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Veröffentlicht am 23.04.2020

Wertschätzung: Gottfried Böhms Bauten im Bergischen

Gottfried Böhm in Bergisch Gladbach
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Immer wenn Jubiläen dräuen, steigt die Zahl der einschlägigen Publikationen. Das eklatanteste Beispiel der letzten Jahre ist das Bauhaus-Jubiläum 2019, das eine schier atemberaubende Bugwelle sinnvoller ...

Immer wenn Jubiläen dräuen, steigt die Zahl der einschlägigen Publikationen. Das eklatanteste Beispiel der letzten Jahre ist das Bauhaus-Jubiläum 2019, das eine schier atemberaubende Bugwelle sinnvoller und weniger sinnvoller Bücher zur Geschichte und Wirkung der Kunst- und Architekturschulen in Weimar, Dessau und Berlin vor sich hergeschoben hat. Auch zum 100. Geburtstag des Pritzker-Preisträgers Gottfried Böhm hätte man eine solche Buchflut erwarten dürfen. Doch bisher tut sich auf dem Markt nur wenig. Neben den vielen Veranstaltungen der Kölner Initiative „Böhm100“, die derzeit epidemiebedingt auf Eis liegen, ist es lediglich die aktuelle Ausgabe 2_2020 architekturzeitschrift „der architekt“, die sich in größerem Umfang des Jubeljahrs des Kölner Architekten angenommen hat.Einer der Autoren dieser Zeitschriftenausgabe hat sich schon vorher ausführlich mit dem Werk Böhms im Bergischen Land beschäftigt.

Das Buch des Architekten Stefan Knecht zu Gottfried Böhms Bauten in Bergisch-Gladbach ist zwar schon 2018 erschienen, aber noch wenig im Umlauf. Es ist ein anregender Hybrid, der einerseits einen wichtigen Ausschnitt aus dem Werklauf Gottfried Böhms wie eine Monographie behandelt, andererseits als umfangreicher Architekturführer fungieren kann. Der regionale Ausschnitt, den der Autor für seine essayistischen Einlassungen, Beschreibungen und Analysen gewählt hat, entspringt keineswegs einer provinziellen Auswahl, sondern es widmet sich einem veritablen regionalen Arbeitsschwerpunkt Gottfrieds Böhms: Der Kölner hat von Beginn seiner Tätigkeit im eigenen Büro in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, als er mit der Planung der Herz-Jesu-Kirche in Schildgen begann, bis zum Bau des Bürgerhauses „Bergischer Löwe“ in Bergisch-Gladbach 1977-1980 immer wieder in der Region gearbeitet und dabei einige Hauptwerke hinterlassen. Dazu gehören neben Schildgen und dem Bergischen Löwen das Kinder- und Jugenddorf Bethanien in Refrath (1963-1967) und das Rathaus in Bensberg (1962-1971), das ein bis heute beindruckendes Beispiel für Böhms Kunst im Umgang mit historischem Baubestand ist. Neben diesen Bauten behandelt Knecht auch nicht ausgeführte Projekte Böhms, die insbesondere das Stadtzentrum von Bensberg betrafen.

Stefan Knechts Abhandlung hat den Vorteil der Systematik. Der Autor stellt bei jedem der behandelten Projekte die topographische Lage dar, erörtert äußerst kenntnis- und detailreich die Planungsgeschichte und schildert schließlich in treffenden Beschreibungen die Ausführung des jeweiligen Gebäudes. Beim rein Deskriptiven bleibt es jedoch nicht: Knecht fügt seinen Ausführungen stets ein Kapitel hinzu, in dem er eine Deutung der Bauten unternimmt. Dazu gehört neben der eigenen Interpretation des Autors meist auch ein Blick in die Rezeptionsgeschichte, die diese Abschnitte besonders interessant erscheinen lässt: Denn aus der unterschiedlichen Wahrnehmung und Interpretation der Bauten Gottfried Böhms damals und heute erklärt sich ein nicht geringer Teil ihrer architekturhistorischen Bedeutung.

Ein besonderes Wort sei noch zur Ausstattung des Buchs gesagt: Stefan Knecht hat nicht nur den Text und dessen Layout vollständig selbst bearbeitet. Jedes Bauwerk ist mit zahlreichen Fotografien, mit Schwarzplänen, meist doppelseitig aufklappbaren Grundrissen, Axonometrien, Ansichten und Funktionsdiagrammen dokumentiert. Alle Fotos, Pläne und Zeichnungen hat der Autor selbst angefertigt: Schon diese liebevolle Zuwendung zu den Objekten rechtfertigt den Erwerb dieses Bandes. Ihre hohe Wertschätzung in Stefan Knechts Buch entspricht der überregionalen architekturhistorischen Bedeutung, die sie haben.
ade

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