Profilbild von bookloving

bookloving

Lesejury Star
offline

bookloving ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bookloving über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.03.2019

Unterhaltsamer, etwas enttäuschender Roman von Noll

Goldschatz
0

INHALT
Fünf junge Leute wollen es der Wegwerfgesellschaft zeigen: Tante Emmas altes Bauernhaus soll nicht abgerissen, sondern in eine alternative Studenten-WG verwandelt werden. Doch für die Renovierung ...

INHALT
Fünf junge Leute wollen es der Wegwerfgesellschaft zeigen: Tante Emmas altes Bauernhaus soll nicht abgerissen, sondern in eine alternative Studenten-WG verwandelt werden. Doch für die Renovierung fehlt das Geld. Da taucht in Emmas Trödel ein Säckchen mit wertvollen Goldmünzen auf. Aber der Schatz holt sie nicht etwa aus der Bredouille. Im Gegenteil, er führt sie mitten hinein und macht sie mit den unschönen Regungen des menschlichen Herzens bekannt.
(Quelle: Diogenes Verlag)
MEINE MEINUNG
„Goldschatz“ ist der neue Roman der sympathischen, mittlerweile über 80jährigen Grande Dame der Literatur Ingrid Noll. Ein Name, der für raffinierte Geschichten, kurzweilige Unterhaltung und vor allem für tiefschwarzen, subtilen Humor steht.
Doch auf vieles, was man sich von einem typischen „Noll“-Roman verspricht, wartet man bei „Goldschatz“ leider vergeblich. Die Geschichte über die jungen Weltverbesserer entwickelt sich trotz einiger Vorkommnisse nicht in Richtung Krimi, sondern bleibt vielmehr ein solider gesellschaftskritischer Roman über unsere Wegwerfgesellschaft und menschlichen Begehrlichkeiten und ist längst nicht so spitzfindig, bitterböse und einfallsreich, wie gewohnt.
Mit ihrer flotten, amüsanten Erzählweise gelingt es der versierten Autorin, uns rasch in ihre Geschichte hinein zu ziehen. Aus der Distanz heraus schauen wir quasi als stille Beobachter der Ich-Erzählerin Trixi und ihrer bunt zusammengewürfelten, alternativen Studenten-WG, die sich einem nachhaltigen Leben und Konsumverzicht verschrieben haben, dabei zu, wie sie sich in ihren Semesterferien mit großem Engagement bemühen, das alte Bauernhaus von Trixis Tante Emma zu entrümpeln und wohnlich zu machen. Nach und nach lernen wir neben den fünf jungen Leuten auch den schrulligen alten Gläser kennen, der mit seinem Schlüssel vom Haus unerwartete Besuche abstattet. Es macht richtig Spaß, sie anfangs bei ihrem ganz normalen Alltag zu begleiten, mit ihnen durch das runtergekommene Bauernhaus zu streifen, ihre gemütlichen Grillabende, ihre Geschäftigkeit bei der Restaurierung von alten Möbeln und ihren Gemeinschaftssinn beim lästigen Küchendienst zu erleben. Geschickt streut Noll in diese vermeintlich heile, aber doch sehr unkomfortable Welt erste unschöne, missgünstige Regungen ein. Durch den mysteriösen Fund des Säckchens mit wertvollen Goldmünzen wandelt sich die offene, freundschaftliche und rücksichtsvolle Atmosphäre in der WG schlagartig und die Konfliktpotentiale beginnen sich zu potenzieren. Sehr anschaulich hat Noll herausgearbeitet, wie die Geldgier selbst die anfänglich noch liebenswerten Hauptfiguren zu absolut unsympathischen, egoistischen Charakteren werden lässt.
Noll gelingt es sehr gut, uns bei den unterschiedlichen Beteiligten den schockierenden, charakterlichen Wandel und den schrittweisen Verlust jeglicher Werte wie Anstand, Gewissen, Aufrichtigkeit oder Rechtsgefühl sehr eindringlich vor Augen zu führen. Erschreckende menschliche Schwächen und unvorstellbare Abgründe tun sich hier auf. Missgunst, Intrigen, Boshaftigkeit, Neid und Egoismus lassen die WG schließlich auf eine unausweichliche Katastrophe zutreiben und das so optimistisch angegangene Projekt „Gegenstrom“ scheitern. Durch Nolls fesselnde Erzählweise und einige interessante Hintergründe zu einem Kapitalverbrechen wird zunächst viel Spannung aufgebaut. Dann entwickelt sich die Geschichte jedoch in eine völlig unerwartete Richtung und die zuvor angelegten Handlungsfäden verlieren sich und werden enttäuschender Weise nicht mehr aufgegriffen. Nach Beendigung des Romans war ich dann doch etwas vom Verlauf und dem Ausklang der Geschichte enttäuscht.

FAZIT
„Goldschatz“ bietet gute Unterhaltung mit feiner Ironie, ist aber mit Sicherheit nicht das beste Buch von Ingrid Noll!
Mir haben bei diesem soliden gesellschaftskritischen Roman Nolls subtiler, schwarzer Humor und das gewisse Etwas gefehlt.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Grado im Auge des Sturms – fesselnd & eindrucksvoll erzählt

Grado im Sturm
0

INHALT
Ein Junge wird Zeuge eines Mordkomplotts. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Während die Polizei um Maddalena Degrassi fieberhaft nach ihm sucht, bricht ein verheerender Wirbelsturm über ...

INHALT
Ein Junge wird Zeuge eines Mordkomplotts. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Während die Polizei um Maddalena Degrassi fieberhaft nach ihm sucht, bricht ein verheerender Wirbelsturm über die Lagunenstadt herein und stürzt den idyllischen Adria-Ort ins Chaos. Eine Leiche und mysteriöse Knochenfunde geben Rätsel auf - und der Angst sind keine Grenzen gesetzt.
(Quelle: Emons Verlag)

MEINE MEINUNG
„Grado im Sturm“ von der Kärnter Erfolgsautorin Andrea Nagele ist erneut ein sehr gelungener, fesselnder Band der Adria-Krimi-Reihe rund um die sympathische Commissaria Maddalena Degrassi.
Angesiedelt ist die Handlung im idyllischen kleinen Lagunenstädtchen Grado an der Nordküste der Adria. Dieser Band lässt sich problemlos ohne Vorkenntnisse lesen, doch macht es natürlich sehr viel mehr Spaß, alte Bekannte aus den Vorgängerbänden wiederzutreffen und ihre Weiterentwicklung mitzuerleben.
Die Autorin als ausgesprochene Grado-Kennerin kann mit einem faszinierenden, äußerst stimmigen Setting überzeugen, das sich perfekt in den Handlungsverlauf einfügt. Sehr stimmungsvoll und lebendig sind die Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze, der landschaftlichen Besonderheiten, der unheilvoll aufgeheizten Atmosphäre und der drohend aufziehenden, zerstörerischen Naturgewalten.
Trotz des auf den ersten Blick wenig spektakulären Falls rund um das mysteriöse Verschwinden des jungen Emmanuele ist Andrea Nagele ein spannender, sehr vielschichtiger und clever konstruierter Krimi gelungen, der mit viel psychologischem Feingefühl erzählt wird. Nicht die eigentliche Ermittlungsarbeit steht bei diesem Krimi im Mittelpunkt sondern die Psychodynamik der handelnden Figuren. Geschickt hat Andrea Nagele die unterschiedlichen Einzelschicksale, die wir in den verschiedenen Handlungssträngen nach und nach kennen lernen miteinander verwoben. Sehr differenziert und lebensnah sind die Charaktere mit ihren Eigenheiten und Fehlern ausgearbeitet. So erleben wir das deutsche Ehepaar mit ihren beiden Kindern beim Urlaub an der Lagune, die Geschwistern Loredana und Alfonso in der geerbten Villa ihrer Tante Dolores, Christopher Schumann mit seinem alten Schulfreund Johannes Schröder auf einem Kurztrip, die Krankenschwester Beatrice mit ihrer bedrückenden Vergangenheit oder den Wetterexperten Giuseppe, der für die Region einen gewaltigen Sturm vorhersagt, der aber von niemandem ernst genommen wird. Im Laufe der Handlung kommen bei allen Figuren zunehmend Gereiztheiten, Unstimmigkeiten, Streitereien und Gehässigkeiten auf, denn alle haben mit der ungewöhnlichen Hitze und drückenden Schwüle zu kämpfen. Gekonnt lässt die Autorin die unterschwelligen Spannungen in den Beziehungen immer offener zutage treten und uns in wahre menschliche Abgründe blicken. Die vielen verschiedenen Figuren, ihre Befindlichkeiten und Geheimnisse sorgen für genug Stoff zum Spekulieren und lassen die Spannung immer weiter ansteigen. Je greifbarer der aufziehende, unheilvolle Sturm wird, desto mehr verdichten sich die Handlungsstränge bis schließlich alle Fäden zusammenlaufen. Zum Ende hin überschlagen sich die Geschehnisse regelrecht, das Unheil erreicht seinen Höhepunkt und endet in einer verheerenden Katastrophe, die für die einzelnen Figuren aber ganz unterschiedlich ausgeht.
Das Buch endet mit der noch ausstehenden Auflösung von Emmanueles Fall. Die noch nicht geklärten Knochenfunde aus der Nebenhandlung lassen auf eine baldige Fortsetzung der Krimi-Reihe, ein Wiedersehen mit der sympathischen Maddalena Degrassi und eine Rückkehr nach Grado hoffen.

FAZIT
Sehr gelungener vierter Band der Adria-Krimi-Reihe - eindrucksvoll und mit einer ausgefeilten, fesselnden Handlung!

Veröffentlicht am 28.03.2019

Gelungener Auftakt zu einer interessanten Fantasy-Serie mit viel Potential

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
1

INHALT
Am liebsten versteckt sie sich hinter ihrer dicken Brille und einem Schal, der ihr bis zu den Füßen reicht. Dabei ist Ophelia eine ganz besondere junge Frau: Sie kann Gegenstände lesen und durch ...

INHALT
Am liebsten versteckt sie sich hinter ihrer dicken Brille und einem Schal, der ihr bis zu den Füßen reicht. Dabei ist Ophelia eine ganz besondere junge Frau: Sie kann Gegenstände lesen und durch Spiegel reisen. Auf der Arche Anima lebt sie inmitten ihrer riesigen Familie und kümmert sich hingebungsvoll um das Erbe der Ahnen. Bis ihr eines Tages Unheilvolles verkündet wird: Ophelia soll auf die eisige Arche des Pols ziehen und einen Adligen namens Thorn heiraten. Was hat es mit der Verlobung auf sich? Wer ist der Mann, dem sie von nun an folgen soll? Und warum wurde ausgerechnet sie, das zurückhaltende Mädchen mit der leisen Stimme, auserkoren? Ophelia ahnt nicht, welche tödlichen Intrigen sie auf ihrer Reise erwarten, und macht sich auf den Weg in ihr neues, blitzgefährliches Zuhause.
(Quelle: Insel Verlag)

MEINE MEINUNG
Das Jugendbuch „Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters“ von der Debütautorin Christelle Dabos ist der gelungene Auftakt eines vielversprechende vierteiligen Fantasy-Epos, das uns mitnimmt auf eine fesselnde, abenteuerliche Reise in die fantasievollen Welten der Archen und Familienclans.
Mit ihrer als Welterfolg gefeierten und nun auf Deutsch erschienen Serie „Die Spiegelreisende” entführt uns Christelle Dabos an der Seite ihrer äußerst liebenswerten Heldin Ophelia in eine magische, liebevoll ausgestaltete und äußerst faszinierende Fantasywelt, in der nichts so ist, wie es zunächst scheint.
Mit ihrem angenehm bildhaften und mitreißenden Schreibstil und vielen originellen magischen Details gelingt es recht leicht in die faszinierende Geschichte abzutauchen und sich in ihrer komplexen Welt zurechtzufinden. Schon bald sich entspinnt sich eine fesselnde Handlung voller hinterlistiger Intrigen, versteckter Drohungen, Grausamkeiten und finsterer Magie und herrlich facettenreicher, undurchsichtiger Charaktere, die einen zunehmend in ihren Bann zieht. Etwas schade ist, dass viele interessante Schauplätze dieser so fantastischen Welt wie der Mondscheinpalast, die Himmelsburg oder auch das System der Archen nur sehr vage beschrieben werden, so dass man kaum konkrete Vorstellungen von ihnen bekommt. Zum Ende hin warten derart viele Enthüllungen und Wendungen auf, dass man kaum noch zum Luftholen kommt. Die Enthüllungen zum Abschluss des ersten Bands machen unglaublich neugierig auf die Fortsetzung, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.
Ophelia ist eine wirklich interessante, komplexe Protagonistin, die mir auf Anhieb gefallen hat. Die Autorin hat sie sehr einfühlsam und lebendig beschrieben, so dass sie mit ihren Eigenarten und Verletzlichkeiten sehr authentisch und sympathisch wirkt. Wir lernen sie anfangs als eine wissbegierige, eigensinnige, eher tollpatschige und zurückhaltende junge Frau kennen, die sich in ihrer beschaulichen Welt im Museum ihres Großonkels am wohlsten fühlt und sich dort am liebsten um das Erbe der Ahnen kümmert. Als Animistin hat sie die besondere Gabe, die Vergangenheit von Gegenständen durch Berühren zu “lesen” und kann durch Spiegel reisen. Sehr gelungen schildert die Autorin, wie Ophelia – herausgerissen aus ihrem gewohnten Umfeld - sich ihren Schwächen und Unsicherheiten stellen muss, im Laufe der abenteuerlichen Handlung immer mehr an Persönlichkeit, Rückgrat und innerer Stärke hinzugewinnt und am Ende willensstark und unbeugsam ihren Weg geht.
Auch der interessante Charakter von Ophelias Verlobtem Thorn ist sehr vielschichtig ausgearbeitet. Er zeigt sich anfangs sehr abweisend, verschlossen und kann seine Emotionen kaum an die Oberfläche lassen. Rasch wird aber deutlich, wie sehr er unter seiner Familienkonstellation zu leiden hat, ausgegrenzt und verachtet wird und sehr einsam ist. Er ist ein überaus faszinierender “Antiheld”, weitgehend undurchschaubar und gefangen in einem Eispanzer, den ich dennoch schnell ins Herz geschlossen habe, auch wenn seine Gefühlwelt leider in diesem Band leider noch sehr im Dunkeln bleibt. Es bleibt sehr zu hoffen, dass die Autorin seinem Charakter in den Folgebänden noch deutlich mehr Tiefe und Profil verliehen hat.
Ausgesprochen gut gefallen haben mir auch die verschiedenen Nebenfiguren, die oft sehr undurchsichtig angelegt sind, deren wahre Beweggründe erst nach und nach enthüllt werden und für so manche Überraschung sorgen. Ich bin sehr gespannt, welche Details hinzu kommen und wie sich ihre Charaktere im zweiten Band weiterentwickeln werden.
Weniger gelungen ist allerdings der vom Verlag angestrengte Vergleich mit Joanne K. Rowlings Harry Potter, der hohe Erwartungen erweckt und an dem sich der Auftakt doch (noch) nicht ganz messen kann und auch nicht wirklich sollte!

FAZIT
Ein gelungener Auftakt zu einer fantasievollen, packenden und vielschichtigen Fantasy-Serie, die außergewöhnliche Fantasy-Unterhaltung abseits der üblichen Liebesgeschichten bietet!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Figuren
  • Originalität
  • Amtosphäre
Veröffentlicht am 11.03.2019

Fesselndes, rasantes Thrillerdebüt

Lola
0

INHALT
South Central, L.A. Lola Vasquez ist klein, zierlich, unscheinbar, anscheinend eine chica unter vielen in der Latino-Gang The Crenshaw Six. Die Gang versucht, möglichst unauffällig zu agieren, und ...

INHALT
South Central, L.A. Lola Vasquez ist klein, zierlich, unscheinbar, anscheinend eine chica unter vielen in der Latino-Gang The Crenshaw Six. Die Gang versucht, möglichst unauffällig zu agieren, und zu dieser Strategie in einer Mucho-macho-Welt gehört auch, dass Lola nicht sichtbar wird, denn in Wahrheit ist sie die Chefin der Gang, ebenso brillant wie rücksichtslos.
Die Karten werden neu gemischt, als sie in einen Krieg zwischen einem etablierten Großdealer, einem expansionswilligen mexikanischen Kartell und einem neuen Großlieferanten gezogen wird. Auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft mischen mit – eine Gang wie jede andere.
Lolas Achillesferse ist ihre Familie, ihre Crack-Mutter und ihr nicht allzu schlauer Bruder. Als es hart auf hart kommt, muss Lola ein paar Entscheidungen fällen, die alles andere als leichtfallen …
(Quelle: Suhrkamp Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt „Lola“ hat die US-amerikanische Schriftstellerin Melissa Scrivner Love einen mitreißenden, unglaublich fesselnden Thriller geschrieben, der als “Bester Erster Roman” für den Edgar Allan Poe Award nominiert wurde.
Die Autorin hat für ihren Thriller ein sehr interessantes Setting im skrupellosen Latino-Bandenmilieu von South Central Los Angelos und eine rasante, wendungsreiche und zunehmend komplexer werdende Handlung entworfen. Mühelos taucht man als Leser in ein großartiges und aufwühlendes Leseerlebnis ab und kann das Buch bald nicht mehr aus der Hand legen. Als Drehbuchautorin von TV-Serien hat die Autorin ein gutes Gespür für filmreife Szenen, kann diese sehr anschaulich umsetzen und lässt beim Leser ein eindrückliches Kopfkino entstehen.
Gekonnt nimmt uns die Autorin mit in eine uns recht fremde, düstere Welt des brutalen Drogenmilieus und gibt uns beklemmende Einblicke in das Leben ihrer äußerst faszinierenden Hauptfigur, der 26-jährigen Latina Lola Vasquez, die unversehens in einen Krieg zwischen zwei rivalisierenden Drogenkartellen hineingezogen wird und um ihr Leben bangen muss. Sehr lebendig und authentisch schildert die Autorin den schockierenden Alltag der kleinen Latino-Gang mitten im multikulturellen Moloch L.A., der geprägt ist von Skrupellosigkeit, Verrat, Rassismus, Frauendiskriminierung, Drogenabhängigkeit, Kriminalität, Gewalt, Waffen, Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern und dem allgegenwärtigen Tod. Doch gibt es auch berührende, zwischenmenschliche Momente, die den Zusammenhalt der Menschen in ihrem Viertel und das Verantwortungsbewusstsein füreinander trotz der widrigen Umstände aufblitzen lassen.
Die Autorin hat mit ihrer überaus taffen Protagonistin Lola einen einzigartigen, authentisch wirkenden Charakter geschaffen, aus deren Perspektive die Geschichte erfrischend sachlich und abgeklärt erzählt wird. Lola ist eine vielschichtige und unglaublich starke Heldin, die beim Leser durchaus ambivalente Gefühle weckt. Als Tochter einer drogensüchtigen Mutter hat sie eine sehr schwierige Kindheit hinter sich, kennt die Abgründe der menschlichen Existenz und ist in dieses brutale Milieu hineingewachsen, was sie rücksichtslos und oft kaltherzig werden lassen. Als vermeintlich unscheinbare und unauffällige chica in einem von hartgesottenen Männern dominierten Umfeld lenkt sie ihre kleine Gang äußerst brillant, effizient und gerissen im Verborgenen und lässt ihren Freund Garcia nach Außen als Bandenchef auftreten. Eine überaus große Faszination geht von dieser ehrgeizigen, intelligenten Protagonistin aus, die zwar schockierend abgebrüht, kaltblütig und skrupellos ihren Job erledigt und oft recht fragwürdige Entscheidungen trifft. Neben ihrer dunklen Seite ist sie eine einfühlsame, fürsorgliche und sympathische Frau, die wie eine Gute unter all den Bösen wirkt und bei ihrem verzweifelten Überlebenskampf Respekt und Anerkennung verdient. Die Autorin hat mit Lola keine strahlende Überheldin geschaffen, sondern eine glaubwürdige, schillernde Figur mit vielen Schwächen und einigen fatalen Fehlentscheidungen, die den Leser aber mit ihrem großen Herz und guten Absichten auch berühren kann.
Doch auch die Bösewichte und übrigen Nebenfiguren sind mehrdimensional, lebendig und glaubwürdig ausgearbeitet. Eine besonders gelungene Nebenfigur ist die kleine 5-jährige Lucy mit ihrem sehr berührenden Schicksal.
Der Autorin gelingt es hervorragend, uns mit ihrer spannenden, packend erzählten Handlung und einigen unerwarteten Wendungen bestens zu unterhalten. Ihr abwechslungsreicher, anschaulicher Schreibstil liest sich trotz einiger recht brutaler, blutrünstiger Szenen sehr angenehm. Einige dramaturgische Schwächen und ungenau recherchierte, unglaubwürdige Details fallen bei der ansonsten hervorragenden Umsetzung kaum negativ ins Gewicht.
Auf eine Fortsetzung mit Lola als offizielle Anführerin der Crenshaw Six darf man schon sehr gespannt sein!

FAZIT
Ein fesselndes, aufwühlendes Thrillerdebüt - rasant und wendungsreich mit der faszinierenden, sehr taffen Latina Lola!
Autor: Melissa Scrivner Love

Veröffentlicht am 11.03.2019

Etwas enttäuschender Roman vor historischem Hintergrund

Allee unserer Träume
0

INHALT
Berlin in den Nachkriegsjahren: Die Stadt liegt in Trümmern, doch die Lebenslust der Menschen erwacht. Die junge Architektin Ilse hat eine Vision. Sie will die Stadt wieder aufbauen und Wohnungen ...

INHALT
Berlin in den Nachkriegsjahren: Die Stadt liegt in Trümmern, doch die Lebenslust der Menschen erwacht. Die junge Architektin Ilse hat eine Vision. Sie will die Stadt wieder aufbauen und Wohnungen auch für die einfachen Arbeiter schaffen. Der Wettbewerb für den Bau der Arbeiterpaläste in der Karl-Marx-Allee in Ostberlin ist ihre große Chance. Als einzige Frau will sie sich gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Und ihre Pläne werden tatsächlich ausgewählt. Aber ihr Ehemann erpresst Ilse und gibt die Entwürfe als seine eigenen aus. Ilse soll den Architekten nur zuarbeiten. Enttäuscht fasst sie einen Entschluss: Sie wird diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen, sondern um ein freies Leben und den richtigen Mann an ihrer Seite kämpfen.
(Quellen: Ullstein-Verlag)


MEINE MEINUNG
Im Mittelpunkt des interessanten historischen Romans „Allee unserer Träume” von den deutschen Autoren Ulrike Gerold und Wolfram Hänel steht nicht nur die bewegende Lebensgeschichte ihrer jungen Architektin Ilse, sondern auch die faszinierenden Hintergründe zum Bau der größten sozialistischen Prachtstraße der DDR - der Stalinallee, die später in Karl-Marx-Allee umbenannt wurde. Beim Bau ihrer “sozialistischen Hauptstadt” wollten die Machthaber der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg mit diesem repräsentativen Vorzeigeprojekt in Berlin städtebauliche Akzente setzen und Arbeiterpaläste als Aushängeschild der sozialistischen Gesellschaft errichten.
In ihrer Geschichte verwebt das Autorenduo Gerold und Hänel sehr geschickt des fiktive Schicksal der jungen Architektin Ilse als Teil des zuständigen Architektenteams mit den unterschiedlichsten Arbeitsphasen des ehrgeizigen Bauprojekts vom Entwurf, der Planung bis hin zur Realisierung. Sehr fesselnd ist es mitzuerleben, wie die Hauptfigur als einzige Frau in der damals reinen Männerdomäne mit den namhaften Architekten konkurrieren, um Anerkennung und für die Umsetzung ihrer architektonischen Idealvorstellungen kämpfen muss. Ihr anfänglicher Enthusiasmus wird schnell gebremst, denn Ilse wird bald klar, dass sie sich bei ihren Entwürfen der Ideologie und den politischen Vorgaben der DDR-Größen unterordnen mussten und Prachtbauten ganz im Stil des sozialistischen Klassizismus der Sowjetunion schaffen sollten.
Wie die Autoren in ihrer vorangestellten Vorbemerkung betonen, sollte ihr Roman keine eigentliche Dokumentation des Baus der Karl-Marx-Allee werden. Daher haben sie sich auch etlicher fiktiver Freiheiten bei der Handlung, der Chronologie der Ereignisse aber auch der örtlichen Begebenheiten bedient. “Manchmal sind erfundene Geschichten schöner” - so ihr Credo. So wurden auch die bekannten Planer und Architekten der Stalinallee wie Hans Scharoun oder Hermann Henselmann durch erfundene Charaktere ersetzt. Dennoch lassen sie einige historische Persönlichkeiten wie beispielsweise den SED-Generalsekretär Ulbricht oder den berühmten Dramatiker Bertold Brecht in der Handlung auftauchen, um ihrer Geschichte mehr Authentizität zu verleihen. Leider ist es den Autoren aber nicht sehr gut gelungen, das “sozialistisch” geprägte Flair des Arbeiter-und Bauern-Staats und die unterschiedlichen Schauplätze anschaulich und lebendig einzufangen, so dass ich mich in die damalige Zeit nicht gut hineinversetzen konnte.
In die Haupthandlung sind recht unchronologisch immer wieder Kapitel mit Rückblenden in Ilses Vergangenheit eingeschoben, die uns die sympathische Protagonistin, ihre Jugend und Persönlichkeit näher bringen. Ihre lebendige Charakterisierung ist den Autoren recht gut gelungen. Sie wird als eine äußerst mutige, zielstrebige und starke Frau dargestellt, die trotz vieler Widerstände und Schicksalsschläge unbeirrt ihren Weg geht und für ihren Traum, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und als Architektin zu arbeiten, gekämpft hat. Schade ist allerdings, dass es bei der Schilderung einiger Episoden in ihrem Leben neben einigen Längen auch unerklärliche Leerstellen gibt, so dass einige von Ilses Handlungen für mich zu vage oder nicht nachvollziehbar waren.

FAZIT
Ein interessanter historischer Roman über eine junge Architektin und ihren Traum von der größten sozialistischen Prachtstraße der DDR - abwechslungsreich und unterhaltsam geschrieben, aber mit zu wenig historischem “Flair” und einigen Längen im Mittelteil!