblühen des Rechtspopulismus, hier ist u.a. von AfD Erfolgen die Rede, der dank der neoliberaler Politik der Eliten einen fruchtbaren Boden bekommen hat, der aktiven politischen Beteiligung der breiten Massen weichen kann und sollte. Unterkapitel „Vier Modelle für die Zukunft…“ beschreibt, was momentan der Fall ist, im „Ein Politikwechsel ist machbar – hier und jetzt“ wurden Vorschläge unterbreitet, wie die für die arbeitende Bevölkerung die längst fälligen Veränderungen vollzogen werden könnten. In dem Bereich hätte gern etwas mehr sein können, aber auch so ist es schon mal ein guter Schritt in die für die Massen richtige Richtung.

Man kann noch viel über dieses Buch schreiben, da steht noch viel mehr als man im Rahmen einer Rezension ansprechen kann, besser, man liest es selbst.

Da Buch ist sehr gut und hochwertig gemacht: Festeinband in Rot, Umschlagblatt aus festem, glatten Papier, rotes Lesebändchen. Die Schriftgröße erlaubt recht viel Text pro Seite, ist aber auch nicht zu klein. Einige s/w Diagramme und Schaubilder verdeutlichen die Ausführungen.

Die Quellen sind in „Anmerkungen“ nach Kapiteln geordnet worden. Hier findet man auch einige Kommentare. Literatur, ca. 190 Werke auf Deutsch und Englisch, ist in alphabetischer Reihenfolge extra aufgeführt worden.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Werk, das das Treiben der Eliten fundiert, mit Daten und Fakten untermauert, dabei klar und zugänglich das Wesentliche darlegt, und einige Vorschläge zur Besserung der heutigen Lage zugunsten der arbeitenden Masse unterbreitet. Prima für Einsteiger. Toll als Geschenk.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Fesselnd, mitreißend, meisterhaft erzählt. Sehr lesenswert.

Ein unvergänglicher Sommer
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Diesen neuen Roman von Isabel Allende habe ich gern gelesen. Er hat mir paar gute, erfüllte Lesestunden geschenkt, daher empfehle ich ihn auch gern weiter.
Es gibt zwei Zeitebenen. In der Gegenwart treffen ...

Diesen neuen Roman von Isabel Allende habe ich gern gelesen. Er hat mir paar gute, erfüllte Lesestunden geschenkt, daher empfehle ich ihn auch gern weiter.
Es gibt zwei Zeitebenen. In der Gegenwart treffen sich im verschneiten Brooklyn während eines starken Wintersturms drei einsame Menschen: Eine chilenische Journalistin, ein amerikanischer Professor, beide etwas über sechzig, und eine junge Frau aus Guatemala. Die Handlung wurde in diesem Erzählstrang durch die Verwicklungen um die Leiche einer jungen Frau bestimmt. Hier gibt es eine Reise, in vielerlei Hinsicht, i.e. sowohl zu einem bestimmten Ort, als auch zu sich selbst und zum eigenen Glück, zum Ende der Einsamkeit, durch bitter-süße Geschichte der neuen Liebe zweier reifer Menschen angereichert.
Noch spannender und stärker fand ich die Geschehnisse in der Vergangenheit: Ich reiste mit den drei Hauptfiguren zum Krieg in Guatemala, zum Militär-Putsch in Chile, nach Brasilien von damals. Sehr mutig spricht Allende diese akuten Themen an. Bildhaft wurde dargestellt, welche verheerenden Auswirkungen die Politik der USA auf das Leben der einfachen Menschen in Lateinamerika hat. Es fällt nicht schwer zu glauben, dass all diese Dinge tatsächlich stattgefunden haben, s. „Illegale Kriege“ von Daniele Ganser.
Faszinierende wie tragische Lebensgeschichten der Einwanderer in die USA wurden anhand eindrucksvoller Bilder vor Augen der Leser ausgebreitet. Hier wurde u.a. klar, warum sich diese Menschen gezwungen sahen, ihre Heimat zu verlassen. Auf ihren Schultern tragen sie all die unschönen Konsequenzen der Machtgier der Reichen.
Als Kontrast steht das Leben der weißen Amerikaner, der Großstadtneurotiker, voller Ängste da. Der Professor kam mir als Archetyp des weißen Amerikaners der Mittelschicht vor. Sohn eines jüdischen Einwanderers, dessen Lebensgeschichte wiederum auch recht typisch ist, war er in der Vergangenheit ein glühender Kämpfer für die Rechte der Einwanderer gewesen. Nun hat er resigniert und ist sehr verschreckt. Ängste und Neurosen bestimmen sein Handeln. Vom Kampfgeist keine Spur mehr. Politikverdrossenheit hat sich breit gemacht. Auch sehr bezeichnend für die heutige Zeit.
Jede Menge starker Frauen trifft man hier. Manches kam mir dabei sehr autobiographisch vor. Manches erinnerte stellenweise an „Das Geisterhaus“ von Allende, bloß einige Jahrzehnte später.
Männer kommen hier insg. weniger gut weg.
Grundlegende, existenzielle Fragen wurden hier gestellt und bildhaft in Szene gesetzt: Was ist Heimat? Was ist ein gutes, glückliches Leben? Was ist eine gute Ehe, eine gute Familie? Mutter-Sohn Beziehung wie Mutter-Tochter Beziehung sind auch eingehend thematisiert worden, und noch vieles mehr.
Paar mystische Elemente sind hier und dort, wie so oft bei Allende, wohl dosiert und passend, auch dabei.

Das Buch ist hochwertig gemacht: Festeinband in Violett, Schutzumschlag. Das Coverbild passt gut zum Inhalt. Die Schrift ist nicht zu klein. Gutes Papier. Jedes Kapitel fängt auf der rechten Seite an, hat man heute nicht oft. Schön als Geschenk.

Fazit: Fesselnd, mitreißend, meisterhaft erzählt. Kein Wohlfühlbuch, aber auch kein trauriges, eher ein lebenbejahendes mit gutem Ende. Ein beeindruckendes und bereicherndes Leseerlebnis. Sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 10.08.2018

Stark! Literarisches Highlight dieses Sommers.

Das Feld
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„Das Feld“ von Robert Seethaler habe ich nicht gelesen, sondern gehört. Ungekürzte Autorenlesung. Und bin restlos begeistert! Unbedingte Lese- bzw. Hörpflicht!

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut: ...

„Das Feld“ von Robert Seethaler habe ich nicht gelesen, sondern gehört. Ungekürzte Autorenlesung. Und bin restlos begeistert! Unbedingte Lese- bzw. Hörpflicht!

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut: „Wenn die Toten auf ihr Leben zurückblicken könnten, wovon würden sie erzählen? Einer wurde geboren, verfiel dem Glücksspiel und starb. Ein anderer hat nun endlich verstanden, in welchem Moment sich sein Leben entschied. Eine erinnert sich daran, dass ihr Mann ein Leben lang ihre Hand in seiner gehalten hat. Eine andere hatte siebenundsechzig Männer, doch nur einen hat sie geliebt. Und einer dachte: Man müsste mal raus hier. Doch dann blieb er. In Robert Seethalers neuem Roman geht es um das, was sich nicht fassen lässt. Es ist ein Buch der Menschenleben, jedes ganz anders, jedes mit anderen verbunden. Sie fügen sich zum Roman einer kleinen Stadt und zu einem Bild menschlicher Koexistenz.“

Die toten Bewohner dieser kleinen Stadt, alle mit vollem Namen aufgeführt, erzählen ihre (Lebens-)Geschichten. Manche sind etwas länger, manche sind kurz, manche bestehen nur aus einem Wort. Und in (fast) jeder Geschichte kommt das Feld oder die Felder, in verschiedenen Kontexten, vor.

Der Charme des Ganzen entwickelt sich erst nach und nach. Tipp für Ungeduldige: Den Anfang, falls er nicht attraktiv genug vorkommen sollte, einfach durchhalten. Der Roman ist wirklich stark und absolut großartig. Spätestens nach einer Stunde, beim Hörbuch, findet man sich bestens zurecht und fühlt sich wohl, geborgen, aber auch gespannt und noch vieles mehr. Es entsteht eine Art Sog, da kann man nicht mehr aufhören, wobei Pauseneinlegen auch eine gute Idee ist, denn der Stoff ist reichhaltig und manchmal auch intensiv.

Die Vielfalt an Themen beeindruckt ungemein. Es geht um das Leben und alles, was es ausmacht: Liebe, Freundschaft, Familie mit all ihren hellen und dunklen Seiten, um Männer und Frauen, Krieg und Frieden, Wahrheiten und Lügen, um Jungsein und Altwerden, um menschliche Würde, um die Träume, und Fluch oder Segen, diese zu verwirklichen, um den richtigen oder falschen Partner, um das Leben verpfuschen, verprassen, einer Sucht anheimfallend, oder auch das Leben als ein unauffälliger Beamter verbringen, oder doch etwas wagen und am Ende nicht erreichen können uvm.

Die Vielfalt der Erzähltechniken ist ebenso spektakulär: mal kommt eine Stakkato-Etüde in kurzen, abgehackten Sätzen, mal überrascht uns der Autor mit einer Elegie. Später taucht ein spannendes längeres oder auch ein kurzes, knappes Stück. Dabei ist die Form nie ein Selbstzweck, sondern stets ein Mittel, das sein Ziel erreicht und die Leser in die Lebensgeschichten, Charaktere, die damit aufkommende Atmosphäre usw. eintauchen lässt.

Dieses Werk kommt mir wie ein großartiges, vielfältiges, von Talent und meisterhaftem Können geprägtes Musikstück vor, eine Sinfonie, die sämtliche Register des menschlichen Daseins zieht, das Ganze an die Leser/Zuhörer trägt und ihn dabei bestens unterhält.

Oder man betrachtet das als eine Portraitgalerie, bestehend meist aus einfachen Menschen: Handwerkern, Kaufleuten, Servicekräften. Der Bürgermeister ist aber auch dabei. So entsteht aus Puzzleteilchen nach und nach ein Bild. Der Gesellschaft wird Spiegel vor Augen gehalten. Dieses Gemälde macht nachdenklich: Was ist das menschliche Leben? Was ist Liebe? Was ist der Tod? Welche Bedeutung hat das alles? Uvm.

Mal musste ich aber auch auflachen, denn Humor ist genauso ein Bestandteil dieses Romans wie alles andere.

Viel kann man noch über dieses Werk schreiben, besser, man erlebt es selbst.

Es war eine ungekürzte Autorenlesung von 5 St. 21 Min.

Robert Seethaler hat sehr gut gelesen, wie ein Profi-Sprecher. Manchmal ist es von Vorteil, wenn der Autor selbst sein Werk interpretiert, hier ist es absolut der Fall. Kann mir hier keinen besseren Erzähler vorstellen, denn so unterschiedlich die Figuren sind, so liest er sie auch.

Fazit: Unbedingt lesen/ hören. Ein literarisches Highlight dieses Sommers.



Veröffentlicht am 24.07.2018

Spannend, aufschlussreich, großartig. Highlight dieses Lesesommers!

Traurige Moderne
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Mit dem Buch habe ich einige erfüllte Stunden verbracht, viel Wissenswertes erfahren. Es gibt kaum einen wichtigen Aspekt, den Todd in seine Überlegungen nicht miteinbezogen hat. Die Ausführungen sind ...


Mit dem Buch habe ich einige erfüllte Stunden verbracht, viel Wissenswertes erfahren. Es gibt kaum einen wichtigen Aspekt, den Todd in seine Überlegungen nicht miteinbezogen hat. Die Ausführungen sind spannend, aufschlussreich, recht spektakulär und einfach großartig. Richtig gutes Futter fürs Hirn, daher empfehle ich das Buch sehr gern weiter.
Schon in der Einführung, und oft genug im weiteren Verlauf, musste ich beim Lesen denken: Er ist wirklich gut! So unabhängig in seinem Denken, einer, der den Eliten nicht nach dem Munde redet, sondern eigene Meinung hat und diese prima zu vermitteln weiß. So messerscharf die Analysen. Echt stark! Er sieht die Dinge klar und nimmt kein Blatt vorm Mund, redet Tacheles, u.a. wenn es um Eliten und ihre Interessen geht, um die Arrangements, die diese mit der Arbeiterklasse treffen uvm. Dabei wurde in britisch-amerikanische, französische, deutsche, japanische Eliten unterschieden und ihr Verhalten basierend auf den unterliegenden Familienstrukturen erklärt.
Das Buch ließ sich insg. sehr gut lesen. Komplexe Zusammenhänge wurden verständlich, sehr zugänglich erklärt. Todd kommt sehr sympathisch rüber, auch weil er ohne Kunstgriffe auskommt, um sich beim Leser interessant zu machen. Das was er zu sagen hat, erzählt er ganz nüchtern. Und das reicht völlig aus. So fesselnd sind seine Inhalte, dass man das Buch kaum aus der Hand legen mag. Die Unterkapitel sind zudem kurz, was auch dazu verleitet, immer schön weiterzulesen.
Rund 500 Seiten sind in 18 Kapitel gegliedert, plus Vorwort der dt Ausgabe, plus „Anstoß“ und „Postskriptum“.
In der Einführung stellt Todd zunächst ein Modell vor, das in Anlehnung an Freud „Bewusstes, Unterbewusstes und Unbewusstes der Gesellschaften“ unterscheidet, was „eine geschichtliche Darstellung der menschlichen Gesellschaften und ihrer Veränderung“ möglich macht. S. 27. Weiter folgt u.a. die Familientypologie, die „reine Kernfamilie“, „Stammfamilie“, „exogame kommunitäre Familie“ usw. unterscheidet. Das wird man brauchen, um die späteren Ausführungen des Autors nachvollziehen zu können. Nach der Typologie kommt eine wohl begründete wie treffende Darstellung der Entwicklung der Menschheit aus anthropologischer und soziologischer Sicht von der Steinzeit bis heute.
Zwischendurch gibt Todd einige interessante Lesetipps und zitiert spannende Absätze aus diesen Werken, z.B. S. 333 „Closing the Collaps Gap“ von D. Orlov.
Das Beste kommt aber zum Schluss. Die Analyse der heutigen Lage, darunter die Erklärung der Wahl Trumps, Kap. 14. Die letzten etwa hundert Seiten, im Kap. 17 „Die Metamorphose Europas“, insb. „Der Triumph der Ungleichheit in Europa“, „Das postdemokratische Europa – ganz normal“ und „Postskriptum. Die Krise der westlichen Demokratie“ sind besonders aufschlussreich und lesenswert.
Im Postskriptum gibt Todd eine Art Ausblick und spricht u.a. über die postdemokratische Zukunft.

Fazit: Warum also „Traurige Moderne“ von Emmanuel Todd lesen? Viele Gründe gibt es hierfür. Z.B. um diese spannende, klare, unverstellte Sicht der Dinge kennenzulernen. Seine Erklärungen des Zeitgeschehens, die unterliegenden Muster der heutigen Entwicklung in Politik und Gesellschaft sind so plausibel und treffend, dass man sie einfach kennen MUSS. Diese Inhalte sollten zur Allgemeinbildung zählen. Das Buch gehört in jede gute Bibliothek. Schon allein all dies so klar und griffig, anhand von zahlreichen Tabellen, Grafiken, etc. präsentiert zu bekommen ist eine bereichernde und erfüllende Leseerfahrung.
5 wohl verdiente Sterne und unbedingte Lesepflicht.

Gekürzt.