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Veröffentlicht am 02.03.2024

Einblicke in eine fundamentalistische Glaubensgemeinschaft

Der rechte Pfad
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Zugegebenermaßen ist mir der Einstieg in die Lektüre am Anfang etwas schwer gefallen. Das mag an dem stetigen und nicht immer deutlich gemachten Wechsel zwischen den Gegebenheiten in der Gegenwart und ...

Zugegebenermaßen ist mir der Einstieg in die Lektüre am Anfang etwas schwer gefallen. Das mag an dem stetigen und nicht immer deutlich gemachten Wechsel zwischen den Gegebenheiten in der Gegenwart und 25 Jahre zuvor gelegen haben, an der merkwürdigen, umgangssprachlich klingenden wörtlichen Rede (bei der Haushälterin sogar abgehackt) der Einheimischen des fiktiven nordrhein-westfälischen Dorfes Welsum und der häufig einen religiösen Bezug aufweisenden Kapitelüberschriften (die zugleich der am Buchende abgedruckten Playlist des Protagonisten Benjamin entsprechen). Nach und nach wurde mir die Geschichte aber zusehends zugänglicher und begann mich in ihren Bann zu ziehen, weil sie sich eines immer noch aktuellen Themas annimmt – Sekten in Deutschland, hier in Gestalt einer größeren Gruppe von Dorfbewohnern, die wohl als evangelikale Christen einzuordnen sind, also als Christen, die ihren Glauben stark betonen und ihren Alltag danach ausrichten. Als sehr bedrückend empfand ich es zu lesen, zum einen wie einzelne, besonders junge Mitglieder unter der Einstellung ihrer Gemeinschaft zu leiden haben, etwa weil sie homosexuell sind, was die Glaubensgemeinschaft verdammt, zum anderen, was für eine rechtsgerichtete Gesinnung sie haben. Da mir solche fundamentalistischen Ausrichtungen unbekannt sind, habe ich das Buch als gute Gelegenheit empfunden, mich einmal mit derartigen Denkweisen auseinanderzusetzen. Vermisst habe ich allerdings, Einzelheiten über das familiäre Umfeld des Protagonisten Benjamin zu erfahren. Insoweit war ich gezwungen, von dem stichwortartig Angedeuteten meine eigenen Vermutungen anzustellen. Ferner sollte man musikaffin sein und vielleicht die Songs der o.g. Playlist kennen, denn die Musik spielt für Benjamin und eine große Rolle.

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Veröffentlicht am 25.02.2024

Autobiografisches

Der Lärm des Lebens
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Der Schauspieler Jörg Hartmann, bekannt als Darsteller auf großen Theaterbühnen und als Dortmunder Tatort-Kommissar, legt einen sehr persönlichen Roman vor. Man muss ihn nicht kennen, um seine Familiengeschichte ...

Der Schauspieler Jörg Hartmann, bekannt als Darsteller auf großen Theaterbühnen und als Dortmunder Tatort-Kommissar, legt einen sehr persönlichen Roman vor. Man muss ihn nicht kennen, um seine Familiengeschichte zu lesen und an ihr Gefallen zu finden. Interessant sind vor allem die immer wieder kehrenden Erinnerungen Hartmanns an seine Kindheit in Herdicke im Ruhrpott. Sehr liebevoll erzählt er vor allem von seinen Eltern und – nie kennengelernten - Großeltern, die beide gehörlos waren. Sehr authentisch wird alles dadurch, dass die wörtlichen Reden der Beteiligten in der Ruhrpott-Sprache wiedergegeben werden. Sehr schön lesen sich die einen oder anderen Anekdoten. Wer auch aus dem Pott stammt, hat sicherlich so manches Wiedererkennungserlebnis. Positiv hervorzuheben sind auch Hartmanns Einblicke auf zeitgeschichtliches Geschehen wie den Mauerbau, die Coronapandemie oder politisch motivierte Attentate. Etwas gelangweilt haben mich allerdings die Schilderungen zu Hartmanns beruflichem Werdegang, die sich vor allem auf seine Anfangszeit nach der Schauspielschule konzentrieren. Mir erschien es als eine Aufzählung von Theaterstücken, in denen er mitgewirkt hat. Als negativ empfand ich auch den etwas schwermütigen Ton, der hier dominiert. Das führt letztlich dazu, dass ich das Buch als im Mittelmaß liegend bewerte.

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Veröffentlicht am 16.02.2024

Die Seele des Menschen

ruh
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Ruh bedeutet in der islamischen Theologie die Seele oder der Geist des Menschen. Damit deutet der Buchtitel schon darauf hin, dass die Geschichte philosophische Bezüge hat. Und diese sind für mich nicht ...

Ruh bedeutet in der islamischen Theologie die Seele oder der Geist des Menschen. Damit deutet der Buchtitel schon darauf hin, dass die Geschichte philosophische Bezüge hat. Und diese sind für mich nicht einfach zu verstehen. Das fängt bereits mit dem Ausgangspunkt an, dass der Protagonist Cemal nachts von seiner türkischen Großmutter träumt, die bereits kurz vor seiner Geburt gestorben ist. Diese soll wiedergeboren sein und alles, was sie sieht, soll wahr werden. Cemals Träume nehmen im Laufe der Geschichte zu, so dass für mich alles eine zu wirre Entwicklung nimmt. Sehr viel mehr konnte ich mit dem realen Geschehen in Gegenwart und Vergangenheit von Cemal anfangen, so dass die diesbezüglichen Passagen mir sehr viel besser gefallen haben. Hier geht es um das von ihm nie verarbeitete Trauma, von seinen Eltern bis zum Alter von acht Jahren alleine in der türkischen Heimat bei Verwandten zurückgelassen worden zu sein, weil diese als Gastarbeiter in Deutschland arbeiteten. Diese Erfahrung hat bei ihm Bindungs- und Verlustängste ausgelöst, die er auf seine kleine, bei seiner geschiedenen Frau lebende Tochter und seinen homosexuellen Freund überträgt. Interessant und aktuell ist auch, wie Cemal in seinem Alltagsleben als Grundschullehrer und Vater immer wieder auf Rassismus trifft.
Zum Formalen sei noch angemerkt, dass der Stammbaum am Ende des Buches sehr hilfreich ist. Hingegen habe ich ein Glossar vermisst, in dem die vielen türkischen Wörter und Sätze übersetzt werden, die häufig nicht selbsterklärend sind.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Lesenswerte Familien- und Dorfgeschichte

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
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Der Buchtitel mutet in seiner Länge etwas merkwürdig an, sollte aber nicht vom Lesen des Buches abhalten. Es handelt sich um eine wirklich lesenswerte Familien- und Dorfgeschichte, die 1994 in einem Kärntner ...

Der Buchtitel mutet in seiner Länge etwas merkwürdig an, sollte aber nicht vom Lesen des Buches abhalten. Es handelt sich um eine wirklich lesenswerte Familien- und Dorfgeschichte, die 1994 in einem Kärntner Dorf am Fuß der Karawanken angesiedelt ist und in der Rückschau auch die davor liegenden Jahre einbezieht. Erzählt wird alles von einem 11jährigen Mädchen, das viel lieber ein Junge wäre und sich entsprechend benimmt und ausschaut. Anlässlich des Umzugs seiner Familie aus dem eigenen Gasthof sitzt es unter einem der Umzugs-LKWs und beobachtet die zahlreichen Umzugshelfer aus der Familie und der Dorfgemeinschaft. Zu jedem weiß es erstaunliche Geschichten zu erzählen, die sich für den außenstehenden Leser zu einem Besorgnis erregenden Bild über Kärnten zusammenfügen. Anstelle eines Dorfidylls wird uns von einem Haufen braun Gesonnener berichtet, von Burschenschaften und Landjugend, von dem Vater der Erzählerin und seinem Stolz auf geerbten Mutterorden und Ariernachweis sowie seinem Hang zur Gewalt gegenüber seinen Kindern, der Vertuschung eines Unglücks, das die Erzählerin noch über Jahre nicht loslässt. Es wundert jedenfalls nicht, dass sie misstrauisch beäugt wird. Der Erzählstil ist nicht unbedingt der Sprache eines Kindes angepasst, ist aber in seiner Mischung aus Sachlichkeit und feinem Humor gut gelungen. Das Tüpfelchen auf dem i sind für mich die vielen eingestreuten Dialoge und Begriffe in Kärntner Dialekt, die alle Personen so authentisch wirken lassen.

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Veröffentlicht am 08.02.2024

Der Traum von der ewigen Jugend wird wahr

Wir werden jung sein
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Der Name des Autors verspricht lesenswerte Literatur. So ist jedenfalls meine Erfahrung bei seinen Romanen „Der Held vom Bahnhof Friedrichstrasse“ sowie „Wo wir zu Hause sind“ und jetzt erneut bei seinem ...

Der Name des Autors verspricht lesenswerte Literatur. So ist jedenfalls meine Erfahrung bei seinen Romanen „Der Held vom Bahnhof Friedrichstrasse“ sowie „Wo wir zu Hause sind“ und jetzt erneut bei seinem neuesten Buch.
In ihm greift er ein Thema auf, das uns schon seit Menschen Gedenken beschäftigt – der Traum von der ewigen Jugend. Die medizinische Forschung zur biologischen Verjüngung, betrieben von einem Professor der Berliner Charité, verzeichnet nun tatsächlich erfolgreiche Ergebnisse; vier an einer Herzmuskelschwäche erkrankte Probanden, denen im Rahmen einer Medikamentenstudie ein neues Präparat verabreicht wird, werden als Nebenwirkung immer jünger. Das verändert erst ihr Leben drastisch und rasant, hat aber auch weltweite politische, gesellschaftliche und moralische Auswirkungen. Zu den verschiedenen Aspekten erhalten die vier Patienten, der Professor und eine Ethikerin abwechselnd das Wort, so dass die Problematik umfassend dargestellt wird. Das geschieht keinesfalls in einer trockenen Abhandlung, sondern sehr lebendig und mit feinem Humor. Ganz nebenbei werden weitere interessante Themen behandelt, die vom Autor gut recherchiert wurden, wie z.B. der Schwimmleistungssport oder die Kinderwunschtherapie.
Das Buch kann ich jedem empfehlen.

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