Profilbild von klaraelisa

klaraelisa

Lesejury Profi
offline

klaraelisa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit klaraelisa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.12.2017

Was geschieht wirklich?

The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum
0

Der kanadische Autor Iain Reid legt mit “The Ending“ nach zwei sehr erfolgreichen Sachbüchern sein Romandebüt vor. Der deutsche Leser nimmt das Buch unter dem Eindruck von überschwänglichem Lob und reichlich ...

Der kanadische Autor Iain Reid legt mit “The Ending“ nach zwei sehr erfolgreichen Sachbüchern sein Romandebüt vor. Der deutsche Leser nimmt das Buch unter dem Eindruck von überschwänglichem Lob und reichlich Vorschusslorbeeren zur Hand und bekommt nicht genau das, was er erwartet.

Jake und seine Freundin sind in der Weite Kanadas unterwegs zur alten Farm der Eltern des Mannes. Sie kennen sich erst wenige Wochen, und es sieht nicht besonders gut aus für die Beziehung, wie schon der erste Satz des Romans andeutet. “Ich trage mich mit dem Gedanken, Schluss zu machen“ äußert die namenlose Ich-Erzählerin und meint damit ihre Beziehung oder auch nicht. Während der Fahrt sprechen Jake und seine Freundin miteinander, aber sie sind nicht offen zueinander. Es entsteht eine Atmosphäre der Bedrohung und der Angst, die nach ihrer Ankunft auf der Farm und bei der Begegnung mit Jakes Eltern noch verstärkt wird. Das Paar fährt im Schneesturm noch am gleichen Abend zurück. Sie verhalten sich eigenartig, es passieren seltsame Dinge. Das kann kein gutes Ende nehmen. Dies ist dem Leser auch deshalb bewusst, weil zwischen den Abschnitten kursiv gesetzte Dialoge von zwei Unbekannten eingeblendet sind, die von einem Toten sprechen. Wer das ist und warum dieser Tote für Jake und seine Freundin von Bedeutung ist, erfahren wir zunächst nicht.

Die Auflösung erwartet der Leser so nicht und reagiert zunächst verwirrt. Man hat das Gefühl, man müsste das Buch noch einmal lesen, um es besser zu verstehen, weil vielleicht übersehene Details eine schlüssige Erklärung liefern könnten. Auf jeden Fall bleibt der Eindruck, dass es dem Autor gelingt, mittels der Sprache eine immer bedrohlicher wirkende Atmosphäre zu schaffen und damit bei der Protagonistin und beim Leser diffuse Ängste zu erzeugen. Das Buch liest sich nicht schlecht, aber wirklich überzeugt hat es mich nicht.

Veröffentlicht am 03.12.2017

Hausarrest für einen Gentleman

Ein Gentleman in Moskau
0

Armor Towles Roman "Ein Gentleman in Moskau" spielt in der Zeit von 1922 bis 1954. Graf Alexander Iljitsch Rostov, Träger des Ordens des Heiligen Andreas, Mitglied des Jockey-Clubs, Meister der Jagd, geb. ...

Armor Towles Roman "Ein Gentleman in Moskau" spielt in der Zeit von 1922 bis 1954. Graf Alexander Iljitsch Rostov, Träger des Ordens des Heiligen Andreas, Mitglied des Jockey-Clubs, Meister der Jagd, geb. am 24. Oktober 1889 in St. Petersburg wird am 21. Juni 1922 für ein 1913 unter seinem Namen veröffentlichtes revolutionäres Gedicht zum Tode verurteilt; die Strafe in Hausarrest in dem luxuriösen Hotel Metropol umgewandelt. Sollte er das Hotel jemals verlassen, wird er erschossen. Nach der Urteilsverkündung kehrt der Graf jedoch nicht in seine herrschaftliche Suite zurück. Ihm wird eine Kammer mit einem Fenster, das nicht größer als eine Briefmarke war, auf dem Dachboden zugeteilt, ein Großteil seines Hab und Gutes geht in Volkseigentum über. Während der nächsten 30 Jahre passt sich der Graf seinem Mikrokosmos an, und vor der Hoteltür nimmt die Geschichte Russlands und der ganzen Welt ihren Lauf.

Amor Towles hat einen wundervollen Roman geschrieben, der dem Leser viele Informationen über die Geschichte Russlands und das Leben des Aristokraten Rostov in seiner Jugend in der Provinz Nischni Nowgorod nahebringt. Der Graf ist ein Ästhet, ein Feingeist, ein sehr gebildeter und kultivierter, höflicher und sympathischer Mann, mit einer großen Leidenschaft für Musik und Literatur. Er hat nicht die Arroganz des Aristokraten, der sich auf seinen Status und seinen Reichtum verlässt. Die hat er ohnehin weitgehend verloren. Stattdessen entwickelt er viel menschliches Mitgefühl und ist zu tiefen Bindungen fähig. Er freundet sich nicht nur mit hochrangigen Persönlichkeiten und der wunderschönen Schauspielerin Anna, sondern auch mit dem Portier Wassili, der Schneiderin Marina, dem Barkeeper Andrei und Emile, dem Maître d’Hôtel an. Auch wenn der Graf sich seiner Gefangenschaft ungebeugt stellt und versucht sich anzupassen, ist er einmal so hoffnungslos, dass er bereit ist, sich das Leben zu nehmen. Er entscheidet sich jedoch dafür weiterzuleben. Er wird der neunjährigen Nina ein wunderbarer Freund und Spielkamerad. Sie zeigt ihm die geheimsten Orte des Metropols, und kehrt Jahre später als junge Frau zurück. Sie ist verzweifelt und bittet den Grafen, sich ihrer Tochter Sofia anzunehmen, der er ein liebevoller und aufopferungsvoller Ziehvater ist. Tief verbunden ist er mit seinem Freund Mischka aus Jugendzeiten, der ihn viele Jahre später als den glücklichsten Menschen Russlands bezeichnen wird, denn trotz seiner eingeschränkten Lebensumstände ist er immer noch fähig, Freude und Glück zu empfinden. Er ist auch nicht völlig von der Realität abgeschnitten. Informationen über das Weltgeschehen und die Lage in Russland erhält er von den Bediensteten und Hotelgästen. Ihm bleibt nur der Blick aus dem Fenster, von dem aus er das Bolschoi-Theater und die Mauern des Kreml sieht. Der Graf ist nicht Ich-Erzähler einer eigenen Geschichte. Der Autor lässt sie von einem allwissenden Erzähler in der dritten Person erzählen.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und empfehle ihn uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 28.10.2017

Gabriel Allon auf seiner letzten Mission?

Die Attentäterin
0

Daniel Silva begann seine Reihe um Gabriel Allon, den israelischen Geheimagenten und begnadetsten Restaurator der Welt mit "Der Auftraggeber" im Jahr 2001, und hat ihn über die vielen Jahre zu einer Legende ...

Daniel Silva begann seine Reihe um Gabriel Allon, den israelischen Geheimagenten und begnadetsten Restaurator der Welt mit "Der Auftraggeber" im Jahr 2001, und hat ihn über die vielen Jahre zu einer Legende in Israel werden lassen. Allon hat mehr als andere erlebt, nun soll er der neue Direktor des Geheimdienstes werden. Doch zu Beginn des 16. Bandes "Die Attentäterin" explodiert in der Rue des Rosiers, der prominentesten Straße im jüdischen Viertel von Paris, eine Bombe. Wie die französischen Behörden feststellen, war die Sprengladung in einem Transporter versteckt gewesen. Unter den unzähligen Todesopfern ist auch Hannah Weinberg. Sie leitete das nach ihrem Großvater benannte Isaac-Weinberg-Zentrum, und war eine alte Freundin von Gabriel Allon. Zu dem Anschlag bekennt sich wenig später der IS. Die französischen Sicherheitsbehörden fahnden mit Hochdruck nach den Attentätern und bitten Allon um Hilfe. Nur er kann den Drahtzieher, der sich Saladin nennt, finden und eliminieren. Der Geheimdienst rekrutiert die in Frankreich geborene Israelin und jetzt in Jerusalem arbeitende 26jährige Ärztin Dr. Natalie Mizrahi. Sie soll sich als Spionin dem Islamischen Staat, getarnt als junge palästinensische Ärztin namens Leila Hadawi anschließen, die einen Schlag gegen den Westen führen will. Nur so kann sie in Saladins Nähe kommen und herausfinden, wer er wirklich ist und was seine nächsten Anschlagsziele sind. Saladin auszuschalten, so der Plan, soll das Team um Gabriel Allon übernehmen. Ein lebensgefährliches Unternehmen, das anders als geplant verläuft.
Daniel Silva hat einen brandaktuellen, packenden Spionagethriller geschrieben, der so spannend ist, dass sich seine Seiten von allein umblättern, wie eine Kritikerin meint. Wie gewohnt gibt es eine Vielzahl von Personen, Handlungssträngen und Schauplätzen. Der Leser begegnet alten Bekannten und auch neue Akteure werden eingeführt, die vermutlich in den nächsten Romanen eine größere Rolle spielen werden, Michail Abramow, Dina Sarid und vor allem Dr. Natalie Mizrahi.
Interessant ist, wie der Autor die Verwandlung der jüdischen Ärztin Dr. Mizrahi in Dr. Leila Hadawi, die fanatische Anhängerin des IS, beschreibt. Der Leser spürt förmlich ihre Angst aufzufliegen und enttarnt zu werden. Und er entwickelt große Sympathie für einen Menschen, der sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, um möglicherweise Tausende zu retten.
Silva hat als ehemaliger Journalist, der lange im Nahen Osten gearbeitet hat, profunde Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten und Entwicklungen. Er hat kein Interesse an Fantasy, sondern ist fest in der Realität verwurzelt, so fest, dass sein Roman geradezu prophetisch wirkt, nimmt er doch die Ereignisse der Jahre 2015 und 2016 in Paris und Brüssel mit großer Präzision vorweg. Ich liebe Spionagethriller, und dieser düstere und leider so aktuelle hat mir besonders gut gefallen.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Harry Hole jagt seine Nemesis

Durst
0

Mit "Durst" liegt nun der lang erwartete 11. Band der Harry Hole-Serie von Jo Nesbø vor. In der Schlusssequenz des 10. Bandes "Koma" nimmt Ståle Aunes Tochter Aurora nicht an Harry Holes Hochzeit teil. ...

Mit "Durst" liegt nun der lang erwartete 11. Band der Harry Hole-Serie von Jo Nesbø vor. In der Schlusssequenz des 10. Bandes "Koma" nimmt Ståle Aunes Tochter Aurora nicht an Harry Holes Hochzeit teil. Sie ist bei einem zweitägigen Sportturnier in der Nadderud-Halle. Auf der Mädchentoilette sieht sie einen Schatten. "Und ein paar lange, schmale Schuhspitzen. Wie von Cowboystiefeln." (S. 615) In "Durst" ist der Mann mit den Cowboystiefeln zurück. Er sitzt in der Jealousy Bar, die Mehmet Kalak gehört. An diesem Abend treffen sich Geir und Elise in der Bar. Sie haben sich über die Dating-App Tinder kennengelernt. Das Treffen dauert nicht lange, Elise ist nicht interessiert. Als sie nach Hause kommt, liegt auf ihrem Bett ein Mann mit Cowboystiefeln. Elise Hermansen arbeitet als Anwältin für Vergewaltigungsopfer und kennt ihn von früher. Der Eindringling behauptet, es sei purer Zufall, dass er sie gefunden hat, was nimmt stimmt. Er beobachtet sie mit Geir schon in der Bar und verschafft sich vor ihrer Rückkehr Zutritt zu ihrer Wohnung. Auch er ist auf der Dating-App Tinder unterwegs. Er sucht jedoch keine Frau fürs Leben, er sucht sich über die App seine Opfer aus, die er auf grausamste Weise ermordet. Das Dezernat für Gewaltverbrechen unter der Leitung der Chefermittlerin Katrine Bratt nimmt die Ermittlungen auf. Hinter Harry Hole liegen drei glückliche Jahre mit seiner Ehefrau Rakel und seinem Stiefsohn Oleg, der die Polizeihochschule besucht, an der Harry Hole unterrichtet. Hole ist seit drei Jahren nicht mehr als Spezialfahnder aktiv. Der unsympathische Polizeipräsident Mikael Bellmann braucht schnelle Erfolge bei der Aufklärung des Verbrechens an Elise Hermanson. Deshalb beauftragt er Hole, sich mit einem eigenen kleinen Team an den Ermittlungen zu beteiligen. Harry stimmt zu, auch weil er den gesuchten Mörder und Vergewaltiger Valentin Gjertsen in "Koma" nicht fangen konnte. Neu im Team ist Hallstein Smith, Psychologe und Vampirismus-Experte und Anders Wyller, Kommissar-Anwärter aus Tromsø sowie der langjährige Kriminaltechniker Bjørn Holm.
Jo Nesbøs 11. Band schließt nahtlos an die Vorgängerbände an. Es gibt wenige Autoren in der Kriminalliteratur, die ihrem Ermittler das Leben so schwer machen, ihn so viel leiden lassen. Und wieder überzeugt der Autor mit einem schlüssigen Plot. Es ist eine sehr spannende Geschichte um Verrat und Intrigen. Nichts ist einfach, alles ist komplizierter, als es scheint - bis zum überraschenden Ende, das man nicht errät. Das Personal des Romans ist übersichtlich und gut gezeichnet. Sein unkonventioneller Ermittler geht wie gewohnt seinen Weg, um einen vermeintlichen Vampir zu fangen. So lange Nesbø Harry Hole nicht für immer in die Hölle schickt, hoffe ich auf weitere Bände, und der Schluss des Romans lässt darauf hoffen, dass die Reihe fortgesetzt wird. Ein ganz hervorragendes Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Veröffentlicht am 06.09.2017

Der Wolf im Schatten

Der Preis, den man zahlt
0

Falcó, der Protagonist in Arturo Pérez-Revertes Roman “Der Preis, den man zahlt“, arbeitet als Spion in einer Spezialeinheit der Falangisten. Er selbst ist weder Falangist noch Republikaner. Mit 37 glaubt ...

Falcó, der Protagonist in Arturo Pérez-Revertes Roman “Der Preis, den man zahlt“, arbeitet als Spion in einer Spezialeinheit der Falangisten. Er selbst ist weder Falangist noch Republikaner. Mit 37 glaubt er nach einem bewegten Leben voller Abenteuer und Gefahren an gar nichts mehr, auch nicht an Vaterland, Liebe oder Zukunft. Der Admiral, sein Chef, der die Hand über ihn hält, erteilt ihm den Auftrag, einen prominenten Gefangenen aus der Festung von Alcatraz zu befreien und ihn damit vor dem sicheren Tod zu retten. José Antonio Primo de Rivera ist der Gründer der Falange. Die Befreiungsaktion wird durch die Tatsache erschwert, dass der Süden noch in der Hand der Roten, der Verteidiger der Republik, ist. Falcó muss sich auf feindliches Gebiet begeben und dort mit nur wenigen Mitstreitern, darunter zwei Frauen, eine sehr komplizierte und überaus gefährliche Aktion leiten. Eine der beiden Frauen ist die attraktive, geheimnisvolle Eva Rengel. Falcó und Eva sind Komplizen, kommen sich jedoch zeitweise sehr nahe.

Die fiktive Geschichte spielt im Herbst 1936 nach dem Putsch der Faschisten und zeigt einen weitgehend verdrängten oder sogar vergessenen Krieg in all seiner Grausamkeit. Der Roman beschreibt, in welchem Maße auch die Nazis zum Sieg des Caudillo beitrugen, der Spanien eine fast 40jährige Diktatur bescherte – bis zu seinem Tod im Jahr 1975. Der Held dieses Romans ist ein charismatischer Einzelkämpfer, der vor allem die Frauen für sich einnimmt. Er fühlt sich keiner Ideologie verpflichtet. “Er war ein Mann des Augenblicks, (…). Ein Wolf im Schatten. Gierig und gefährlich.“ (S. 22). Er erledigt seinen Job sehr effizient und hat normalerweise keine Skrupel zu töten. Der Verrat, zu dem ihn seine Vorgesetzten zwingen, geht jedoch sogar ihm gegen den Strich, denn er ist trotz allem auch zu Loyalität fähig.

Der auf eine Fortsetzung hin angelegte Roman liest sich sehr gut. Er ist spannend und vor allem authentisch, was das Porträt Spaniens zur Zeit des Bürgerkriegs angeht. Bei der Darstellung von Gewalt und Folter ist der Autor jedenfalls nicht zimperlich. Insgesamt verdient “Der Preis, den man zahlt“ eine klare Empfehlung.