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Veröffentlicht am 26.02.2020

Hat mit Braunkohletagebau nichts zu tun

Unter der Erde
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Eins vorweg, denn sehr wahrscheinlich bin ich nicht die einzige, die vom Klappentext in die Irre geführt wurde. Anders als dort suggeriert wird hat dieses Buch mit Braunkohletagebau und dem Überlebenskampf ...

Eins vorweg, denn sehr wahrscheinlich bin ich nicht die einzige, die vom Klappentext in die Irre geführt wurde. Anders als dort suggeriert wird hat dieses Buch mit Braunkohletagebau und dem Überlebenskampf der Dörfer am Rand der Abbruchkante nichts zu tun. Die Story könnte auch an jedem anderen lost place spielen, in verlassenen Industrie- oder Militäranlagen, Höhlen oder Bunkern oder wo auch immer. Und aus Respekt vor den Betroffenen, deren Leben durch den Braunkohletagebau auf den Kopf gestellt wird, wäre das auch besser gewesen. Denn hier geht es nicht um Menschen, die ihre Heimat und ihr soziales Umfeld verlieren, sondern im Gegenteil um ein Dorf voller Psychopathen, die in geheimen Tunneln und Verließen unter der Erde ihren menschenverachtenden Geschäften nachgehen. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich dieses Buch nie in die Hand genommen.

Auch Elias hat keine Ahnung, was ihn erwartet, als er zum 90. Geburtstag seines Großvaters Wilhelm in das Dorf reist. Er hat Wilhelm über dreißig Jahre nicht gesehen, ist nach dem Tod seiner Mutter im Heim aufgewachsen und hat keine Erinnerungen an die ersten Lebensjahre im Haus des Großvaters. Völlig unvorbereitet gerät er in den Sog der unheimlichen Ereignisse über und unter der Erde, und erst nach und nach erschließt sich ihm (und dem Leser) das ganze Ausmaß des Wahnsinns.
Das Buch ist handwerklich gut gemacht mit wechselnden Erzählsträngen und eingestreuten Flashbacks, in denen Elias' frühkindliche Erinnerungen wie einzelne Puzzlesteinchen zurück kommen.
Sollte der Autor mit seiner These recht haben, dass ein gutes Buch eines ist, das man immer weiter liest, weil man unbedingt wissen möchte, wie es weiter geht oder was dahinter steckt, ja, dann wäre 'Unter der Erde' ein gutes Buch. Aber ich teile diese These nicht! Das Kriterium mag ausreichen für die banalen Horrorgeschichten, die Elias schreibt. Doch ein wirklich guter Autor will seinen Lesern doch mehr bieten, oder nicht? Ich habe jedenfalls bis zu Ende gelesen, weil ich einfach nicht glauben wollte, dass diese Ansammlung von Skrupellosigkeit und Gewalt, verbrämt mit ein paar Floskeln über Schafe und Wölfe, wirklich alles sein soll. Ich habe immer gewartet, dass da noch irgendeine Auflösung kommt, ein 'Ach so'-Moment, der dem ganzen im Rückblick irgendwie Sinn gibt. Kam aber nicht... Zum Ende hin gibt es Szenen, die sind so absurd, dass ich mich gefragt habe, ob die ernst gemeint sind oder Persiflage. Aber auch dann erschließt sich mir der Sinn nicht. Nein, für mich ist das definitiv kein gutes Buch!

Veröffentlicht am 15.01.2020

Die schwierige Grenze zwischen Gut und Böse

Die Toten von Marnow
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Jahrhundertsommer 2003, Hitze flimmert über Mecklenburg-Vorpommern. In einem Rostocker Plattenbau wird ein ehemaliger Mitarbeiter des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) ermordet, auf seinem Rechner ...

Jahrhundertsommer 2003, Hitze flimmert über Mecklenburg-Vorpommern. In einem Rostocker Plattenbau wird ein ehemaliger Mitarbeiter des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) ermordet, auf seinem Rechner findet sich kinderpornographisches Material. Kurz darauf kommt der ehemalige Forschungsleiter und Geschäftsführer eines westdeutschen Pharmakonzerns in seiner noblen Seniorenresidenz zu Tode. Beiden wurde von einem Linkshänder routiniert die Kehle durchtrennt. Erste Spuren führen auf einen idyllisch gelegenen Campingplatz in Marnow, aber mächtige Seilschaften setzen alles daran, dass die wahren Hintergründe im Dunkeln bleiben.

Der Rostocker Kommissar Frank Elling ist ein geselliger Typ mit Familie und kleinem Reihenhäuschen. Seine neue Kollegin Lona Mendt hat sich erst vor Kurzem aus Hannover nach Rostock versetzen lassen. Sie wohnt in einem Wohnmobil, ist freundlich, aber unnahbar und gibt nichts Privates preis. Erst nach und nach entwickeln die beiden Vertrauen zueinander, doch wie weit gehen Loyalität und Teamgeist, wenn es gilt, die eigene Haut zu retten? Je weiter die beiden in ihren Ermittlungen kommen, desto stärker wird der Gegenwind und desto häufiger lassen sie sich selbst zu moralisch fragwürdigen Handlungen hinreißen.

Wolfgang Schorlau schreibt dazu: 'Die säuberliche Trennung zwischen Ermittler und Täter ist aufgehoben, wir Leser wissen nicht immer genau, ob die Guten wirklich gut sind – und erwischen uns dabei, wie wir ihnen trotz ihrer Fehltritte fest die Daumen drücken.'

Dieser erste Fall der neuen Krimireihe von Holger Karsten Schmidt überzeugt mit einem durchgehend spannenden, gut durchdachten und gewissenhaft recherchierten Krimiplot, aber er ist viel mehr. Der Autor führt in ein höchst ambivalentes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte und macht schnell klar, dass die Grenze zwischen Gut und Böse nicht so leicht zu ziehen war und ist. Wie weit geht die persönliche Verantwortung in einem Unrechtsstaat? Wie weit geht man, um die zu schützen, die man liebt? Und wenn man sie dann doch verliert?

Neben vielen Fragen zur moralischen Integrität haben mich besonders die Fragen zur Medizinethik berührt. Wie weit darf man gehen, um ein, zwei oder mehr Menschenleben zu retten? Kann man Leben gegeneinander aufwiegen? Muss man das in manchen Situationen sogar (Stichwort Triage)?

Viele Fragen und eben keine schnellen, einfachen Antworten. Genau darin liegt das Besondere des Buches. Der Autor verwebt viele Themen und Handlungsstränge, ohne dass es irgendwie überladen oder aufgesetzt wirkt. Es geht um menschliche Schwächen und politische Interessen. Um persönliche Schicksale und Druck des Systems. Um alte DDR-Seilschaften und neue Karriere nach der Wende.
Ein brillianter Reihenauftakt, gerne mehr davon. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 03.01.2020

Familiengeschichte vom Niederrhein

Aber Töchter sind wir für immer
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Zum 80. Geburtstag des Vaters treffen sich nach langer Zeit die Schwestern Johanna, Heike und Nesthäkchen Britta wieder. Sie wohnen weit voneinander entfernt, sind sehr verschieden, aber was sie verbindet ...

Zum 80. Geburtstag des Vaters treffen sich nach langer Zeit die Schwestern Johanna, Heike und Nesthäkchen Britta wieder. Sie wohnen weit voneinander entfernt, sind sehr verschieden, aber was sie verbindet ist ihr Elternhaus am Niederrhein. Ein kleines Bahnwärterhaus zwischen Schienen und Feldern, in dem die drei zusammen mit ihrer früh verstorbenen Schwester Hermine aufgewachsen sind.
Der Familienroman von Christiane Wünsche geht über drei Generationen und erzählt einfühlsam die Geschichte der einzelnen Familienmitglieder und ihre Beziehungen untereinander. Erst nach und nach erschließt sich aus den eingestreuten Tagebuchaufzeichnungen von Hermine ein gut gehütetes Familiengeheimnis.
Das Buch kreist um die Themen Familie, Verlust und die Suche nach Heimat und ist eine lebendige Zeitreise durch die letzten 80 Jahre deutscher Geschichte. Klare Leseempfehlung für alle, die sich für authentische, bodenständige Lebensgeschichten interessieren und aus Familien stammen, in denen die Kriegs- und Nachkriegsjahre und die Flucht aus der Heimat eine prägende Rolle gespielt haben.

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Erschreckende Ermittlungspannen

Endstation
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2013 wird ein Student tot aus dem Rhein geborgen. Er hatte mit Freunden eine Disco besucht. Schnell wird ein Suizid vermutet und die Akte geschlossen.
Als Zielfahnder Thomas Mohr 2018 die Abteilung Cold ...

2013 wird ein Student tot aus dem Rhein geborgen. Er hatte mit Freunden eine Disco besucht. Schnell wird ein Suizid vermutet und die Akte geschlossen.
Als Zielfahnder Thomas Mohr 2018 die Abteilung Cold Cases übernimmt, stolpert er über den Fall und findet vieles ungereimt. Er rollt die Ermittlungen neu auf und entdeckt eine Schattenwelt.
Der Roman ist einem wahren Fall nachempfunden, zu dem Wolfgang Kaes als Journalist intensiv recherchiert hat. Sehr anschaulich und realitätsnah beschreibt er Ermittlungspannen der Polizei und das Ausbremsen von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft.
Wer Kinder hat und sich vorstellt, dass deren Tod nicht aufgeklärt wird, fiebert noch intensiver mit.
Wie politische Interessen, weisungsgebundene Staatsanwälte und der Korpsgeist der Polizei Ermittlungen behindern oder in die falsche Richtung lenken können, hat uns erschreckt. Das Buch ist fiktiv, aber vieles könnte so oder ähnlich geschehen oder geschehen sein...

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Mal eine ganz neue Perspektive

Riskante Manöver
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Pharma-Riese Wenner wirbt stolz mit seinem speziell für Kinder entwickelten Top-Medikament Validolor, doch dann erkranken gleich mehrere Kinder nach dessen Einnahme schwer, die sechsjährige Sophie stirbt. ...

Pharma-Riese Wenner wirbt stolz mit seinem speziell für Kinder entwickelten Top-Medikament Validolor, doch dann erkranken gleich mehrere Kinder nach dessen Einnahme schwer, die sechsjährige Sophie stirbt. Wurden für die Zulassung des Medikaments Testreihen manipuliert? Schnell stürzen sich Medien und Pharmakritiker auf den vermeintlichen Skandal. Wenner engagiert den PR-Profi Mats Holm, der den Konzern aus den Negativschlagzeilen rausholen soll. Der 'Master of Desaster' verlässt sich dabei nicht auf die Aussagen der Wenner Bosse, sondern stellt eigene Nachforschungen an. Gibt es einen Maulwurf im Konzern? Hat die Konkurrenz ihre Finger im Spiel? Wo ist die verschwundene Mitarbeiterin Sandra Schönbaum?
Ein temporeicher Wettlauf gegen die Zeit mit viel Hintergrundinfo zur Pharmaindustrie, erzählt aus dem speziellen Blickwinkel des Krisenmangements. Das hat uns gut gefallen, weil es mal ganz etwas anderes ist und wirklich spannend umgesetzt wurde. Man merkt, dass der Autor selbst Journalist ist und viel zum Thema recherchiert hat. Daher klare Leseempfehlung für diesen ersten Band der Krimireihe um PR-Profi Mats Holm.
Band 2 erscheint Mitte Januar 2020 und heißt Riskante Rezepte. Dann geht es um einen Todesfall in einem angesagten Edel-Restaurant bei Hamburg. Wir freuen uns schon darauf!

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