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Veröffentlicht am 12.12.2017

Dan Brown und ich werden sicher keine Freunde mehr

Origin
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Dan Brown ist einer dieser Autoren, die ich unmittelbar mit meiner Jugend verbinde. Meisterhaft gelang es ihm damals, mich in Staunen zu versetzen, mich kritisch mit gewissen Theorien auseinanderzusetzen ...

Dan Brown ist einer dieser Autoren, die ich unmittelbar mit meiner Jugend verbinde. Meisterhaft gelang es ihm damals, mich in Staunen zu versetzen, mich kritisch mit gewissen Theorien auseinanderzusetzen und mich für Themen zu begeistern, die mir zuvor völlig fremd waren. Ich erinnere mich an die Auflösung von Sakrileg, die meine Augen groß werden ließ. Ich weiß noch genau, wie ein ganz bestimmter Plot Twist in Illuminati mein Herz scheinbar aussetzen ließ. Und ich erinnere mich an das Wochenende, als ich Das verlorene Symbol verschlang, nicht mehr ganz so euphorisch wie bei den Vorgängern, aber immer noch sehr von dem Autor angetan.
Dann erschien Inferno. Inzwischen war ich zum Vielleser mutiert und freute mich darauf, wieder von Dan Brown an der Nase herumgeführt zu werden. Doch die Ernüchterung kam schnell. Dinge, die mir vorher nie aufgefallen waren, störten mich so massiv, dass mir der Spaß völlig abhanden kam. Ich fühlte mich regelrecht veräppelt von dieser Einfallslosigkeit und der Tatsache, dass hier ein und der selbe Plot ein viertes Mal geschrieben wurde, weswegen ich genau wusste, welcher Plot Twist wann erscheinen würde und wie sich die Geschichte entwickelte. Da schwor ich mir, nie wieder ein Buch von Dan Brown aus der Robert Langdon Reihe zu lesen. Und dann kam Origin. Da sagte mir mein innerer Nostalgiker, dass Inferno vielleicht nur ein Ausreißer war und wenn ich mit anderen Erwartungen an die Geschichte ginge, immer noch riesen Spaß bei der Schnitzeljagd mit Robert Langdon haben könnte. Also ging ich mit der Erwartung an das Buch, dass es vor Einfallslosigkeit nur strotzen würde, wir hier sämtliche Elemente aus den vorigen Büchern finden würden (weiblicher, bildhübscher und überaus intelligenter Sidekick, genau durchstrukturierte Action, die Polizei oder eine andere öffentliche Sicherheitsinstanz, die an Robert Langdons Seite kämpft und natürlich brenzlige Situationen, aus denen sich unser Allround Talent Symbologe befreien kann. Natürlich in letzter Minute). Ich hatte diese Dinge akzeptiert und meinen Frieden mit ihnen geschlossen und ging mit der Erwartung daran, dass Dan Brown mich mit seinen Themen, nicht aber mit seiner Geschichte, verblüffen würde und ich spannende Rätsel mit meinem Lieblings Harvard Dozenten knacken würde.

Anfangs bereute ich diese Entscheidung auch nicht, aber irgendwann kam mir der Gedanke: „Und wo bleibt jetzt das Rätsel?“ Und das kann man auf zwei Dinge münzen: Denn weder hatte Robert Langdon wahnsinnig ausgeklügelte Rätsel zu lösen (allgemein kam er hier als Charakter sehr kurz) und außerdem waren da die beiden Fragen „Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“, deren Auflösung mir tatsächlich ein Rätsel waren. Und zwar war mein persönliches Rätsel, ob der Autor das ernst meinte. In jedem zweiten Science Fiction Werk werden einem diese Auflösungen um die Nase geklatscht, ich glaube es gibt kaum jemanden in der aufgeklärten Welt, den diese „Neuigkeiten“ verblüffen dürften.
Am Ende kam wieder der allseits bekannte Plot Twist, der mir von Anfang klar war und der die Geschichte nicht mehr ans rettende Ufer ziehen konnte.
Außerdem hat Dan Brown seine wirklich sehr dünne Geschichte derart in die Länge gezogen, dass es mich teilweise zu Tode langweilte. Ein Cliffhanger jagt hier den nächsten, nur um das Publikum irgendwie bei der Stange zu halten. Es ist einfach keine literarische Kunst aus jeder SMS, jedem Gespräch, jeder Gefühlsregung einen Cliffhanger zu machen.

Alles in allem kann ich nur sagen, dass Dan Brown mich nun endgültig verloren hat, Nostalgie hin oder her. Hätte er doch eine raffinierte, symbolträchtige Schnitzeljagd entworfen, dann hätte ich ihm die ganzen anderen Fehler halbwegs verziehen. Aber so bleibt mir leider nichts, als das Buch in die hinterste Ecke des Regals zu verbannen und zu hoffen, dass es sich irgendwer irgendwann mal ausleihen möchte, sodass es doch noch einen sinnvollen Zweck erfüllt.