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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.11.2018

Eine neue beste Freundin

Good Morning, Mr. President!
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Es fühlt sich so an als würde die beste Freundin einem die spannendeste Geschichte des Jahres erzählen. Beck Dorey-Stein hat einen so angenehmen, locker-leichten Schreibstil als würde sie direkt neben ...

Es fühlt sich so an als würde die beste Freundin einem die spannendeste Geschichte des Jahres erzählen. Beck Dorey-Stein hat einen so angenehmen, locker-leichten Schreibstil als würde sie direkt neben einem stehen und einem die spannenden Geschichten aus dem Weißen Haus direkt ins Ohr flüstern. Sie nimmt uns mit auf eine Reise nicht nur durchs Weiße Haus und die Arbeitsabläufe einer Stenographin, sondern auch durch die entferntesten Länder dieser Welt, den Dschungel der Politik, aber vor allem ihr Privatleben.

So geht es in "Good Mordning, Mr. President" weniger - wie Titel und Untertitel des Buchs vermuten lassen - um den Präsidenten selbst. Der spielt wie im Klappentext ganz richtig beschrieben nur eine Nebenrolle. Nein, in "Good Morning, Mr. President" geht es um einen ganz besonderen Lebensabschnitt einer jungen Frau, die im Weißen Haus nicht nur einen aufregenden Job, viele neue Freunde (und Feinde) und so etwas wie Liebe findet - sie findet vor allem auch sich selbst. Diese Reise zu begleiten ist dank des fesselnden Schreibstils genauso spannend wie selbst in der Air Force One zu sitzen und es zeigt sich: Das wahre Leben schreibt eben immer noch die besten Geschichten. Ich ziehe meinen Hut vor der Autorin, die in meinen Augen sehr viel Mut bewiesen hat, ein Buch wie dieses zu veröffentlichen und insbesondere die eigenen Fehler und Schwächen schonungslos und ehrlich vor dem Leser auszubreiten.

Wer also mit der Erwartung an dieses Buch geht, mehr über das (Arbeits-)Leben einer jungen Frau mit all seinen Höhen und Tiefen zu erfahren, der greift hier nach genau den richtigen Buch, um sich ein paar schöne Stunden lang ins Weiße Haus zu träumen. Wer jedoch pikante Details aus dem Arbeits- oder Privatleben von Barack Obama erwartet, der ist mit einer Biografie von ihm wohl besser bedient. Ich jedenfalls habe diese kurzweilige Lektüre sehr genossen und kann sie nur jedem empfehlen, der einen kleinen Einblick in das Leben und Werken einer Stenographin des Weißen Hauses bekommen möchte.

Veröffentlicht am 30.05.2018

Grandios, turbulent, fulminant

Kleine Feuer überall
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Man muss diese Autorin einfach bewundern. Celeste Ng versteht ihr Handwerk und hat mit "Kleine Feuer überall" genau das wieder einmal bewiesen. Mit einem wunderschönen, einnehmenden Schreibstil nimmt sie ...

Man muss diese Autorin einfach bewundern. Celeste Ng versteht ihr Handwerk und hat mit "Kleine Feuer überall" genau das wieder einmal bewiesen. Mit einem wunderschönen, einnehmenden Schreibstil nimmt sie uns mit nach Shaker Heights, eine Kleinstadt mir vielen Regeln und vielen Verboten, um das perfekte Idyll zu schaffen - nur leider ist in diesem Idyll nichts so perfekt wie es scheint.

Mühelos gelingt es Ng zwischen den Perspektiven der 6-köpfigen Familie Richardson, ihren Mietern Mia und Pearl und zahlreichen Nebencharakteren hin und her zu wechseln, ohne den Leser dabei auch nur ein einziges Mal zu verlieren. Dabei wirft sie durch das grandios beschriebene Setting nicht nur Gesellschafts-, sondern durch die Figurenkonstellation auch Generationenfragen auf und umreißt anschaulich und ohne Wertung Themen wie Adoption, Abtreibung und Leihmutterschaft.
Dass hier keine Wertung stattfindet, gelingt Ng insbesondere dadurch, dass es keinen herausragenden Sympathieträger unter den Figuren gibt; als Leser steht man allen Figuren dank ihrer ausgeprägten Stärken und Schwächen im Laufe der Geschichte unterm Strich neutral gegenüber und kann sich deshalb ein eigenes Urteil über die angesprochenen Themen bilden.

Doch nicht nur Schreibstil, Figuren und Setting können überzeugen, auch der Aufbau der Geschichte, die eigentlich mit dem Ende beginnt, zeugt von wahrer Kunst und macht einfach Spaß zu lesen. Ng schafft es, über die 380 Seiten hinweg konstant die Spannung aufrecht zu erhalten, denn man MUSS einfach wissen, was es mit den kleinen Feuern auf sich hat und wie am Ende alles zusammenhängt.

Der Titel des Buchs ist sehr gut gewählt, auch das Cover kann ich im Nachhinein als gelungen bezeichnen, obwohl ich es vor dem Lesen als zu schlicht für den Titel empfunden hatte.

Insgesamt ein grandioses, wunderbar zu lesendes Buch mit turbulentem Ende, das ich insbesondere Fans von "Ein plötzlicher Todesfall" von J. K. Rowling empfehlen kann.

Veröffentlicht am 24.05.2018

Anständigkeit, Tugend und Moral

Die Herzen der Männer
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Um schon mal das Fazit vorweg zu nehmen: "Die Herzen der Männer" hat mich mitgerissen. Man begleitet die Charaktere durch ihr ganzes Leben und hat am Ende das Gefühl, sie wirklich zu kennen und das Leben ...

Um schon mal das Fazit vorweg zu nehmen: "Die Herzen der Männer" hat mich mitgerissen. Man begleitet die Charaktere durch ihr ganzes Leben und hat am Ende das Gefühl, sie wirklich zu kennen und das Leben mit ihnen gemeinsam gelebt zu haben. Nickolas Butler hat einen tollen Schreibstil, der einen in diese faszinierende Pfadfinder-Welt führt und einen am Ende wünschen lässt, man wäre selbst mal Pfadfinder gewesen.

Aber jetzt mal von Anfang an: Das Buch ist in 4 Teile geteilt, in jedem neuen Teil findet ein Zeitsprung statt und die Perspektive wechselt. Was jedoch immer erhalten bleibt ist der Protagonist Nelson, der im 1. Teil noch ein Kind, später dann ein alter Mann ist, für den eines aber immer wichtig war: Pfadfinder sein. Allzeit bereit. Wir erleben seinen Kampf gegen die überlegenen anderen Jungs im Pfadfinderlager, erleben mit, wie er schließlich Campführer wird und auch noch als alter Mann versucht, die Kids im Lager zu den besten Männern zu machen, die sie sein können.

Nelson ist es auch, der die interessanteste und schönste Charakterentwicklung durchmacht, auch wenn wir im Buch noch andere Figuren sehr genau kennenlernen und auch diese über einen großen Zeitraum hinweg bei ihrer Entwicklung beobachten können. Nickolas Butler gelingt es hierbei sehr gut, eine stetige subtile Spannung aufzubauen, denn die Charaktere wachsen einem so schnell ans Herz, dass man unbedingt erfahren möchte, wie es mit ihnen weitergeht.

Obwohl es in dem Buch sehr stark auch darum geht, das beste aus sich herauszuholen, hat es nie den Beigeschmack der heute so proklamierten "Selbstoptimierung". Durch das Setting im Pfadfinderlager geht es vielmehr um gute, alte Tugenden, um Anständigkeit, Tradition und Moral. Dabei kommt es aber nie altbacken oder belehrend daher, sondern bleibt modern und regt zum Nachdenken über die eigenen Werte an.

Mich hat das Buch sehr berührt und gerade das Ende hat für richtig Gänsehaut gesorgt. Trotzdem kann ich letzten Endes nicht 5 Sterne vergeben, da der Titel des Buchs doch etwas andere Erwartungen geschürt hat. Denn in "Die Herzen der Männer" bekommt man weniger einen Einblick in die Herzen als vielmehr in die Denkweise und den Moralkodex der Männer.