Profilbild von uli123

uli123

Lesejury Star
offline

uli123 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit uli123 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.12.2023

Aus Liebe zum Backen und zum Ehemann

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
0

Die Endsiebzigerin Jenny Quinn ist eine passionierte Bäckerin und backt nach alten Familienrezepten. Mit ihnen verbindet sie besondere Erinnerungen aus ihrem Leben, darunter auch sehr schmerzliche. Drei ...

Die Endsiebzigerin Jenny Quinn ist eine passionierte Bäckerin und backt nach alten Familienrezepten. Mit ihnen verbindet sie besondere Erinnerungen aus ihrem Leben, darunter auch sehr schmerzliche. Drei der Rezepte hat sie vor sechzig Jahren in einem Notizheft notiert, das in dieser Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Seither hütet sie ein Geheimnis, selbst vor ihrem geliebten Mann Bernie. Im Alter will sie endlich etwas Neues wagen und sie bewirbt sich für eine TV-Backshow, in deren Folge ihr Geheimnis aufgedeckt wird.
Der Roman rund um Jenny, ihre Familie und die Teilnahme an der Backshow liest sich schnell und er ist unterhaltsam. Die Figuren haben etwas typisch Britisches an sich. Jenny und Bernie werden sehr liebevoll dargestellt und sind es auch nach 60jähriger Ehe zueinander. Allerdings ist Bernie vielleicht etwas zu zurückhaltend und verständnisvoll gegenüber seiner Frau, die ja Einiges vor ihm verbirgt. Zwar werden keinerlei Kuchenrezepte eingeführt. Doch sind sie so detailliert und liebevoll beschrieben genau wie die fertigen Kuchen, dass man sich eine gute Vorstellung von dem Gebackenen machen kann und einem das Wasser im Munde zusammenläuft. Allerdings frage ich mich, wer die Unmengen von Kuchen, die Jenny schon immer gebacken hat, in ihrem Zweipersonenhaushalt wohl gegessen haben mag. Gut gefallen haben mir die Rückblicke in die Vergangenheit, zu denen jeweils etwas Gebackenes Anlass gibt. Das Ende der Geschichte ist recht bald voraussehbar.
Alles in allem eine zu empfehlende Lektüre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2023

Woran ist man schuld?

Kein guter Mann
0

Andreas Izquierdo liebt es anscheinend, eigenwillige Charaktere in seinen Romanen zum Protagonisten zu machen. So geschehen in seinem ersten Roman „Das Glücksbüro“ und jetzt wieder im vorliegenden Roman. ...

Andreas Izquierdo liebt es anscheinend, eigenwillige Charaktere in seinen Romanen zum Protagonisten zu machen. So geschehen in seinem ersten Roman „Das Glücksbüro“ und jetzt wieder im vorliegenden Roman. In ihm hadert der Postbote Walter mit sich und der Welt und macht sich bei den Menschen in seinem Umfeld, bei seiner (schon sehr lange von ihm getrennten) Familie, seinen Vorgesetzten unbeliebt. Natürlich gibt es einen Grund, der Walter so hat werden lassen. Dieser liegt in seiner Vergangenheit und belastet ihn bis zur Gegenwart mit schweren Schuldgefühlen. Am Leser ist es nun, selbst zu beurteilen, ob Walter wirklich an irgendetwas schuld ist. Ein kleiner Junge, mit dem Walter sich per Brief-/Email-Kontakt in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter einer Christkindfiliale der Post angefreundet hat – sich als Gott ausgebend -, hat sich hierzu jedenfalls sein eigenes Urteil gebildet. Es wird also ersichtlich, dass die Geschichte es mit einem zum Nachdenken anregenden Thema zu tun hat. Das Schöne aber ist, dass darüber der Humor nicht vergessen wird. In bleibender Erinnerung wird mir die Passage (S. 95 f.) bleiben, in der der Azubi Walter seinem Vorgesetzten den Unterschied zwischen Wertsack und Wertbeutel erklären soll. Seine Erklärungen sind wahre Zungenbrecher! Das leitet sogleich dazu über zu sagen, dass der Autor sehr gute Recherchen zur Arbeit bei der Post früher und heute gemacht hat. Kleine Abschläge in der Bewertung mache ich nur deshalb, weil einige Beziehungen und Vorkommnisse etwas konstruiert erscheinen, wie etwa, dass sich der minderjährige Walter in die noch jüngere Tochter eines reichen Unternehmers verliebt, der sogleich zu seinem Förderer wird.
Ein zu empfehlender Unterhaltungsroman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.08.2023

Spannende Geschichte über Freundschaft und Vergeltung

Rattensommer
0

Dieses Buch ist zwar ein Jugendbuch, kann aber gut auch von Erwachsenen gelesen werden.
Es geht um zwei fünfzehnjährige Freundinnen, deren Freundschaft unerschütterlich zu sein scheint. Doch ein Sommer ...

Dieses Buch ist zwar ein Jugendbuch, kann aber gut auch von Erwachsenen gelesen werden.
Es geht um zwei fünfzehnjährige Freundinnen, deren Freundschaft unerschütterlich zu sein scheint. Doch ein Sommer verändert alles. Denn Sonny, deren Mutter einige Jahre zuvor unabsichtlich bei einer Auseinandersetzung zwischen einem Imbissverkäufer und einem trunkenen Kunden ums Leben gekommen ist, will sich nun an dem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Täter rächen. Dabei zählt sie auf Lous Hilfe. Zwischen beiden bahnt sich zudem eine körperlich nahe Beziehung an. Lou allerdings betrachtet die Pläne ihrer Freundin besonnener und sieht in dem Täter auch den Menschen. Auch Lou trägt ein Trauma mit sich. Denn ihre ältere Schwester ist ein sog. Sternenkind.
Atmosphärisch ist dieser Roman sehr gelungen. Wie sich Sonnys blinder Hass für den Mann, der den Tod ihrer Mutter verursacht hat, intensiviert, macht das Lesen unheimlich spannend. Nachdenkenswert ist, ob die Beziehung zwischen beiden Mädchen tatsächlich Freundschaft ist. Zum Geben bereit ist nämlich nur eine, während die andere nur fordert. Auch die übrigen Romanfiguren sind gut gezeichnet, vor allem Lous Eltern, von denen jedes Elternteil den Verlust ihres tot geborenen ersten Babys anders verarbeitet.
Durchaus lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.07.2023

Bewegende Familiengeschichte mit Migrationshintergrund

Vatermal
0

Familiengeschichten sind aktuell „à la mode“, wie es mir scheint. Ich lese sie immer wieder gerne, weil jede so individuell ist. So verhält es sich auch mit der vorliegenden.
Der Ich-Erzähler Arda ist ...

Familiengeschichten sind aktuell „à la mode“, wie es mir scheint. Ich lese sie immer wieder gerne, weil jede so individuell ist. So verhält es sich auch mit der vorliegenden.
Der Ich-Erzähler Arda ist Sohn einer Türkin, die im Kindesalter ihren Eltern nach Deutschland nachgezogen ist, und eines Türken, der aus politischen Gründen aus der Türkei nach Deutschland geflohen ist. Ihn hat er nie kennengelernt. Während eines Krankenhausaufenthaltes zur Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung schreibt er in Form eines Briefes an seinen Vater die Geschichte seiner Familie auf. Vor allem die Frauen nehmen eine wichtige Rolle ein. Es sind eigene Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, in der er mit anderen gleich ihm abseits der Gesellschaft stehenden Jugendlichen im Bahnhofsviertel abgehangen hat, immer mit dem gegenwärtigen Makel, keinen Pass zu haben. Dennoch macht er Abitur und beginnt ein Literaturstudium. Sein Wissen um die Mutter und Schwester bezieht er aus ihren Erzählungen am Krankenbett. Die Mutter hatte traumatische Erfahrungen nach einem Erdbeben in der Türkei, wurde gegen ihren Willen zu einer Tante gegeben und durfte erst später ihren Eltern nach Deutschland nachfolgen. Um sich von traditionellen Vorstellungen zu befreien, hat sie den Erstbesten geheiratet, Metins Vater, der ein Spieler war und mit der sicheren Gewissheit, in der Türkei langjährig inhaftiert zu werden, dorthin zurückgekehrt ist. Seine Schwester sollte mehr Freiheiten als die Mutter haben. Dennoch war beider Verhältnis zerrüttet.
Es ist wirklich bewegend, was wir zu lesen bekommen. Obwohl ganz dem Klischee eines jungen Türken entsprechend, Arda Drogen konsumiert und sich nicht in den richtigen Kreisen bewegt, kommt er durchweg sympathisch herüber. Beeindruckend ist, dass er mit seinem Vater überhaupt nicht abrechnet. Die Geschichte gibt einen äußerst interessanten Einblick in die türkische Kultur. Womit ich zu Beginn der Lektüre allerdings ein wenig gehadert hatte, waren die vielen Figuren. Ihre Namen sind mit türkischsprachigen Begriffen ergänzt wie z.B. teyze, hala, amca. Dass es sich dabei um Familienbezeichnungen Tante/Onkel etc. handelt, habe ich mir erst allmählich erschließen können. Hier wären Fußnoten hilfreich gewesen.
Sehr lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.04.2023

Portraits von einfachen Menschen

Das Café ohne Namen
0

Dieser Roman des bekannten österreichischen Schriftstellers („Der Trafikant“, „Der letzte Satz“) kommt mit wenig Handlung aus, während die Porträtierung einer Reihe von Romanfiguren in den Vordergrund ...

Dieser Roman des bekannten österreichischen Schriftstellers („Der Trafikant“, „Der letzte Satz“) kommt mit wenig Handlung aus, während die Porträtierung einer Reihe von Romanfiguren in den Vordergrund rückt. Allen voran der Wiener Gelegenheitsarbeiter Robert Simon, der, selbst in Aufbruchstimmung, in der sich vom Krieg erholenden Stadt Mitte der 1960er Jahre ein kleines Bistro eröffnet und sich damit einen Traum erfüllt. Trotz vieler Probleme im Laufe der Jahre ist er immer für seine Mitmenschen da, für seine meist aus einfachen Verhältnissen stammenden Kunden, seine Mitarbeiter, Nachbarn, Bekannte, aus deren Leben ebenfalls Vieles geschildert wird. Das geschieht schnörkellos, konzentriert, unaufgeregt, bildhaft. Als Leser fühlt man sich fast als ein Teil dieser kleinen Gesellschaft. Die Benennung lokaler Besonderheiten wird den aus Wien stammenden Lesern gefallen.
Der Roman ist es wert, gelesen zu werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere