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Veröffentlicht am 05.08.2024

Wenn das Opfer den Spieß umdreht ...

Ein Mann zum Vergraben
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Als Sally ihren Ehemann im Lockdown mit einer gusseisernen Pfanne erschlägt, handelt es sich um ein Versehen. Nach dieser Art Unfall die Polizei zu rufen wäre der nächste logische Schritt. Den Sally allerdings ...

Als Sally ihren Ehemann im Lockdown mit einer gusseisernen Pfanne erschlägt, handelt es sich um ein Versehen. Nach dieser Art Unfall die Polizei zu rufen wäre der nächste logische Schritt. Den Sally allerdings verschiebt und sich lieber erst einmal ein Stück Kuchen und ein Schaumbad gönnt. Auch Ruth, Samira und Janey finden keinen anderen Ausweg als ihre tyrannischen Ehemänner zu entsorgen und so gründen die vier Frauen als Club der heimlichen Witwen eine Selbsthilfegruppe. Mit viel schwarzem Humor geht die Autorin hier ein sehr ernstes und leider allgegenwärtiges Thema an.
Am Cover die Zeichnung einer Frau mit Spaten im Garten; ihr Gesicht sieht man nur teilweise, es könnte sich also um jede beliebige Frau handeln. Oder aber um eine der vier Protagonistinnen, die einen letzten Ort für den beseitigten Ehemann sucht. Die Kapitel sind kurz und der lebhafte Schreibstil passt sehr gut zu dieser schwarzhumorigen Komödie. Die verschiedenen Blickwinkel bringen einem der Hintergründe der Familien näher. Der Einfallsreichtum, aber vor allem der Zusammenhalt der vier Frauen ist großartig dargestellt.
Das Buch regt zum Lachen an, aber auch zum Nachdenken. Denn das Lachen kann einem schon im Halse stecken bleiben, wenn man sich die Realität vor Augen hält. Femizide mögen in der Statistik als schreckliche Realitäten erfasst sein – befasst man sich aber mit jeder einzelnen Frau, jedem einzelnen Mädchen, das der Gewalt eines Mannes zum Opfer fiel, dann sieht die Sache ganz anders aus; greifbarer, näher.
Egal aus welchem Kulturkreis die Betroffenen stammen, häusliche und familiäre Gewalt, Misshandlungen, Ehrenmorde, Zwangsheiraten, sind auch in unserer Gesellschaft leider fast schon in den Alltag integriert. Es sind daher auch vor allem moralische Fragen, die immer wieder durch den Text herauskommen. Im Nachwort gibt es noch einige interessante Informationen zum Thema häusliche Gewalt und Femizide.
Casales Idee, diesen ernsten Hintergrund in eine humorige, schwarze Komödie einzubauen, ist ein ungewöhnlicher Weg, gerade auch wenn sie die Geschichte im Lockdown ansiedelt, in dem die Gewalttaten ja sogar zunahmen. Aber ihr Buch ist auch eine Art, die Aufmerksamkeit einer breiteren Bevölkerungsschicht auf das ernste Thema zu lenken. Und nähere Beschäftigung täte uns allen gut. So wie sich die vier Protagonistinnen finden und ihre Probleme erkennen, sollten auch Unbeteiligte öfter die Augen offen halten und genauer hinschauen, wenn sie in der Umgebung Ungewöhnliches abspielt. Und damit meine ich nicht, das Entdecken getöteter ungeliebter Partner, sondern die Meldung an eine zuständige Stelle, bevor es zum Schlimmsten kommt. Denn dieses Buch macht nicht zuletzt auch Hoffnung.

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Veröffentlicht am 01.08.2024

Der Autor als Mörder?

Mord stand nicht im Drehbuch
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Anthony Horowitz möchte nicht mehr mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne zusammenarbeiten, sondern sich ganz auf sein neues Theaterstück Mindgame konzentrieren. Der Premiere folgt aber eine vernichtende ...

Anthony Horowitz möchte nicht mehr mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne zusammenarbeiten, sondern sich ganz auf sein neues Theaterstück Mindgame konzentrieren. Der Premiere folgt aber eine vernichtende Besprechung über das Skript in der Sunday Times. Als am nächsten Morgen die Kritikerin ermordet aufgefunden wird, verhaftet man den Autor – befinden sich doch auch seine Fingerabdrücke am Schmuckdolch, der als Tatwaffe gilt. Jetzt kann wohl doch nur mehr Hawthorne helfen ...
Die Themse im Nebel unter einem Brückenbogen. Kein einladendes Setting, aber sehr passend als Cover für diesen Krimi. Uwe Teschner gelingt es in dieser Geschichte nicht zu ersten Mal mit perfekter Intonation den Text dem Leser nicht nur näherzubringen, sondern eine Spannung aufzubauen, die einen im Grunde dazu bringen möchte, sich das gesamte Hörbuch von Anfang bis Ende in einem Zug anzuhören.
Dabei geht der Einstieg ganz langsam vor sich. Es werden Theaterstücke erklärt, die Darsteller genau vorgestellt, es wird insgesamt sehr viel Wert auf den Hintergrund gelegt. Dass jedes Detail davon allerdings im Nachhinein recht wichtig wird, kann man nur erahnen, wenn es nicht die erste Begegnung mit Horowitz ist. Die Kapitel sind kurz und mit aussagekräftigen Überschriften betitelt.
Die Charaktere sind realistisch gezeichnet und auch ihre Handlungen sind sehr nachvollziehbar. Obwohl durch Tatwaffe und Fingerabdrücke der Täter von Anfang an festzustehen scheint, bedarf es doch einiger Nachforschungen, auch in die Vergangenheit etlicher am Theaterstück Beteiligter, bis der wahre Täter entlarvt wird.
Die anderen Teile dieser Reihe kenne ich noch nicht, konnte mich aber – auch durch die eingebauten Rückblenden – gut in der Geschichte zurechtfinden. Ein Zuhören ohne Kenntnis der anderen Bücher ist also sehr gut möglich, und tut der Spannung dieses Falls überhaupt keinen Abbruch.
Gerade als Hörbuch eine spannende – und an etlichen Stellen wider Erwarten doch entspannende – Geschichte. Vor allem auch durch die hervorragend eingesetzte Stimme von Uwe Teschner.

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Veröffentlicht am 25.07.2024

Zara auf der Suche

Der Doppel-Schreier
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Zara erfährt zufällig, dass ihr Vater Reinhard 1985 gar nicht bei einem Motoradunfall in Indien gestorben ist. Gleich einer Schnitzeljagd führt die Spur 2008 von Pisa und Berlin zunächst nach Damaskus, ...

Zara erfährt zufällig, dass ihr Vater Reinhard 1985 gar nicht bei einem Motoradunfall in Indien gestorben ist. Gleich einer Schnitzeljagd führt die Spur 2008 von Pisa und Berlin zunächst nach Damaskus, wo sich der Kriegsreporter aufhalten soll, und weiter nach Aleppo und Beirut. Im Nahen Osten trifft Zara immer wieder auf hilfreiche Menschen, mit denen sie in die Sprache und Kultur eintaucht. Gleichzeitig stellt sie sich Gerüchten und Halbwahrheiten über die Vergangenheit ihres Vaters: War er Kriegsreporter oder sogar in bewaffnete Konflikte verstrickt?
Der „Der Doppel-Schreier“ behandelt vielfältige Themen wie Liebe, Freundschaft und Familie, aber auch Generationskonflikte, kulturelle Missverständnisse, ideologische Blendungen und deren Folgen.
Der Titel des Buches wiederholt sich im Cover, auf dem das gleichnamige Bild von Paul Klee abgebildet ist, und dessen Thema – auch im übertragenen Sinn - sich durch das gesamte Buch zieht. Die Roadstory besteht aus vier Teilen, an deren Anfang immer ein Bild oder der Ausschnitt einer Landkarte bei der Orientierung hilft. Der Schreibstil ist bildhaft und voller Leben; man meint sogar die Hitze und die Gerüche der labyrinthischen Altstädte Syriens beim Lesen selbst zu spüren.
Auch Zara und die anderen Charaktere sind sehr lebensecht gezeichnet und es fällt meist leicht, ihr Verhalten zu verstehen und ihr Tun nachzuvollziehen. Doch es sind nicht nur diese intensiven Beschreibungen, die das Buch so faszinierend machen. Zaras Reise besteht auch nicht nur aus einer tatsächlichen Bewegung von A nach B. Es geht vor allem auch um die Erarbeitung von politischen Konstellationen und Konflikten des Nahen Ostens, auch um die kulturellen Unterschiede und Besonderheiten, sowie um die Kunst des Orients; eigentlich allgemein um die Konfrontation mit anderen Kulturen und die verschiedenen Wertvorstellungen, darunter auch um die Stellung der Frau. Die Autorin wirft immer wieder auch philosophische Fragen auf, die Zara in den Gesprächen mit ihren Freunden vertieft, deren Beantwortung aber großteils bei den Lesern und ihren Gedanken darüber bleiben. Das Buch ist daher sicher keine Lektüre, die man einfach so nebenher lesen kann - oder überhaupt möchte, denn das Interesse daran entsteht wie von selbst durch eine Art Sogwirkung, die von der Geschichte auszugehen scheint.
Und diese Geschichte verdient es daher, sich als Leser ausgiebig damit zu beschäftigen. Die vielfältigen Themen, die eingestreuten Musiktitel, die man Dank heutiger Technik sehr gut parallel beim Lesen mithören kann, die politischen Gegebenheiten der Gegenwart – oder eigentlich des Jahres 2008, in dem diese Reise erfolgte - deren Wurzeln in den Erinnerungen an Zaras Kindheit erläutert werden und nicht zuletzt Zaras ganz persönliche Geschichte – all diese Aspekte machen den Roman zu einem außergewöhnlichen und absolut lesenswertem Buch, das man sicherlich gerne auch öfter lesen möchte.

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Veröffentlicht am 01.07.2024

Der Hauch eines Lebens

Das erste Licht des Sommers
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Das Buch befasst sich mit dem Thema Familie und Freundschaft dreier Generationen von Frauen. Normas trostlose Beziehung zu ihrer Mutter wird durch die enge Verbundenheit zu ihrer Cousine Donata ausgeglichen. ...

Das Buch befasst sich mit dem Thema Familie und Freundschaft dreier Generationen von Frauen. Normas trostlose Beziehung zu ihrer Mutter wird durch die enge Verbundenheit zu ihrer Cousine Donata ausgeglichen. Nach deren frühen Tod wird Norma von Elia, ihrer großen Liebe aus der Kindheit zunächst aufgefangen. Eine Tochter, die Elia während der Hochzeitsreise mit einer anderen gezeugt hat, verändert Normas Leben aber nochmals.
Das farbenfrohe Cover mit dem Portrait einer Frau erinnert an den ersten Teil dieser Familiengeschichte „An den Ufern von Stellata“. Die Unterteilung in drei Abschnitte ist in Kapitel gegliedert, die jeweils mit Jahreszahlen überschrieben sind. Es gibt zwei Erzählstränge, die sich immer wieder berühren. Einerseits blickt Norma als Ich-Erzählerin im Alter auf Leben zurück, die zweite Schiene berichtet von den Erlebnissen der Familie ab dem Jahr 1947. Wer den ersten Band der Saga kennt, trifft viele Personen daraus auch in diesem Buch wieder. Leider verfügt Normas Geschichte über keinen Stammbaum am Ende, der in „An den Ufern von Stellata“ sehr hilfreich war. Eingestreut finden sich auch einzelne Ausdrücke oder kurze Sätze in lombardischem Dialekt, die im anschließenden Text aufgeschlüsselt werden.
Raimondi konzentriert sich auf Normas Leben, das sich zum Großteil in London abspielt. Immer wieder werden historische Ereignisse, aber auch Filme, Musik oder Kleidung der jeweiligen Zeit angesprochen. Durch die Rückblenden nach Italien und den Einblick ins Leben einer nach Brasilien ausgewanderten Tante entsteht ein länder- und kulturübergreifendes Bild eines halben Jahrhunderts. Wobei einige geschichtliche Aspekte zwar wortreich dargestellt werden, zum Verständnis der Geschichte aber nicht sonderlich beitragen. Im Kern beschäftigt sich die Autorin mit Themen wie Freundschaft und Loyalität, Vertrauen und Treue, familiärem Zusammenhalt und Fehlern in Mutter-Tochter-Beziehungen; aber auch mit dem Umgang mit unserer Erinnerung.
Vom ersten Buch war ich vollkommen begeistert. Die Familiengeschichte war mit so viel Leben erfüllt und obwohl die Ereignisse in einem eher nüchternen Schreibstil wiedergegeben wurden, konnte man sich in die Situationen hineinversetzen und mit den Personen mitfühlen – und die Protagonisten waren greifbar. Im vorliegenden Buch erschien mir der Schreibstil noch etwas distanzierter und an etlichen Stellen wie ein Protokoll, etliche Inhalte wurden nur kurz gestreift. Das kann an meiner persönlichen Sichtweise liegen oder aber auch an der ausgewählten Zeitepoche, die noch zu nahe liegt und man sie daher nicht mit einer gewissen Verklärtheit erzählen und betrachten kann. Oder einfach an der Tatsache, dass es in der Hauptsache um Normas Geschichte geht, die auch von Traurigkeit und Rückschlägen begleitet wird.
Eine schöne Fortsetzung der Familiengeschichte ist es allemal. Und eine detaillierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Frauenbildern und ihrem Platz im Leben.

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Veröffentlicht am 28.06.2024

Unser Trinkwasser als teures Gut

Martensen und das wehrlose Wasser
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Ein toter Politiker verschafft Kommissar Erik Martensen von der Kripo Odense einen kniffligen Fall mit Hinweisen auf die Fynwater Invest. Diese plant skrupellos und profitorientiert eine Pipeline mit ...

Ein toter Politiker verschafft Kommissar Erik Martensen von der Kripo Odense einen kniffligen Fall mit Hinweisen auf die Fynwater Invest. Diese plant skrupellos und profitorientiert eine Pipeline mit kostbarem Trinkwasser von Dänemark nach Berlin und steht mit einer dubiosen Stiftung in Zusammenhang. Die Investoren scheinen unantastbar, doch Martensen durchschaut die Fassade – auch mit Hilfe des schrulligen Kantinenchefs samt Anhang.
Auf den ersten Blick scheint das Cover recht schlicht, mit dem Anblick von bewegtem Wasser. Wie wichtig es aber gerade wegen seiner Selbstverständlichkeit tatsächlich für die Menschen ist, ist, wird einem während der Lektüre schnell klar. Die Faktensammlung am Ende unterstreicht die Wichtigkeit des Themas zusätzlich. Das Buch ist in drei Abschnitte mit aussagekräftigen Überschriften unterteilt und verfügt über kurze, aber intensive Kapitel. Der Schreibstil ist angenehm, weist detaillierte Beschreibungen auf und wird an einigen Stellen durch die in der Muttersprache des Kochs eingestreuten Sätze aufgelockert.
Die Charaktere sind lebensnah gezeichnet und ihre Handlungen sind schlüssig und nachvollziehbar – selbst die der „Bösen“ im Spiel. Während sein Chef eine schnelle Auflösung des Falls fordert, die Investoren als Täter ausschließt, bleibt Martensen seiner Linie treu und folgt seinem Instinkt.
Dem Autor ist hier ein gut recherchierter Krimi mit einem realistischen Ende gelungen. Denn auch im wirklichen Leben werden leider nicht immer alle Beteiligten zur Verantwortung gezogen. Insgesamt also eine Leseempfehlung für ein fesselndes und kurzweiliges Buch, dass wegen seines Themas sehr aktuell ist.

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