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Veröffentlicht am 04.08.2023

Spannende Geschichte über Freundschaft und Vergeltung

Rattensommer
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Dieses Buch ist zwar ein Jugendbuch, kann aber gut auch von Erwachsenen gelesen werden.
Es geht um zwei fünfzehnjährige Freundinnen, deren Freundschaft unerschütterlich zu sein scheint. Doch ein Sommer ...

Dieses Buch ist zwar ein Jugendbuch, kann aber gut auch von Erwachsenen gelesen werden.
Es geht um zwei fünfzehnjährige Freundinnen, deren Freundschaft unerschütterlich zu sein scheint. Doch ein Sommer verändert alles. Denn Sonny, deren Mutter einige Jahre zuvor unabsichtlich bei einer Auseinandersetzung zwischen einem Imbissverkäufer und einem trunkenen Kunden ums Leben gekommen ist, will sich nun an dem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Täter rächen. Dabei zählt sie auf Lous Hilfe. Zwischen beiden bahnt sich zudem eine körperlich nahe Beziehung an. Lou allerdings betrachtet die Pläne ihrer Freundin besonnener und sieht in dem Täter auch den Menschen. Auch Lou trägt ein Trauma mit sich. Denn ihre ältere Schwester ist ein sog. Sternenkind.
Atmosphärisch ist dieser Roman sehr gelungen. Wie sich Sonnys blinder Hass für den Mann, der den Tod ihrer Mutter verursacht hat, intensiviert, macht das Lesen unheimlich spannend. Nachdenkenswert ist, ob die Beziehung zwischen beiden Mädchen tatsächlich Freundschaft ist. Zum Geben bereit ist nämlich nur eine, während die andere nur fordert. Auch die übrigen Romanfiguren sind gut gezeichnet, vor allem Lous Eltern, von denen jedes Elternteil den Verlust ihres tot geborenen ersten Babys anders verarbeitet.
Durchaus lesenswert.

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Veröffentlicht am 28.07.2023

Bewegende Familiengeschichte mit Migrationshintergrund

Vatermal
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Familiengeschichten sind aktuell „à la mode“, wie es mir scheint. Ich lese sie immer wieder gerne, weil jede so individuell ist. So verhält es sich auch mit der vorliegenden.
Der Ich-Erzähler Arda ist ...

Familiengeschichten sind aktuell „à la mode“, wie es mir scheint. Ich lese sie immer wieder gerne, weil jede so individuell ist. So verhält es sich auch mit der vorliegenden.
Der Ich-Erzähler Arda ist Sohn einer Türkin, die im Kindesalter ihren Eltern nach Deutschland nachgezogen ist, und eines Türken, der aus politischen Gründen aus der Türkei nach Deutschland geflohen ist. Ihn hat er nie kennengelernt. Während eines Krankenhausaufenthaltes zur Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung schreibt er in Form eines Briefes an seinen Vater die Geschichte seiner Familie auf. Vor allem die Frauen nehmen eine wichtige Rolle ein. Es sind eigene Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, in der er mit anderen gleich ihm abseits der Gesellschaft stehenden Jugendlichen im Bahnhofsviertel abgehangen hat, immer mit dem gegenwärtigen Makel, keinen Pass zu haben. Dennoch macht er Abitur und beginnt ein Literaturstudium. Sein Wissen um die Mutter und Schwester bezieht er aus ihren Erzählungen am Krankenbett. Die Mutter hatte traumatische Erfahrungen nach einem Erdbeben in der Türkei, wurde gegen ihren Willen zu einer Tante gegeben und durfte erst später ihren Eltern nach Deutschland nachfolgen. Um sich von traditionellen Vorstellungen zu befreien, hat sie den Erstbesten geheiratet, Metins Vater, der ein Spieler war und mit der sicheren Gewissheit, in der Türkei langjährig inhaftiert zu werden, dorthin zurückgekehrt ist. Seine Schwester sollte mehr Freiheiten als die Mutter haben. Dennoch war beider Verhältnis zerrüttet.
Es ist wirklich bewegend, was wir zu lesen bekommen. Obwohl ganz dem Klischee eines jungen Türken entsprechend, Arda Drogen konsumiert und sich nicht in den richtigen Kreisen bewegt, kommt er durchweg sympathisch herüber. Beeindruckend ist, dass er mit seinem Vater überhaupt nicht abrechnet. Die Geschichte gibt einen äußerst interessanten Einblick in die türkische Kultur. Womit ich zu Beginn der Lektüre allerdings ein wenig gehadert hatte, waren die vielen Figuren. Ihre Namen sind mit türkischsprachigen Begriffen ergänzt wie z.B. teyze, hala, amca. Dass es sich dabei um Familienbezeichnungen Tante/Onkel etc. handelt, habe ich mir erst allmählich erschließen können. Hier wären Fußnoten hilfreich gewesen.
Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 18.04.2023

Portraits von einfachen Menschen

Das Café ohne Namen
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Dieser Roman des bekannten österreichischen Schriftstellers („Der Trafikant“, „Der letzte Satz“) kommt mit wenig Handlung aus, während die Porträtierung einer Reihe von Romanfiguren in den Vordergrund ...

Dieser Roman des bekannten österreichischen Schriftstellers („Der Trafikant“, „Der letzte Satz“) kommt mit wenig Handlung aus, während die Porträtierung einer Reihe von Romanfiguren in den Vordergrund rückt. Allen voran der Wiener Gelegenheitsarbeiter Robert Simon, der, selbst in Aufbruchstimmung, in der sich vom Krieg erholenden Stadt Mitte der 1960er Jahre ein kleines Bistro eröffnet und sich damit einen Traum erfüllt. Trotz vieler Probleme im Laufe der Jahre ist er immer für seine Mitmenschen da, für seine meist aus einfachen Verhältnissen stammenden Kunden, seine Mitarbeiter, Nachbarn, Bekannte, aus deren Leben ebenfalls Vieles geschildert wird. Das geschieht schnörkellos, konzentriert, unaufgeregt, bildhaft. Als Leser fühlt man sich fast als ein Teil dieser kleinen Gesellschaft. Die Benennung lokaler Besonderheiten wird den aus Wien stammenden Lesern gefallen.
Der Roman ist es wert, gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 11.04.2023

Was ist Wahrheit und was ist Fiktion?

Melody
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Dieses Buch hat mich deshalb sehr fasziniert, weil die persönliche Geschichte rund um den einen Protagonisten im Laufe der Darstellung so viele Wendungen nimmt, dass die beteiligten Personen und der Leser ...

Dieses Buch hat mich deshalb sehr fasziniert, weil die persönliche Geschichte rund um den einen Protagonisten im Laufe der Darstellung so viele Wendungen nimmt, dass die beteiligten Personen und der Leser sowieso schließlich nicht mehr wissen, was der Realität entspricht und was Fiktion ist. Der eine, soeben erwähnte Protagonist ist der dem Tode geweihte wohlhabende und einst sehr einflussreiche Geschäftsmann und Politiker Dr. Stotz, der dem arbeitsuchenden jungen Rechtsanwalt einen befristeten Job zur Ordnung seines Nachlasses und Beschönigung seiner Person überträgt. Schnell wird deutlich, dass tatsächlich nicht diese Aufgabe im Vordergrund der Tätigkeit von Tom Elmer steht. Vielmehr stimmt Dr. Stotz seinen Angestellten in regelmäßigen alkoholgetränkten Kamingesprächen und Mahlzeiten darauf ein, sich auf die Suche nach einer Frau namens Melody zu machen. Diese wesentlich jüngere Marokkanerin war vierzig Jahre zuvor seine Verlobte und verschwand wenige Tage vor der Hochzeit spurlos und hat Stotz nie mehr losgelassen. Elmers Nachforschungen sind spektakulär und immer wieder überraschend. Alles wird sehr pointiert dargestellt. Die sich wiederholenden detaillierten Schilderungen der einzelnen üppigen Mahlzeiten und Spirituosen hätten vielleicht etwas kürzer gefasst werden können. Etwas unwahrscheinlich mutet es auch auf mich an, dass Elmer von jetzt auf gleich sein eigenes Leben so komplett aufgibt und sich ganz der neuen Arbeit und seinem Arbeitgeber unterordnet.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Manipulierbarkeit von Kindern

Josses Tal
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Der Roman erzählt über einen Aspekt aus der Zeit des Nationalsozialismus, wie ich es bisher noch nicht gelesen habe. Die Hauptfigur – Josef bzw. Josse – wird seit Kindestagen systematisch von einem vermeintlichen ...

Der Roman erzählt über einen Aspekt aus der Zeit des Nationalsozialismus, wie ich es bisher noch nicht gelesen habe. Die Hauptfigur – Josef bzw. Josse – wird seit Kindestagen systematisch von einem vermeintlichen Förderer an die nationalsozialistische Ideologie herangeführt und indoktriniert. Aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse (ungeliebtes uneheliches Kind) ist Josef äußerst empfänglich für diese Art der Beeinflussung. Er steigt in der Rangordnung der Jugendorganisationen auf, wird in seinem schlesischen Dorf zum Spitzel und Denunzianten. Dabei lädt er eine große Schuld auf sich. Irgendwann machen sich Zweifel in ihm breit.
Die Autorin hat gut recherchiert. Gefallen hat mir, dass die Geschichte in einem Dorf angesiedelt ist, wo die Propaganda des Naziregimes doch eher nicht auf so fruchtbaren Boden treffen sollte. Doch weit gefehlt. Die erfolgreiche Manipulation eines Kindes ist erschreckend zu lesen und ist zumindest im Ansatz eine Erklärung auf die Frage späterer Generationen, wie die Zeitgenossen bei all dem Schrecklichen überhaupt mitmachen konnten. Sehr authentisch und typisch für das Schlesische ist die Wiedergabe von Personenbezeichnungen unter Voranstellung des Nachnamens und des nachfolgenden Vornamens oder Berufes. Ein wenig rasch ging es mir am Ende zu mit der raschen Läuterung und Flucht von Josef.
Zu empfehlen für Leser historischer Romane aus der Zeit des Nationalsozialismus.

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