"A dark and drowning tide": Voller Magie und trotzdem nicht verzaubert
A Dark and Drowning Tide„A dark and drowning tide“ ist die vierte Veröffentlichung der amerikanischen Autorin Allison Saft, die auch mit dem diesem Buch ins Fantastische abtaucht. Der Plot ist schnell erzählt: Ein Trupp unterschiedlicher ...
„A dark and drowning tide“ ist die vierte Veröffentlichung der amerikanischen Autorin Allison Saft, die auch mit dem diesem Buch ins Fantastische abtaucht. Der Plot ist schnell erzählt: Ein Trupp unterschiedlicher Charaktere unternimmt eine Expedition, um sich auf die Suche nach nicht mehr als dem Ursprung der Magie zu machen. Auftraggeber ist König Wilhelm II., der mit den magischen Kräften des Ursprungs seine Macht im Königreich untermauen will. Der Suchtrupp besteht aus Professorin Ziegler als Expeditionsleiterin, Lorelei und Sylvia, Studierende und ihre Ziehkinder, Johann, dem Expeditionsarzt, Heike, der Astronomin, Ludwig, dem Botaniker, sowie Adelheid, der Thaumatologin. Die Ausgangsfragen, die sich spontan aus dieser Konstellation ergeben, sind auch die, die im Laufe der Geschichte beantwortet werden: Werden die Teilnehmer der Expedition zum Ursprung der Magie finden? Wer bringt den Todesmut dafür auf und welche Opfer müssen dafür erbracht werden?
Eine Stärke der Autorin ist, dass sie ihre Geschichte auf interessanten Charakteren aufbaut, die nicht darauf aus sind, die Sympathie des:der Leser:in zu gewinnen. Die Spannungen der Charakter untereinander ist das, was die Handlung am Laufen hält. Im Zentrum dabei steht Lorelei, die als rationale Naturwissenschaftlerin ihren eigenen magischen Fähigkeiten skeptisch begegnet und als Vertreterin der Yeva, einer wenig angesehenen Bewohnergruppe, gleichermaßen skeptisch betrachtet wird. Ihr gegenübergestellt wird die adlige Sylvia, die – wenig überraschend – deutlich näher an ihren Emotionen und ihrer Magie ist und sich wenig Gedanken um ihr Standing machen muss. Bereits das Cover des Buches gibt Hinweise auf die Beziehung der beiden, die zu Beginn wie Feuer und Wasser, schwarz und weiß, Ying und Yang daherkommen. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Gleichwohl wird in Laufe der Geschichte deutlich, dass sie gemeinsam stärker sind als die Summe ihrer Teile (Wer sich, by the way, ein bisschen Spice zwischen den beiden erhofft, wird nicht enttäuscht).
Die Welt, die Allison Saft erschafft, ist gespickt mit fantastischen Figuren wie Nixen, Maras und Alps. Wasser ist ein zentrales Element, das sowohl durch Magie als Waffe manipuliert werden kann und gleichzeitig die Handlung, die zum großen Teil auf einem Schiff stattfindet, vorantreibt. Alles Fantastische oder Magische bei Saft tritt mal bedrohlich, mal helfend in Erscheinung. Die Regeln der Welt, die Saft erschafft, werden nicht klar erläutert werden. So kann zu jeder Zeit alles passieren. Und so erscheint auch alles Fantastische und Magisch – jede Nixe, jedes Mara, jeder Alp – innerhalb der Erzählung relativ willkürlich. Man kann dies als typisches Merkmal des Fantastischen sehen. Man kann es aber auch als Mittel eines leichten Auswegs in scheinbar ausweglosen Situationen innerhalb der Geschichte durchaus kritisieren.
Auch wenn das Buch klar als Fantasy-Roman angelegt ist, so gibt es genügend Referenzpunkte, die weniger fantastisch als geschichtlich daherkommen (zumindest für ein europäisches Publikum), z. B. das Königreich mit einem König Wilhelm II. Die Autorin platziert ihre Handlung inmitten bekannter folkloristischer und märchenhafter Erzählungen, die als Einschübe Einzug in die Geschichte finden. So wird zum Beispiel an einer Stelle die Legende des Golems wiedergegeben. Auch wenn diese Einschübe für die Charakterentwicklung und Weltenbildung im Gesamtkontext aus meiner Sicht wenig tun, für den:die Leser:in machen sie die Welt von Lorelei und Sylvia paradoxerweise nahbarer und identifizierbarer, da sie in unserer realen Welt „existieren“.
„A dark and drowning tide” ist ein Buch, in dessen Welt man gefahrlos abtauchen kann. Fans von Fantasie-Romanen kommen auf ihre Kosten durch den Ideenreichtum der Autorin und eine abenteuerlustige Geschichte, die neben Mord und Totschlag auf Versöhnung und Liebe setzt. Ist das Buch so mitreißend, wie sein Titel andeutet? Was seine Charaktere betrifft durchaus, stilistisch herrscht eher Ebbe.