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Veröffentlicht am 22.07.2018

Ein Lied von Freiheit und Sehnsucht....

Elian und Lira – Das wilde Herz der See
0

Allgemeines:

Titel: Elian und Lira - Das wilde Herz der See
Autor: Alexandra Christo
Verlag: dtv (20. Juli 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3423762209
ISBN-13: 978-3423762205
ASIN: B07D2ZZZYN
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: Elian und Lira - Das wilde Herz der See
Autor: Alexandra Christo
Verlag: dtv (20. Juli 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3423762209
ISBN-13: 978-3423762205
ASIN: B07D2ZZZYN
Originaltitel: To Kill a Kingdom
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
18,95€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

"Lügen sind keine Antwort."
"Aber sie klingen viel besser als die Wahrheit"

Lira ist die Tochter der Meereskönigin. Jahr für Jahr ist sie dazu verdammt, einem Prinzen das Herz zu rauben. Doch dann begeht sie einen Fehler und ihre Mutter verwandelt sie zur Strafe in die Kreatur, die sie am meisten verabscheut – einen Menschen. Und sie stellt Lira ein Ultimatum: Bring mir das Herz von Prinz Elian oder bleib für immer ein Mensch.
Elian ist der Thronerbe eines mächtigen Königreichs. Doch das Meer ist der einzige Ort, an dem er sich wirklich zu Hause fühlt. Er macht Jagd auf Sirenen, vor allem auf die eine, die so vielen Prinzen bereits das Leben genommen hat. Als er eines Tages eine junge Frau aus dem Ozean fischt, ahnt er zunächst nicht, wen er da an Bord geholt hat.
Bald wird aus Misstrauen jedoch Leidenschaft und das Unerwartete geschieht – die beiden verlieben sich ineinander.


Bewertung:



Schon immer hatten Geschichten, die die Verlockung des Meeres, den Ruf des Abenteuers in sich hatten, eine besondere Anziehungskraft auf mich. Schon als ich das Cover dieser Geschichte zum ersten Mal sah war mir klar: dieses Buch muss ich lesen! Insgesamt erwartete mich eine wundervolle, atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft, die jedoch auch einige Schwächen aufweist.


"In den Abgründen unserer Seele sind Elian und ich gar nicht so verschieden. Zwei Königreiche erlegen uns beiden Verantwortung auf, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Wir sind gefesselt: er an ein Land und ein vorgezeichnetes Leben, ich an das mörderische Erbe meiner Mutter. Und beide vernehmen wir den Lockruf des Ozeans: ein Lied von Freiheit und Sehnsucht."


Das Cover ist auf den ersten Blick ein wahrhaftiger Eye-Catcher und in der Gesamtkonstruktion definitiv stimmig, je länger ich es jedoch betrachte, desto weniger gefällt es mir. Natürlich ist da zum einen das Bild eines Mädchens, das mit den blauen Augen, den Sommersprossen und den roten Haaren wohl Lira darstellen soll. Wie schon so oft erwähnt stören mich Modelbilder auf Buchcover immer, außerdem finde ich nicht, dass auf Lira in der Geschichte ein besonderer Fokus liegt. Auf dem Bild links sieht es zum anderen aus, als würden feine, blau-weiße Linien das Mädchen als Wellen umspielen. In echt sind es jedoch breite, glitzernde Streifen, die relativ wenig mit Wellen gemein haben. Nichtsdestotrotz gefallen mir die düstere Ausstrahlung des Covers und die große, gefächerte Muschel, die jedes Kapitel überschreibt. Vielleicht wäre es hier aber eine Bereicherung gewesen, motivisch näher am Original zu bleiben.


Erster Satz: "Ich habe ein Herz für jedes Jahr meines Lebens."


Mit diesem treffenden und eingängigen Satz steigen wir in das Schicksal der Sirene Lira ein, die weit im ganzen Reich als "Fluch der Prinzen" bekannt ist, da sie jedes Jahr im Monat ihres Geburtstages das Herz eines jungen Prinzen raubt. Als sie auf der Jagd mit ihrer Cousine Kahlia ihre Sammlung aus 17 Herzen zu früh um ein weiteres ausbaut, zieht sie den Zorn ihrer Mutter auf sich. Eigentlich kein Problem, wäre diese nicht die allmächtige Meereskönigin, die auf Unterordnung durch Furcht und Schrecken baut, anstatt auf Treue und Loyalität durch Akzeptanz und Respekt. Als sie daraufhin ihres Gesangs, ihrer unglaublichen Schönheit und Stärke beraubt als schwacher Mensch auftaucht, ist das Meer nicht länger ihr Freund, sie nicht länger auf der Jagd und der Sirenenjäger und Prinz Elian nicht länger ihre Beute sondern ihr Retter. Als dieser die wehrlose, junge Frau aus dem Meer fischt, ahnt er nicht, dass sich hinter dem hübschen Gesicht und der großen Klappe in Wahrheit das Monster verbirgt, dass zu jagen er sich zur Aufgabe gemacht hat. Doch als Lira immer menschlicher wird und Eigenschaften wie Treue, Hilfsbereitschaft und Freundschaft nicht länger als Schwäche abtun kann, erkennt sie die Tragweite der Schreckensherrschaft ihrer Mutter und muss sich entscheiden, wer sie sein will...


"Keto schuf uns als wildes Kriegsvolk, aber erst die Meeresköniginnen gaben ihren Hass als Erbe an uns weiter. Königinnen wie meine mutter, die ihre Kinder zu seelenlosen Kriegerinnen formte. (…) Ist es das, was Menschsein bedeutet? Sich in Gefahr begeben, um jemand anderen zu schützen?"


Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich wirklich beeindruckt davon bin, wie viel Handlung, Entwicklung und Emotion Alexandra Christo in diesen kurzen 382 Seiten unterbekommt. Selbstverständlich sind einige Lücken im Setting zu finden und viele der interessanten Königreiche werden nur kurz genannt, mit einer groben Charakterisierung abgetan, die oft fast schon klischeehaft wirkt. Außerdem gehen auch viele Nebencharaktere im Sog der Handlung ein wenig unter, die Liebesgeschichte, die Entwicklung von Hass zu Leidenschaft - ging mir zu plötzlich und schnell von statten und gerade am Ende tauchen ein paar Handlungen der Protagonisten auf, die für mich nicht logisch waren.


"Wir sind Splitter desselben Spiegels. Zwischen uns liegen Welten, doch (…) die Grenzen sind verschwommen. Dies hat Elian in einer einzigen Sekunde geschafft, mit etwas, das ihm so leichtfällt wie das Atmen: Er hat gelächelt. Nicht, weil ich Qualen litt, vor ihm den Kopf neigte oder mich seinen Launen unterwarf wie bei meiner Mutter. Er hatte gelächelt, weil er mich gesehen hat, wie ich frei und dem Tod entronnen zu ihm zurückkehren wollte."


Doch was erwarte ich von solch einem kurzen Roman? Eine ausgearbeitete Herr-der-Ringe-Welt mit zig Handlungssträngen und Hintergrundgeschichten? Nein! Es ist bei Fantasy dieser Kürze immer eine große Herausforderung eine Welt aufzubauen, die mehr ist, als bloße Kulisse der Handlung, während genügend von letzterer vorhanden ist und auch Zeit bleibt, die Protagonisten zu entwickeln. Und das schafft die Autorin wunderbar, sodass ihr noch die Zeit bleibt, viele der erzählten Legenden über die Königshäuser als Lüge aufzudecken und großpolitischen Angelegenheiten und Intrigen anzusprechen. In vielen kurzen Szenen und dem daraus resultierenden hohen Tempo entführt sie uns in ein Reich voller bunter Völker, düsterer Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Gerade durch die vielen Gegensätze von glänzenden Königshäuser über die Sirenenjagd auf rauer See, auf einer abenteuerlichen Reise auf dem Piratenschiff Saad bis zum höchsten Punkt des Landes, zu einem der größten Schätze der Welt wird die Geschichte spannend gehalten, auch wenn ihr Ausgang schon recht früh kein Rätsel mehr ist.


"Ein Prinz darf von Mythen und Legenden umrankt sein", erklärt er mir. "Aber er kann nicht in ihnen leben. Er muss in der echten Welt leben und dort den Stoff für die Erzählungen liefern." Er sieht mich ernst an. "Du solltest weniger auf Märchen hören, Elian, sonst wirst du am Ende selbst nichts weiter sein als ein Märchen."


Die Geschichte wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Elian und Lira erzählt, was jedoch nur mit einem Schriftartwechsel angekündigt wird. Das ist zum Teil recht verwirrend, da hätte ich mir eine eindeutigere Kennzeichnung gewünscht. Die beiden Protagonisten haben mir aber sehr gut gefallen. Obwohl sie auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind sie gar nicht so verschieden. Beiden werden ihre Freiheit und die Möglichkeit zur vollständigen Entfaltung durch die Verantwortung ein Reich zu führen und dessen Ansprüchen zu genügen gehemmt. Lira wurde von ihrer Mutter, der Meereskönigin, von klein auf zu einem Monster gemacht: Der Fluch der Prinzen. Zwischen dem Bedürfnis, ihre Mutter stolz zu machen, eine würdige Nachfolgerin zu sein und dem Ruf ihres Gewissens und der Gewissheit, etwas ändern zu wollen fühlt sie sich zunehmend hin und her gerissen, bis sie entscheidet, dass sie kein Monster mehr sein will. Doch ohne ihre Grausamkeit, ihre Kraft, ihr Gesang - was bleibt denn da noch übrig?


"Ich dachte, ich müsse meinem Reich etwas beweisen. Aber was? Dass ich genauso bin wie sie? Das Tod und Grausamkeit mir mehr bedeuten als Gnade? Dass ich an jedem Verrat begehe, auch wenn er noch so treu ist? (…) Ich denke an Crestell, die Kahlia vor mich beschützt und ihr eigenes Leben geopfert hat. "Werde die Königin, die wir brauchen."


Elian ist ebenfalls der nächste Thronfolger seines Königreichs, dem goldenen Midas. Doch anstatt sich mit ätzenden Hofangelegenheit zu langweilen, folgt er dem Ruf des Meeres tief in seinem Herzen und zieht als Sirenenjäger durch die Meere. Auch wenn die Welt ihn als den Piratenprinz sieht, der als hoffnungsloser Abenteurer verlacht ist, hat er in seiner Crew eine Familie, in der Saad ein Zuhause, in dem Dasein als Pirat ein Frieden gefunden, den er in seiner wirklichen Heimat nie gefühlt hat. Doch als er sich um sein größtes Ziel zu erreichen auf schmutzige Deals einlassen muss, die ihn sein Königreich kosten könnten, muss er sich entscheiden, wer er sein will: Pirat oder Prinz, oder vielleicht doch etwas Besonderes dazwischen...?


"Glaubst du wirklich daran, dass Mörder aufhören können, Mörder zu sein?"
"Ich möchte es glauben." Seine Stimme klingt so anders als die des selbstbewussten Prinzen bei unserer ersten Begegnung. Er ist nicht der Mann, der ein Schiff kommandiert, oder der Sohn, der ein Land regieren soll. Er ist weder das eine noch das andere, und doch ist er beides zugleich. Sein wahres Ich ist irgendwo dazwischen, wo nur ich es sehen kann."


Durch den jeweils anderen schaffen die beiden es, sich ihrer Rolle bewusst zu werden und frei zu entscheiden, was sie tun und lassen wollen. Auch wenn die Liebesgeschichte sich erst gar nicht und dann sehr schnell entwickelt, mochte ich das sarkastische Zusammenspiel der beiden und habe sehr gerne zugesehen, wie die beiden sich selbst und dem jeweils anderen immer näher kommen.


"Nur damit du es weißt", sage ich zu Lira. "Wenn du mich belügst, werde ich dich vielleicht töten."
Lira streckte das Kinn vor. Ihr Blick ist rebellisch und ihre gen sind zu blau, um ihnen standzuhalten. Im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, ob sie eine Antwort parat hat, aber dann fährt sie mit der Zunge über die Lippen und ich weiß, dass sie den süßen Vorgeschmack auf das genießt, was sie mir gleich an den Kopf werfen wird.
"Vielleicht", sagt sie, währen das schummrige Licht sich an ihre Haut schmiegt, "töte ich dich zuerst."


Durch den zielsicheren Schreibstil der jungen Autorin bekommt jede Szene eine eindeutige Funktion und wir werden durch die bildhafte Sprache immer tiefer ins wilde Herz der See gezogen, bis wir -wie ein Matrose dem Gesang einer Sirene- dem Bann der Geschichte erliegen. Dabei wird eine recht düstere, spannungsgeladene, abenteuerliche, mitreißende Atmosphäre geschaffen, die jedoch an einigen Stellen etwas bröckelt, wenn sich seltsame "Lücken", Unstimmigkeiten in Szenen, auftun, die holprig wirkten. Das kann ich leider nicht besser in Worte fassen, es könnte auch an der Übersetzung liegen. Nichtsdestotrotz wird uns hier eine düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen präsentiert. Mit einem Unterschied: die Liebe, die eigentlich nicht erwidert werden kann, gewinnt hier nach einem epischen Kampf am Ende doch.



Fazit:


Alexandra Christos düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" entführt in ein Reich voller bunter Völker, dunkler Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Eine atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft

Veröffentlicht am 22.07.2018

Ein Lied von Freiheit und Sehnsucht...

Elian und Lira – Das wilde Herz der See
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Allgemeines:

Titel: Elian und Lira - Das wilde Herz der See
Autor: Alexandra Christo
Verlag: dtv (20. Juli 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3423762209
ISBN-13: 978-3423762205
ASIN: B07D2ZZZYN
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: Elian und Lira - Das wilde Herz der See
Autor: Alexandra Christo
Verlag: dtv (20. Juli 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3423762209
ISBN-13: 978-3423762205
ASIN: B07D2ZZZYN
Originaltitel: To Kill a Kingdom
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
18,95€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

"Lügen sind keine Antwort."
"Aber sie klingen viel besser als die Wahrheit"

Lira ist die Tochter der Meereskönigin. Jahr für Jahr ist sie dazu verdammt, einem Prinzen das Herz zu rauben. Doch dann begeht sie einen Fehler und ihre Mutter verwandelt sie zur Strafe in die Kreatur, die sie am meisten verabscheut – einen Menschen. Und sie stellt Lira ein Ultimatum: Bring mir das Herz von Prinz Elian oder bleib für immer ein Mensch.
Elian ist der Thronerbe eines mächtigen Königreichs. Doch das Meer ist der einzige Ort, an dem er sich wirklich zu Hause fühlt. Er macht Jagd auf Sirenen, vor allem auf die eine, die so vielen Prinzen bereits das Leben genommen hat. Als er eines Tages eine junge Frau aus dem Ozean fischt, ahnt er zunächst nicht, wen er da an Bord geholt hat.
Bald wird aus Misstrauen jedoch Leidenschaft und das Unerwartete geschieht – die beiden verlieben sich ineinander.


Bewertung:



Schon immer hatten Geschichten, die die Verlockung des Meeres, den Ruf des Abenteuers in sich hatten, eine besondere Anziehungskraft auf mich. Schon als ich das Cover dieser Geschichte zum ersten Mal sah war mir klar: dieses Buch muss ich lesen! Insgesamt erwartete mich eine wundervolle, atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft, die jedoch auch einige Schwächen aufweist.


"In den Abgründen unserer Seele sind Elian und ich gar nicht so verschieden. Zwei Königreiche erlegen uns beiden Verantwortung auf, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Wir sind gefesselt: er an ein Land und ein vorgezeichnetes Leben, ich an das mörderische Erbe meiner Mutter. Und beide vernehmen wir den Lockruf des Ozeans: ein Lied von Freiheit und Sehnsucht."


Das Cover ist auf den ersten Blick ein wahrhaftiger Eye-Catcher und in der Gesamtkonstruktion definitiv stimmig, je länger ich es jedoch betrachte, desto weniger gefällt es mir. Natürlich ist da zum einen das Bild eines Mädchens, das mit den blauen Augen, den Sommersprossen und den roten Haaren wohl Lira darstellen soll. Wie schon so oft erwähnt stören mich Modelbilder auf Buchcover immer, außerdem finde ich nicht, dass auf Lira in der Geschichte ein besonderer Fokus liegt. Auf dem Bild links sieht es zum anderen aus, als würden feine, blau-weiße Linien das Mädchen als Wellen umspielen. In echt sind es jedoch breite, glitzernde Streifen, die relativ wenig mit Wellen gemein haben. Nichtsdestotrotz gefallen mir die düstere Ausstrahlung des Covers und die große, gefächerte Muschel, die jedes Kapitel überschreibt. Vielleicht wäre es hier aber eine Bereicherung gewesen, motivisch näher am Original zu bleiben.


Erster Satz: "Ich habe ein Herz für jedes Jahr meines Lebens."


Mit diesem treffenden und eingängigen Satz steigen wir in das Schicksal der Sirene Lira ein, die weit im ganzen Reich als "Fluch der Prinzen" bekannt ist, da sie jedes Jahr im Monat ihres Geburtstages das Herz eines jungen Prinzen raubt. Als sie auf der Jagd mit ihrer Cousine Kahlia ihre Sammlung aus 17 Herzen zu früh um ein weiteres ausbaut, zieht sie den Zorn ihrer Mutter auf sich. Eigentlich kein Problem, wäre diese nicht die allmächtige Meereskönigin, die auf Unterordnung durch Furcht und Schrecken baut, anstatt auf Treue und Loyalität durch Akzeptanz und Respekt. Als sie daraufhin ihres Gesangs, ihrer unglaublichen Schönheit und Stärke beraubt als schwacher Mensch auftaucht, ist das Meer nicht länger ihr Freund, sie nicht länger auf der Jagd und der Sirenenjäger und Prinz Elian nicht länger ihre Beute sondern ihr Retter. Als dieser die wehrlose, junge Frau aus dem Meer fischt, ahnt er nicht, dass sich hinter dem hübschen Gesicht und der großen Klappe in Wahrheit das Monster verbirgt, dass zu jagen er sich zur Aufgabe gemacht hat. Doch als Lira immer menschlicher wird und Eigenschaften wie Treue, Hilfsbereitschaft und Freundschaft nicht länger als Schwäche abtun kann, erkennt sie die Tragweite der Schreckensherrschaft ihrer Mutter und muss sich entscheiden, wer sie sein will...


"Keto schuf uns als wildes Kriegsvolk, aber erst die Meeresköniginnen gaben ihren Hass als Erbe an uns weiter. Königinnen wie meine mutter, die ihre Kinder zu seelenlosen Kriegerinnen formte. (…) Ist es das, was Menschsein bedeutet? Sich in Gefahr begeben, um jemand anderen zu schützen?"


Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich wirklich beeindruckt davon bin, wie viel Handlung, Entwicklung und Emotion Alexandra Christo in diesen kurzen 382 Seiten unterbekommt. Selbstverständlich sind einige Lücken im Setting zu finden und viele der interessanten Königreiche werden nur kurz genannt, mit einer groben Charakterisierung abgetan, die oft fast schon klischeehaft wirkt. Außerdem gehen auch viele Nebencharaktere im Sog der Handlung ein wenig unter, die Liebesgeschichte, die Entwicklung von Hass zu Leidenschaft - ging mir zu plötzlich und schnell von statten und gerade am Ende tauchen ein paar Handlungen der Protagonisten auf, die für mich nicht logisch waren.


"Wir sind Splitter desselben Spiegels. Zwischen uns liegen Welten, doch (…) die Grenzen sind verschwommen. Dies hat Elian in einer einzigen Sekunde geschafft, mit etwas, das ihm so leichtfällt wie das Atmen: Er hat gelächelt. Nicht, weil ich Qualen litt, vor ihm den Kopf neigte oder mich seinen Launen unterwarf wie bei meiner Mutter. Er hatte gelächelt, weil er mich gesehen hat, wie ich frei und dem Tod entronnen zu ihm zurückkehren wollte."


Doch was erwarte ich von solch einem kurzen Roman? Eine ausgearbeitete Herr-der-Ringe-Welt mit zig Handlungssträngen und Hintergrundgeschichten? Nein! Es ist bei Fantasy dieser Kürze immer eine große Herausforderung eine Welt aufzubauen, die mehr ist, als bloße Kulisse der Handlung, während genügend von letzterer vorhanden ist und auch Zeit bleibt, die Protagonisten zu entwickeln. Und das schafft die Autorin wunderbar, sodass ihr noch die Zeit bleibt, viele der erzählten Legenden über die Königshäuser als Lüge aufzudecken und großpolitischen Angelegenheiten und Intrigen anzusprechen. In vielen kurzen Szenen und dem daraus resultierenden hohen Tempo entführt sie uns in ein Reich voller bunter Völker, düsterer Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Gerade durch die vielen Gegensätze von glänzenden Königshäuser über die Sirenenjagd auf rauer See, auf einer abenteuerlichen Reise auf dem Piratenschiff Saad bis zum höchsten Punkt des Landes, zu einem der größten Schätze der Welt wird die Geschichte spannend gehalten, auch wenn ihr Ausgang schon recht früh kein Rätsel mehr ist.


"Ein Prinz darf von Mythen und Legenden umrankt sein", erklärt er mir. "Aber er kann nicht in ihnen leben. Er muss in der echten Welt leben und dort den Stoff für die Erzählungen liefern." Er sieht mich ernst an. "Du solltest weniger auf Märchen hören, Elian, sonst wirst du am Ende selbst nichts weiter sein als ein Märchen."


Die Geschichte wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Elian und Lira erzählt, was jedoch nur mit einem Schriftartwechsel angekündigt wird. Das ist zum Teil recht verwirrend, da hätte ich mir eine eindeutigere Kennzeichnung gewünscht. Die beiden Protagonisten haben mir aber sehr gut gefallen. Obwohl sie auf unterschiedlichen Seiten stehen, sind sie gar nicht so verschieden. Beiden werden ihre Freiheit und die Möglichkeit zur vollständigen Entfaltung durch die Verantwortung ein Reich zu führen und dessen Ansprüchen zu genügen gehemmt. Lira wurde von ihrer Mutter, der Meereskönigin, von klein auf zu einem Monster gemacht: Der Fluch der Prinzen. Zwischen dem Bedürfnis, ihre Mutter stolz zu machen, eine würdige Nachfolgerin zu sein und dem Ruf ihres Gewissens und der Gewissheit, etwas ändern zu wollen fühlt sie sich zunehmend hin und her gerissen, bis sie entscheidet, dass sie kein Monster mehr sein will. Doch ohne ihre Grausamkeit, ihre Kraft, ihr Gesang - was bleibt denn da noch übrig?


"Ich dachte, ich müsse meinem Reich etwas beweisen. Aber was? Dass ich genauso bin wie sie? Das Tod und Grausamkeit mir mehr bedeuten als Gnade? Dass ich an jedem Verrat begehe, auch wenn er noch so treu ist? (…) Ich denke an Crestell, die Kahlia vor mich beschützt und ihr eigenes Leben geopfert hat. "Werde die Königin, die wir brauchen."


Elian ist ebenfalls der nächste Thronfolger seines Königreichs, dem goldenen Midas. Doch anstatt sich mit ätzenden Hofangelegenheit zu langweilen, folgt er dem Ruf des Meeres tief in seinem Herzen und zieht als Sirenenjäger durch die Meere. Auch wenn die Welt ihn als den Piratenprinz sieht, der als hoffnungsloser Abenteurer verlacht ist, hat er in seiner Crew eine Familie, in der Saad ein Zuhause, in dem Dasein als Pirat ein Frieden gefunden, den er in seiner wirklichen Heimat nie gefühlt hat. Doch als er sich um sein größtes Ziel zu erreichen auf schmutzige Deals einlassen muss, die ihn sein Königreich kosten könnten, muss er sich entscheiden, wer er sein will: Pirat oder Prinz, oder vielleicht doch etwas Besonderes dazwischen...?


"Glaubst du wirklich daran, dass Mörder aufhören können, Mörder zu sein?"
"Ich möchte es glauben." Seine Stimme klingt so anders als die des selbstbewussten Prinzen bei unserer ersten Begegnung. Er ist nicht der Mann, der ein Schiff kommandiert, oder der Sohn, der ein Land regieren soll. Er ist weder das eine noch das andere, und doch ist er beides zugleich. Sein wahres Ich ist irgendwo dazwischen, wo nur ich es sehen kann."


Durch den jeweils anderen schaffen die beiden es, sich ihrer Rolle bewusst zu werden und frei zu entscheiden, was sie tun und lassen wollen. Auch wenn die Liebesgeschichte sich erst gar nicht und dann sehr schnell entwickelt, mochte ich das sarkastische Zusammenspiel der beiden und habe sehr gerne zugesehen, wie die beiden sich selbst und dem jeweils anderen immer näher kommen.


"Nur damit du es weißt", sage ich zu Lira. "Wenn du mich belügst, werde ich dich vielleicht töten."
Lira streckte das Kinn vor. Ihr Blick ist rebellisch und ihre gen sind zu blau, um ihnen standzuhalten. Im ersten Moment bin ich mir nicht sicher, ob sie eine Antwort parat hat, aber dann fährt sie mit der Zunge über die Lippen und ich weiß, dass sie den süßen Vorgeschmack auf das genießt, was sie mir gleich an den Kopf werfen wird.
"Vielleicht", sagt sie, währen das schummrige Licht sich an ihre Haut schmiegt, "töte ich dich zuerst."


Durch den zielsicheren Schreibstil der jungen Autorin bekommt jede Szene eine eindeutige Funktion und wir werden durch die bildhafte Sprache immer tiefer ins wilde Herz der See gezogen, bis wir -wie ein Matrose dem Gesang einer Sirene- dem Bann der Geschichte erliegen. Dabei wird eine recht düstere, spannungsgeladene, abenteuerliche, mitreißende Atmosphäre geschaffen, die jedoch an einigen Stellen etwas bröckelt, wenn sich seltsame "Lücken", Unstimmigkeiten in Szenen, auftun, die holprig wirkten. Das kann ich leider nicht besser in Worte fassen, es könnte auch an der Übersetzung liegen. Nichtsdestotrotz wird uns hier eine düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen präsentiert. Mit einem Unterschied: die Liebe, die eigentlich nicht erwidert werden kann, gewinnt hier nach einem epischen Kampf am Ende doch.



Fazit:


Alexandra Christos düstere Adaption des Kunstmärchens "Die kleine Meerjungfrau" entführt in ein Reich voller bunter Völker, dunkler Legenden von blutrünstigen Monstern und strahlenden Helden, die einen unerbittlichen Kampf zwischen Meer und Land ausfechten. Eine atmosphärische Geschichte voller Abenteuer und Leidenschaft!

Veröffentlicht am 18.07.2018

Ein hochaktueller Thriller: Spannend, nachdenklich, provokant!

Hass im Fadenkreuz
0

Allgemeines:

Titel: Hass im Fadenkreuz
Autor: Tatjana Flade
Verlag: edition oberkassel (5. Juli 2018)
Genre: Romantischer Thriller
ISBN-10: 3958131409
ISBN-13: 978-3958131408
ASIN: B07DPTKNS3
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Hass im Fadenkreuz
Autor: Tatjana Flade
Verlag: edition oberkassel (5. Juli 2018)
Genre: Romantischer Thriller
ISBN-10: 3958131409
ISBN-13: 978-3958131408
ASIN: B07DPTKNS3
Seitenzahl: 300 Seiten
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
12€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: "Herz im Fadenkreuz)


Inhalt:

Nachdem die illegale Anti-Terroreinheit IFFAR aufgeflogen ist, ist Scharfschütze Lysander (Lys) in Kambodscha untergetaucht. In Berlin schwimmt ein rechtspopulistischer Parteichef auf einer Erfolgswelle und bereitet sich auf die nächsten Wahlen vor. Deshalb beschließen die ehemaligen Auftraggeber der IFFAR, die Einheit zu reaktivieren. Lys erklärt sich zu diesem letzten Auftrag bereit, auch um Esther wiederzusehen. Esther aber gerät ins Visier der rechtsradikalen Terrororganisation »Thule Kämpfer«, weil die sich an Lys und seinen Kameraden rächen wollen …


Bewertung:

Nachdem mich Tatjana Flade schon mit ihrem Fantasy-Roman "Im Zeitschatten von Mondthal" überzeugen konnte und nach dem ersten Teil der Reihe "Herz im Fadenkreuz" noch einige Fragen offen blieben, war es für mich keine Frage, ob ich dieses Buch lesen werde. Und nach spannenden, mitreißenden 300 Seiten, auf denen ich mitgelitten, mich gefreut und ab und zu auch gegruselt habe, kann ich auch für die Fortsetzung der Geschichte meine Leseempfehlung aussprechen.

Das Cover ist ganz im Stil des ersten Bandes gehalten. War bei Teil 1 noch "Pützchens Markt" in Bonn im Fadenkreuz der Waffe zu sehen, zeigt das Gewehr nun auf ein junges Pärchen, das angedeutet im Hintergrund zusehen ist. Der Titel sticht auf dem verschwommenen Hintergrund mit der klaren, weißen Schrift sofort ins Auge und komplettiert die Gestaltung, die schon gleich auf den ersten Blick Spannung weckt.


Erster Satz: "Draußen klapperte es, Schlüssel klirrten und der Riegel schepperte."


Die Fortsetzung beginnt einige Wochen nach dem letzten Teil mit einer kurzen aber aufsehenerregenden Szene aus der Justizvollzugsanstalt Straubing. Mit dem Mord an dem Rechtsterroristen geht die Geschichte um linken und rechten Terror, Gewalt und Gewalteinsatz um Gewalt zu verhindern und das zwischen den Fronten verwirrte Deutschland weiter.
Nachdem vereitelten Anschlag auf den Jahrmarkt in Bonn wurde die illegale Antiterroreinheit IFFAR aufgelöst und Lys musste in Kambodscha untertauchen. Als die Wogen um den IFFAR Skandal sich zu glätten beginnen und der rechtspopulistische Parteichef Daniel Kraußler immer beliebter wird, beschließt der ehemalige Auftraggeber, die Einheit zu reaktivieren. Lys ist das gerade recht, denn er leidet sehr unter der Trennung mit Esther, die in Bonn zurück blieb. Während Lys und Esther versuchen, wie ein normales Paar zusammen zu sein, tritt die rechtsradikale Terrororganisation "Thule Kämpfer" wieder auf den Plan. Denn nach dem vereitelten Anschlag hat der Anführer Voigt noch eine Rechnung mit Lys offen. Und wer wäre da ein geeigneteres Ziel als die unschuldige Esther...


"Der Schmerz, der einem anderen Menschen zugefügt wird, kann mehr wehtun als der eigene."


Die Geschichte wird in kurzen Abschnitten aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten auf der Welt erzählt und springt zwischen den Fronten genauso sehr wie zwischen unseren beiden Hauptpersonen Esther und Lys. Gerade zu Beginn lassen sich die Bedeutungen mancher Handlungsstränge noch nicht ganz nachvollziehen und zusammen mit dem eher gemächlichen Tempo ergibt sich ein eher langsamer Start in die Geschichte. Nachdem dann aber die ersten Ereignisse losgetreten wurden, nimmt der Thriller sowohl zwischenmenschlich, moralisch, politisch als auch handlungsmäßig immer mehr Fahrt auf, bis sie auf ein unvermeidlich scheinendes Ende zusteuert...


"Ich habe Angst", flüsterte sie.
"Du musst keine Angst haben. Es ist alles in Ordnung."
"Das stimmt nicht. Ich habe das Gefühl, dass alles auseinanderbricht. Gestern kam die Nachricht von der Ermordung des Grünen-Politikers. Als ich am Mittwochabend nach Hause gefahren bin, haben zwei Männer Obdachlose in der U-ahn attackiert. Die Demo in Bonn wurde zur Massenschlägerei. Überall ist diese Gewalt, ich halte das nicht mehr aus." (…)
"Und du bist auch ein Teil dieser Gewalt."


Durch die vielen Perspektivwechsel und kurzen Einblicke in das Leben verschiedener Menschen wird langsam immer mehr Spannung aufgebaut, was durch Tatjana Flades schmucklosen aber präzisen Stil unterstützt wird. Dabei bekommen wir immer wieder Appetithäppchen anderer Perspektiven vorgesetzt, haben jedoch einen deutlichen Fokus auf die beiden Hauptpersonen, die abwechselnd als personale Erzähler berichten. Sehr schön finde ich außerdem, dass wir mehr über Lys´ Vergangenheit erfahren und auch Esther sich weiter entwickelt. Auch wenn sie gegen jegliche Art von Terror ist, unterstützt sie die Vorgehensweise der IFFAR in keinster Weise. Sie liebt Lys zwar, erträgt jedoch die ständige Angst um ihn, die Vorstellung, dass er Menschen ermordet und die ganzen Geheimnisse nicht länger. Während ihre Liebe sie in Band 1 noch relativ blind hat werden lassen, traut sie sich hier mehr, Lys die Meinung zu sagen und zeigt dabei eine lobenswerte Haltung, Werte und viel Mut als es hart auf hart kommt.


"Ich halte diesen Hass nicht mehr aus!"


Auch Lys´ Beweggründe kann man als Leser durchaus nachvollziehen. So handelt er, wo der Rechtsstaat gehemmt ist und geht mit Gewalt gegen den Rechtsterror vor - seiner Meinung nach die letzte und einzige Möglichkeit. Doch Esther ist sich ganz und gar nicht sicher, ob Gewalt wirklich eine Lösung sein kann, ob Terror zur Terrorbekämpfung eingesetzt werden darf, wann oder ob überhaupt Morde legitim sein können und ob es nicht sogar notwendig für eine Demokratie ist, dass sie auch Rechtspopulisten aushalten kann, ohne dass das System zusammenbricht. Ihr seht, es kommen eine Menge diskutabler Grundsätze auf und in mitten des politischen Kreuzfeuers steht das junge Paar, das unter dem ständigen Schweigen, den Geheimnissen, der Ungewissheit und den unterschiedlichen Wertvorstellungen zu leiden hat.


"Manche Dinge müssen getan werden, ob sie uns gefallen oder nicht", flüsterte er. Sie wollte seine Umarmung abschütteln und gleichzeitig wollte sie, dass er sie noch fester hielt. Angst, Wut und Hilflosigkeit vermischten sich und brachen wie eine Welle über sie herein."


Allgemein hat für mich die unheimliche Aktualität des Themas die Anziehungskraft der Geschichte ausgemacht. Mit Terroranschlägen, der Bedrohung durch Rechtsradikale, Problem-Parteien und viel Misstrauen und Gewalt gegen alles, was anders ist als die Norm, ist die Zukunft, die die Autorin wohl gesehen hat, als sie das Buch schrieb, doch sehr nahe gerückt. Es ist wirklich traurig, wie man immer wieder allzu bekannte Situationen wiedererkennen muss, Gedankengänge und Handlungen präsentiert bekommt, die von der Realität nicht weit entfernt liegen. Und so hat es mich noch viel mehr berührt und betroffen zurück gelassen, wenn Lys und seine Freunde einen Parteitag der rechtsradikalen "Partei für ein sauberes Bayern" in Blut und Asche aufgehen lassen oder planen, den Parteichef und Spitzenkandidat der "Deutsche Partei für Recht und Freiheit" zu ermorden. Denn insgeheim werden sich viele Leser dabei erwischen, die Taten der IFFAR nicht ganz so abwegig zu finden, wie man das eigentlich sollte. Insgesamt wird also die Frage aufgeworfen, wie wir alle mit der wachsenden rechten Gesinnung und Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung umgehen sollen. Natürlich hat die Geschichte darauf keine Antwort, aber durch dieses nur wenig überspitze Szenario wird uns klargemacht, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Den Rest müssen wir wohl selbst herausfinden... Und wer darauf keine Lust hat - es gibt wahrscheinlich auch noch eine weitere Fortsetzung!


"Warum laufen Kraußler und seiner Partei so viele Leute nach?" "Weil er einfache Rezepte und schnelle Lösungen verspricht." (…) "Die Leute nehmen die Gefahr nicht ernst genug und dann ist es zu spät!"




Fazit:


Ein hochaktueller Thriller über ein junges Paar zwischen Gewalt, Hass und Terror. Spannend, nachdenklich, provokant!

Veröffentlicht am 18.07.2018

Ein hochaktueller Thriller: Spannend, nachdenklich, provokant!

Hass im Fadenkreuz
0

Allgemeines:

Titel: Hass im Fadenkreuz
Autor: Tatjana Flade
Verlag: edition oberkassel (5. Juli 2018)
Genre: Romantischer Thriller
ISBN-10: 3958131409
ISBN-13: 978-3958131408
ASIN: B07DPTKNS3
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Hass im Fadenkreuz
Autor: Tatjana Flade
Verlag: edition oberkassel (5. Juli 2018)
Genre: Romantischer Thriller
ISBN-10: 3958131409
ISBN-13: 978-3958131408
ASIN: B07DPTKNS3
Seitenzahl: 300 Seiten
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
12€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: "Herz im Fadenkreuz)


Inhalt:

Nachdem die illegale Anti-Terroreinheit IFFAR aufgeflogen ist, ist Scharfschütze Lysander (Lys) in Kambodscha untergetaucht. In Berlin schwimmt ein rechtspopulistischer Parteichef auf einer Erfolgswelle und bereitet sich auf die nächsten Wahlen vor. Deshalb beschließen die ehemaligen Auftraggeber der IFFAR, die Einheit zu reaktivieren. Lys erklärt sich zu diesem letzten Auftrag bereit, auch um Esther wiederzusehen. Esther aber gerät ins Visier der rechtsradikalen Terrororganisation »Thule Kämpfer«, weil die sich an Lys und seinen Kameraden rächen wollen …


Bewertung:

Nachdem mich Tatjana Flade schon mit ihrem Fantasy-Roman "Im Zeitschatten von Mondthal" überzeugen konnte und nach dem ersten Teil der Reihe "Herz im Fadenkreuz" noch einige Fragen offen blieben, war es für mich keine Frage, ob ich dieses Buch lesen werde. Und nach spannenden, mitreißenden 300 Seiten, auf denen ich mitgelitten, mich gefreut und ab und zu auch gegruselt habe, kann ich auch für die Fortsetzung der Geschichte meine Leseempfehlung aussprechen.

Das Cover ist ganz im Stil des ersten Bandes gehalten. War bei Teil 1 noch "Pützchens Markt" in Bonn im Fadenkreuz der Waffe zu sehen, zeigt das Gewehr nun auf ein junges Pärchen, das angedeutet im Hintergrund zusehen ist. Der Titel sticht auf dem verschwommenen Hintergrund mit der klaren, weißen Schrift sofort ins Auge und komplettiert die Gestaltung, die schon gleich auf den ersten Blick Spannung weckt.


Erster Satz: "Draußen klapperte es, Schlüssel klirrten und der Riegel schepperte."


Die Fortsetzung beginnt einige Wochen nach dem letzten Teil mit einer kurzen aber aufsehenerregenden Szene aus der Justizvollzugsanstalt Straubing. Mit dem Mord an dem Rechtsterroristen geht die Geschichte um linken und rechten Terror, Gewalt und Gewalteinsatz um Gewalt zu verhindern und das zwischen den Fronten verwirrte Deutschland weiter.
Nachdem vereitelten Anschlag auf den Jahrmarkt in Bonn wurde die illegale Antiterroreinheit IFFAR aufgelöst und Lys musste in Kambodscha untertauchen. Als die Wogen um den IFFAR Skandal sich zu glätten beginnen und der rechtspopulistische Parteichef Daniel Kraußler immer beliebter wird, beschließt der ehemalige Auftraggeber, die Einheit zu reaktivieren. Lys ist das gerade recht, denn er leidet sehr unter der Trennung mit Esther, die in Bonn zurück blieb. Während Lys und Esther versuchen, wie ein normales Paar zusammen zu sein, tritt die rechtsradikale Terrororganisation "Thule Kämpfer" wieder auf den Plan. Denn nach dem vereitelten Anschlag hat der Anführer Voigt noch eine Rechnung mit Lys offen. Und wer wäre da ein geeigneteres Ziel als die unschuldige Esther...


"Der Schmerz, der einem anderen Menschen zugefügt wird, kann mehr wehtun als der eigene."


Die Geschichte wird in kurzen Abschnitten aus verschiedenen Perspektiven an verschiedenen Orten auf der Welt erzählt und springt zwischen den Fronten genauso sehr wie zwischen unseren beiden Hauptpersonen Esther und Lys. Gerade zu Beginn lassen sich die Bedeutungen mancher Handlungsstränge noch nicht ganz nachvollziehen und zusammen mit dem eher gemächlichen Tempo ergibt sich ein eher langsamer Start in die Geschichte. Nachdem dann aber die ersten Ereignisse losgetreten wurden, nimmt der Thriller sowohl zwischenmenschlich, moralisch, politisch als auch handlungsmäßig immer mehr Fahrt auf, bis sie auf ein unvermeidlich scheinendes Ende zusteuert...


"Ich habe Angst", flüsterte sie.
"Du musst keine Angst haben. Es ist alles in Ordnung."
"Das stimmt nicht. Ich habe das Gefühl, dass alles auseinanderbricht. Gestern kam die Nachricht von der Ermordung des Grünen-Politikers. Als ich am Mittwochabend nach Hause gefahren bin, haben zwei Männer Obdachlose in der U-ahn attackiert. Die Demo in Bonn wurde zur Massenschlägerei. Überall ist diese Gewalt, ich halte das nicht mehr aus." (…)
"Und du bist auch ein Teil dieser Gewalt."


Durch die vielen Perspektivwechsel und kurzen Einblicke in das Leben verschiedener Menschen wird langsam immer mehr Spannung aufgebaut, was durch Tatjana Flades schmucklosen aber präzisen Stil unterstützt wird. Dabei bekommen wir immer wieder Appetithäppchen anderer Perspektiven vorgesetzt, haben jedoch einen deutlichen Fokus auf die beiden Hauptpersonen, die abwechselnd als personale Erzähler berichten. Sehr schön finde ich außerdem, dass wir mehr über Lys´ Vergangenheit erfahren und auch Esther sich weiter entwickelt. Auch wenn sie gegen jegliche Art von Terror ist, unterstützt sie die Vorgehensweise der IFFAR in keinster Weise. Sie liebt Lys zwar, erträgt jedoch die ständige Angst um ihn, die Vorstellung, dass er Menschen ermordet und die ganzen Geheimnisse nicht länger. Während ihre Liebe sie in Band 1 noch relativ blind hat werden lassen, traut sie sich hier mehr, Lys die Meinung zu sagen und zeigt dabei eine lobenswerte Haltung, Werte und viel Mut als es hart auf hart kommt.


"Ich halte diesen Hass nicht mehr aus!"


Auch Lys´ Beweggründe kann man als Leser durchaus nachvollziehen. So handelt er, wo der Rechtsstaat gehemmt ist und geht mit Gewalt gegen den Rechtsterror vor - seiner Meinung nach die letzte und einzige Möglichkeit. Doch Esther ist sich ganz und gar nicht sicher, ob Gewalt wirklich eine Lösung sein kann, ob Terror zur Terrorbekämpfung eingesetzt werden darf, wann oder ob überhaupt Morde legitim sein können und ob es nicht sogar notwendig für eine Demokratie ist, dass sie auch Rechtspopulisten aushalten kann, ohne dass das System zusammenbricht. Ihr seht, es kommen eine Menge diskutabler Grundsätze auf und in mitten des politischen Kreuzfeuers steht das junge Paar, das unter dem ständigen Schweigen, den Geheimnissen, der Ungewissheit und den unterschiedlichen Wertvorstellungen zu leiden hat.


"Manche Dinge müssen getan werden, ob sie uns gefallen oder nicht", flüsterte er. Sie wollte seine Umarmung abschütteln und gleichzeitig wollte sie, dass er sie noch fester hielt. Angst, Wut und Hilflosigkeit vermischten sich und brachen wie eine Welle über sie herein."


Allgemein hat für mich die unheimliche Aktualität des Themas die Anziehungskraft der Geschichte ausgemacht. Mit Terroranschlägen, der Bedrohung durch Rechtsradikale, Problem-Parteien und viel Misstrauen und Gewalt gegen alles, was anders ist als die Norm, ist die Zukunft, die die Autorin wohl gesehen hat, als sie das Buch schrieb, doch sehr nahe gerückt. Es ist wirklich traurig, wie man immer wieder allzu bekannte Situationen wiedererkennen muss, Gedankengänge und Handlungen präsentiert bekommt, die von der Realität nicht weit entfernt liegen. Und so hat es mich noch viel mehr berührt und betroffen zurück gelassen, wenn Lys und seine Freunde einen Parteitag der rechtsradikalen "Partei für ein sauberes Bayern" in Blut und Asche aufgehen lassen oder planen, den Parteichef und Spitzenkandidat der "Deutsche Partei für Recht und Freiheit" zu ermorden. Denn insgeheim werden sich viele Leser dabei erwischen, die Taten der IFFAR nicht ganz so abwegig zu finden, wie man das eigentlich sollte. Insgesamt wird also die Frage aufgeworfen, wie wir alle mit der wachsenden rechten Gesinnung und Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung umgehen sollen. Natürlich hat die Geschichte darauf keine Antwort, aber durch dieses nur wenig überspitze Szenario wird uns klargemacht, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Den Rest müssen wir wohl selbst herausfinden... Und wer darauf keine Lust hat - es gibt wahrscheinlich auch noch eine weitere Fortsetzung!


"Warum laufen Kraußler und seiner Partei so viele Leute nach?" "Weil er einfache Rezepte und schnelle Lösungen verspricht." (…) "Die Leute nehmen die Gefahr nicht ernst genug und dann ist es zu spät!"




Fazit:


Ein hochaktueller Thriller über ein junges Paar zwischen Gewalt, Hass und Terror. Spannend, nachdenklich, provokant!

Veröffentlicht am 15.07.2018

Von brutaler Düsternis und süßen Träumen: "Wir waren tot, aber jetzt stehen wir wieder auf!"

Ein Schatz aus Papier und Magie (Das Buch von Kelanna 2)
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Allgemeines:

Titel: Ein Schatz aus Papier und Magie
Autor: Traci Chee
Genre: Fantasy
Verlag: Carlsen (28. Juni 2018)
ASIN: B077PWZBS4
ISBN-10: 3551583552
ISBN-13: 978-3551583550
Originaltitel: The Speaker
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Ein Schatz aus Papier und Magie
Autor: Traci Chee
Genre: Fantasy
Verlag: Carlsen (28. Juni 2018)
ASIN: B077PWZBS4
ISBN-10: 3551583552
ISBN-13: 978-3551583550
Originaltitel: The Speaker
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
18,99€ (Gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: "Ein Meer aus Tinte und Gold";
"Die Schlacht um Wörter und Blut"



Inhalt:


"Meine Liebe ist für neugierige Blicke unsichtbare. Doch das Herz wird sie immer finden."

Nach der schmerzhaften Begegnung mit der Wache flüchten Sefia und Archer sich in den Schutz der Wälder. Doch vor den qualvollen Bildern der Vergangenheit gibt es kein Entkommen. Um diese zu vertreiben, beschließen sie, die Organisation der Impressoren zu zerschlagen und die gefangenen Jungen zu befreien. Doch jeder Kampf macht Archer mehr und mehr zu dem unerbittlichen Krieger, der er früher war. Sefia will ihm beistehen und sucht in ihrem Buch nach Antworten. Denn Archers Schicksal stellt nicht nur ihre Freundschaft auf die Probe – auch die Sicherheit Kelannas steht auf dem Spiel.


Bewertung:


Schon nach dem ersten Teil der Trilogie um das Buch von Kelanna "Ein Meer aus Tinte und Gold" war ich hin und weg von diesem wundervollen Märchen für Erwachsene, das in eine wundervoll schreckliche Welt aus Wasser, Schiffen und Magie entführt. Doch spätestens nach diesem grandiosen Mittelteil, der ästhetische Gestaltung, herzzerreißende Gefühle und brutale Action zu einer unvergesslichen Geschichte vereint, bin ich ein absoluter Fan von Traci Chee.


"Dass du dir eine bessere Welt wünschst, macht dich nicht zu einem schwachen Menschen.
Es macht dich zu einem Menschen, den die Welt braucht."


Ganz besonders hervorheben will ich zu Beginn wieder die Gestaltung, die ein einziger Traum in Silber ist und zusammen mit dem ersten Cover zu den schönsten aber vor allem zu den passendsten Gestaltungen ist, die ich jemals gesehen habe. Ganz im Zentrum des Bildes steht wieder das alte Buch mit den vergilbten Seiten, aus dessen Tiefen eine Burg zuwachsen scheint, auf welche ein Mädchen mit wehenden Kleidern zu reitet - das Mädchen als Leserin oder als Gelesene, als Teil der Geschichte, die kein Anfang und kein Ende hat. Der Titel umrahmt dieses Bild wieder in schwarzen Schnörkeln und komplettiert die Gestaltung, die super zu Band 1 passt. Im Gegensatz zu der warmen, lebendigen Ausstrahlung von Band 1 verströmt das Silber eine kältere, klinischere Faszination, die angesichts der heftigeren Handlung und brutaleren Atmosphäre definitiv gerechtfertigt ist. Besonders gut gefallen hat mir aber auch wieder die Gestaltung innerhalb der Buchdeckel. Dort erwarten unser prüfendes Leserauge jede Menge liebevoll gestaltete Überraschungen wie zum Beispiel wieder eine geheime Botschaft, die zwischen den Zeilen versteckt an uns gerichtet ist:


"Dies ist ein Wort und ein Zauberspruch
- ein festes Versprechen oder ein Vertrauensbruch.
Hältst du die Macht der Worte in den Händen,
kannst du deinen Namen zum Guten wenden.
Bist du Held oder Schurke?
Spitzel oder Retter?
Manche Titel sind Lüge.
Andere sind Netter.
Jetzt hast du Sprache, kannst dein Wesen bestimmen,
doch für die Erwählten gibt es kein Entrinnen"


Von einer herausnehmbaren Klappkarte von Kelanna, über eine kleine, handgeschriebene Notiz, den Plan der Wache für den Roten Krieg, kurzen Briefen, geheimnisvolle Zeichen, vergilbt erscheinende, hervorgehobene Auszüge aus dem Buch, verschiedene Schriftarten bis zu versteckten Botschaften ist alles dabei um unser Gehirn auf Trab zu halten und unser Leserherz zu erfreuen! So werden wir auf ungewohnt aktive Weise mit in das Geschehen mit einbezogen und werden Teil dieser Geschichte, sowie Sefia Teil der ihrseits gelesenen Geschichte wird. Die Autorin spielt hier mit dem Grundgedanken einer Geschichte, eines Buches, wirft die philosophische Frage in den Raum, ob wir bloß Teil einer Geschichte sind, die andere lesen und schafft gleichzeitig eine Hymne an das Lesen an sich. Ganz große Klasse!


Erster Satz: "Archer träumte schon wieder, und in seinen Träumen hatte er keinen Namen."


Die Geschichte um die Bedeutung von Geschichten beginnt mit einem kurzen Prolog aus Archers Traumperspektive. Schon in den ersten Sätzen bekommen wir auf eindrucksvolle Art und Weise geschildet, dass Sefia und Archer zwar der Wache mit dem Buch entkommen konnten, jedoch für immer auf der Flucht sein werden. Auf der Flucht vor den Häschern der Wache aber vor allem auf der Flucht vor der Schuld, der Vergangenheit, der Gewalt, die beide immer wieder einholen. Als sie schließlich auf eine Gruppe Impressoren treffen, die einige Jungen gefangen halten, beschließen die beiden, dass sie nicht länger passiv auf der Flucht sein können und befreien die Jungen. Schnell muss Sefia jedoch feststellen, dass die Jungen, die dasselbe Trauma wie Archer erlitten haben, von ihren Erfahrungen und ihrer Wut vereint zu einer Einheit zusammenwachsen, deren innerster Kern zwar Verständnis und Respekt aber vor allem auch eines ist: Blutdurst! Getrieben vom Verlangen nach Rache ziehen die Blutritzer - wie sie sich bald nennen - in den Kampf um alle Impressoren ganz Deliennes zu vernichten. Doch während sie ihrem Ziel immer näher kommen, entfernen sich die beiden treuen Begleiter immer mehr voneinander und gleichzeitig rückt auch die schlussendliche Entscheidung näher, welche Rolle Sefia und Archer im roten Krieg spielen wollen. Denn wenn Archer der Junge aus der Prophezeiung wäre, stünde sein Schicksal schon fest. Bald muss sie sich entscheiden, was sie alles dafür aufgeben würde, um das Schicksal zu ändern, denn Sefia steht ein Schatz auf der Seite: ein machtvoller Schatz aus Papier und Magie....


"Meine Familie hat damit angefangen", sagte sie. "Ich werde dir helfen, es zu beenden." Er strich über seine Narbe. Unter den Fingerspitzen spürte er, wie sein Blut bei der Aussicht auf künftige Kämpfe pochte. "Aber wenn wir Impressoren erledigen", warnte sie, "wir Tanin davon Wind bekommen und dann macht sie Jagd auf uns." Archer nickte und verzog den Mund zu einem Lächeln. "Soll sie doch. Wir veranstalten unsere eigene Jagd!"


Nachdem Band 1 recht gemächlich und unbestimmt in die Geschichte startete und noch viele Fragezeichen im Raum schwebten, ist diese Handlung deutlich zielgerichteter. Trotzdem wird hier ein für einen Fantasy-Roman sehr langsames aber wunderbar flüssiges und intensives Tempo eingehalten. Ganz besonders schön fand ich wieder die verschiedenen Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten spielen, sich aber nach und nach alle zu einem Gesamtbild verflechten. Immer wieder erfahren wir hier mehr über die Geschichte Keleannas, die Pläne der Wache, die wahre Rolle Sefias Eltern und die Vergangenheit Archers. Mit jeder neuen Wendung, mit jedem neuen Schritt in eine andere Richtung, mit jeder neuen Enthüllung, mit jedem Kapitel wird dieses Buch um ein wundervolles Detail reicher und die Handlung um einen Hauch komplexer. Man kann vielleicht kritisieren, dass in diesem Buch ein bisschen viel Hin- und Her die Handlung beherrscht, doch gerade diese chronische Unentschlossenheit, die rastlose Suche nach dem richtigen Weg und das sich Entfernen und wieder Aufeinander zugehen der Protagonisten macht das Feinfühlige der Geschichte aus. Durch den geschickt verschlungenen Aufbau der Geschichte und dem tollen Setting, das abwechslungsreich und wunderbar detailreich ausgearbeitet ist, wird die Geschichte zu einem kleinen Gesamtkunstwerk!


"Das Meer war ein prachtvolles, stürmisches Wesen, blauer als der Himmel, mit silbernen Wellenkämmen und Flügeln aus Gischt und Nebel. Seine Stimmen waren weiße Vögel mit schwarz gefleckten Flügeln und das tiefe Dröhnen von Wasser gegen Fels."


Vor allem zeichnet diese Reihe jedoch die hinreißende Atmosphäre aus, die unter anderem durch den besonderen Schreibstil von Traci Chee generiert wird. Die bildgewaltige Sprache schafft es, die schöne Vielseitigkeit Kelannas und ihrer Bewohner in Worte zu bannen, sie mit Vergleichen greifbar zu machen und sie mit ergreifenden Metaphern direkt in unserem Herzen zu verankern. Dabei kreiert sie einen eigentlich abstrusen Mix aus brutaler Düsternis und süßen Träumen. Noch nie habe ich eine Geschichte gelesen, in der düstere Gedanken so dicht neben zärtlicher, verborgener Liebe liegen, in der neben der brutalen Welt noch so viel Platz für sehnsuchtsvoller Melancholie ist, in der auf der einen Seite spannende Abenteuer locken während ein Wort weiter schon der tiefe Abgrund wartet. Trotz dass diese Teil handlungsintensiver, blutiger und epischer ist, beschert er uns dennoch einen zarten, vorsichtigen Blick auf die Charaktere und enthüllt mit einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen die Abgründe der menschlichen Seele.


"Als sie ihn fand war er ein Nichts gewesen - kein Mensch und kaum ein Tier. Er hatte sich neu erschaffen müssen, um Archer zu werden: der Junge ohne Vergangenheit und mit einer strahlenden Zukunft an der Seite seiner Retterin. Aber jetzt, da ihm wieder einfiel, was er alles getan hatte, konnte er nicht einfach Archer sein. Oder das namenlose Tier aus seinen Erinnerungen. Oder der Junge, der er vorher gewesen war. Ganz gleich, wer er jetzt war, er wusste, dass er sie nicht verdient hatte."


Durch den teils auktorialen Erzähler und teils personalen Erzähler bekommen wir die Möglichkeit, unsere lesenden Blicke über alle Zeiten, über alle Königreiche Kelannas und in etliche Köpfe schweifen zu lassen und gleichzeitig globale, lokale, zwischenmenschliche und innerpersonelle Entwicklungen im Auge zu behalten.

Sefia ist immer noch die Hauptprotagonistin und mit ihrer verständnisvollen, mutigen, herzlichen, sensiblen, selbst bestimmten, gewitzten Art einfach liebenswert. Hier macht sie jedoch eine leise, zaghafte Entwicklung durch, die sie auf eine ganz neue Betrachtungsebene hebt. War sie zuvor von ihrem Durst nach Rache für den Tod ihrer Eltern und der Entführung ihrer Tante getrieben, leidet sie nach der Begegnung mit der Wache unter der Wahrheit, dass ihre eigenen Eltern Schuld am Leid sind, dass Archer und so vielen anderen widerfahren war. Als ihre Tochter nimmt sie einen Teil der Schuld auf sich und will als Ausgleich verstehen, wieder gut machen und vor allem: Archer beschützen, egal was auf dem Spiel steht.


"Wer bist du dann?"
Er strich ihr über die Innenseite des Handgelenks. "Ich... ich weiß nicht. Manchmal bin ich einer von ihnen." Er machte eine Kopfbewegung zum Lager, wo Frey und die Jungs immer noch feierten. "Ich habe eine Mission, ein Ziel. Aber dann wieder... bin ich der Killer, den du im Dschungel gefunden hast, der ohne Namen, und ich will etwas kaputt machen, zerstören... aber so will ich nicht mehr sein." Jede Stelle, die er berührte, kribbelte vor Wärme, und als er das Gesicht zu ihr neigte, war Sefia von dem Schwung seines Kinns und seiner Lippen gebannt. (…)
"Wer möchtest du dann sein?", flüsterte sie. Sanft fuhr er ihr über die Wange.
"Ich will gut sein. Ich will ganz sein. Ich will der Junge sein, den du verdienst!"


Doch da dieser mit seiner Bestimmung kämpft und immer mehr zu dem Menschen wird, der er nie sein wollte, stellt sich das als schwieriger heraus, als gedacht. Nachdem der junge Mann von seiner Familie weggerissen, zum Kämpfen ausgebildet und zum Töten gezwungen wurde, hat es eine ganze Weile und viel Unterstützung durch Sefia benötigt, um wieder den Menschen in sich zu entdecken. Doch immer noch ist da dieser geschlagene, gebrochene Teil in ihm, der nach Blut schreit. Und als er das Echo dieses Bedürfnisses in den Gesichtern der befreiten Jungen sieht, wächst in ihm immer mehr der Drang zu kämpfen an und es stellt sich die Frage, ob er nicht ungewollt in die Hände der Wache spielt, wenn er dem unerbittlichen Krieger, den die Prophezeiung vorsieht, immer ähnlicher wird.


"Bei den schwierigen Fragen gibt es kein Richtig. Da gibt es nur das,
womit du am besten leben kannst."


Ein wunderbarer Seitenstrang der Handlung sind wieder die Abenteuer von Käpt´n Lees auf seinem Schiff, die "Strömung der Zuversicht". Schon im ersten Teil habe ich den geheimnisvollen Käpt´n genau wie seine Crew, dem starken Zimmermann Ross, dem blinden und doch nicht orientierungslosen Ersten Steuermann, dem mutigen Lind, der geschickten Doc, dem missmutigen Jigo, dem begabten Cooky, der jungen Vorsängerin Jules mit der wunderschönen Stimme und vielen weiteren besonderen Persönlichkeiten, ins Herz geschlossen. Doch während Käpt´n Lees in Band 1 mit wahnwitzigen Abenteuern versucht hat, auf Teufel komm raus in den Köpfen der Menschen als Erinnerung zu überleben und somit unsterblich zu sein, bewegt ein Einwand seiner ersten Vorsängerin ihn zum Umdenken: Ist er ein Mensch, der es würdig ist, sich an ihn zu erinnern? Um sicherzugehen, dass er sich seinen Platz in der Geschichte auch wirklich verdient hat, beginnt er die Gesetzlosen um sich zu vereinen um dem Krieg ein für alle mal ein Ende zu setzen...


"Das wird eine Herausforderung", sagte Dimarion.
"O ja."
"Mühsam."
"Ja."
"Und unbedeutend."
"Ja."
Dimarion bohrte seinen Stock in den Sand. "Ich kenne dich lange genug, Käpt´n. Du machst keine unbedeutenden Sachen. Sie sichern dir nicht deinen Platz in der Geschichte."
"Ich weiß" (…) "Aber sie machen dich zu einem Menschen, der einen Platz in der Geschichte verdient hat!"


Nebenbei verfolgen wir auch wieder Tanin, deren Geschichte und Beweggründe genau wie der genaue Hintergrund der Machenschaften der Wache genauer durchleuchtet werden. Und während sie in Band 1 klar als Antagonistin gesehen werden konnte, wird die Ambivalenz hier immer größer und dem Leser fällt es immer schwerer, sie für ihre Taten zu verurteilen. Sehr bereichert hat die Geschichte auch die vielen neuen Charaktere, die durch die Blutritzer ihren Teil in der Handlung finden. Der Anführer Kaito, die willensstarke Frey, die Brüder Versil und Aljan, alle haben sie einen Platz in meinem Herz gefunden!


"Wir waren tot, aber jetzt stehen wir wieder auf. Was geschrieben steht, trifft immer ein!"


Ein ganz neuer Handlungsstrang, der mich sehr gefreut und auch sehr berührt hat ist die Geschichte um den König von Delienne: letzter der Linie Corabelli - Eduoar, der einsame König. Als König steht er dem Plan der Wache im Weg und muss deshalb aus dem Verkehr gezogen werden. Darauf ist der galante Diener, sein bester Freund Arcadimon angesetzt. Doch in ihm kämpfen schon zu lange widersprüchliche Gefühle, zu große Zweifel, als dass er den Mann ermorden könnte, der gleichzeitig sein größtes Glück und sein schlimmstes Verderben ist....


"Kälte ergriff Arcadimons Herz. (…)
Nein.
Nein.
Nein. (…)
"Dir gehört die Liebe eines Corabellis", flüsterte Ed. "Für uns sind Liebe und Tod eins."


Insgesamt streben alle Handlungsstränge auf die Frage nach dem Schicksal und ob man es abwenden kann zu. Inwiefern unsere liebgewonnenen Protagonisten ihrer Bestimmung entgehen und zu einem guten Ende finden können, werden wir aber leider erst in Band 3 erfahren, welcher am 25. April 2019 erscheinen wird. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt!



Fazit:

Die Frage nach dem Schicksal kann dieses wundervolle Märchen für Erwachsene zwar nicht beantworten, dennoch verzaubert es durch seine brutale Düsternis und süßen Träumen. Auf der einen Seite handlungsintensiver, blutiger und epischer, enthüllt es auf der anderen mit einfühlsamen Gefühlsbeschreibungen die Abgründe der menschlichen Seele.