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Veröffentlicht am 23.02.2025

Eine herrliche Crime-Telenovela mit viel Witz

Ganz die Deine
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„Ganz die Deine“ von Claudia Piñeiro, erschienen 2025 im Unionsverlag, ist eine herrlich zugespitzte kriminalistische Telenovela in Buchform, die mit viel Witz durch eine absurde Handlung saust und mit ...

„Ganz die Deine“ von Claudia Piñeiro, erschienen 2025 im Unionsverlag, ist eine herrlich zugespitzte kriminalistische Telenovela in Buchform, die mit viel Witz durch eine absurde Handlung saust und mit multiplen Plottwists die Lesenden bei Laune hält.

Inés, zufrieden mit ihrem Leben mit Ernesto, ein bisschen unzufrieden mit ihrer Teenager Tochter Laura, muss eines Tages entdecken, dass ihr lieber Ernesto sie betrügt, mit einem naiven Frauenzimmer, das ihm Briefchen und Zettelchen zuschiebt, unterschrieben mit „Ganz die Deine“. Nun, Inés ist erwachsen genug, um vom Leben schon gelernt zu haben: Jede Frau wird unweigerlich irgendwann von ihrem Mann betrogen, das ist grundsätzlich keine große Sache, nur die Ruhe, erstmal checken, ob hier ein bedrohlicher Fall vorliegt. Um genau das herauszufinden, folgt Inés Ernesto zu einem Date und was sie da beobachtet, tritt eine Kette von Ereignissen los, von denen die Ehe sich nicht mehr erholen wird. Parallel dazu und unbemerkt von den Eltern erlebt Laura ihre ganz eigene Telenovela, die scheinbar nur lose mit der Haupthandlung verknüpft ist, durch eingefügte Sekundärtexte aus der Psychologie aber eine ganz andere Bedeutung erhält.

Piñeiro bedient sich geschickt an der Struktur von Telenovelas und führt uns mit einem unglaublich trockenen, herrlichen Humor durch die Überkonstruktion der Handlung, was ihr über weite Strecken hervorragend glückt, manchmal aber dann doch ein bisschen too much ist. Multiple Plottwists bringen immer wieder Spannung in das Geschehen und lassen die absichtlich stereotypen Charaktere regelmäßig gegen Wände laufen. Dieses Buch ist nicht gezielt auf Komplexität, es ist ein wirklich witziger netter Snack, den die lesende Person gut mal genießen kann, um wirklich zu entspannen. Dabei ist die literarische Grundqualität aber hoch, die Schreibe ist flüssig und gut durchdacht und ich persönlich musste beim Lesen immer wieder laut auflachen. Das offene Ende lässt viel Raum für Spekulation – eine gute Telenovela lässt ja auch immer die Möglichkeit der nächsten Staffel bestehen.

Fazit: Ein gelungener rasanter kleiner Rachefeldzugsroman, der einfach Spaß bereitet und keinerlei Mühe.

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Veröffentlicht am 17.02.2025

Am Puls der Erwartungen

Wenn wir lächeln
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„Wenn wir lächeln“ von Mascha Unterlehberg, erschienen 2025 bei DuMont, ist ein Roman, der sich auf eine ganz eigene Art mit der Erwartungshaltung an Frauen auseinandersetzt, die davon ausgeht, dass diese ...

„Wenn wir lächeln“ von Mascha Unterlehberg, erschienen 2025 bei DuMont, ist ein Roman, der sich auf eine ganz eigene Art mit der Erwartungshaltung an Frauen auseinandersetzt, die davon ausgeht, dass diese nach wie vor bitte vor allem dafür da sind, Männern zu gefallen.

Mascha Unterlehberg erzählt die Geschichte von Anto und Jara, zwei Besties, die das Leben zusammenwürfelt und die beide genau das Gegenteil von dem sind, was zu sein sie den Anschein haben: Anto, das toughe Rap-Chick, immer lässig, immer wütend, immer klauend, trinkend, herumlungernd, ohne Ziel – doch eigentlich ein Richkid mit allen Möglichkeiten. Jara, aus sozial schwachem Umfeld, per Klischee genau für Antos Karriere gemacht, die jedoch versucht, sich hochzuziehen, Gymnasium, abhängen mit den zukünftigen Jurastudenten, weiterkommen. Aus einer Begegnung wird eine enge Abhängigkeitsbeziehung, in der beide sich ein Zuhause geben – und doch alles andere als das Beste aus der anderen herausholen. Dennoch strahlt die Nähe aus jeder Zeile ihres Seins.

Gemein ist ihnen das Leben in einer patriarchalen Männerwelt, in der beide immer Erwartungen erfüllen sollen. Lächel mal, sei doch nicht so, mach dich mal locker, willst du f***en? Hey, war doch nur Spaß. Beide erleben in diesem Kosmos immer wieder die Reduktion auf ihren Körper, beide erleben immer wieder, dass Nettsein die kleine Schwester von Missbrauch ist. Bis eines Tages vollkommen unerwartet nicht Anto auf Gewalt mit Gegengewalt reagiert.

Unterlehberg schreibt kraftvoll und wütend, jeder Satz gedrängt und voller Beat, das Buch peitscht scheinbar chaotisch in Fetzen voran und macht es einem nicht immer leicht zu verstehen, was genau passiert. Es ist der Puls einer langen Partynacht und eines bösen Katers danach, es ist der Kampf, ein System zu durchbrechen, dass dich immer nach unten drückt. An einer Stelle stellt Mascha Unterlehberg eine Liste der vielen Momente mit Männern zusammen, der wir Frauen täglich begegnen. Es ist eine deprimierende Liste, eine wütend machende Liste, die nachvollziehbar macht, dass der Baseballschläger, der lässig durch die Nacht getragen wird, handeln möchte. Damit die Schreie nicht mehr unsere Schreie sind.

Ein spannendes Stück Literatur, eine begabte Stimme. Lesen.

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Veröffentlicht am 15.02.2025

Keine Angst vor Geistern.

Portrait meiner Mutter mit Geistern
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„Portrait meiner Mutter mit Geistern“ Rabea Edel, erschienen 2025 bei C.H. Beck, ist so ein Jahrhundertroman, dem man mit einer Rezension einfach nicht gerecht werden kann. Ein Jahres-Highlight schon jetzt, ...

„Portrait meiner Mutter mit Geistern“ Rabea Edel, erschienen 2025 bei C.H. Beck, ist so ein Jahrhundertroman, dem man mit einer Rezension einfach nicht gerecht werden kann. Ein Jahres-Highlight schon jetzt, im Februar 2025. Ein Roman, wie man ihn nur ganz selten lesen darf und einer, den ganz viele Menschen unbedingt lesen sollten.

Rabea Edel erzählt uns die Geschichte einer ganzen Mehrgenerationenfamilie mit Fokus auf die weibliche Linie, sich erstreckend über knapp 100 Jahre. Ausgehend von dem Kind Raisa, die schon immer mit ihrer Mutter allein zusammenlebt und bis zur Einschulung mit dieser die Welt bereist in Kreisbewegungen um die Heimatstadt herum, Raisa, die von ihrer Mutter nichts, aber auch gar nichts über ihren Vater und ihre Familie erfährt oder Antworten darauf bekommt, warum nachts so oft das Telefon klingelt, von Raisa also, die mit so viel Schweigen aufwächst, machen wir uns auf den Weg weit zurück in die Geschichte der Familie und lernen Raisas Mutter Martha kennen und deren Mutter Selma und deren Mutter Dina und auch noch Meta und Jakob und Edom und Oskar, Phillipe, Eric, Carl, Heinrich, William, Franz, Berendine und, auch ganz wichtig, Mats. Es sind viele Namen und viele Generationen, weshalb der Stammbaum im Innencover eine große Hilfe ist, denn wir reisen durch die Zeiten und Welten und springen dabei hin und her.

Edel schreibt großartig und intensiv, die Geschichte dieser Menschen und die Art, wie sie geschrieben ist, hat eine totale Sogwirkung. Das Buch formt einen eng verwobenen Teppich von Momenten und kleinen Rätseln, Andeutungen, hingeworfenen Ausschnitten, so dass jede Unterbrechung einen beim Lesen erst einmal zurückwirft. Geheimnis reiht sich an Geheimnis und nur ganz langsam schält sich eine mögliche Wahrheit heraus. Die Figuren haben allesamt etwas Versehrtes, Karges an sich und obwohl viel gesprochen wird, spürt man beim Lesen auch durchweg ein ganz großes Schweigen. Die Kinder, die nicht geboren werden, der Nationalsozialismus, der über allem droht, die kleinen Ausblicke in die Jetztzeit, das viele, was nicht gelebt werden kann. Ein extrem berührender Lebensteppich. Keine Beziehung scheint einfach, Menschen müssen ihren Glauben verleugnen, ihre Gefühle, ihre Erlebnisse, werden in andere Länder verfrachtet. Vieles bleibt zunächst offen und verwirrend, wenn man das beim Lesen irgendwann einfach loslässt und mit dem Flow der bildhaften Sprache geht, ist es einfach großartig.

Über die Geschichte, über das, was in dieser Familie vorgefallen ist und sich wiederholt, über das Trauma, das weitergegeben wird von Generation zu Generation möchte ich gar nichts erzählen, das muss man unbedingt beim Lesen dieses Meisterwerks an Konstruktion selbst entdecken. Erzählen möchte ich über einen Zauberspruch, der im Buch steht: „Keine Angst vor Geistern. Sie sind nur Möglichkeiten, die wiederkommen.“ Es sind die Geister der Vergangenheit, die immer mit uns auf den Familienfotos sind – und wenn es keine guten Geister sind, dann können wir es schaffen, uns ihrem Zugriff zu entziehen. Weil die Geister aufzunehmen in uns nur EINE Möglichkeit ist. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden. Wir können den Geistern ihre Kraft nehmen und so das Trauma durchbrechen, das immer weitergegeben wird in Familien, über viele Generationen. Wir können selbst neu anfangen in unserer Familie und frei werden. Dass das möglich ist, ist ein großes Plädoyer, das der Geschichte von Raisa, Martha, Selma und Dina zugrunde liegt.

Uff, was für ein Roman. Jetzt schon ein Jahreshighlight. Ein herausforderndes literarisches Puzzle – das mich mit seiner emotionalen Intensität und seiner besonderen Sprache und Konstruktion ganz in seinen Bann gezogen und mich sehr fasziniert hat! Unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 14.02.2025

Gar nicht lalala im Kinderland

Tür zu, es zieht! 1 Hausenheim Hood News und Kinderlalaland
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„Tür zu, es zieht! Hausenheim Hood News und Kinderlalaland“ erzählt von Sebastian Stuertz und Lukas Nimscheck, erschienen 2025 bei Oetinger, ist ein Kinderbuch für alle Fans der großartigen Band „Deine ...

„Tür zu, es zieht! Hausenheim Hood News und Kinderlalaland“ erzählt von Sebastian Stuertz und Lukas Nimscheck, erschienen 2025 bei Oetinger, ist ein Kinderbuch für alle Fans der großartigen Band „Deine Freunde“ – und natürlich auch für Menschen, die das noch werden worden. Bunt und peppig illustriert von Renato Klieger, nehmen Deine Freunde uns mit auf eine wilde Reise über etwas mehr als 200 Seiten.

Was geht ab in Hausenheim? Romy ist auf der Suche nach einer Story für ihren Hausenheim Hood News Podcast und kommt dabei den fiesen Machenschaften von Dr. Degenhardt Dämmerich auf die Schliche, der alle Kinder für immer zum Stillsitzen verdammen will. Zeitgleich sind die Freunde Flo, Lukas und Pauli einem anderen Geheimnis auf der Spur, auf dem Dachboden des ehemaligen Schulgebäudes stoßen sie auf eine magische Tür. Was das wohl alles mit den Gerüchten zu tun hat, dass es in der Schule spukt? Was hat Dämmerich vor und wird Romy ihn zusammen mit Flo, Lukas und Pauli aufhalten können?

Natürlich geht es auch um Musik und fette Bässe, denn sonst wäre es ja kein Deine Freunde Buch! Der Erzählton ist locker und voller Wortwitz, natürlich fehlen auch jede Menge Anspielungen auf Deine Freunde Hits nicht, aber keine Sorge, auch ohne Kenntnis der Musik lässt sich das Buch verstehen. Über weite Strecken gelingt hier eine peppige Story mit Anlehnungen an die Unendliche Geschichte von Michael Ende – aber ganz 2025, hier staubt nichts. Manchmal allerdings wird es dann doch etwas überkomplex für Kinder und sind es ein paar Referenzen zu viel, denen Kids wohl nicht mehr werden folgen können. Und im hinteren Teil verliert sich die Spannung ein bisschen im Gefüge der zwei Handlungsstränge.

Über weite Strecken aber gibt es richtig viel zu lachen und jede Menge coole Identifikationsfiguren. Wer also Bock auf eine chillige Story mit ganz viel Bass hat, die:der sollte hier unbedingt mal reinsliden! Der Verlag empfiehlt das Buch für Kinder ab 7 Jahren, ich wäre eher für ab 8.

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Veröffentlicht am 09.02.2025

Leichtfüßiges Zeitportrait

Frau Hempels Tochter. Roman
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„Frau Hempels Tochter“ von Alice Berend wurde vom Reclam Verlag für die tolle Reihe DAMALS – HEUTE – MORGEN: Reclams Klassikerinnen aus der Versenkung geholt – vollkommen zu Recht. Aber zuerst ein paar ...

„Frau Hempels Tochter“ von Alice Berend wurde vom Reclam Verlag für die tolle Reihe DAMALS – HEUTE – MORGEN: Reclams Klassikerinnen aus der Versenkung geholt – vollkommen zu Recht. Aber zuerst ein paar kurze Worte zu dieser Reihe, mit der Reclam versucht, den vielen weiblichen Autorinnen der Literaturgeschichte mehr Sichtbarkeit zu verleihen – eine wirklich großartige Idee mit einer Vielzahl lesenswerter und liebevoll designter Bücher, denen ich nur ganz viele Käufer:innen wünschen kann. Da macht Reclam einfach ganz viel richtig!

Nun aber zu „Frau Hempels Tochter“. Das Buch hat einen festen, direkt bedruckten Einband mit einer extrem angenehmen Haptik und kommt zur Freude mit einem farblich passenden Lesebändchen. Berend erzählt die Geschichte von der Schustertochter Laura, die gemeinsam mit ihren Eltern in einem Berliner Mietshaus wohnt, in dem sich ganz unterschiedliche Menschen begegnen. Gegenüber wohnt ein Graf – der diesen Titel nur noch als Titel trägt und nicht mehr wirklich mit Geld hinterlegen kann, der aber dennoch vollkommen ausreichend als Projektionsfläche für Lauras Sehnsüchte ist. Warum es für ihr Glück ein ganzes Schwimmbad braucht und was ein Schutzmann damit zu tun hat – das müssen Lesende selbst herausfinden, aber versprochen werden kann eine äußerst vergnügliche Lesereise.

Alice Berend schreibt in einem heiteren Plauderton und greift die Atmosphäre im Berlin der Jahrhundertwende gekonnt, dicht und detailreich auf. Herrlich schildert sie das Milieu der Arbeiterklasse und Kleinbürger mit viel Komik und sehr genauer Beobachtungsgabe, ohne dass sie die Figuren vorführt. Das Besondere an ihrem Schreiben sind die tätigen Frauen. Die Männer rücken in den Hintergrund, hier bewegen und bewältigen starke Frauen den Alltag, das Leben, die Träume und die Realität. Das macht Alice Berend aus heutiger Sicht zu einer feministischen Autorin, die der Frau in ihrem sozialen Umfeld viel Handlungsspielraum einräumt und sich gegen gesellschaftliche Konvention auflehnt.

Ihr Bücher wurden im Nationalsozialismus verboten, da sie, zwar evangelisch getauft, dennoch nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten eine Jüdin war. Sie musste ins Exil gehen und starb dort 1938 krank und verarmt. Sich mit diesen Schicksalen auseinanderzusetzen und ihnen eine Stimme zu geben, war immer schon wichtig – aktuell wird es wieder wichtiger. Und da „Frau Hempels Tochter“ beim Lesen einfach wundervoll viel Spaß macht: Ist dieses Stück Zeitgeschichte gerne jedem ans Herz gelegt. Vielen Dank also an den Reclam-Verlag für diese tolle Lesereihe!

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