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Veröffentlicht am 28.12.2019

Die Anatomie einer toxischen Beziehung

Jahre später
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Ich habe „Jahre später“ gelesen, ohne die beiden Vorläuferbände zu kennen. Die dreißigjährige April ist Schriftstellerin und lebt mit ihrem pubertären Sohn Julius in Berlin. Auf einer Lesung lernt sie ...

Ich habe „Jahre später“ gelesen, ohne die beiden Vorläuferbände zu kennen. Die dreißigjährige April ist Schriftstellerin und lebt mit ihrem pubertären Sohn Julius in Berlin. Auf einer Lesung lernt sie Ludwig kennen, einen Chirurgen aus Hamburg. Es entsteht eine Brieffreundschaft – und schließlich eine Beziehung. Diese basiert vor allem auf gegenseitiger Anziehung, eine richtige Liebe entsteht nicht zwischen den beiden. Die beiden Einzelgänger finden zueinander – April wird schwanger, sie heiraten, April zieht nach Hamburg. Durch dieses neue Leben scheint April Julius größtenteils zu vergessen und sich selbst zu überlassen. Auch schon vorher kümmert sie sich wenig um ihn – und so ist es nicht überraschend, dass dieser schließlich zum Vater zieht. Das Kind mit Ludwig, ein Sohn, wird von April mehr geliebt, diesmal kann sie sich in ihrer Rolle als Mutter mehr entfalten, da sie einen Mann an ihrer Seite hat, der sie finanziell unterstützt – doch auch diese Freude hält nicht lange an. Ludwig, der anfangs so erfolgreich und interessant schien, ist in erster Linie Narzisst und lügt seinen Weg durchs Leben. April musste vor allem als Kind sehr viel durchmachen und scheint dadurch sehr distanziert, wird im Buch mehrmals als „starke Frau“ beschrieben. Dies ist sie wohl, zumindest in der Hinsicht, dass sie sich nicht unterkriegen lässt.

Klüssendorf beschreibt sehr distanziert das Kennenlernen, die Beziehung und schließlich deren Zerbrechen und das Danach. Sie schreibt ruhig und flüssig, lässt genug Raum für den Leser, sich selbst etwas dazu zu denken, aber doch mit einer stillen Wucht. Da sie nicht wertend schreibt kann der Leser selbst seine Schlüsse dazu ziehen. Ein sehr lesenswerter Roman über zwischenmenschliche Beziehungen und über das Leben im Allgemeinen. Nach diesem Buch werde ich auch die beiden Vorgängerromane lesen.

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Veröffentlicht am 11.12.2019

Anders als erwartet

The Wonderful Wild
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„In einer Welt, in der dich alles permanent anschreit, um deine Aufmerksamkeit zu erregen, ist es eine fast unersetzliche Superkraft, die Stille hören zu können.“

Gesa Neitzel, Jahrgang 1987, ist Rangerin ...

„In einer Welt, in der dich alles permanent anschreit, um deine Aufmerksamkeit zu erregen, ist es eine fast unersetzliche Superkraft, die Stille hören zu können.“

Gesa Neitzel, Jahrgang 1987, ist Rangerin in Afrika und Autorin. Dies ist ihr zweites Buch. Ich muss dazu sagen, dass ich das erste nicht kenne. Der Untertitel des Buches, „Was ich von Afrikas Wildnis fürs Leben lerne“, ließ mich ein Buch über Afrika erwarten. Über wilde Tiere, über die Wildnis, über das einfache Leben. Dies wird der Leser in diesem Buch jedoch nicht oder nur sehr bedingt finden. Vor allem erzählt Gesa hier recht ungeordnet über ihren Lebensweg und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Sie gehört zur Generation Y (wie ich auch) und scheint recht ziellos durchs Leben geirrt zu sein, bis sie in einem Südafrika Urlaub ihre Bestimmung fand: sie beschloss, sich zur Rangerin ausbilden zu lassen. Zuvor arbeitete sie unter anderem als Fernsehredakteurin. Zudem ist sie Autorin – wie sie in diesem Buch beschreibt ist dies jedoch ein Mittel zum Zweck: Ihre Ausbildung zur Rangerin konnte sie sich nur leisten, indem sie gleichzeitig ein Buch darüber schrieb. Es bleibt offen, wofür sie das Geld vom zweiten Buch verwenden wird. Die ersten 160 Seiten des Buches philosophiert Neitzel tatsächlich über Gott und das Leben – es geht hier um alles und nichts, leider aber wenig um den afrikanischen Kontinent. Der Leser bekommt Tipps, wie er seine Bestimmung im Leben finden kann. Denn es scheint für Neitzel klar zu sein, dass wir die alle noch nicht gefunden haben – daher kann sie uns hier so wunderbar anleiten. Ich kann hier die Ansichten der Autorin leider häufig nicht teilen – zum Beispiel scheint sie der Meinung, Natur sei nur in Afrika zu finden. Tja, ich kann sehr wohl auch in den Alpen genug Natur finden, vielen Dank. Auch hier gibt es Tiere zu beobachten und Ruhe zu genießen! Biologische Vorgänge in unserem Körper werden als „Weisheit“ des Körpers betrachtet. Auch erzählt die Autorin so selbstbestimmt und viel darüber, die eigene Bestimmung im Leben zu finden, scheint aber trotzdem mit dem Leben als Rangerin nicht vollends zufrieden – so beschreibt sie das zumindest im Buch (sie nimmt nur noch ausgewählte Kunden mit auf Safari). Auch ist sie der Meinung, das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern sei fast erreicht – meiner Meinung nach muss sich hier noch einiges tun. Ab Seite 160 nimmt das Buch Fahrt auf, bis dahin handelt es sich lediglich um ungeordnete Gedanken der Autorin zu ihrem Leben und dazu, wie andere ihr Leben leben sollten. Ab hier geht es um positive Denkweisen, Leben mit der Natur und um Nachhaltigkeit – interessante Themen, zu denen die Autorin auch einige interessante Referenzen liefert. Da ich diesen Teil doch sehr interessant fand, gibt’s zwei statt nur einem Stern. Insgesamt aber leider enttäuschend. Vielleicht ist dieses Buch nur etwas für die, die noch „planlos“ durchs Leben irren und ihre Bestimmung suchen? Ich weiß es nicht, denn ich habe meine Bestimmung zum Glück gefunden.

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Veröffentlicht am 28.11.2019

Hervorragende Fortsetzung zum Report der Magd

Die Zeuginnen
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Ich muss zugeben, ich hatte nicht all zu große Hoffnungen für "Die Zeuginnen". Eine Fortsetzung für so ein erfolgreiches Buch, welches zu einer ebenfalls erfolgreichen Serie verfilmt wurde, nach so einer ...

Ich muss zugeben, ich hatte nicht all zu große Hoffnungen für "Die Zeuginnen". Eine Fortsetzung für so ein erfolgreiches Buch, welches zu einer ebenfalls erfolgreichen Serie verfilmt wurde, nach so einer langen Zeit? Da ich das erste Buch wirklich toll fand konnte ich nicht widerstehen und musste die Fortsetzung lesen. Und soviel kann ich sagen: Atwood hat die Fortsetzung hervorragend umgesetzt und meiner Meinung nach den ersten Band noch übertroffen.

"Die Zeuginnen" spielt ca 15 Jahre nach "Der Report der Magd". Drei Handlungsstränge erzählen vom Leben in Gilead (Tante Lydia sowie die Tochter eines Kommandanten)
und außerhalb (ein Mädchen in Kanada). Teils knüpft Atwood hier an den ersten Band an, teils bringt sie Ideen aus der Serie ("die kleine Nicole"). Die drei Handlungsstränge erzählen abwechselnd und ergänzend vom Leben und dem Beginn des Falles von Gilead. Allzu viel möchte ich nicht verraten, nur so viel: das Buch ist sehr gut und spannend geschrieben und bringt noch mal einige neue Ideen. Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.11.2019

Lest dieses Buch!

Eure Heimat ist unser Albtraum
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Ich kann die vielen negativen Rezensionen zu diesem Buch wirklich nicht verstehen. Häufig fragt man sich, ob der Rezensent das Buch wirklich gelesen hat. Das Konzept des Buches finde ich sehr interessant ...

Ich kann die vielen negativen Rezensionen zu diesem Buch wirklich nicht verstehen. Häufig fragt man sich, ob der Rezensent das Buch wirklich gelesen hat. Das Konzept des Buches finde ich sehr interessant gewählt: 14 bekannte deutsche Autoren mit Migrationgshintergrund haben je einen Essay zu verschiedenen Themen dazu beigetragen. Ich fand die Essays durchwegs sehr gut umgesetzt, ausgesprochen gut geschrieben und interessant zu lesen. Fast alle haben mich zum Nachdenken gebracht. Vor allem die Essays zu Essen und Sprache haben mich beeindruckt. Ich selbst habe auch ähnliches erlebt, als ich nur von einem in ein anderes Bundesland gezogen bin - das Ausmaß lässt sich natürlich bei weitem nicht vergleichen. Ich finde dieses Buch extrem relevant für alle, die in deutschsprachigen Länder leben: egal ob Deutschland oder anderswo, ob mit oder ohne Migrationgshintergrund. Lest dieses Buch, lasst euch von den Amazon - Rezensionen nicht abschrecken!

Veröffentlicht am 28.11.2019

Eindrückliches Debüt von 1937

Menschen neben dem Leben
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Ich war bereits von "Der Reisende" begeistert und wollte daher das andere (erste) Werk des Autors unbedingt lesen. Boschwitz schrieb zwei Bücher, "Menschen neben dem Leben" und "Der Reisende". Sie wurden ...

Ich war bereits von "Der Reisende" begeistert und wollte daher das andere (erste) Werk des Autors unbedingt lesen. Boschwitz schrieb zwei Bücher, "Menschen neben dem Leben" und "Der Reisende". Sie wurden erst 2018 bzw 2019 auf Deutsch übersetzt, lektoriert und im Klett Cotta Verlag publiziert. "Menschen neben dem Leben" erschien 1937 auf Schwedisch, 1939 auf Englisch, 2019 nun auf Deutch. Boschwitz starb 1942 im Alter von 27 Jahren bei einem deutschen Torpedo-Angriff auf der Überfahrt von Australien nach England.

In "Menschen neben dem Leben" beschreibt Boschwitz die Menschen am Rande der Gesellschaft im Berlin der Zwischenkriegsjahre. Der Krieg und die Weltwirtschaftskrise lässt viele Menschen mittellos dastehen: vor allem durch technische Verbesserungen werden viele Berufe obsolet, die Arbeitslosigkeit steigt, die Arbeiter werden immer schlechter behandelt, weil sie sofort austauschbar sind. So geht es auch Boschwitz' Protagonisten: Schreiber, der Gemüsehändler, die Obdachlosen Fundholz und Tönnchen, der kleinkriminelle Grissman und der blinde Sonnenberg.

Boschwitz hat ein gutes Gespür für Menschen und kann sich ausgezeichnet in diese hineinfühlen. So schafft er, dass der Leser diese ihm vermutlich fernen Menschen ausgezeichnet versteht. In kurzen, gut verständlichen Sätzen beschreibt er dicht, lebendig und authentisch das Leben im Berlin der 20er Jahre. Auch der Humor kommt trotz des ernsten Themas nicht zu kurz. Wahnsinn, dass der Autor dieses Buch mit nur 22 Jahren geschrieben hat. Ein wirklich eindrücklicher Debüt-Roman der noch lange nachwirkt.