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Veröffentlicht am 08.02.2024

Wie hätte ich gehandelt?

Sturmmädchen
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Nach Trümmermädchen und Findelmädchen habe ich mich sehr auf Sturmmädchen gefreut. Schon die ersten beiden Bücher sind so emotional geschrieben, und hier nimmt uns Lilly Bernstein nun noch ein paar Jahre ...

Nach Trümmermädchen und Findelmädchen habe ich mich sehr auf Sturmmädchen gefreut. Schon die ersten beiden Bücher sind so emotional geschrieben, und hier nimmt uns Lilly Bernstein nun noch ein paar Jahre weiter zurück, aus Köln raus in die Eifel.

Elli und Käthe wachsen 1933 in einem Dorf in der Nähe von Monschau auf. Margot lebt mit ihren Eltern in Aachen und kommt regelmäßig in das Ferienhaus in der Eifel. Die Drei werden unzertrennlich und teilen alles miteinander.

Die Armut in dem Eifeldorf ist kaum vorstellbar und steht in krassem Gegensatz zu dem Reichtum der Aachener Familie. Allerdings ändert sich die Situation zunehmend mit der Stärkung der Nationalsozialisten, die genau zu der Zeit an die Macht kamen und schon ziemlich bald mit der Umsetzung ihres kruden Gedankenguts begannen.

Während Käthe ihre Familie unterstützt, die der Nazi-Ideologie folgt, versuchen Elli und ihre Mutter die Menschlichkeit zu erhalten. Elli selbst hat ein zu kurzes Bein (ich bin nicht ganz sicher, aber sie hatte wohl Kinderlähmung) und wird von ihrer Mutter so gut es geht beschützt und geschont. Dabei möchte sie eigentlich viel mehr tun... Von Margot kommen anfangs noch lange Briefe, aber so richtig viel bekommen die Menschen in dem abgelegenen Dorf nicht mit von dem Unheil, das den Juden auch schon in dieser frühen Nazi-Zeit widerfährt.

Margot kommt 1938 noch einmal in die Eifel, um dort ihre Hochzeit zu feiern, aber schon da ist die Kluft zwischen ihr und Käthe so groß, dass die einstige Freundschaft in Feindschaft umschlägt. Elli kann Käthe nicht verstehen, und beide Mädchen gehen nach und nach ihre eigenen Wege. Wie schlimm es tatsächlich um Margot und ihre Familie steht, erfährt sie erst bei einem Besuch in Aachen. Die Familie wurde enteignet und vegetiert in einem sogenannten Judenhaus, von wo aus sie täglich zur Zwangsarbeit abgeholt wird. Für Elli ist klar, dass sie die Freundin da raus holen muss. Ob sie das schafft und ob sie am Ende auch die große Liebe findet, verrate ich natürlich nicht.

Man taucht direkt auf der ersten Seite in die Geschichte ein. Wie gewohnt hält Lilly Bernstein sich nicht lange damit auf, die Personen vorzustellen, sondern lässt sie einfach ihr normales Leben leben, so dass man sich ganz schnell mit ihnen anfreundet. Elli ist zwar ein wenig naiv, aber man mag sie einfach, denn sie hat das Herz am rechten Fleck. So fiebert man in jeder Sekunde mit ihr mit, egal ob es um den Job geht, um ihre große Liebe Hans, um ihre Mutter oder eben die Befreiung ihrer Freundin.

Ein Buch, das mitten im zweiten Weltkrieg endet, kann eigentlich kein Happy End haben, aber auch das hat die Autorin gut gelöst. Es bleibt einiges offen, aber die Handlung ist trotzdem erst einmal abgeschlossen. Der Rest bleibt der eigenen Fantasie überlassen, und das mag ich sehr.

Es gibt noch einige Themen mehr, die im Roman angesprochen werden; zu viele für eine Rezension... eigentlich hat man alles schon einmal gehört oder gelesen und weiß schon vieles über diese Zeit. Der Roman hat mich trotzdem noch einmal mehr mitgenommen und berührt, da er einfach so empathisch und lebendig geschrieben ist. Ich habe eine neue Perspektive kennengelernt und frage mich wieder einmal, ob ich damals den Mut gehabt hätte, anders zu handeln als die Mitläufer. Hätte man die wenigen Informationen richtig deuten können und sich auf sein Gefühl verlassen? Hätte ich mich der Gefahr ausgesetzt oder vielleicht doch die Vorteile genutzt, indem ich die Augen geschlossen hätte?

Nach dem Klappentext hatte ich eigentlich gehofft, noch mehr über Käthes Beweggründe zu erfahren, sich den Nazis anzuschließen. Es ist ja schon ein Unterschied, ob man des eigenen Vorteils wegen in die Partei eintritt oder aktiv Steine auf Juden wirft... So groß kann der Druck der Gesellschaft eigentlich gar nicht sein. Darauf geht Lilly Bernstein aber nicht genauer ein, so dass man sich selbst die Gründe zusammenreimen muss. Käthe ist eher eine Nebenfigur.

Der Roman hat mich sehr berührt. Eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 13.01.2024

Leichte Unterhaltung

Sauer macht listig
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Ganz witzig geschrieben, aber es regt auch dazu an, die eigene Beziehung zu überdenken. Einige Längen, aber die kann man im Hörbuch ganz gut überwinden.

Ganz witzig geschrieben, aber es regt auch dazu an, die eigene Beziehung zu überdenken. Einige Längen, aber die kann man im Hörbuch ganz gut überwinden.

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Veröffentlicht am 12.12.2023

Damals war eben alles anders

Und am Ende die Freiheit
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Verena Rabe beschreibt in diesem Roman die 1920er und 1950er aus Sicht von Helene, einer jungen Frau, die sich vor dem zweiten Weltkrieg in ihren jüdischen Kommilitonen Julius verliebt. Kurz vor der Machtergreifung ...

Verena Rabe beschreibt in diesem Roman die 1920er und 1950er aus Sicht von Helene, einer jungen Frau, die sich vor dem zweiten Weltkrieg in ihren jüdischen Kommilitonen Julius verliebt. Kurz vor der Machtergreifung der Nazis promovieren die beiden in Jura und planen eine rosige Zukunft, die durch den stetig wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten vor allem für Julius unmöglich wird, aber auch Helene hat als Frau keine Chance mehr, ihre angestrebte Karriere als Richterin zu verwirklichen.

Julius flüchtet mit seiner Familie nach Zürich und Helene geht eine "Vernunftehe" mit Helmut ein. In den 50ern findet sie sich unglücklich in Hamburg wieder, beide Kinder sind inzwischen flügge - sie spielt ihre Rolle als Haus- und Ehefrau wie sie von den Frauen damals verlangt wurde. Als plötzlich Julius auftaucht und ihr eröffnet, dass er in Berlin neu anfangen wird, traut sich auch Helene langsam wieder, ihre Träume in Angriff zu nehmen. Sie trifft ihre alten Freunde wieder und nimmt ihr Leben wieder in die Hand.

Obwohl ich mir eigentlich gewünscht habe, dass Helene auch ohne Julius Hilfe wieder aktiv wird, ist es wahrscheinlich für die damalige Zeit schon ein großer Schritt gewesen, die Scheidung einzureichen. Um das zu verstehen, braucht der Roman auch einige Längen, um die Frauenrolle der Zeit klar zu machen.

Insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt, aber die Gefühle sind nicht so richtig übergesprungen und der Erzählstil hat mir auch nicht ganz so gut gefallen. Es war stellenweise wirklich langweilig, und es hat mich genervt, dass sich alle immer mit "liebe/-r ..." angesprochen haben.

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Veröffentlicht am 09.09.2023

Spannender Geschichtsunterricht

Die Windsor-Akte
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Ich liebe historische Romane und das Rätseln darum, wo der Grat zwischen Wahrheit und Fiktion liegt.

In diesem Roman von Dirk Huseman geht es in der Hauptsache um die Flucht des abgedankten König Edward ...

Ich liebe historische Romane und das Rätseln darum, wo der Grat zwischen Wahrheit und Fiktion liegt.

In diesem Roman von Dirk Huseman geht es in der Hauptsache um die Flucht des abgedankten König Edward und seiner Frau Wallis quer durch Europa. Ob Edward wirklich ein Vertrauter Hitlers war? Ob er es war, der Hitler den schnellen Durchbruch nach Frankreich ermöglicht hat? Das alles soll aus den geheimen Dokumenten hervorgehen, die am Ende des Krieges von Deutschen versteckt und von Engländern entdeckt wurden.

In langen Rückblenden erzählt die Bibliothekarin, die diese geheimen Dokumente bewacht, die Geschichte von Ajax und Lydie, die dem ehemaligen König durch Europa folgen und ihn vor dem deutschen und englischen Geheimdienst schützen. Dabei geht es ihnen natürlich mehr um ihre frische Liebe als um Edward und Wallis...

Der Roman liest sich wirklich sehr gut, ich bin nur so durch die Geschichte gerauscht und habe gar nicht gemerkt, wie die Seiten verflogen. Das Tempo der Handlung bleibt auf einem konstanten Niveau, und trotzdem gibt es auch immer lustige Momente, vor allem zwischen Lydie und der deutschen Prinzessin, die Edward heiraten möchte, um die Einnahme von England zu beschleunigen und endlich wieder einen Thron besteigen zu können.

Zum Ende hin wird die Story allerdings immer unglaubwürdiger und skurriler, dabei aber auch absehbar. Der zweite Teil hat mir deutlich weniger gefallen und das Ende war ziemlich schmucklos.

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Veröffentlicht am 03.08.2023

Die Nachkriegszeit

Trümmermädchen
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In ihrem Roman Trümmermädchen beschreibt Lilly Bernstein die Zeit des Krieges und vor allem die des Hungerwinters 1946/47 aus Sicht zweier Frauen, die mit aller Kraft versuchen, ihre Bäckerei in der Kölner ...

In ihrem Roman Trümmermädchen beschreibt Lilly Bernstein die Zeit des Krieges und vor allem die des Hungerwinters 1946/47 aus Sicht zweier Frauen, die mit aller Kraft versuchen, ihre Bäckerei in der Kölner Altstadt so lange wie möglich zu erhalten und den schrecklichen Winter zu überleben.

Emotional und fesselnd erzählt sie von der Not der beiden Frauen Marie und Anna, wie sie zunächst bei einer jüdischen Familie Unterschlupf finden, wie Marie sich in den Bäcker Matthias verliebt und ihn heiratet, wie Matthias schließlich eingezogen wird und die jüdische Familie flüchtet. Der Bäckerei wird der Zwangsarbeiter Joseph zugeteilt, in den sich Anna verliebt, und Marie erwartet ein Kind aus der letzten Nacht mit Matthias.

Karl wird in der Nacht der 1000 Bomber im Mai 1942 geboren, und fortan suchen die beiden Frauen mit einem Baby/Kleinkind Schutz vor den Bomben.

Nach dem Krieg verschwindet Joseph, und die beiden Frauen schlagen sich mit Karl durch das eisige Köln. Marie scheint immer mehr aufzugeben, als Anna die Kraft hat, sich auf dem Schwarzmarkt durchzusetzen.

Mit allen Sinnen habe ich das Buch verschlungen. Ich liebe Köln und habe die alten Gassen förmlich vor mir gesehen. Außerdem komme ich ebenfalls aus einer Bäckerfamilie und der Geruch von frischem Brot lässt mich auch immer an meine Kindheit denken.

Manche schreiben, es wäre ihnen etwas zu viel gewesen, was den Frauen alles passiert ist. Sie haben das Gefühl, Lilly Bernstein wollte mit aller Kraft alle möglichen Gefahren mit einbringen. Das mag schon sein, aber es ist eben ein Roman, und ich kann mir schon vorstellen, dass es tatsächlich Menschen gab, für die alles zusammen kam. Ich finde, die Autorin hat die Zusammenhänge schlüssig aufgebaut und es hatte ja einen Grund, dass ein Unglück zum anderen kam.

Für mich eines der besten Bücher über den Krieg und die Nachkriegszeit. Es hat mich emotional sehr berührt und ich fiebere der Fortsetzung entgegen.

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