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Veröffentlicht am 25.10.2023

Hauptfächer: Klauen und Abhauen

Schule der Meisterdiebe
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Crookhaven ist eine Schule, in der Kinder das Handwerk der Diebe und Einbrecher lernen. Fälschen steht auch auf dem Stundenplan, ebenso wie das Trainieren der Fingerfertigkeit, Flüchten wie im Flug und ...

Crookhaven ist eine Schule, in der Kinder das Handwerk der Diebe und Einbrecher lernen. Fälschen steht auch auf dem Stundenplan, ebenso wie das Trainieren der Fingerfertigkeit, Flüchten wie im Flug und weitere Dinge, die man offenbar als ausgebildeter Meisterdieb beherrschen muss.

Der dreizehnjährige Gabriel ist geschickt im Klauen, damit hält er sich und seine Oma über Wasser. Als er eines Tages selbst Opfer eines Diebstahls wird, ist das der Anfang einer Schulzeit der besonderen Art.

In dieser ersten Folge von „Schule der Meisterdiebe“ lernt Gabriel seine Mitschüler kennen, die alle über unterschiedlich ausgeprägte Talente verfügen. Er schließt Freundschaften und nebenbei verfolgt er die Spur seiner verschollenen Eltern.

Viel Erzählzeit geht dafür drauf, die nur zum Teil vertrauenswürdigen, dafür durchweg von sich selbst eingenommenen Lehrerpersönlichkeiten und ihre unterschiedlichen Fachgebiete zu präsentieren. Das produziert schon mal Längen im Buch.

Der Unterricht besteht in Crookhaven größtenteils aus Wettbewerben, bei denen die Schüler ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen. So entsteht maßvolle Spannung, während das Vermitteln einer fachlichen Tiefe in den einzelnen Lernfächern größtenteils ausbleibt. Ein bisschen mehr Fakten zur Kriminalistik hätte die Erzählung durchaus aufgewertet.

Nun werden Geschichten, in denen Kinder in ein Internat geraten, das auf ihre besonderen Außenseiterfähigkeiten spezialisiert ist, geradezu inflationär veröffentlicht. Muss man „Schule der Meisterdiebe" trotzdem lesen? Ja, allein, weil es ansprechend geschrieben ist. Weil sich ein Kampf des Guten gegen das Böse abzeichnet, der weit über das Schul-Einerlei hinausreicht. Und weil Teil zwei zum Glück schon in Aussicht ist.

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Veröffentlicht am 09.10.2023

Bemerkenswert politisch

Schneekinder
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Die Geschichte der „Schneekinder“ ist schnell umrissen: Eine Gruppe von Kindern und alten Leuten flieht vor einem schwarzen Nebel, der über das schneebedeckte Land zieht. Elin, kaum 15 Jahre alt, führt ...

Die Geschichte der „Schneekinder“ ist schnell umrissen: Eine Gruppe von Kindern und alten Leuten flieht vor einem schwarzen Nebel, der über das schneebedeckte Land zieht. Elin, kaum 15 Jahre alt, führt den Flüchtlingszug an. Niemand weiß, ob der gefährliche und entbehrungsreiche Weg, den die Kinder gehen, überhaupt in eine Rettung münden wird.

Mögliche Erwartungen an ein heiteres Abenteuer vor gefälliger Schneekulisse werden hier nicht bedient. Zu bedrückend ist es, die Aussichtslosigkeit und die ständigen Rückschläge zu erleben, denen die um ihr Leben marschierenden Kinder ausgesetzt sind. So wie der Schnee die unendliche, vereiste Landschaft bedeckt, die sich nur selten von ihrer schönen Seite zeigt, legt sich die bedrohliche Stimmung Seite für Seite auf den Leser.

Bemerkenswert sind allerdings die Beziehungen der Kinder untereinander, die sich innerhalb dieser Notgemeinschaft entwickeln. Das Buch thematisiert Verantwortung, Ausgrenzung und Vorurteile, Missgunst, Opferbereitschaft, Rebellion und Despotismus, und es stellt zentrale Fragen: Wie erstrebenswert ist es überhaupt, ein Anführer zu sein, und was sind uns die Alten wert? Das macht die Geschichte sehr politisch und bietet viele Ansätze für Fragestellungen und Diskussionen. Allein dafür, und weil es wirklich schön geschrieben ist: fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 29.09.2023

Achterbahn der Naturerlebnisse

Die weite Wildnis
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Sprachlich trägt Lauren Groff wieder so richtig dick auf - wie sonst könnte die inhaltlich dürre Geschichte über bald 300 Seiten tragen?

Ein Mädchen flieht vor dem Hunger, den Krankheiten und der Unmenschlichkeit ...

Sprachlich trägt Lauren Groff wieder so richtig dick auf - wie sonst könnte die inhaltlich dürre Geschichte über bald 300 Seiten tragen?

Ein Mädchen flieht vor dem Hunger, den Krankheiten und der Unmenschlichkeit in dem englischen Fort, in dem sich die ungebetenen Siedler des nordamerikanischen Kontinents verschanzt haben. Sie erlebt eine Achterbahn der Naturerlebnisse in diesem unwirtlichen Land, das die unheilbringenden Eindringlinge von Übersee zu der Zeit noch erfolgreich in Schach hält.

Die Autorin erspart dem Mädchen einen eigenen Namen, bezeichnet sie doch der Rest der Welt so, wie er sie sieht: Als unerwünschtes Ereignis, das man wie ein Haustier weiterreichen und befehligen kann.

Gebannt verfolgt man nun die scheinbaren Belanglosigkeiten, die notwendig sind, damit das Mädchen am Leben bleibt: das Feuermachen, den Fischfang oder das Aufsuchen einer schützenden Höhle. Dies alles wird immer wieder garniert mit Rückschauen auf das erbarmungswürdige bisherige Leben dieser zähen Protagonistin.

So sehr man mit dem Mädchen mitfiebert, so wenig wird man auch in diesem Buch von Lauren Groff mit den Männern warm: Sie sind selbstherrlich, primitiv, gefährlich und brutal, letztendlich störend oder zumindest überflüssig, und einer, der erwischt wird, kriegt die fürchterliche Rache der Ur-Amerikanerinnen zu spüren.

Am Ende schließt sich der Kreis, wir erfahren, wie genau es zu der Flucht kam und warum sich das Mädchen zu Beginn der Geschichte so verzweifelt die Hände säubert.

„Die weite Wildnis“ verdient fünf Sterne für seine sprachliche Qualität und das daraus erwachsende Lesevergnügen. Eine Leseempfehlung ist aber wegen der weitgehende Eintönigkeit der Ereignisse leider nur eingeschränkt möglich.

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Veröffentlicht am 05.09.2023

Ein grenzüberschreitendes Werk

Treacle Walker
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Die Grenze zwischen dem Wahren, dem Erträumten und dem Möglichen verschwimmt in dieser knapp 150 Seiten kurzen Geschichte, die dem jungen Joseph Coppock eines Tages den Besuch eines fahrenden Händlers ...

Die Grenze zwischen dem Wahren, dem Erträumten und dem Möglichen verschwimmt in dieser knapp 150 Seiten kurzen Geschichte, die dem jungen Joseph Coppock eines Tages den Besuch eines fahrenden Händlers beschert. „Klüngelkerl“ würde man ihn hier nennen, einen Altstoffsammler, der nicht mehr Benötigtes entsorgt und woanders wieder zu Geld macht. Historisch galten sie oftmals als sozial ausgegrenzt und die Androhung ihres Erscheinens wurde eingesetzt, um Kinder zu ängstigen.

Ein Wanderheiler der Erkenntnis ist dieser Treacle Walker, denn er bringt Joe dazu, sein stets bedecktes Auge zu nutzen, das er eigentlich schonen soll, um das andere, angeblich schwachsichtige, zu trainieren. Das schwache Auge jedoch sieht die reale Welt. Das verborgene Auge entblößt dagegen auch Dinge und Eindrücke jenseits des Offensichtlichen.

Thin Amren, den Mann aus dem Sumpf, kann Joe deshalb nur mit diesem Auge sehen. Ein echtes Rätsel gibt die Buchstabenreihe auf, die Joe bei einem Sehtest vorträgt, den er mit dem hellsichtigen Auge macht, die aber de facto gar nicht auf der Sehtafel existiert.

Der Ruf des Kuckuck, die Welt jenseits des Spiegels, ein Lauf durch den Tunnel, der Rollentausch von Joe und Treacle - viel weist daraufhin, dass der Tod dem Jungen einen Besuch abstattet. Aber wie bei jedem Kunstwerk lässt sich auch diese Fantasygeschichte voller literarischer, mythischer und historischer Andeutungen unendlich interpretieren.

Acht Jahre hat sich der 88jährige britische Autor Alan Garner, der seine Bücher noch mit dem Stift zu Papier bringt, Zeit genommen, um „Treacle Walker“ zu schreiben. Nur knapp hat er damit im vergangenen Jahr den Booker Prize verpasst. Er schaffte es bis auf die Shortlist.

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Ein Buch von Schuld und Zufall

Rattensommer
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„Die Dinge … sie passieren einfach“, sagt Herr Marinko zu seiner Frau und fasst damit das ganze Drama zusammen: Meistens trägt niemand wirklich eine Schuld. Der Zufall bestimmt das Leben, und wer es nach ...

„Die Dinge … sie passieren einfach“, sagt Herr Marinko zu seiner Frau und fasst damit das ganze Drama zusammen: Meistens trägt niemand wirklich eine Schuld. Der Zufall bestimmt das Leben, und wer es nach einem traumatisierenden Ereignis nicht schafft, weiterzumachen, vermehrt sein Unglück zulasten anderer.

Das passiert Lou und Sonny, beide 15 und schon von einem großen Verlust gezeichnet. Sonny hat ihre Mutter verloren. Lou leidet darunter, wie ihre Eltern mit einer lang zurückliegenden Totgeburt umgehen.

Dazu ist in diesem Sommer alles extrem: die Hitze, der Gestank des Sees, Lous Zuneigung zu Sonny und das Abdriften der Freundin ins Unvertretbare. Und mittendrin wird Lou 16 und merkt, dass sie dieses Leben, das sie immer nur als Beifahrerin von anderen führt, endlich selbst steuern sollte. Der früh entlassene Straftäter Hagen Bender ist nur der zündende Funke für die längst fällige Erkenntnis: Lou muss sich dringend ins Erwachsenwerden retten, um nicht zu vergehen.

„Rattensommer“ ist ein dicht gewebter Jugendroman mit viel Atmosphäre und reichlich Symbolik - direkt, humorvoll, ausschweifend, kompromisslos.

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